
Von John J. O’Neill. Original: Islam’s Golden Age: An Archaeological Nonentity, erschienen am 27. Februar 2010 bei „Gates of Vienna“.
In meinem kürzlich erschienenen Buch “Holy Warriors: Islam and the Demise of Classical Civilization” habe ich detailliert argumentiert, daß der Islam, weit davon entfernt, eine Kraft der Aufklärung im sogenannten Dunklen Zeitalter zu sein, tatsächlich verantwortlich war für die Zerstörung der alphabetisierten und städtischen Zivilisation, die wir jetzt die klassische nennen, und daß es, wenn überhaupt, der Islam war, der Europas Abstieg in die Rückständigkeit während des Mittelalters verursachte. An derselben Stelle habe ich im Detail argumentiert, daß das islamische Goldene Zeitalter des späten siebten bis mittleren zehnten Jahrhunderts, in dem der Islam sich angeblich im Licht der Wissenschaft und Gelehrsamkeit gesonnt hat, ein kompletter Mythos ist, und daß keine solche Epoche jemals existierte. Die Beweise dafür sind archäologischer Natur.
Bis zum neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert waren Gelehrte gezwungen, sich hinsichtlich ihres Wissens über die Welt der Antike und des Mittelalters gänzlich auf schriftliche Quellen zu verlassen. Der kompetente Historiker hatte natürlich immer die entscheidende Fähigkeit gehabt, zwischen Fakten und Fabeln zu unterscheiden, zwischen Propaganda und ehrlicher Berichterstattung. Es gab auch ab dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert eine ausgereiftere Form der Textkritik. Dennoch, egal wie kritisch der Gelehrte war, am Ende war alles, womit er arbeiten konnte, das geschriebene Wort. Aber dies alles begann sich im neunzehnten Jahrhundert zu ändern. Von da an hatten die Gelehrten etwas Unabhängiges, mit dem sie die Behauptungen der Chronisten und Annalenschreibe von einst überprüfen konnten: die Wissenschaft der Archäologie.
Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hatten die Archäologen begonnen, ein recht umfassendes Bild der Archäologie Europas und des Nahen Ostens zusammenzufügen. In der Tat gehörten und gehören mehrere Gebiete des Nahen Ostens, wie Ägypten, Palästina und der Irak, zu den am gründlichsten durch Ausgrabungen erforschten Regionen der Erde.
Mittelalterkundler waren natürlich sehr daran interessiert gewesen, etwas Licht auf die romantische, wenn auch anscheinend fabelhaft reiche und kultivierte islamische Welt des siebten, achten und neunten Jahrhunderts zu werfen. Seltsame und wundersame Geschichten wurden über diese Epoche erzählt, wenngleich alle darin übereinstimmten, daß es ein Zeitalter hoher Zivilisation war. In der Tat wurde das siebte bis zehnte Jahrhundert, wie wir sahen, als das islamische Goldene Zeitalter betrachtet. Dies war das Zeitalter der Omayyaden- und Abbasidenkalifen; die romantische Epoche von Scheherazade und Harun al-Raschid, dem fabelhaft reichen Kalifen von Bagdad, von dem es heißt, daß er die Verkleidung eines gewöhnlichen Mannes angelegt und nachts durch die schwach beleuchteten Straßen der Metropole gewandert sei – einer Stadt von angeblich einer Million Menschen. Diese Epoche, und diese allein, soll das Zeitalter der kulturellen Vorherrschaft des Islams markiert haben. Man betrachte die folgende Beschreibung eines englischen Historikers über das Cordoba des achten bis zehnten Jahrhunderts, typisch für das Genre:
„In Spanien … führt die Gründung der Omayyaden-Macht eine Ära beispielloser Pracht herbei, die ihren Höhepunkt im frühen zehnten Jahrhundert erreicht. Die große Universität von Cordoba ist gedrängt voll mit Studenten … während die Stadt selbst das Staunen von Besuchern aus Deutschland und Frankreich erregt. Die Ufer des Gualadquivir sind gesäumt von luxuriösen Villen, und – geboren aus einer Laune des Herrschers – erhebt sich der berühmte Palast der Blume, eine fantastische Stadt der Freuden.“ (H. St. L. B. Moss, „The Birth of the Middle Ages; 395-814“, Oxford University Press, 1935). Alle stimmten darin überein, daß die islamische Welt in späteren Jahren, vom elften Jahrhundert an, schnell hinter den Westen zurückzufallen begann.
Nach dem Wort der geschriebenen Geschichten erwarteten die Archäologen also, von Spanien bis zum östlichen Iran eine blühende und lebhafte Kultur zu finden; eine islamische Welt enormer Städte, ausgestattet mit all dem Reichtum der Antike und dem Beutegut, das in den moslemischen Eroberungskriegen angesammelt worden war. Sie hofften, Paläste zu finden, öffentliche Bäder, Universitäten und Moscheen, alle reich mit Marmor, Keramik und Steinschnittarbeiten verziert.
Tatsächlich fanden sie nichts dergleichen.
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