Chinael 2: Jüdische Mütter, chinesische Töchter

Das englische Original von Merri Rosenberg trägt den Titel Jewish Moms, Chinese daughters, ist in der Frühjahrsausgabe 2006 bei Lilith.org erschienen [PDF hier] und wurde auf  Interfaithfamily.com mit der Erlaubnis von Lilith.org öffentlich im Internet zugänglich gemacht. Übersetzt von Osimandia (die Übersetzung wurde erstmals am 27. Juli 2013 auf „As der Schwerter“ veröffentlicht und ist auch hier im „Archiv des Verbotenen Wissens“ nachveröffentlicht).

Es fällt einfach ein bisschen schwer, sich vorzustellen, dass diese kleine Chinesenpuppe den Namen meiner Mutter trägt. Deine Großmutter – es wäre schwierig, ihr das zu erklären.” aus Sarah, Sarah, Bühnenstück (2004) von Daniel Goldfarb.

Aber es ist nicht mehr schwierig zu erklären. Während des vergangenen Jahrzehnts sind zahlreiche jüdische Großeltern mit der Situation vertraut geworden, die in diesem Bühnenstück erforscht wird, teilweise aufgrund der Entscheidung einer älteren, alleinstehenden jüdischen Frau, ein kleines Chinesenmädchen zu adoptieren. Es ist ganz genauso wie im richtigen Leben.

Heute „ist man schockiert, wenn man ein asiatisches Kind mit einem asiatischen Elternteil sieht,” beschreibt Miriam Hipsh ihre Beobachtungen aus ihrer ehemaligen Nachbarschaft in der Upper West Side von New York. Hipsh ist eine 59 Jahre alte Schriftstellerin und Gründerin einer Partnervermittlungs-Webseite für über 50-Jährige; sie adoptierte ihre Tochter WuQing vor 11 Jahren.

Hipshs Erfahrung – und Goldfarbs Bühnenstück – spiegeln das Zusammenlaufen zweier Trends wider: Ältere Jüdinnen, von denen einige Jahrzehnte damit verbracht haben, Karrieren aufzubauen, und die dann doch noch Mutterschaft erleben wollen, sowie Chinas „Einkind-Politik”, die dazu führt, dass zahllose Babymädchen in Waisenhäusern abgegeben werden. Das Phänomen, das daraus entstand – alleinstehende jüdische Frauen, die chinesische Töchter adoptieren – hat begonnen, die jüdische Gemeinschaft zu transformieren. In Vorschulen, Tagesstätten und außerschulischen religiösen Programmen quer durch das Land absorbieren asiatische Mädchen jüdische Traditionen mit Liedern, Geschichtsunterricht und Gebeten, und erlernen das Dawenen [das Rezitieren jüdischer Gebete], das sie dazu befähigt, ihren Platz in der Bima einzunehmen. Und gleichzeitig lassen ihre gewissenhaften jüdischen Mütter, die begierig darauf sind, dass ihre Töchter sowohl ihr jüdisches als auch ihr asiatisches Erbe annehmen, sie in chinesische Sprachkurse oder chinesische Tanz-, Kunst- und Musikprogramme einschreiben, um die diverse Identität ihrer Mädchen zur Entfaltung zu bringen.

WuQing Hipsh, die jetzt 12 Jahre alt ist, ist ein Produkt der Babykrippe und des Vorkindergartenprogramms der Stephen Wise Synagoge von Manhattan und hat die Hebräische Schule von B’nai Jeshurun in Manhattan absolviert. (Wie die meisten Kinder, die von Juden adoptiert wurden, wurde WuQing als Baby formell zum Judentum konvertiert). Seit 2003 leben Hipsh und WuQing in East Hampton, New York, wo WuQing (die ihren hebräischen Namen Devorah Sarah in Erinnerung an Hipshs verstorbene Mutter Dorothy trägt) in ihrer Mittelschule Chinesischunterricht hat und nebenher eine örtliche Hebräischschule besucht. Sie bereitet sich für ihre Bat Mitzwa im kommenden Jahr vor. „Wir gehören zu Adas Yisroel, einer sehr kleinen Gemeinde in Sag Harbor, New York, die wie eine Gemeinschaft ist,” sagt Hipsh. „Sie heißen sie willkommen und sie wird von der Synagoge sehr geliebt. Es ist ein wundervolles Gefühl.”

Wie klein auch immer dieses Phänomen alleinstehender jüdischer Mütter mit adoptierten chinesischen Töchtern in einem größeren demographischen Kontext statistisch gesehen auch sein mag, es hat die Landschaft der jüdischen Gemeinden auf eine Weise transformiert, an die man nicht einmal im Traum gedacht hätte, als diese Gründermütter sich vor etwas mehr als einem Jahrzehnt nach China aufmachten.

Scott Rubin, der zusammen mit Gary Tobin and Diane Tobin Coautor von In Every Tongue: The Racial and Ethnic Diversity of the Jewish People (2005) ist, sagt: „Chinesische Mädchen werden von alleinstehenden Frauen aus der jüdischen Gemeinde zum Teil deswegen adoptiert, weil Frauen mit höherer Bildung später Kinder haben und Adoption der ideale Weg dafür ist, und weil chinesische Mädchen für Adoptionen verfügbar sind.“ Es gibt aber auch noch einen zusätzlichen Vorteil, sagt Rubin. „Chinesische Mädchen werden als weniger bedrohlich (im Vergleich zu Jungen und Kindern anderer Herkunft) gesehen. Wir haben definitiv das positive Vorurteil über asiatische Mädchen gehört … ‘gutes Benehmen’, ‘sanftes Naturell’ und dass sie gute Schülerinnen sind.”

Die Rabbinerin und Kantorin (sie hat beide Titel) Angela Warnick Buchdahl, vom Westchester  Reform Temple in Scarsdale, New York, ist die Tochter einer koreanischen Mutter und eines aschkenasisch-jüdischen Vaters. Sie wuchs in einem jüdischen Haushalt auf und meint: „Es ist heute anders als damals, als ich noch ein Kind war. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man Kinder verschiedener Rassen sieht, die jüdisch sind.”

Und doch stellt sie fest, dass „kleine Kinder sich umsehen, und keine jüdischen Kinder sehen, die aussehen wie sie. Es ist immer noch schwer. Und auf einer intellektuellen Ebene stellt sich die ganze Frage ‘Was bedeutet es, Jude zu sein?’ Man ist Teil einer Religionsgemeinschaft, aber man ist auch Teil eines Volkes, einer Ethnie oder sogar einer Rasse. Sind wir wirklich eine offene Gemeinschaft oder sind wir das nicht?”

Diese Fragen haben begonnen, Gelehrte zu faszinieren, die solche Themen wie jüdische Identität außerhalb des konventionellen aschkenasischen eurozentrischen Modells erforschen. Patricia Lin, die selber Wahljüdin ist, ist Projektkoordinatorin der zwischen 2003 und 2007 durchgeführten Studie über „Asiatisch-jüdische Erfahrungen und Identitäten” an der Universität von Kalifornien/Berkeley. Sie sagt: „Es gibt – nicht nur bezüglich Asiaten – innerhalb der jüdischen Gemeinde ein Ringen darum, sich über die wahre Diversität der jüdischen Welt klar zu werden.”

Buchdahl fügt hinzu: „Es sollten Bilder von nichtweißen Kindern in unseren [jüdischen] Büchern, Filmen und Videos sein. Es gibt diese aschkenasische Haltung, dass sie die jüdische kulturelle Norm wären. Die jüdische Gemeinschaft Nordamerikas ist nicht ehrlich bei der Darstellung der historischen Diversität unserer Gemeinschaft. Es ist eine Herausforderung für uns. Wir kommen aus gemischten Menschenmengen („mixed multitudes”), und doch ist die jüdisch-europäische Gemeinschaft die einzige, die gelehrt wird. Wir alle wurden durch dieses neue Wissen gestärkt, belebt und bereichert.”

In ihrem Buch zeigen Gary und Diane Tobin und Scott Rubin, dass die Juden Nordamerikas tatsächlich eine multirassische, diverse Gemeinschaft sind. Nach ihren Forschungen sind 20 Prozent der sechs Millionen Juden in den Vereinigten Staaten nicht kaukasisch: asiatisch-amerikanisch (die adoptierten chinesischen Mädchen sind kein statistisch signifikanter Teil dieser Bevölkerung), afroamerikanisch, latino, sephardisch, nahöstlich und gemischtrasssig. Konversionen, Adoptionen und gemischte Ehen haben alle zu dieser Neudefinition, wer „jüdisch aussieht”, beigetragen. Gary Tobin führt in einem Telefoninterview aus, dass „die Zusammensetzung des jüdischen Volkes schon immer bemerkenswert divers war. Bibelgelehrte werden uns bestätigen, dass wir eine Ansammlung von Stämmen waren. Beachten Sie die Torah. Abraham, Isaak und Jakob nahmen sich Ehefrauen von anderswo. Moses und David heirateten schwarze Frauen.”

Lee Miller, eine Bühnenautorin aus New York, die sich im Jahr 2000 als alleinstehende Frau zu einer Adoption entschlossen hat, erinnert sich:

„Ich dachte zunächst daran, nach Russland zu gehen, da das mein familiärer Hintergrund ist.”  Beunruhigt über Berichte, die sie über adoptierte russische Babys mit vorgeburtlichem Alkoholsyndrom oder anderen Gesundheitsproblemen gelesen hatte – und heimgesucht von der Vorstellung, dass ihr Kind sie eines Tages ansehen und dabei denken könnte: „Meine Vorfahren haben ihre Vorfahren umgebracht”, sah sie sich dann anderweitig um. Miller sagt, dass sie herausgefunden hatte, dass die chinesischen Kinder im Gegensatz dazu aus „regulären Familien” kommen und deswegen für eine Adoption verfügbar sind, weil ihre Eltern entweder zu arm sind, sie großzuziehen, oder weil die Kinder aufgrund Chinas Einkind-Politik aufgegeben wurden.”

Nachdem sie eine Dokumentation über aufgegebene chinesische Babymädchen gesehen hatte, fühlte Miller, dass „all diese kleinen Mädchen Hilfe brauchen”. Und so unternahm sie die Reise, um ihre Tochter Emma Yael zu finden, die inzwischen 10 Jahre alt ist.

Miller, die ihre Tochter bei B’nai Jeshurun in Manhattan konvertieren ließ, wo deren Eintauchen ins rituelle Bad von Millers Mutter und Schwester bezeugt wurde, sagte: „Meine orthodoxe Tante hätte nicht glücklicher sein können – eine mehr, die in die Herde aufgenommen wurde.”

Was noch relativ einfach erscheint, wenn man ein Baby oder Kleinkind in eine „Familien mit Kindern aus China”-Spielgruppe bringt, bekommt eine ganz andere Bedeutung, wenn vorpubertäre Mädchen anfangen, ihre duale Identität zu erforschen. Allerdings ist das kein völlig unerforschtes Neuland – die Erfahrung mit einer früheren Generation adoptierter koreanischer Waisen legt nahe, dass ein solches Szenario funktionieren kann.

Wie Dr. Lin in ihren Studien mit Teilnehmern aus allen Teilen der USA, Kanada und anderswo beobachtet, machen asiatische Kinder, die von einer Gemeinde vergöttert worden waren, als sie klein waren, ganz andere Erfahrungen, wenn sie älter werden. „Ich habe mit Frauen – adoptierten Koreanerinnen – gesprochen, die bis zum Alter ihrer Bat Mitzwa in die Synagoge gegangen sind, aber gemieden wurden, als sie in ihre 20er und 30er Jahre kamen. Wenn sie die Gemeinde verlassen, werden sie als Asiatinnen angesehen. In Hillel werden sie nicht als Jüdinnen akzeptiert. Wenn sie mit einem kaukasischen Nichtjuden kommen, wird angenommen, dieser Nichtjude wäre der Jude von den beiden. Die jüdische Gemeinschaft ist nicht universell aufnahmefreundlich.”

Kürzlich wurde einigen jüngeren chinesischen Mädchen aus der jüdischen Gemeinschaft im Raum Boston die Gelegenheit gegeben, an einer Art „Große-Schwester-Programm” mit asiatischen Collegestudentinnen teilzunehmen. „Die Adoptierten finden das großartig” sagt Lin.

Lin unterstreicht die Wichtigkeit, die Jahrhunderte alten historischen Bindungen zwischen Juden und China anzuerkennen, um diesen Familien dabei zu helfen, die Bindung für ihre Töchter leichter zu machen. „Es gibt schon eine wirklich lange Zeit Juden in China” erklärt sie.

Ihren Töchtern eine starke jüdische Identität zu vermitteln, die mit einem gleichermaßen respektvollen Verständnis gegenüber ihrem chinesischen Erbe einhergeht, ist die oberste Priorität dieser Mütter asiatisch-jüdischer Töchter.

Für Judi Sherman aus Phoenix, Senior-Vizepräsidentin des Investmenthauses Smith Barney, ist ganz klar, dass ihre Tochter eine Bat Mitzwa haben wird. Ihre neuneinhalbjährige Annie Gabrielle LiNa (der letzte ihrer Vornamen ist chinesisch) „lernt sehr viel über das Judentum”, sagt Sherman. „Sie hat ihre Identität nie in Frage gestellt. Hier im Westen der USA ist die Religion sehr aufnahmefreundlich. Eines der Geschwister unseres Rabbis hat auch eine chinesische Tochter adoptiert.”

Die zwei Traditionen ineinander zu integrieren hat bislang noch keinen Anlass zu der Vermutung gegeben, das könne die jüdische Welt erschüttern. Rabbi Judy Spicehandler, eine Rabbinerausbilderin an der North Shore Congregation Israel in Glencoe, Illinois, sagt, dass sie, als ihre 14-jährige chinesisch-jüdische Tochter noch jünger war, ihre Laubhütte mit chinesischen Bildern wie zum Beispiel Drachen geschmückt haben. „Ich habe alles getan – auf chinesisch, auf hebräisch, auf englisch,” sagt Spicehandler. „Ich habe versucht, das chinesische Motiv beizumischen. Meine Tochter hat sich mit ihrer jüdischen Identität sehr wohlgefühlt.”

Während das Thema Bat Mitzwa aktuell oder kurz bevorstehend ist, sind Überlegungen zum Thema Partnersuche noch weiter weg – und die meisten interviewten Frauen sagten, dass sie sich darüber jetzt noch keine Sorgen machen.

Bezüglich der bevorstehenden Bat Mitzwa sagt Hipsh: „Mit 13 treffen sie die Wahl. Sie könnte sich dafür entscheiden, nicht jüdisch zu sein, aber das ist kein Thema. Sie ist ein jüdisches Kind in einer jüdischen Familie. Ich weiß nicht, was sie erwartet. Ich weiß nicht, was ihre Identitätssuche bringen wird; derzeit besteht keinerlei Grund, irgendeinen Teil davon zu verleugnen. Ich bin nicht besorgt wegen der Sache mit der Partnersuche. Meine Enkel werden jüdisch sein. Ich habe entschieden, dass es umso leichter für sie sein wird, je mehr Identität ich ihr gebe.” Um ihr eine Identität mit ihrer chinesischen Seite zu geben, ist ihre Familie in einer Gruppe mit anderen alleinstehenden Müttern, die teilweise jüdisch mit chinesischen Töchtern sind und sich regelmäßig treffen, um chinesisch essen zu gehen oder jüdische und andere Feste gemeinsam zu feiern.

Die 11-jährige WuQing sieht es so: „Wenn man adoptiert ist, muss man sich entscheiden, ob man jüdisch ist oder nicht. An meiner Bat Mitzwa werde ich sagen, dass ich mich dazu entschieden habe, jüdisch zu sein.” Was ihr an ihrem dualen Erbe gefällt, ist, „dass man mehr Feste zu feiern hat – wie das chinesische Neujahrsfest, das normale Neujahrsfest und das jüdische Neujahrsfest.”

Die meisten dieser Mädchen sind noch zu jung, um ihre Bat Mitzwa hinter sich zu haben. Andere befinden sich gerade in der Planung, wobei sie nicht viel über die Details nachdenken, ausgenommen vielleicht darüber, dass chinesisches Essen Teil des Festmenus sein soll.

Ein junges Mädchen im Teenageralter, das nicht wollte, dass ihr Name in diesem Artikel genannt wird, befindet sich an einem Punkt, wo sie gern einfach nur „irgendein normales weißes jüdisches Mädchen” wäre und sich nicht mit dieser dualen Identität, mit der sie in der Welt draußen konfrontiert wird, auseinandersetzen müsste. Fast alle Adoptierten haben mit der dualen Identität zu ringen, aber bei Kindern, die aus einem Waisenhaus adoptiert wurden, kann auch ein Rest von „Schuldgefühl des Überlebenden” gegenüber denen, die zurückblieben, aufkommen.

Bei ihrer traditionellen Bat Mitzwa befasste sich die Dwar Torah dieses Mädchens mit dem Kapitel Mishpatim” (2. Mose 21:1 – 24:18), das die Passage enthält, „einem Fremden oder den Witwen und Waisen der Gemeinde kein Unrecht zu tun”. Sie sprach direkt den erweiterten sozialen Aspekt an, warum es so viele Adoptierte aus China gibt und mahnte ihre Zuhörer, aktiv zu werden, um diesen Kindern zu helfen. Sie sagte:

„Diese Kinder sind wie die Witwen und Waisen aus der Torah. Sie sind sehr verletzlich und sie brauchen unsere Hilfe. Sie zu ignorieren ist genauso schlecht wie sie zu unterdrücken oder ihnen Unrecht zu tun. Manche dieser Kinder haben Glück und finden ein wundervolles Zuhause in anderen Ländern mit Familien, die sie adoptieren und lieben. Aber wir müssen denen helfen, die nie diese Chance gehabt haben. Deshalb werde ich einen Teil meiner Bat Mitzwa-Geschenke spenden, um den Kindern in den Waisenhäusern zu helfen, ganz besonders denen im Wuhan-Hospital für Findelkinder, welches das Waisenhaus ist, das für mich meine Familie gefunden hat (…) Jeder kann aktiv etwas tun, um anderen zu helfen, wie zum Beispiel Geld, Kleidung oder Lebensmittel zu spenden oder sich Zeit zu nehmen, um Menschen zu helfen, die weniger vom Glück begünstigt sind. Wenn jeder das täte, gäbe es keine Fremden mehr, die ganze Welt wäre eine einzige Mischpacha (hebr.: Familie).”

Trotz dieser tiefempfundenen Verschmelzung chinesischer und jüdischer Erfahrung sind die Reaktionen darauf, diesen chinesischen Mädchen eine jüdische Identität zu geben, immer noch nicht in allen Fällen vorhersehbar.

„Ich habe eine Menge Vorwürfe von der größeren Gemeinschaft von Eltern mit chinesischen Adoptivkindern bekommen, weil ich sie in eine jüdische Tagesschule gegeben habe” sagt Joan Story, eine Sozialarbeiterin aus Manhattan mit einer 7-jährigen Tochter namens Alexa. „Sie meinten, sie wäre da nicht von vielen anderen Asiaten umgeben. Aber sie wäre ja sowieso in eine New Yorker Privatschule gegangen, in der in jeder Klasse nur ein paar asiatische Kinder sind. Es sind einige adoptierte asiatische Kinder an ihrer Schule, nur eben nicht in ihrer Klasse.”

Als Story versuchte, Alexa bei einem chinesischen Tanzkurs anzumelden, weigerte sich Alexa hinzugehen. Wie Story einräumt, „identifiziert sie sich sehr stark mit der jüdischen Gemeinschaft. Sie sagte mir ‚Wir dürfen dieses Gebäude nicht verlassen. Es ist etwas Besonderes, weil in diesem Gebäude Weihnachten und Chanukka gefeiert wird. Andere Gebäude sind einfach nur christlich‘.”

Alleinstehende Mütter sind nicht die einzigen, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben.

Randi Rosenkrantz, 55, aus Houston, Texas, und ihr Mann, 52, haben dafür gesorgt, dass ihre chinesischen Adoptivtöchter – die 10-jährige Jill und die 6-jährige Kate – jüdische Namensgebungszeremonien hatten und auch ins rituelle Bad getaucht wurden. „Ich wollte, dass meine Kinder auf einer festen Grundlage stehen, und in einer kaukasischen Familie, in der sie nicht aussehen wie wir, musste und wollte ich einen Weg dazu finden. So entschloss ich mich, dass sie durch unsere Religion hoffentlich eine stärkere Bindung fühlen werden”, erklärte sie in einer Email. „Sie werden beide eine Bat Mitzwa haben.”

Rosenkrantz bemüht sich, sicherzustellen, dass ihre Töchter auch mit ihrem chinesischen Erbe verbunden sind. „Wir stehen in Kontakt mit anderen Familien, die aus China adoptiert haben”, sagt sie. „Wir haben asiatische Einflüsse in unserem Heim, insbesondere Kunstwerke. Ich besitze eine ganze Sammlung von Büchern, die sich mit China und/oder Adoption aus China befassen, und an der meine Kinder teilhaben werden, wenn sie älter sind. Ich habe altersgerechte Bücher über China für die Kinder gekauft und wir feiern das chinesische Neujahrsfest.”

Zusammen mit ihrem Ehemann zieht Lisa Gibbs zwei Töchter, 10 und 5 Jahre alt, groß, die beide aus China adoptiert sind. Weil sie sich mit der egalitären konservativen Synagoge, der sie ursprünglich in Brooklyn angehört hatten, nicht mehr wohlfühlte, brachte Gibbs – die bis zur 8. Klasse eine Jeshiva besucht hatte – die Mädchen in ein jüdisches Kulturprogramm. Gibbs berichtet in einer Email: „Während ich ein bisschen traurig bin, dass [meine Tochter Basya] weniger jüdisch aufwachsen wird, mag ich das Programm mit Hinblick auf jüdische Ethik viel mehr, und ich stelle fest, dass sie im Bereich jüdische Identität viel mehr tun (…) Sie hat sogar entschieden, dass es ihr gefällt, jiddisch zu lernen – und das, nachdem sie sich geweigert hat, chinesisch zu lernen und den Hebräischunterricht an der Hebräischschule sowie den Spanischunterricht an der öffentlichen Schule hasst! Irgendwie hat diese Schule es fertiggebracht, jiddisch zu lernen zu etwas Positivem für sie zu machen!”

Gibbs fügt hinzu: „Ich will, dass sie sich WIRKLICH jüdisch und WIRKLICH chinesisch fühlen und nicht nur in einer verwässerten Version. Ihre 5-jährige Tochter Mira geht in chinesischen Tanzunterricht und sieht sich Videos in chinesischer Sprache und mit chinesischen Liedern an.

Bei anderen Eltern, deren chinesische Adoptivtöchter noch ziemlich jung sind, ist ein fast rührender Glaube vorhanden, dass ihre Mädchen, wenn sie älter werden, ohne jeden Zweifel ihren Platz in der jüdischen Gemeinschaft einnehmen werden.

Debbie Halperin aus New York hat eine 3-jährige Tochter aus China und eine 11-jährige Tochter aus einer früheren Ehe. „Die Kleine geht in die Kinderkrippe der Synagoge” sagt sie. „Laci liebt es, jüdisch zu sein. Sie liebt Chanukka, sie kennt die Sabbatgebete. Sie ist ein jüdisches Mädchen durch und durch. Sie ist Teil der jüdischen Familie. Sie wird ihre Bat Mitzwa haben und unter einer Chuppa (Traubaldachin bei jüdischen Hochzeiten) heiraten.” Halperin, 42, ist Gründungsmitglied einer jüdisch-asiatischen Adoptionsgemeinschaft, die kürzlich ihre dritte Chanukkaparty gefeiert hat.

Letztendlich zählt jedoch nichts anderes als die Bindungen, die sich zwischen Mutter und Tochter gebildet haben.

„Sie ist durch das jüdische Element bereichert worden und ich bin durch das chinesische Element bereichert worden,” stellt Hipsh fest. „Es ist alles gut.”

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Siehe auch:

Chinael 1 – Jüdische Adoptivfamilien auf Reisen in China von Osimandia

Juden debattieren über das Weißsein von Tanstaafl

Feinde hier, Feinde dort, Feinde überall von Duke of Qin

Afrikaner in Guangzhou, China von Fauna

den englischen Wiki-Artikel Kaifeng Jews über die chinesischen Juden

sowie den von mir übersetzten Wiki-Artikel Die Igbo: Nigerias schwarze Juden über einen Zweig des ansonsten christlichen Negervolkes der Igbo oder Ibo. (Diese jüdischen Igbo, die von der jüdischen Mainstream-Gemeinschaft nicht als Juden anerkannt, aber dennoch von einigen jüdischen Persönlichkeiten und Organisationen unterstützt werden, behaupten eine gemeinsame Abstammung von den Juden noch aus der Zeit, bevor Letztere das Gelobte Land erreichten.)

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

Ein Kommentar

  1. STEFAN MATUN

     /  November 25, 2018

    Hat dies auf My Blog rebloggt.