Feuerfall (9): Im Trident Sietch

Ein Science-Fiction-Roman aus dem Galciv-Universum, von Deep Roots alias Lucifex. Dies ist Kapitel 9 von 17, und es gibt auch das Glossar zum „Galciv“-Kosmos.

Zuvor erschienen: (1) Reiter auf dem Sturm, (2) Babylon 6, (3) Puffy & Jack, (4) Nesträuber, (5) Nach Thumbnail Gulch, (6) Zur Welt der hundert Meere, (7) Höllenkurtisane und (8) Ungestutzte Flügel.

Kapitel 9:  I M   T R I D E N T   S I E T C H

Yuryul stand schon ein Stück über dem Osthorizont, als wir über ein zerklüftetes Plateau hinweg die Gipswüste erreichten und vor uns die bleichen Felsformationen sahen, in die der Trident Sietch hineingebaut worden war. Während die Dreamspider zu der privaten Landeterrasse hinter dem linken Gipfel schwebte, setzte ich gemäß der Anweisung ihrer Besitzerin vor dem Vorbau an der mittleren Zinne auf. Wir stiegen aus und gingen zum Eingang, der sich in einer Nische am Fuß des Anbaus hinter einem davor gepflanzten Baum befand. Dabei schwebte eine kleine Kameradrohne hinter uns her, die uns vereinbarungsgemäß als unsere Absicherungszeugin ins Innere folgen würde.

Frido und Björn waren an diesem Morgen mit Nouris gestartet, um am Raumhafen von Venayon die Fluggäste für die Rückreise zu empfangen. Da es für unseren Abflug zum Sietch noch zu früh gewesen war, hatten Julani und ich uns nach dem Frühstück auf die ostseitige Dachterrassenbrüstung von Majerdun gesetzt und zugeschaut, wie Yuryul, an dem Nayotakin gerade auf der Innenbahn vorbeizog, über den fernen Dünenwellen aufging. Achtmal so groß wie Luna von der Erde aus gesehen, wanderte die Nachbarwelt als bleiche Sichel ohne deutliche Oberflächenmerkmale am Himmel höher, und da wir uns südlich des Äquators befanden, hatte sich der für mich ungewohnte Anblick geboten, daß sie wie die Sonne nach links oben stieg. Wir hatten nicht viel geredet, und Julani war mir ebenso nachdenklich erschienen wie ich. Ein leichter Ostwind hatte mit ihrem Haar gespielt, und die Morgensonne hatte auf den Ärmeln ihrer Uniform geglitzert, die beim Treffen ihren Status als neutrale Amtsperson unterstreichen sollte. Ich hatte dagegen eine legere Hemd-Hose Kombi aus schwarzem Denim angezogen. So hatten wir nebeneinander dagesessen, bis es Zeit zum Aufbruch gewesen war.

Nun warteten wir auf Ndoni Kaunda, und als sie uns nach einigen Minuten öffnete, bat sie uns mit den Worten „Willkommen in meinem bescheidenen Haus“ hinein. Sie war wieder recht schick gekleidet: schwarze Pumps, schwarze Hose, schwarzes Gilet über einem weißen Hemd, ergänzt durch ein schwarzes Halstuch. Ihr Haar hatte sie mit einem ebenfalls schwarzen Tuch zu einem Dutt geknotet. Sie strahlte vor Selbstbewußtsein.

„In deinem bescheidenen Haus?“ fragte ich, ihren Übergang zum Duzen aufgreifend. „Nicht in eurem?“

„Richtig“, sagte sie lächelnd. „Pop hat mir den Sietch als zusätzliches Geburtstagsgeschenk überschrieben, wo er jetzt Jerrys Felsenburg bekommt. Er hat mit Merton noch in Venayon zu tun und kommt später nur schnell die Sachen für Majerdun holen, wo er dann mit seinen Mooks hinfliegt. Deshalb bin ich hier jetzt allein. A propos: Talitha ist nicht wieder aufgetaucht, oder?“ Sie begann in den Gang hineinzugehen.

„Nein“, gab ich zu. „Woher weißt du, daß sie weg ist?“

„Der Waffenoperator der Lartana hat es uns berichtet. Er war unser Maulwurf. Hab‘ ich euch zwei also doch durchschaut, von wegen Sklavin! Das hast du jetzt davon.“

Sie blieb vor der Aufzugtür stehen und rief die Kabine, mit der wir ein Stockwerk nach oben fuhren. Dort gingen wir über einen Korridor in ihr Büro, einen großen Raum mit hohen Fenstern auf der Nordseite, der mit Möbeln aus exotischen Hölzern, einem Computerterminal, einem Klavier und einer Hausbar ausgestattet war. Ich überreichte Ndoni die Tasche mit dem zu übergebenden Material, worauf sie auf die Polstersitzecke am runden Besprechungstisch deutete und sagte: „Nehmt bitte Platz. Was darf ich euch zu trinken anbieten, während ich die Zahlung tätige? Ich trinke natürlich dasselbe.“

„Alhauri, falls welcher im Haus ist“, sagte Julani und setzte sich.

„Nehme ich auch“, fügte ich hinzu und rutschte auf den Sitz zu ihrer Rechten.

„Ist vorhanden“, bestätigte Ndoni. „Natürlich vom Feinsten.“ Sie entnahm dem integrierten Kühlschrank der Bar eine goldgrüne Flasche und drei Glaskelche und stellte alles vor uns auf den Tisch. Während die frostkalten Gläser sich mit Reif beschlugen, schenkte sie ein und sagte: „Sucht euch jeder ein Glas aus.“

Wir trafen unsere Wahl, und sie nahm den dritten Kelch, stieß mit uns an und sagte: „Prost, auf den Erfolg, der uns so sexy macht.“ Dann ging sie mit ihrem Getränk zum Computerterminal, nahm noch einen Schluck, während das Gerät sich mit dem Hauscomputer verband, und überwies die vereinbarten GVE-Beträge auf unsere Konten. Zusätzlich bezahlte sie die Besitzwechselgebühr und ein Bakschisch für sofortige Bearbeitung, wie es in solchen Fällen üblich war. So würde es auch laufen, wenn die hinterlegten Sachen für die anderen Immobilien abgeholt wurden.

Nachdem wir die Zahlungseingänge mit unseren Kommunikatoren überprüft hatten, schaltete Ndoni die Konsole wieder ab, stand auf und kam zu uns herüber. „Draco…“, begann sie, nachdem sie einen weiteren Zug im Stehen genommen hatte, „hast du dir eigentlich schon überlegt, was du weiter machen willst? Ich meine, jetzt, wo Talitha dich verlassen hat, werden deine Zukunftspläne wohl… anpassungsbedürftig sein, oder?“

Ich nippte von meinem Alhauri und warf einen Seitenblick zu Julani, deren Reaktion auf diese Worte ich interessant fand. „Nun, ich werde mit Julani zu ihrer Heimatwelt reisen, um die eigentliche Galciv kennenzulernen.“

„Und danach?“ bohrte Ndoni weiter. „Julanis Beratungstätigkeit für dich wird ja bald zu Ende sein.“

„Weiß ich noch nicht. Wird sich finden. Vielleicht reisen Julani und ich dann gemeinsam tiefer in die Galciv, um uns gegenseitig besser kennenzulernen. Worauf willst du hinaus?“

„Auf ein Kooperationsangebot. Wir zwei wären ein gutes Team. Du hast schon einen gewissen Ruf als badass, Draco…“

„Zu dem ich gekommen bin wie das tapfere Schneiderlein zu seinem.“

Sie schmunzelte, während Julani wieder finsterer dreinsah. „Zu bescheiden. Ich nehme auch nicht an, daß du mir verraten wirst, wie ihr die Kherthuk so fulminant weggeblasen habt. Jedenfalls gibt es noch drei Gründe, warum ich gerade dich als Geschäftspartner gewinnen will, und die hängen alle damit zusammen, daß du ein Weißer Ritter bist.“

An dieser Stelle fuhr Julani dazwischen: „Also ich kann nicht verstehen, daß du dir das anhören willst, Draco! Du erwägst doch nicht im Ernst, darauf einzugehen?“

„Laß sie doch ausreden“, sagte ich und streichelte ihr den Rücken, wobei ich mir ein wenig fies vorkam, weil ich die von Ndoni geschaffene Situation so ausnützte. „Es interessiert mich einfach, was sie sich vorstellt. Was sind das für Gründe, Ndoni?“

„Erstens würde ich dir vertrauen, daß du mir nicht in den Rücken fällst, solange wir zusammenarbeiten. Vielleicht käme es wegen irgendetwas zum Bruch zwischen uns, und wir wären danach Feinde, aber du würdest mich nicht verraten. Zweitens reizt es mich, dich Weißen Ritter ein wenig in Richtung Grauer Ritter zu ziehen. Schurken haben doch viel mehr Spaß. Komm‘ auf die dunkle Seite, Draco.“

„Keine Chance, Prinzessin Palpatine.“

Sie lachte. „Siehst du, und das bringt mich zu Grund Drei. Ich habe in unserer Szene schon einiges mitbekommen, was da so läuft, und vor manchem davon… schaudert es mich. Soo böse möchte ich doch wieder nicht werden. Daher könnte ich dich als moralischen Anker brauchen, als jemanden, der mir Halt gibt und mich nicht zu weit in diese Richtung abdriften läßt. Also: du bräuchtest bei einer Zusammenarbeit mit mir nichts tun, was du als Verbrechen betrachten würdest. Wir könnten zum Beispiel immer wieder mal gemeinsam Jagd auf allein arbeitende Verbrecherpaare wie die Kremsers machen. Pop und Merton klären solche Ziele auf, wir gehen rein, töten den Mann, und wenn wir die Frau lebend erwischen, gehört sie mir. Du bekommst von mir die Hälfte ihres Marktwertes, und ich stelle sie im Sietch zahlenden Gästen zur Verfügung. Den Besitz des Paares teilen wir uns. Huh, jetzt bin ich aber durstig geworden vom vielen Reden.“ Sie trank ihr Glas aus, setzte sich uns gegenüber hin und schenkte sich nochmals ein.

„Das wäre für mich nicht ganz ausgeschlossen, je nachdem, was aus meinen anderen Plänen wird“, sagte ich und fühlte mich ein wenig schuldig, weil Julani sich dadurch vielleicht indirekt moralisch erpreßt fühlen mochte. Andererseits hatte Ndoni mir gegenüber auch einen Moralköder ausgeworfen: mach‘ mit, oder du bist mitschuldig, wenn ich ohne dich bösere Dinge tue, als ich mit dir getan hätte. „Voraussetzung wäre jedenfalls, daß die jeweilige Zielperson auch wirklich eine Schurkin ist. Bei Talitha zum Beispiel bin ich froh, daß ich sie euch nicht verkauft habe. Außerdem stört mich, daß ich mit der Beseitigung kleiner Verbrecher zur Konzentration zu größeren Banden beitragen würde.“

„Wenigstens hierzu kein glattes Nein“, sagte Ndoni. „Ist ja schon etwas. Und schau‘ nicht so finster, Schwesterherz. Cheers.“ Sie stieß ihr Glas an Julanis und genoß sichtlich das verblüffte Gesicht der Angesprochenen, während sie wieder einen Zug nahm.

„Was?“ fragte Julani. „Wie meinst du das?“

„Ganz im wörtlichen Sinn, Sis. Ich habe das Besteck, das du auf Hektalassa benutzt hast, auf Genspuren untersuchen lassen, und dabei ist herausgekommen, daß wir die Hälfte unserer Zellkern-DNA gemeinsam haben und unsere Mitochondrien-DNA überhaupt zu hundert Prozent identisch ist. Ich weiß nicht, wie’s das geben kann, nachdem du aus der Galciv stammst und meine Mutter auf der Erde aufgewachsen ist, aber wir sind eindeutig Halbschwestern.“ Sie schaute mich an und fuhr fort: „Du scheinst aber nicht gar so überrascht zu sein, Draco. Weißt du etwas?“

„Ich habe mir etwas zusammengereimt, Atha Moon, aufgrund von Sachen, die Talitha mir erzählt hat. Und jetzt habe ich vielleicht eine Überraschung für euch beide. Julani, erklärst du Ndoni, wie es möglich ist, daß du von einer Galciv-Bürgerin und einer Erdenfrau abstammst, während ich etwas vorbereite?“

Sie begann mit ihrer Schilderung, und ich suchte währenddessen mit der Kommunikatorfunktion meines Poccomp aus meinen Dateien im Schiff die Bilder von Julia und Julani heraus, die ich Talitha gezeigt hatte, und stellte sie auf dem Display mit einem Standbild aus der soeben gemachten Videoaufnahme von Ndoni zusammen. Dann reichte ich das Gerät Julani, die es nach einem langen Blick darauf Ndoni weitergab.

„Da hast du deinen moralischen Anker, Ndoni“, sagte ich dann. „Würdest du wollen, daß deine Mutter weiß, was du gemeinsam mit deinem Vater getan hast und in Zukunft selbständig zu tun vorhast?“

Sie schaute auf. „Kennst du sie?“

„Ja. Sie heißt Julia Antonia Rossmann, wohnt nicht weit von meinem Wohnort entfernt und war ein paar Jahre meine Arbeitskollegin. Ich habe sogar noch ihre Mobiltelefonnummer, obwohl ich sie schon eine Weile nicht mehr angerufen habe.“

„Also tatsächlich Antonia, wie ich vermutet habe, weil mein Vater sie immer Tonya genannt hat. Aber unter Antonia habe ich sie nie gefunden.“

„Weil es ihr nichtamtlicher zweiter Vorname ist“, klärte ich sie auf.

Jetzt meldete Julani sich zu Wort. „Ich glaube, das ist tatsächlich meine Zweitmutter. Und ich habe bisher verschwiegen, daß sie der letzte Anstoß für mich war, wirklich mit der Beratungstätigkeit für Earthins anzufangen. Ich hatte zwar schon meine Ausbildung als Shom-Earth-Agentin abgeschlossen, war aber noch unschlüssig, ob ich mich darauf einlassen sollte. Ich führte ein paar Kontaktgespräche mit Kandidaten, und da waren Deniz und Maik, von denen sich ihr erster Berater gerade wegen Ärgers mit ihnen getrennt hatte. Sie erzählten mir unter anderem von einem Ausforschungsauftrag nach einer Österreicherin und zeigten mir Bilder, und diese Frau sah mir und meiner leiblichen Mutter in ihren jungen Jahren so ähnlich, daß ich dachte, sie könnte meine Eizellmutter sein, von der ich nur wußte, daß sie irgendwo im Alpenraum zu Hause war. In der Hoffnung, sie mit Deniz und Maik zu finden, habe ich diesen Beratungsauftrag angenommen. Davon habe ich dir nie etwas erzählt, weil ich mich dafür schämte, daß ich wegen dieser privaten Suche indirekt die Verbrechen von Deniz und Maik unterstützt habe.“

„Ist ja interessant“, sagte ich. „Auf welche Weise haben sie denn nach Julia gesucht?“

„Darüber weiß ich leider nicht viel. Ich bekam bald Bedenken, weil ich nicht wußte, was man mit ihr vorhatte, und war dann nicht mehr kooperativ; deshalb haben sie mich von dieser Sache ausgeschlossen. Ich weiß aber, daß sie irgendwo einen externen Computer hatten, der selbsttätig das Internet nach Bildern durchsuchte, die zu ihren Fotos paßten. Kurz vor dem Kontakt mit dir sagten sie, sie hätten eine Spur.“

Nach kurzer Überlegung begannen mir die wahrscheinlichen Zusammenhänge klar zu werden, und ich erklärte sie ihnen. „Ich glaube, ich kann mir denken, wie es gelaufen ist. Ich hatte damals jemandem Fotos von Julia gemailt, darunter das auf dem Display, und die müssen sie irgendwie aus dem Netz gefischt und mit meiner Handynummer in Verbindung gebracht haben. Es war ein Zufall, daß ich zu der Zeit dort gerade mit dem Auto unterwegs war, aber wahrscheinlich hätten sie mich kurz danach sowieso zu Hause ausgeforscht und besucht.“

Julani nickte nachdenklich. „Das klingt plausibel. Der Zusammenhang mit der Suche nach Julia war mir damals nicht bekannt, aber so ungefähr wird es gewesen sein. Es erleichtert mir ein wenig das Gewissen, daß ich den Überfall der beiden bei dir ohnehin nicht hätte verhindern können.“

„Und ich bin dir dankbar dafür, daß du dich geweigert hast, mich an Bord zu locken“, versicherte ich ihr. „Was haltet ihr von einem Flug zur Erde, um Julia zu besuchen und definitiv zu klären, ob sie eure Mutter ist? Wir reisen zusammen in der Jeannie und schließen für diese Zeit mit dir, Ndoni, einen Nichtangriffsvertrag ab. Deine Passage kannst du abarbeiten, indem du mir Insiderinfos über das Earthin-Milieu erzählst, soweit es keine Geschäftsgeheimnisse von euch sind. Unterwegs sammelst du die Sachen für die Immobilien von Willard und Ramses ein. Das wäre auch deine Tarnlegende gegenüber deinem Vater, der nicht will, daß du nach deiner Mutter suchst und sie nach ihrer Darstellung der Trennung fragst, wie ich hörte. In vier Tagen muß ich bei der Raumflugkontrolle wegen des gestrigen Raumkampfs vorsprechen, und danach können wir losfliegen.“

„Klingt verlockend“, gab Ndoni zu, „aber ich weiß tatsächlich nicht, was ich meiner Mutter über das sagen soll, was ich mache. Vielleicht später einmal.“

Julani wirkte erleichtert über Ndonis Absage und fügte hinzu: „Ich würde zwar gern erfahren, wie Julia meine Mutter kennengelernt hat, und ob sie über ihre Herkunft Bescheid wußte. Aber vorher möchte ich doch wieder nach Hause fliegen, und vielleicht kann ich Mutter ein wenig aushorchen.“

„Bleiben wir in Kontakt“, sagte Ndoni. „Habt ihr für morgen schon etwas vor?“

„Wieso?“ fragte ich zurück.

„Ihr könntet bei meiner Geburtstagsfeier dabei sein, zumindest beim nicht rein familiären Teil. Die wird diesmal auf Majerdun stattfinden.“

Julani kam mir mit einer Antwort zuvor. Sie legte eine Hand auf meine Schulter, sah mich an und sagte: „Vielen Dank, Ndoni, aber wir zwei wollten uns hier noch ein wenig ansehen, bis wir nach dem Anhörungstermin bei der Raumflugkontrolle weiterfliegen können.“

„So ist es“, bestätigte ich. „Ein Ausflug nach Yuryul würde mir zum Beispiel gefallen. Warst du dort schon einmal?“

„Nein. Und wenn wir jetzt gleich starten, können wir es ausnützen, daß der Abstand zwischen Nayotakin und Yuryul gerade am geringsten ist.“

*   *   *

Und so machten wir es dann auch. Gut drei Stunden später landeten wir bei einem Shomhainar-Forschungsstützpunkt in einer der Wüsten von Yuryul, um uns für einen dreitägigen Aufenthalt anzumelden. Entlang eines Streifens vom Kyarrupflanzen über einer salzigen Grundwasserader gingen wir zur Zugangsrampe des Bauwerks, das wie das Siegerprojekt eines außerirdischen Architektenwettbewerbs aussah.

Mit Menschen und Yarriuk der aus mehreren Spezies bestehenden Stützpunktbesatzung besprachen wir unsere Vorstellungen – das heißt, eigentlich tat das Julani – und bekamen einen Besichtigungsplan genehmigt, der nach ihren Empfehlungen hinsichtlich der aktuellen Gegebenheiten erstellt war und Kontakte mit den großteils primitiv lebenden eingeborenen Yarriuk weitgehend vermied. Anschließend besuchten wir eine Anzahl verschiedener Lebensräume dieser trockenen kleinen Welt, auf der wir wegen der im Vergleich zur Erde geringeren Schwerkraft trotz der dünnen, CO2-reichen Luft keine Atemmasken brauchten.

Yuryul ist mit rund neuntausendachthundert Kilometern Durchmesser kleiner als die Venus, und obwohl es eine etwas kühlere Welt als die Erde ist, sind die Sommer und die Tage lang und heiß, während die Winter und die Nächte umso kälter sind. Es hat in seiner Frühzeit viel von seinem Wasser verloren, sodaß es nur neun seichte, isolierte Meere hat, die zusammen dreiundvierzig Prozent der Oberfläche ausmachen. Sie enthalten relativ mehr Biomasse als die irdischen Meere, weil die Küsten mit ihrem Nährstoffeintrag durch Flüsse durchschnittlich näher sind und sie auch durch den Staub aus den Wüsten, die den größten Anteil der Landfläche einnehmen, und die Asche der vielen Vulkane gedüngt werden. Die Meere sind von grünen Tiefländern umgeben, die aus Savannen, Steppen, Tundren und Galeriewäldern entlang von Flüssen bestehen. In besonders niederschlagsreichen Lagen gibt es sogar kleine Regenwälder, während sich fern der Meere und im Regenschatten hoher Gebirge Wüsten ausdehnen.

Wegen der Wasserarmut hat es auf Yuryul nie Schneeballwelt-Phasen und nicht einmal ausgeprägte Eiszeiten gegeben, und das langfristig stabile Klima hat der Biosphäre dieses Mondes die Entwicklung vieler sehr spezialisierter Lebensformen ermöglicht.

Diese vielfältige Natur erkundeten wir in kurzen Flugetappen und folgten dabei dem langen Tag um die Welt, bis wir zu müde waren und uns einen Nachtlandeplatz unter der Pracht von Karendru und seinen Ringen suchten. Wir genossen diese Zeit abseits aller Politik und Kriminalität, und dabei blieb unser Verhältnis immer freundschaftlich, aber keusch, und wir schliefen in getrennten Kabinen. Julani erwies sich als gute Reisekameradin, und ich hatte den Eindruck, daß sie es auf diese Beschränkung auf eine reine Kumpel-Zweisamkeit anlegte, damit wir uns von dieser Seite und unbeeinflußt von erotischen Leidenschaften kennenlernen konnten. Mir war es ganz recht so, weil ich trotz der Enttäuschung über Talithas überraschende Trennung von mir noch nicht so weit über sie hinweg war, daß mir schon nach einer Wiederaufnahme der Annäherung an Julani war. Bei der dritten Übernachtung verabschiedeten wir uns jedoch schon mit einem Gutenachtküßchen zum Schlafen.

Am Morgen des vierten Tages nach Bordzeit verließen wir Yuryul und setzten Kurs auf Nayotakin, das wir jenseits des Ringsystems sahen, wo es gerade dabei war, hinter dem Planeten zu verschwinden. In einem flachen Bogen flogen wir über die Ringe hinweg, und als wir bei der Raumflugkontrolle in Ilnaoi landeten, war es dort schon Nachmittag. Die Behörde war auffallend wenig daran interessiert, meine Darstellung der Vernichtung der Kherthuk zu hinterfragen, und so konnten wir noch vor dem Abend zu unserem nächsten Ziel auf Nayotakin starten.

Fortsetzung: Kapitel 10 – Über das Meer

Anhang des Verfassers:

Zu diesem Kapitel gibt es nur zwei Infolinks, und zwar zu Mooks und Gipswüsten. Die Bezeichnung „Sietch“ leitet sich aus Frank Herberts SF-Roman „Dune“ („Der Wüstenplanet“) ab und bezeichnet dort die Wüstenschlupfwinkel der Fremen, in deren Sprache der Begriff „der sichere Ort in Zeiten der Gefahr“ bedeutet.

Wegen der Kürze dieses Kapitels und des Infoanhangs nutze ich den Platz für eine weitere Bildergalerie der Millennium Falcon:

Bei der Verwendung für eigene Geschichten (die aber eh keiner schreiben wird, wie mir inzwischen klar ist) ist aufzupassen, wo die Falcon die runde Antennenschüssel hat und wo die rechteckige wie hier:

Hier können die grünen Leuchtspuren von kupfernen Gaußkanonengeschossen sein, wie sie in der Lwaong-Technologie verwendet werden, während die rötlichweißen eiserne aus Waffen der Galciv-Technologie sind, wie sie später (zur Zeit von „Ace of Swords“) auch von der Solaren Föderation übernommen wird (Letztere könnten von der Flugrichtung her aus den Waffentürmen der Falcon stammen):

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

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