Von Cernunnos (Originalveröffentlichung hier). Diese Geschichte ist im selben „TTA-Universum“ angesiedelt wie Stewart Cowleys Buch Spacewreck, und sie ist eine Fortsetzung von Stewart Cowleys Originalgeschichte Spacewreck: Kinder der Götter. Die Bilder sind von Edward Blair Wilkins, Eddie Jones und Colin Hay.

Ulf Janssen durchquerte das Raumdock C der Alferi-Raumbasis und strebte seinem Schiff zu, das bereits außerhalb davon abflugbereit angedockt lag. Aus der zum Weltraum hin offenen Konstruktion des Docks konnte er im Hintergrund drei Kreuzer der Terran Defence Authority im aktinischen Licht von Alpha Eridani schweben sehen. Selbst hier, zwölf Milliarden Kilometer von diesem auch als Achernar bekannten blauen Doppelstern entfernt, war sein Glanz nicht viel schwächer als jener von Sol aus der Erdumlaufbahn gesehen.
Er und seine Schiffskameraden hatten seit dem Abenteuer auf Beta Fornacis III einiges erreicht, dachte Janssen. Nachdem der Kapitän und Eigner ihres damaligen Schiffes, der Paquita, auf diesem Planeten zurückgeblieben war und ihnen somit das Schiff überlassen hatte, waren sie zunächst zum Bestimmungsort ihrer illegalen Fracht aus Nuklearsprengmitteln geflogen, um diese abzuliefern und das Transportentgelt zu kassieren.
Auf dem Weg dorthin war es unter der zusammengewürfelten Besatzung zu Streitigkeiten um die Aufteilung dieses Geldes, das ursprünglich ihrem Kapitän gehört hätte, sowie der Eigentumsanteile an der Paquita gekommen. Dieser Konflikt hatte zu Kämpfen an Bord geführt, die erst endeten, nachdem ein Drittel der Mannschaft tot war und die Mehrheitsfraktion unter der Führung des Ersten Offiziers Ranjit Aghdashloo, der auch Ulf Janssen angehörte, gewonnen hatte. Anschließend hatte man sich darauf geeinigt, daß das Frachtentgelt zunächst für die vollständige Reparatur der Paquita verwendet werden und der Rest nach dem Schlüssel an die Männer ausbezahlt werden sollte, wie sich ihre mit dem Kapitän vereinbarten Löhne zueinander verhielten. Das Eigentum am Schiff selbst teilten sich die Überlebenden gleichmäßig untereinander auf.
Da Janssen Erster Pilot der Paquita gewesen und auch ingenieurstechnisch sehr versiert war, hatte er eine relativ hohe Lohneinstufung gehabt und entsprechend stark von dieser Regelung profitiert. Nach mehreren weiteren lukrativen Flügen mit dem wiederhergestellten Schiff hatte er genug Geld beisammen, um sich selbständig machen zu können. Seinen Eigentumsanteil an der Paquita ließ er sich von den anderen Mannschaftsmitgliedern abkaufen, und zusammen mit seinen Ersparnissen aus seiner Zeit als Offizier der Terran Trade Authority, bevor er bei der Behörde in Ungnade gefallen war, reichten seine Mittel für die Anzahlung auf ein eigenes Schiff. Fünf seiner Kameraden – drei davon kannte er bereits aus seiner TTA-Zeit – ließen sich ebenfalls auszahlen und schlossen sich ihm an.
Janssens Wahl fiel auf die Tauris, einen ehemaligen bewaffneten TTA-Transporter der Tharsis-Klasse, von der nur wenige Exemplare gebaut worden waren, weil sich die Handhabung und Wartung dieser leistungsfähigen Raumschiffe als zu anspruchsvoll für die drittklassigen Diversity-Quotenbesatzungen erwiesen hatte, die inzwischen meist für die Transportaufgaben der Terran Trade Authority eingesetzt wurden. Janssen war auf genau so einem Schiff, der Thule, Erster Offizier im Range eines Lieutenant Commander gewesen, eher er ungerechterweise aus der TTA flog, weil er korrupte Machenschaften seines Kommandanten JaDavin Shabraoui und dessen Komplizen aufgedeckt hatte:
Die Thule war auf einer Eiswelt bruchgelandet, nachdem zwei ihrer Fusionstriebwerke im Landeanflug versagt hatten. Kommandant Shabraoui hatte den mitgeführten Austauschsatz für hochbelastete Verschleißteile der Triebwerke schwarz verhökert und den vorgeschriebenen Austausch dieser Teile übergangen, was er mit schonendem Triebwerkseinsatz über das nächste Wartungsintervall auszugleichen hoffte. Wegen der damals herrschenden böigen, stürmischen Turbulenzen waren sie in schnellerem Landeanflug als üblich auf Karelis III hinuntergegangen, und als die Triebwerke zum Abfangen vor dem Aufsetzen auf volle Normalleistung gefahren worden waren, war eines davon ausgefallen. Automatisch waren die beiden benachbarten Antriebe sofort auf Notleistung gegangen, mit der Folge, daß einer davon kurz darauf ebenfalls versagt hatte. Die Gravoaggregate hatten bei dieser Sinkgeschwindigkeit nicht ausgereicht, um den fehlenden Schub auszugleichen und vor dem Bodenkontakt einen Schwebezustand herzustellen, und so hatte die Thule in leichter Schräglage hart mit dem Heck aufgeschlagen und war anschließend – gebremst durch die Gravitoren im Vorschiff – umgekippt.
Nachdem die Besatzung durch ein kleines Scoutschiff gerettet worden war, hatte die TTA versucht, die Ursache des Unglücks zu vertuschen, um einen Korruptionsskandal zu verhindern, nachdem es zuvor schon weitere gegeben hatte. Als Janssen und drei seiner Kameraden – der Zweite Ingenieur Marc Auriol, der Erste Pilot Angus Craig und der Waffensystemoffizier Silvano Tassotti – auf der Wahrheit beharrten, hatte die TTA zunächst Druck auf die vier ausgeübt und sie schließlich aus ihrem Dienst ausgeschlossen. Janssen konnte es zwar nicht beweisen, aber er hatte den Verdacht, daß die Behörde auch durch verdeckte Einflußnahme dafür gesorgt hatte, daß fortan keine reguläre zivile Raumfluggesellschaft ihnen mehr einen Job gab. So war ihnen nichts anderes übriggeblieben, als unter Chalee Sameth auf der Paquita anzuheuern.
Nach seinem Ausscheiden aus der Paquita-Mannschaft hatte Janssen unter Nutzung seiner gewonnenen Erfahrungen die Prüfungen für eine zivile Transportraumer-Kapitänslizenz abgelegt, sodaß er im Unterschied zu seinem Ex-Kapitän Sameth ganz legal Transportdienste anbieten konnte. Dann hatte er die Tauris gekauft, die wie die wenigen anderen erhalten gebliebenen Schiffe der Tharsis-Klasse nach ihrer Ausmusterung aus dem TTA-Dienst zum Abverkauf an zivile Nutzer freigegeben worden war. Zwar ohne Bewaffnung, aber Janssen hatte vor, zum Wrack der aufgegebenen Thule zu fliegen, die immer noch auf der entlegenen Eiswelt Karelis III lag. Deren Waffenanlage, bestehend aus zwei unter Abdeckungen versenkbaren Lasergeschütztürmen mit halbkugeligem Schußfeld beiderseits des Rumpfes samt der dazugehörigen Nebenaggregate und der Feuerleitanlage, wollte er ausbauen und „schwarz“ in die Tauris integrieren. Auch diverse Ersatzteile für die Antriebsanlagen, die Reaktoren und die sonstigen Schiffssysteme konnten dort gewonnen werden. Ein Teil davon würde zusammen mit dem Hauptreaktor und dem Hyperantrieb von seinen ersten Auftraggebern verwendet werden, einer geheimnisvollen Gruppe, die ihm einen Teil des Geldes vorgestreckt hatte, das ihm auf den vollen Kaufpreis der Tauris noch gefehlt hatte, sodaß er für den Rest mit einem kleineren Kredit auskam. Außerdem wußte Janssen aus seiner Zeit bei der TTA und auch aufgrund späterer Recherchen, wo eine weitere verunglückte Einheit der Tharsis-Klasse zu finden sein könnte, nämlich die Thaumasia, die nach einem mysteriösen Zwischenfall aus der Schiffsliste der TTA gelöscht worden war.
Janssens Auftraggeber hatten das erste Schiff eines zweiten Bauloses der Tharsis-Klasse erworben, die Thalia, die wegen der beschlossenen Ausmusterung dieses Typs nicht mehr fertiggestellt worden war. Janssen und seine Mannschaft hatten diesen Leuten mit ihrer Expertise dabei geholfen, dieses Schiff weitgehend fertigzustellen und normalraumflugfähig zu machen, einschließlich Fusionstriebwerken, Hilfsreaktoren und Gravitoren, aber ohne Hyperantrieb und den für dessen Betrieb nötigen Hauptreaktor. Da die Thalia so nur zu interplanetaren Flügen innerhalb eines Sonnensystems fähig war, brauchte sie von der TTA nicht lizenziert zu werden. Im Laderaum eines gecharterten Großfrachters, mit dem ein Teil der Auftraggebergruppe mitfliegen würde, sollte sie ins Karelis-System gebracht und in den freien Weltraum ausgesetzt werden. Der Rest der Gruppe würde als Passagiere mit der Tauris dorthin reisen, die für sie auch einiges andere Material in ihrem Laderaum befördern würde. Beide Schiffe sollten dann auf Karelis III neben der Thule landen, worauf deren Hauptreaktor und Hyperantrieb in die Thalia und ihre Waffensysteme in die Tauris eingebaut werden sollten. Wenn das erledigt war, würde ein weiterer Geldbetrag auf Janssens Konto überwiesen werden, womit er einen Teil seines Kredits tilgen konnte. Anschließend war vorgesehen, zur Thaumasia zu fliegen und zu sehen, ob deren Waffenanlage für die Thalia übernommen werden konnte.
Wofür seine Auftraggeber Waffen an ihrem Schiff haben wollten, wußte Janssen nicht. Sie machten jedenfalls nicht den Eindruck von Piraten, daher zählte für Janssen nur, daß er nach einem erfolgreichen Abschluß auch dieses Auftragsteils genug Geld bekommen würde, um sein eigenes Schiff ganz abzahlen und schuldenfrei sein zu können.

Einen Tag später, nachdem der langsamere Großtransporter bereits abgeflogen war, legte auch die Tauris von der Alferi-Raumbasis ab und nahm, vorbei an Alpha Eridani A, Kurs auf ihr fernes Ziel. Getrieben von den Plasmastrahlen aus ihrem Heck steuerte sie eine der ausgewiesenen Sprungzonen im Achernar-System an, wo sie ihren Hauptreaktor hochfuhr und nach dem Abschalten ihrer Fusionsraketentriebwerke im Hyperraum verschwand.
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