Von Fjordman; der Originaltext Why Did Europeans Create the Modern World? – Part 1 erschien am 19. 9. 2009 auf Gates of Vienna. (Bilder vom Übersetzer eingefügt.)
In diesem Essay werde ich die Arbeiten und Theorien Jared Diamonds, vor allem seinen internationalen Bestseller Arm und Reich: Die Schicksale menschlicher Gesellschaften [engl.: Guns, Germs and Steel: The Fates of Human Societies, 1997 ] und, in geringerem Ausmass, sein 2005 erschienenes Buch Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen [engl.: Collapse: How Societies Choose to Fail or Succeed], mit dem Buch Understanding Human History (2005) des amerikanischen Astrophysikers Michael H. Hart vergleichen. Diamonds Arbeit betont in starkem Maße die Wichtigkeit der Geographie, was in einigen Fällen hilfreiche Perspektiven eröffnet, aber nicht in allen. Hart betont die Unterschiede in der Intelligenz verschiedener ethnischer Gruppen und untersucht diese im Licht der Evolutionslehre. Ich werde auch aus den Büchern anderer Autoren zitieren, um die Bedeutung des Rechts, der Religion, des Bildungssystems, des Kapitalismus usw. einzuschätzen.
Hin und wieder stehe ich Diamonds Schriften kritisch gegenüber, besonders seinen verallgemeinernden Schlussfolgerungen, das heißt aber nicht, dass ich glaube, dass alles falsch ist, was er sagt. Er hat recht, wenn er darauf hinweist, dass Umweltzerstörung weit davon entfernt ist, auf die westliche Zivilisation beschränkt zu sein, und er zögert nicht festzustellen, dass viele Gesellschaften in der ganzen Welt brutale Gewalt praktiziert haben.
Wie auch andere mittelamerikanische Zivilisationen hatten die Maya keine Metallwerkzeuge, keine Segelboote, keine Räder und keine Haustiere, die groß genug gewesen wären, Lasten zu tragen oder einen Pflug zu ziehen, sie hatten aber dennoch vor dem sogenannten klassischen Zusammenbruch der Maya-Kultur nach dem Jahr 800 n. Chr., nach vorindustriellen Maßstäben, eindrucksvoll hohe Bevölkerungsdichten. Nachdem die Entzifferung der Maya-Schriftzeichen am Ende des vorigen Jahrhunderts einen entscheidenden Durchbruch erfahren hat, ist jetzt unser Verständnis ihrer Gesellschaft und Kultur weit größer als es noch vor wenigen Generationen war. Diamond führt in seinem Buch Kollaps aus:
„Archäologen haben lange Zeit geglaubt, die alten Maya seien sanfte und friedliche Menschen gewesen. Wir wissen jetzt, dass die Kriegführung der Maya intensiv und dauerhaft war und kein Ende fand, weil begrenzte Nahrungsmittelressourcen und Transportmöglichkeiten es für alle einzelnen Fürstentümer der Maya unmöglich machten, die gesamte Region in einem Reich zusammenzuschließen, in der Art und Weise, wie die Azteken und die Inkas Zentralmexiko, bzw. die Andenregion, vereint haben. Gefangene wurden in sehr unangenehmer Weise der Folter unterzogen, wie es deutlich auf Monumenten und Wandgemälden dargestellt ist (wie z. B. durch das Herausreißen der Finger aus den Gelenkkapseln, durch das Ziehen von Zähnen, das Abtrennen des Unterkiefers, Abschneiden der Lippen und Fingerspitzen, Herausreißen der Fingernägel und Durchbohren der Lippen mit einem Stift) und die (manchmal Jahre später) in der Opferung der Gefangenen in gleichermaßen unangenehmer Weise gipfelte (wie etwa dadurch, dass die Gefangenen zu einer Kugel zusammengeschnürt und dann als Ball die steilen Steintreppen eines Tempels hinuntergerollt wurden).”
Es ist interessant zu bemerken, dass westliche Beobachter häufig nicht-westlichen Kulturen zu viel guten Willen entgegenbringen und gar nicht, wie oft behauptet wird, „eurozentrisch” urteilen. Als ich jung war, wurde mir einmal gesagt, dass es in keiner Gesellschaft in der frühen Neuzeit regelmäßig praktizierten Kannibalismus gegeben habe, dies sei eine rassistische, kolonialistische Lüge, die von vorurteilsbeladenen Europäern erfunden worden sei, um andere Völker und Kulturen zu dämonisieren. Ein Beispiel dafür sei der „Freitag” genannte Kannibale, der in Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe (1719) zum Christentum bekehrt wurde. Als ich älter wurde und begann, selbst Nachforschungen anzustellen, erkannte ich klar, wie falsch diese Behauptung war.
In seinem Buch This Horrid Practice: The Myth and Reality of Traditional Maori Cannibalism beschäftigt sich der Neuseeländer Paul Moon mit der in der generell sehr grausamen Gesellschaft der Maori anzutreffenden Tradition, einander aufzuessen. Moon, ein Professor für Geschichte an der University of Technology in Auckland, sagt, der Kannibalismus habe bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts angedauert. Er verschwand erst nach der Ankunft europäischer christlicher Missionare. Auch Tötung von Kindern war verbreitet. Die Stämme brauchten Männer als Krieger, und Mütter töteten oft ihre Töchter, indem sie sie erstickten oder einen Finger in den noch weichen Schädel bohrten. Kannibalismus war Teil der Wut nach einer Schlacht. „Ein Argument war, dass den Feind einfach zu töten, um ihn zu bestrafen, zu wenig ist. Wenn man ihn aber zerhackt und ihn isst, um ihn dann zu Exkrementen werden zu lassen, das ist die größte Erniedrigung, die man ihm antun kann”, sagt Moon. Das Beweismaterial hierfür ist so überwältigend, dass es unangebracht wäre, so zu tun, als hätte es das nicht gegeben. Es ist zu wichtig, um es zu ignorieren.”
Die Leiterin des Maori Studies Department an der Universität in Auckland, Margaret Mutu, sagt, Kannibalismus sei in Neuseeland weit verbreitet gewesen. „Es hat ihn wirklich gegeben. Er ist in vielfältiger Weise in unseren Geschichten und Traditionen anzutreffen, eine Menge Ortsnamen beziehen sich darauf.” Sie sagt, der Kannibalismus der Maori sei von vielen Historikern nicht erwähnt worden, weil er mit der englischen Kultur nicht vereinbar war.
Man hat uns gesagt, Europäer erfänden negative Stereotype über andere Völker. Man beachte, wie in diesem Fall – und dies ist nicht das einzige Beispiel, das sich hierfür finden lässt – die Europäer in Wirklichkeit die sehr realen Defekte anderer Kulturen herunterspielen, und dies sogar in der Kolonialzeit.
Wir wissen, dass Kannibalismus bei einer Reihe von Völkern Nord- und Südamerikas praktiziert wurde, dazu gehören höchstwahrscheinlich die prähistorischen Anasazi in den heutigen südwestlichen Vereinigten Staaten. Wie Diamond in seinem Buch Kollaps schreibt:
„Das Vorkommen von Kannibalismus außerhalb von Notzeiten ist umstritten. Es wurde aber tatsächlich aus Hunderten von nicht-europäischen Gesellschaften zu der Zeit, als sie zuerst Kontakt mit Europäern hatten, berichtet. Die Praxis hatte zwei Formen: entweder wurden die Körper der im Krieg getöteten Feinde gegessen, oder aber die eigenen Verwandten, nachdem sie eines natürlichen Todes gestorben waren. Neuguineer, mit denen ich in den letzten 40 Jahren gearbeitet habe, haben mir ganz sachlich ihre kannibalistischen Praktiken beschrieben, haben ihren Abscheu über unsere westliche Bestattungsweise ausgedrückt, unsere Verwandten zu beerdigen, ohne ihnen die Ehre zu erweisen, sie zu essen, und einer meiner besten neuguineischen Arbeiter hat 1965 seinen Job bei mir gekündigt, um an dem Verzehr seines gerade gestorbenen künftigen Schwiegersohns teilzunehmen. Es gibt auch viele archäologische Funde von alten menschlichen Knochen in Zusammenhängen, die Kannibalismus annehmen lassen.”
Jared Diamond schreibt in Arm und Reich, dass „… das Virus, das die Lachkrankheit (Kuru) im Hochland Neu Guineas verursacht, von einer Person, die verzehrt worden war, auf andere überging. Es wurde also durch Kannibalismus übertragen, wenn dort Babys den fatalen Fehler machten, sich die Finger abzulecken, nachdem sie mit der rohen Gehirnmasse gespielt hatten, die ihre Mütter gerade aus den toten Kuru-Opfern herausgeschnitten hatten, die aber noch nicht gekocht worden war.”
Diamond, ein Evolutionsbiologe, weist keineswegs die Möglichkeit zurück, dass sich unter den verschiedenen ethnischen Gruppen im Laufe von Tausenden von Jahren ungleiche Intelligenzniveaus entwickelt haben könnten, aber er besteht darauf, dass, wenn es solche Unterschiede gibt, dann die Europäer weniger intelligent seien als andere, da
„die natürliche Auslese, soweit sie Intelligenz fördert, wahrscheinlich in Neuguinea weitaus strenger ist als in Gesellschaften mit dichterer Bevölkerung und komplexerer politischer Struktur, in denen die natürliche Auslese stattdessen in stärkerem Maße auf die Körperchemie eingewirkt hat…. Es gibt auch noch einen weiteren Grund, warum die Neuguineer vielleicht cleverer als die Westler sind. Moderne europäische und amerikanische Kinder verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, sich passiv von Fernsehen, Radio und Kino unterhalten zu lassen…. Dies wirkt sich sicherlich als ein zusätzlicher, nicht-genetischer Faktor aus, der die durchschnittlichen mentalen Fähigkeiten der Neuguineer überlegen sein lässt. Das bedeutet also, dass hinsichtlich ihrer geistigen Leistungsfähigkeit die Neuguineer wahrscheinlich den Westlern genetisch überlegen sind.”
Mr. Diamond hat nun gerade festgestellt, dass bei den Neuguineern bis in die jüngste Zeit Kannibalismus eine weitverbreitete Praxis war. Es formuliert dies als eine nüchterne Tatsachenfeststellung und gibt nicht klar zu erkennen, dass er dies missbilligt. Vielmehr scheint es, dass er in seinen Schriften dem Fernsehen kritischer als dem Kannibalismus gegenübersteht. Überdies denkt er, dass es moralisch abzulehnen ist, wenn jene, die gemeinhin als „weiße Suprematisten” bezeichnet werden, glauben, dass Menschen europäischer Abstammung eine höhere Intelligenz haben könnten als, sagen wir mal, australische Ureinwohner, aber offensichtlich hält er es für in Ordnung zu sagen, dass Neuguineer eine höhere Intelligenz haben als Europäer. Macht ihn das nun zum neuguineischen Suprematisten?
Man kann Spuren des Konzepts „Kannibalismus” in der heutigen europäischen Kultur finden, zum Beispiel in der Geschichte von Hänsel und Gretel, einem der vielen traditionellen Märchen und volkstümlichen Erzählungen wie Schneewittchen, Dornröschen und Aschenputtel, die im 19. Jahrhundert von den einflussreichen deutschen Gelehrten und Sprachwissenschaftlern Jakob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) gesammelt und verbreitet wurden. Allerdings wird in diesem von den Gebrüdern Grimm adaptierten Märchen die Vorstellung vom Menschenessen dem Bösewicht der Geschichte zugeschrieben, der bösen Hexe, und die Praxis wird als selbstverständlich unmoralisch und nicht hinnehmbar gesehen.
Diamond deutet an, dass er in der Absicht schreibt, den „Eurozentrismus” aufzulösen, und er behauptet, dass Intelligenztests nur kulturelles Lernen messen, nicht aber angeborene Intelligenz. Untersuchungen haben jedoch zum Beispiel gezeigt, dass Leute mit höherem IQ klügere ökonomische Entscheidungen treffen. Richard Lynn und Tatu Vanhanen argumentieren in ihrem Buch IQ and the Wealth of Nations (2002), dass ein signifikanter Anteil an dem Unterschied im Wohlstand zwischen reichen und armen Ländern auf Unterschiede im nationalen Intelligenzquotienten zurückzuführen sind.
Nach der schwedischen Professorin Annica Dahlström, einer Expertin in den Neurowissenschaften, finden sich Männer häufiger als Frauen an den extremen Enden der Intelligenzskala. Weibliche Genies kommen vor, aber sie sind viel weniger häufig als männliche. Das feministische Establishment behauptet, dass sie ihren Status als Wissenschaftlerin missbraucht habe, um „Geschlechtsstereotypen” zu bestärken; Dahlström sagt jedoch: „Der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, hinsichtlich ihrer Biologie und ihres Gehirns, ist größer, als wir uns je vorgestellt haben.” Wir sind jetzt in der Lage, die Gehirnaktivitäten in Echtzeit zu erfassen und zu verfolgen. Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind schon im Alter von drei Jahren klar erkennbar, wenn nicht noch früher. Die Gehirnzentren für verbale Kommunikation, für die Deutung von Mimik und Gestik, sind bei Mädchen schon in diesem frühen Alter weiter entwickelt. Nichtsdestoweniger wurde Larry Summers, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident der renommierten Harvard-Universität in den USA, nach einer Rede zum Rücktritt gezwungen, in der er die Annahme nahelegte, dass die Tatsache, dass Frauen in den obersten Rängen der Naturwissenschaftler unterrepräsentiert sind, auf „ein unterschiedlich häufiges Vorkommen von Spitzenbegabung” zurückzuführen sei.
Professor Helmuth Nyborgs Forschungen an der Universität in Århus (Dänemark) haben gezeigt, dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern in ihrer Intelligenzstruktur gibt. Dies hat massiven Widerstand seitens seiner Kollegen ausgelöst. Er stellt fest, dass „es im Reich der psychologischen Wissenschaft nicht erlaubt ist, über Intelligenz zu reden. Es ist hier praktisch nicht möglich, Intelligenz zu messen, und es ist nicht möglich, Menschen nach ihrem Intelligenzquotienten einzustufen. Das ganze Feld der Intelligenz ist eine sogenannte ´No-go-area´.” Wenn man sich dennoch weigert, umzukehren, ist man ein böser Mensch. Wenn man auch noch Unterschiede zwischen anderen Kategorien von Menschen, nicht nur zwischen den Geschlechtern, untersucht, ist man unmoralisch und ein „Nazi”. Mit Sicherheit ist dies der Fall für weiße Wissenschaftler, jedoch interessanterweise nicht unbedingt für asiatische.
Das Problem ist nun, dass diese Sichtweise logisch inkonsistent ist. Wenn man glaubt, dass Gott, oder irgendein göttliches Wesen oder eine göttliche Kraft, alle Menschen als Gleiche geschaffen hat, dann macht es Sinn, über Rassismus zu reden. Wenn man hingegen glaubt, dass die Menschen das Resultat der Evolution sind, dann ist das ganze Konzept des „Rassismus” wissenschaftlich bedeutungslos. Der Westen am Beginn des 21. Jahrhunderts wird von Darwinisten beherrscht, die nicht an die Evolutionslehre glauben. Wer glaubt, dass dies ein Widerspruch in sich selbst ist, der möge die Aussage von Reich und Arm betrachten. Der Kern von Diamonds Glaubenssätzen ist, dass die Evolution seit Milliarden von Jahren im Gang ist, von einzelligen Organismen zu Elefanten und Walen geführt hat, dann aber wunderbarerweise vor 50.000 Jahren gestoppt hat; und man ist ein Böser, wenn man suggeriert, dass die Menschen auch danach noch evolutionären Prozessen unterworfen gewesen seien. Dies ist, logisch gesehen, völlig absurd, es ist aber dennoch heutzutage die nicht in Frage gestellte herrschende Ideologie in der Wissenschaft und den Medien des Westens.
Diamond selbst versucht, eine Zusammenfassung seines gesamten Buches in einem Satz zu geben: „Die Geschichte hat für verschiedene Völker verschiedene Verläufe genommen wegen der Unterschiede in der Umwelt dieser Völker, nicht wegen biologischer Unterschiede zwischen den Völkern selbst.”
Ja, aber was ist, wenn Unterschiede in der natürlichen Umwelt auch die Biologie verschiedener menschlicher Gruppen in einer mehr als oberflächlichen Weise verändert haben, also etwas, was anzunehmen die Evolutionslehre auch eigentlich nahelegt?
Der Nahe Osten hat einen Reichtum an nützlichen lokalen Pflanzen und Tieren beherbergt. Vier Arten von großen Säugetieren – Ziege, Schaf, Schwein und Rind – wurden sehr früh im Fruchtbaren Halbmond domestiziert, möglicherweise früher als irgendein anderes Tier irgendwo sonst in der Welt außer dem Hund. Die Landwirtschaft wurde im Fruchtbaren Halbmond durch die Domestizierung von acht „Gründerarten” von Nahrungspflanzen begonnen, die Getreidearten Emmer, Einkorn, Gerste, die Hülsenfrüchte Linse, Erbse, Kichererbse, Linsenwicke und die Faserpflanze Flachs. Dank dieses Vorhandenseins von brauchbaren wilden Säugetieren und Pflanzen konnten die Menschen in dieser Region sich schnell ein kräftiges und ausgewogenes biologisches Sortiment für eine intensive Nahrungsmittelproduktion zusammenstellen, was wiederum zu komplexen, sozial gestuften Gesellschaften führte, die ein Aufzeichnungs- oder Registrierungssystem und damit eine Bürokratie erforderten. Nach Diamond wurden unabhängig voneinander im Nahen Osten (Mesopotamien), Mexiko und möglicherweise in China Schriftsysteme entwickelt, weil diese die Gegenden waren, in denen sich zuerst landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion entwickelte, eine Theorie, die plausibel erscheint. Dieser Teil ist auch der überzeugendste in seinem Werk.
Eurasische Infektionskrankheiten haben bei der europäischen Eroberung beider Amerikas eine enorme Rolle gespielt. Cortez und Pizarro hatten überlegene Waffen und Rüstungen aus Eisen gegenüber Keulen und Wurfschlingen, aber noch vor der militärischen Eroberung der Reiche der Inka und Azteken haben eurasische Krankheiten wie z. B. die Pocken, die zum Teil schon vor der Ankunft der Europäer dort hingelangt waren, die dortigen Bevölkerungen erheblich dezimiert. Diamonds Feststellung ist richtig, dass berittene Soldaten einen enormen militärischen Vorteil über die haben, die ohne Pferde sind. Erst mit der Einführung von motorisierten Fahrzeugen und Panzern im Ersten Weltkrieg wurden Pferde als wichtigstes Hilfsmittel beim Angriff und zum Transport ersetzt.
In dem Zeitraum zwischen 100.000 und 50.000 Jahren vor der Gegenwart hat sich hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten der Frühmenschen eine bedeutende Veränderung vollzogen. Diamond nennt dies den „Großen Sprung vorwärts”. Ob dies durch eine Vervollkommnung der sprachlichen Fähigkeiten oder durch eine generelle Veränderung der Organisation des Gehirns verursacht war, ist immer noch eine ungelöste Frage. Vor 40.000 Jahren zog der Cro-Magnon-Mensch in Europa ein und verdrängte nach einigen Jahrtausenden der Koexistenz den Neandertaler. Ungefähr zur gleichen Zeit finden wir die ersten Beweise menschlicher Besiedlung Neuguineas und Australiens über die südostasiatische Landbrücke. Diamond schreibt:
„Die Entwicklung war zunächst von praktisch nicht wahrnehmbarer Langsamkeit, wenn nämlich Hunderttausende von Jahren vergingen ohne irgendeine feststellbare Veränderung bei den Steinwerkzeugen und ohne eine nachweisbare Verwendung anderer Materialien. Heute geht technologischer Fortschritt so schnell vonstatten, dass in der Tageszeitung über ihn berichtet wird. In dieser langen Geschichte sich beschleunigender Entwicklung lassen sich zwei besonders signifikante Sprünge erkennen. Der erste, der zwischen 100.000 und 50.000 Jahren vor unserer Zeit stattgefunden hat, wurde wahrscheinlich durch genetische Veränderungen in unserem Körperbau verursacht: nämlich durch die Entwicklung hin zur modernen Anatomie, die Sprache und/oder die jetztzeitigen Hirnfunktionen ermöglichte. Dieser Entwicklungssprung führte zu Werkzeugen aus Knochen, spezialisierten Steinwerkzeugen und Vielzweckwerkzeugen. Der zweite Sprung war das Resultat des Übergangs zu einer sesshaften Lebensweise, der in verschiedenen Teilen der Welt zu verschiedenen Zeiten stattfand, schon vor 13.000 Jahren in einigen Gegenden und in anderen heute noch immer nicht. Meistenteils war dieser Übergang verbunden mit dem Beginn der Landwirtschaft, die von den Menschen verlangte, dass sie nahe bei ihren Feldern, Obstgärten und Vorräten blieben. Eine sesshafte Lebensweise war entscheidend für die technologische Entwicklung, denn sie ermöglichte es, nicht transportierbare Besitztümer anzuhäufen.”
Jared Diamond hält die Annahme, dass größere genetische Veränderungen bis 50.000 v. Chr. stattgefunden haben, für möglich, aber betrachtet es als „abscheulich” und „rassistisch”, anzunehmen, es könnten sich auch nach diesem Zeitpunkt noch genetische Unterschiede bei verschiedenen menschlichen Gruppen ergeben haben. Die ist nicht aufrechtzuerhalten, wenn man sich die historischen Realitäten ansieht. Verschiedene frühmenschliche Populationen haben Tausende und Zehntausende von Jahren in Afrika, Europa, in verschiedenen Teilen Asiens, in Australien und schließlich in Nord- und Südamerika unter verschiedenen natürlichen Bedingungen gelebt und sich an diese unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten angepasst.
Tatsächlich deuten neueste Forschungen an, dass die menschliche Evolution nicht nur weiterging, sondern sich auch beschleunigte und während der letzten 10.000 Jahre nach dem Beginn der Landwirtschaft und dann städtischer Zivilisationen zu noch größeren Veränderungen führte, als sich nämlich unser Körper neuen Lebensbedingungen, neuen Infektionskrankheiten und einer veränderten Nahrung anpassen musste. Dies ist der theoretische Hintergrund des von Gregory Cochran und Henry Harpending verfassten Titels The 10,000 Year Explosion: How Civilization Accelerated Human Evolution (2009), das ich bislang noch nicht die Gelegenheit hatte zu lesen.
Die Haupttheorie in Michael Hart´s Buch Understanding Human History ist, dass der durchschnittliche IQ der Frühmenschen, als sie Afrika um etwa 60.000 v. Chr. verließen und andere Kontinente besiedelten (er benutzt die Out-of-Africa-Theorie als Ausgangspunkt für seine Hypothesen; die Geschichte der frühen menschlichen Evolution ist jedoch hochkomplex und stark umstritten), etwa um 70 oder niedriger lag, mit Sicherheit aber nicht höher. Es gibt heute Menschen in Afrika, die einen durchschnittlichen IQ von weniger als 70 haben, und es gibt keinen wirklichen Grund anzunehmen, dass die Intelligenz der dortigen Menschen in den letzten 60.000 Jahren abgenommen hat. Dieses Niveau ist in Zehntausenden von Jahren unter dem Auslesedruck allmählich gestiegen (nicht mehr als 1 IQ-Punkt pro Jahrtausend), jedoch in einigen Gegenden schneller als in anderen. Hart unterstützt die „Kalt-Wetter-Hypothese”, die sagt, dass, als das Klima kälter wurde, die Menschen eine höhere Intelligenz entwickelten, um in einer Umgebung zu überleben, die größere Herausforderungen stellt, was im wesentlichen bedeutet, dass der durchschnittliche IQ um so mehr anwächst, je nördlicher man kommt.
Theoretisch sollte es möglich sein, in der Südhemisphäre denselben Trend zu sehen, je südlicher man kommt; jedoch war die Antarktis bis vor kurzem unbewohnt und die einzigen Menschen, die dort heute für eine längere Zeit leben, sind Wissenschaftler. Deswegen lässt sich dieses Prinzip praktisch nur auf die Nordhemisphäre anwenden. Menschen aus Schweden oder Russland sollten dementsprechend höhere Intelligenzquotienten haben als Menschen aus dem Niltal. In ähnlicher Weise sollten Koreaner oder Japaner höhere IQs haben als Menschen aus Südindien. Beide Beispiele entsprechen in etwa der festgestellten Realität.
Veränderungen der menschlichen Anatomie und Physiologie, die zu höherer Intelligenz führen, sind aber nicht umsonst zu haben, denn größere Gehirne erfordern größere Mengen an Energie sowie auch größere Schädel, was wiederum die Muskeln und das Knochengerüst belastet.
Das Altpaläolithikum ist das früheste Stadium der Altsteinzeit, ungefähr 40.000 bis 10.000 vor unserer Zeit. Die sogenannte Altsteinzeitliche Revolution ist der Name für das Phänomen, dass nach 50.000 v. Chr. Homo sapiens begann, Anzeichen eines neuen Niveaus der geistigen Differenziertheit und des abstrakten Denkens zu zeigen. Die ersten Steinwerkzeuge, die im Zeitraum von mehreren Millionen bis zu einigen Hunderttausenden von Jahren vor der Jetztzeit von den frühen Humanoiden hergestellt wurden, waren sehr grob und sind kaum als menschliche Artefakte zu erkennen. Im Kontrast zu dieser schmerzlich langsamen Fortschrittsrate haben während des Altpaläolithikums schnelle Veränderungen stattgefunden, wie z. B. die Einführung von solchen Neuerungen wie Nähnadeln, frühe Keramik, Pfeil und Bogen, Harpunen, Angelhaken, und als Musikinstrument Flöten. Archäologische Funde deuten bislang an, dass nur wenige oder gar keine dieser Erfindungen von in tropischen Gegenden lebenden Menschengruppen gemacht wurden; sie sind die Erfindungen von Menschen in kühleren Klimata. Michael H. Hart schreibt in Understanding Human History:
„Zu welchem genauen Zeitpunkt auch immer die aufgelisteten Erfindungen gemacht sein mögen, es ist offensichtlich, dass die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts im Altpaläolithikum viel, viel höher war als in den vorangegangenen Zeitaltern. Was war der Grund für diesen großen Zuwachs an Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts (die „altsteinzeitliche Revolution”)?
Es wird manchmal gesagt, dass der enorme intellektuelle und technologische Fortschritt in den letzten Jahrhunderten hauptsächlich aus der Tatsache resultiert, dass wir auf den Grundlagen aufbauen, die unsere Vorfahren gelegt haben. Während dies vielleicht ein Faktor ist, ist es sicherlich nicht die ganze Wahrheit. Schließlich haben die Menschen die meiste Zeit in der fernen Vergangenheit keinen Fortschritt im Vergleich zu den Errungenschaften früherer Generationen gemacht. Der Hauptgrund für die Beschleunigung der Fortschrittsrate im Altpaläolithikum war einfach, dass die zu der Zeit lebenden Menschen intelligenter waren als es ihre Vorfahren in weit früheren Zeiten gewesen waren. (Ein Aspekt dieser größeren Intelligenz war natürlich ihre größere sprachliche Fähigkeit.) In ähnlicher Weise ist ein wichtiger Grund, warum die Fortschrittsrate in den letzten Jahrtausenden noch größer als im Altpaläolithikum war, das fortdauernde Anwachsen der menschlichen Intelligenz, dass sie also heute größer ist als damals.”
Der technologische Fortschritt beschleunigte sich während des Neolithikums, der Jungsteinzeit. In der neolithischen Revolution entwickelte sich der Ackerbau mehr oder weniger unabhängig voneinander in wenigstens einem halben Dutzend verschiedener Regionen in unterschiedlichen Teilen der Welt, was uns vor eine Reihe schwieriger Fragen stellt: Warum begann diese Entwicklung erst nach 10.000 v. Chr., und warum fand sie damals in mehreren weit voneinander entfernten Orten innerhalb von nur wenigen tausend Jahren statt? Warum wurde die Landwirtschaft nicht schon um 30.000 oder 40.000 v. Chr. erfunden, obwohl doch für die Domestikation geeignete Pflanzen und Tiere auch zu der Zeit schon zur Verfügung standen und Menschen schon, außer in Amerika, in allen größeren Landgebieten lebten?
Für Michael Hart sind nutzbare Pflanzen und Tiere ein notwendiger Faktor für die Entstehung der Landwirtschaft, aber nicht ein hinreichender: ein Mindestniveau an Intelligenz war ebenfalls nötig. Der Grund, warum die Landwirtschaft nicht schon von den Frühmenschen vor 40.000 Jahren erfunden wurde, ist, dass sie noch nicht die notwendige Intelligenz besaßen, um mit Erfolg den begrifflichen Sprung zu machen, der nötig ist, um mit der Produktion von Nahrungsmitteln zu beginnen. Hart glaubt, dass das „Schwellenniveau”, das zur Entwicklung des Ackerbaus selbst in einer Region mit günstigem Klima und entsprechendem Angebot an Pflanzen und Tieren nötig ist, ein durchschnittlicher IQ von fast 90 ist. In der Folge eines Zehntausende von Jahren andauernden Evolutionsdrucks war die durchschnittliche Intelligenz einiger menschlicher Populationen schließlich groß genug, aber der Ackerbau war trotzdem zunächst nicht in weiter nördlich gelegenen, die Intelligenz mehr herausfordernden Klimata eingeführt worden.
Hart beschäftigt sich auch mit der alternativen, sich hinsichtlich der Entwicklung der Zivilisation auf die Geographie konzentrierenden Hypothese, die Prof. Jared Diamond in Die Schicksale menschlicher Gesellschaften vorstellt. Er legt die Annahme nahe, dass die relative Rückständigkeit des präkolonialen Australiens und von Teilen Amerikas im Verhältnis zu den bedeutenderen eurasischen Zivilisationen ausschließlich auf geographische Faktoren, auf das Klima und einen Mangel an brauchbaren Pflanzen und Tieren zurückzuführen ist. Überraschend ist nun, dass er bereit ist, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es eine genetische Komponente bei der Entwicklung der Intelligenz geben könnte, allerdings nur, wenn die Weißen schlecht dabei wegkommen, was in meiner Sicht so intellektuell unaufrichtig ist, dass es seine Schlussfolgerungen ernsthaft unterminiert.
Michael Hart ist darauf bedacht – und ich denke, zu Recht – nicht pauschal alles von der Hand zu weisen, was Mr. Diamond sagt. Der Nahe Osten hatte zu jener Zeit tatsächlich ein günstiges Klima und auch einen weit größeren lokalen Vorrat an nutzbaren und leicht zu domestizierenden Pflanzen und Tieren als irgendeine andere Region, was aller Wahrscheinlichkeit nach ein sehr wichtiger Grund dafür ist, dass Ackerbau und eine städtische Zivilisation dort so früh sich entwickelten; sowohl Australien als auch das Gebiet der heutigen USA hatten tatsächlich einen erheblichen Mangel an solchen Spezies. Jedoch unterstützen nach Hart diese Tatsachen Diamonds Theorie nicht, wenn sie auf einen Vergleich zwischen dem subsaharischen Afrika (ssA) und Mittelamerika angewendet werden. Was die Fauna betrifft, hatte das ssA einen großen Vorteil über Mittelamerika insofern, als es nicht völlig von den Zivilisationen Eurasiens abgeschnitten war. Einige wichtige Aspekte eurasischer Technologie wie die Töpferei und die Bearbeitung von Bronze und Eisen erreichten das ssA vom Mittleren Osten her, genau so wie die Nutzbarmachung domestizierter Kamele, Schafe und Ziegen:
„Wenn man seine Kriterien berücksichtigt, dann wäre anzunehmen, dass die Zivilisation im ssA eher begonnen hätte als in Mittelamerika und sie dort auch schnellere Fortschritte (noch vor der europäischen Expansion) gemacht hätte. Tatsächlich aber war Mittelamerika um das Jahr 1000 n. Chr. sehr viel weiter entwickelt als das ssA zu der Zeit oder irgendeiner Zeit zuvor. Zum Beispiel hatten die Bewohner Mittelamerikas von anderen unabhängig eine Schrift entwickelt, hatten viele sehr große Steinstrukturen konstruiert und hatten große Städte gebaut (die allem, was es in Europa gab, gleichkamen und weit größer waren als alle Städte im subsaharischen Afrika). Des weiteren stellen die Leistungen der Maya in Mathematik und Astronomie alle intellektuellen Leistungen im ssA in den Schatten. Daraus müssen wir den Schluss ziehen, dass ungeachtet der Tatsache, dass Die Schicksale der menschlichen Gesellschaften ein informatives Buch ist, die unabweisbare Überlegenheit der mittelamerikanischen über die subsaharische Technologie als ein entscheidender Schlag gegen die dort vorgebrachten Argumente erscheint.”
Fortsetzung: Teil 2
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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.
Bernhard
/ Dezember 30, 2017Da niemand von uns damals dabei war, sind alle Theorien Denkmodelle, Phantasien und unbedarfte Erklärungsvorgänge. Das plötzliche Auftauchen vollkommen fertiger Schriftsysteme kann niemals mit dem Begriff „Evolution“ erklärt werden.
Es muß, zwingend, immer eine Information vorhanden sein, die Veränderungen schafft. Ohne diese Voraussetzung gibt es keine Notwendigkeit der Weiterentwicklung und die Natur verschwendet keine Energie.
Besonders auffällig ist, bei z. B. der Kultur der Ägypter, daß diese zu Beginn am hochstehensten war, die größten „Wunder “ vollbrachte, während am Ende der Ära das Niveau gen Null ging.
Irgendwie erinnert mich das an Vorgänge in Afrika, am Afrika südlich der Sahara.
Es ist also, bei rein logischem Denken,, nur eine Möglichkeit wirklich relevant:
Es gab frühere, hochstehende Zivilisationen, die keine direkten Spuren hinterlassen haben. Kultursprünge passieren nicht aus dem Zufall heraus, und die Kreation einer Schriftsprache bedarf großer Intelligenz.
Das legt nahe, daß die Ägypter Lehrmeister hatten. So wie die Afrikaner Lehrmeister hatten.
Aber als diese verschwanden, ging es abwärts, damals in Ägypten, heute in den ehemaligen Kolonien…
hildesvin
/ Dezember 30, 2017„Das plötzliche Auftauchen vollkommen fertiger Schriftsysteme …“ – Das wäre mir ein Neues. Sämtliche Schriftsysteme haben sich m.W. entwickelt.
Die Existenz von Hochkulturen vor den alten Ägyptern ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Es ist ähnlich dem Einschleppen von Lebenskeimen über Meteoriten usw. auf der jungfräulichen Früherde, oder der Entstehung des Lebens auf derselben: Irgendwo müßte die Biogenese ja dann doch stattgefunden haben.
Aber wie sagte schon Meister Röhrig: „Wir s-tecken in einer ganz anderen Problematik!“
Bernhard
/ Dezember 31, 2017Wo sind denn dann die Vor- bzw. Entwicklungsstufen von z.B. der Keilschrift oder den Hieroglyphen?
Diese sogenannte Panspermie-Theorie ist auch so ein unbewiesener Unsinn wie die Gravitation!
Es führt nichts dran vorbei, daß vor der Genese eine Information dagewesen sein muß, wenn Sie so wollen, ein Gedanke.
Und wenn diese Evolutionstheorie stimmen würde, warum gibt es dann heute noch Affen oder überhaupt niedere Tiere?
Es wird immer mit riesigen Jahreszahlen herumhantiert, Millionen und aber Millionen, ohne wirklich wissenschaftlichen Nach- und Beweis. Dabei ist die einzige, relativ verlässliche Altersbestimmung die C14-Methode, die aber nur bis ca. 50.000 Jahre im Höchstfall datieren kann. und selbst da ist die Fehlertoleranz hoch.
Hören Sie sich doch mal Wissenschaftler an! Ich habe noch kaum einen gehört, der sagt: „Ich weiß.“ die allermeisten sagen: „Wir glauben, daß…“
Lucifex
/ Dezember 31, 2017Bei der ägyptischen Hieroglyphenschrift hat es sehr wohl eine Evolution gegeben, und zwar von einer ursprünglichen reinen Bilderschrift, die in den ältesten bekannten Zeugnissen aus der Zeit vor ca. 5200 Jahren etwa 700 Zeichen umfaßte, bis zur etwa 7000 Zeichen umfassenden Entwicklungsstufe in griechisch-römischer Zeit, wo dann im Laufe der Zeit auch immer mehr Konsonanten- und Sinnzeichen hinzukamen. Der Stand mit den etwa 700 Zeichen kann durchaus innerhalb relativ kurzer Zeit entwickelt worden sein, ausgehend von dem Gedanken „wir brauchen ein Notationssystem für diverse Verwaltungszwecke“, sobald man sich einmal das Grundprinzip mit den Bildersymbolen ausgedacht hat. Auf die 700 Zeichen kann man dann dem Bedarf entsprechend innerhalb einer so kurzen Zeit gekommen sein, daß von den wenigen Zeugnissen dieses Übergangsstadiums noch nichts gefunden wurde oder vielleicht auch nichts mehr übrig ist.
Ein ähnlich kurzes Anfangsentwicklungsstadium kann es auch für die Keilschrift gegeben haben, die ursprünglich ebenfalls aus Piktogrammen und Ideogrammen bestand. Da die Keilschrift hauptsächlich auf Tontäfelchen geschrieben wurde, wo die Zeichen mit einem Griffel in den weichen Ton gedrückt wurden, kann auch recht viel von den ältesten Schriftzeugnissen infolge „Wiederverwertung“ des Tons verlorengegangen sein, so wie es auch bei vielen auf Pergament geschriebenen Texten der griechisch-römischen Antike der Fall war, wo im christlichen Frühmittelalter das teure Pergament durch Abschaben der „heidnischen“ Texte einer Wiederverwendung zugeführt wurde.
Auch war die Kultur der Ägypter nicht zu Beginn am hochstehendsten und ist dann nur noch degeneriert, sondern sie hat sich ebenfalls von einfacheren Anfängen zu ihrem Höhepunkt entwickelt und ist dann erst wieder verfallen.
Ein in dieser Materie tatsächlich versierter Altphilologe oder Historiker könnte diese Widerlegung solcher „küchenhistorischer“ Amateurkreationistik bestimmt noch ausgefeilter ausführen.
Dasselbe ist es mit der Altersbestimmung: Neben der C14-Methode gibt es noch eine ganze Anzahl anderer – siehe z. B. Archäometrie – Ein multidisziplinärer Wissenschaftszweig. Rundumschläge gegen „die Wissenschaft“ kommen sowieso immer nur von solchen, die irgendeinen Quatsch verbreiten wollen.
Daß es keine Affen oder überhaupt niedere Tiere geben dürfte, „wenn die Evolutionstheorie stimmen würde“, ist überhaupt ein Blödsinn, genauso wie die Behauptung, die Gravitation sei ein „unbewiesener Unsinn“. Evolution bedeutet ja nicht, daß bloß eine ursprüngliche Lebensform sich immer weiter entwickelt und es daneben keine anderen Lebensformen geben kann (wovon sollte denn diese Lebensform sich in so einer Monospezies-Biosphäre ernähren?). Stattdessen findet im Zuge der Evolution eine Verzweigung der biologischen Entwicklung in unterschiedliche Subpopulationen und schließlich Spezies statt, wo die einzelnen Zweige sich in unterschiedlicher (nicht unbedingt „höherer“ Richtung) weiterentwickeln und es unterschiedlichste Existenznischen geben kann. Affen, Insekten, Fische, Blumen, Bakterien und Pilze gibt es, weil es viele Lebensweisen und Existenznischen gibt, für die es besser ist, eine dieser Lebensformen zu sein statt ein Mensch.
So, jetzt habe ich wieder Zeit und Gedankenkraft dafür verschissen, die ich eigentlich für etwas anderes verwenden wollte, um so einen kosmokabbalakäserischen Kreationistendummscheiß zu beantworten. Wie bereits Osimandia in Weihnachtsgrüße aus der Matrix im Zusammenhang mit Gutmenschendummscheiß geschrieben hat, sparen wir uns die Befassung mit solchen Blödsinnkommentaren nicht, weil wir uns nicht damit auseinandersetzen könnten, sondern weil wir keine Lust dazu haben, weil es uns von Wichtigerem abhält, und bei mir kommt noch dazu, daß ich hier keine Narrensaumreiterei (auch zum Thema Flache Erde oder Hohlwelt alias „Innenweltkosmos“) haben will, um unsere ernsthafte Befassung mit den realen und wirklich wichtigen Fragen nicht durch solch irrationales Gespinne diskreditieren zu lassen (wie ich schon mehr als einmal geschrieben habe). Wer auf so etwas steht, findet in der Spackosphäre genügend Spielwiesen dafür und kann sich dort auch über meine „Intoleranz“ ausweinen.
Ich bin seit einiger Zeit ohnehin schon wieder viel zu lax und nachsichtig hinsichtlich der Einhaltung meines hier angekündigten Vorsatzes geworden, künftig keine neuen Kommentatoren mehr zuzulassen. Das werde ich ab jetzt wieder sehr viel strenger handhaben, und diesmal ist es auch ein Neujahrsvorsatz.