Russische politische Gefangene in der Russischen Föderation

Von Pjotr Antonow, übersetzt von Deep Roots. Das Original Russian political prisoners in the Russian Federation erschien am 6. August 2013 im Occidental Observer.

Für den „Occidental Observer“ editiert und ins Englische übersetzt von Roman Frolow.

Wenn sie über das Problem der politischen Gefangenen in Rußland berichten, konzentrieren sich die Massenmedien in Rußland und im Ausland fast ausschließlich auf Michail Chodorkowski, den verstorbenen Sergej Magnitzki und die „Gefangenen des 6. Mai 2012“. Dies erzeugt den Eindruck, daß die Liste der Opfer politischer Verfolgungen in Rußland auf diese Leute beschränkt ist. In Wahrheit jedoch ist dies nur die Spitze des Eisbergs. Viele, viele andere sind während der letzten paar Jahre wegen des einzigen „Verbrechens” eingesperrt worden, politisch aktive russische Nationalisten zu sein. Hier beschreibe ich kurz die Geschichte der neuesten unrechtmäßigen Verfolgung russischer Nationalisten und russisch-nationalistischer Organisationen in der Russischen Föderation. Die in diesem Artikel beschriebenen Namen und Ereignisse sind in keiner Weise vollumfänglich; sie umfassen nur die am meisten publizierten Fälle von politischer Verfolgung, in denen – was wichtig ist – die Angeklagten nicht gestanden und sich weigerten, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten.

Die näherungsweise Zahl der russischen Nationalisten, die während des letzten Jahrzehnts eingesperrt wurden, liegt ungefähr bei zweitausend. Die meisten davon sind junge Russen, die nach dem notorischen Artikel 282 des Strafgesetzbuches verurteilt wurden („Aufhetzung zum Rassenhass“, umgangssprachlich auch „Russenartikel“ oder „Hassrede“ genannt), gewöhnlicherweise nach Konflikten mit Zentralasiaten oder Kaukasusbewohnern.

Während der Jelzin-Ära wurden russische Nationalisten in den Medien routinemäßig als „Faschisten“ verleumdet, und alle möglichen Mittel (großteils Wahlbetrug) wurden angewandt, um Nationalisten daran zu hindern, in gewählte Staatsämter zu gelangen. Jedoch wurden die Leute wegen ihrer Ansichten nicht eingesperrt. Infolgedessen konnten Nationalisten unter Nutzung magerer, aber tatsächlich funktionierender Mechanismen der politischen Demokratie gelegentlich alle Barrieren durchbrechen und wurden gewählt. Zum Beispiel gab es mehrere nationalistische Abgeordnete im Obersten Sowjet der Russischen SFSR, wie Nikolai Pawlow, Ilja Konstantinow, Michail Astafjew und Wladimir Morokin. Später wurden die nationalen Interessen der Russen in unterschiedlichen Sitzungen der russischen Staatsduma von Leuten wie Nikolai Lysenko, Sergej Baburin, Nikolai Greschnikow und Nikolai Kurjanowitsch vertreten. In den Regionalparlamenten gab es solche prominenten russischen Nationalisten wie Alexandr Turik (Irkutsk) und Igor Artemow (Wladimir), unter anderem. Die Situation änderte sich dramatisch, als Putin die Macht übernahm-

Mehrere russische Militäroffiziere wurden die ersten Opfer politischer Verfolgung unter ethnischen Gesichtspunkten. Im Jahr 2007 (die Prozesse begannen 2003) wurden zwei Offiziere des Militärs, Leutnant Sergej Araktschejew and Oberleutnant Jewgenij Chudjakow, wegen Verbrechen verurteilt, die sie offenkundig nicht begangen haben, da sie zuvor zweimal unter denselben Anklagen freigesprochen wurden, zuerst vom Militärtribunal und dann vom Geschworenengericht. Beide Freisprüche wurden vom Obersten Gerichtshof unter formalen Vorwänden gekippt. Es ist erwähnenswert, daß Ramsan Kadyrow, der gegenwärtige Präsident von Tschetschenien und ein ehemaliger tschetschenischer Rebell, der öffentlich damit prahlte, er hätte „mit 16 Jahren seinen ersten Russen getötet“ [was von der Chronologie her bedeutet, daß dies lang vor dem Ausbruch des Ersten Tschetschenienkrieges von 1991 – 1994 geschah], diesen Freispruch mit den Worten kommentierte: „Der anfängliche Grund für den Freispruch war, daß die Geschworenen den Willen meines [des tschetschenischen] Volkes in diesem Kriminalfall nicht voll verstand.“

Ein weiterer russischer Offizier, der verstorbene Oberst und Held Rußlands Juri Budanow [2011 von tschetschenischen Killern ermordet], kann ebenfalls als politischer Gefangener betrachtet werden. Sein Kriminalfall war unserer Meinung nach unter offensichtlichem Druck von tschetschenischen Extremisten erfunden. Der Fall ist voller ethnischem Hass gegen Russen.

2005 wurden zwei russische öffentliche Aktivisten aus Moskau, Wladimir Wlassow und Michail Klewatschow, zuerst verhaftet und dann zu langen Gefängnisstrafen verurteilt (18 bzw. 20 Jahre). Ohne jeglichen direkten Beweis wurden sie eines Versuchs beschuldigt, am 12. Juni 2005 einen Passagierzug von Moskau nach Grosny in die Luft zu sprengen. Wie in der Affäre Araktschejew-Chudjakow wurden die Angeklagten zunächst von einem Geschworenengericht freigesprochen, aber der Freispruch wurde vom Obersten Gerichtshof unter dem formalen Vorwand eines außergerichtlichen Kontakts zwischen einem Mitglied der Geschworenen und einem Mitglied des Verteidigerteams widerrufen (das Geschworenenmitglied fragte den Anwalt einfach, wo es zum Gerichtssaal ginge).

Zur selben Zeit begannen Repressalien gegen Journalisten und Redakteure russisch-patriotischer Zeitungen. 2006 wurde ein Kriminalfall gegen den Redakteur der Zeitung „Moskovskie Vorota“ [„Moskauer Tore“] (aus der Stadt Obninsk in der Oblast Kaluga), den siebenfachen Vater Igor Kulebjakin, eröffnet. Er wurde der „Aufhetzung zum Rassenhass“ (Artikel 280 und 282 des Strafgesetzbuches) beschuldigt. Er wurde verhaftet, aber dann auf eine schriftliche Zusage hin, die Stadt während der Dauer des Verfahrens nicht zu verlassen, freigelassen. Im Verlauf des Verfahrens wurden von der Staatsanwaltschaft zusätzliche Anklagen wegen „Gründung einer Extremistengruppe” vorgebracht. Nachdem die Voreingenommenheit der Richter zugunsten der Anklage und ihre Parteilichkeit offenkundig wurden, floh Kulebjakin. Seit damals steht er in Rußland auf der Fahndungsliste.

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