Generationenastrologie für Dummies

Von Jim Goad, übersetzt von Lucifex. Das Original Generational Astrology for Dummies erschien am 3. September 2018 auf Taki’s Magazine.

Als jemand, der am Schluß des „Babybooms“ (1946 – 1964) geboren wurde, kann ich guten Glaubens sagen, daß ich nie dafür gestimmt habe, das Defizit hochzutreiben, das Land mit Illegalen zu fluten, die guten Jobs nach Übersee auszulagern oder das gegenwärtige Klima des rabiaten antiweißen Hasses zu fördern. Ich hatte nie das kleinste bißchen Einfluß darauf, was unsere Medien und unser Bildungssystem geworden sind. Tatsächlich habe ich mich mein ganzes Erwachsenenleben lang lautstark gegen all diese Dinge gewandt.

Dennoch wird mir all das bloß wegen meines Geburtsdatums angelastet. Wenn ich irgendein Argument online anzubringen versuche, dann neigt eine Untersekte von Leuten zu denken, daß „Halt‘ verdammt nochmal das Maul, Boomer!“ als wirksame argumentative Erwiderung dient. Selbst wenn ich sage, daß es heute 72 Grad [Fahrenheit] hat und Beweise dafür anbiete, daß es wirklich 72 Grad sind, sagen sie „Peak Boomer logic“.

Es ist die Rechtsaußen-Version dessen, seine Handfläche hochzuhalten und zu sagen: „Du darfst hier nicht sprechen, weil du ein weißer Mann bist“ und dann so zu tun, als sei das eine ausreichende Erwiderung.

Wann zur Hölle hat diese Psychose angefangen? Passiert das schon seit einer Weile und ich habe es bloß nicht erkannt? Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals eine Generationenanalyse in irgendeiner meiner Schriften vorgenommen habe, aber irgendwie bin ich in einen laufenden Kampf bis aufs Blut zwischen Millennials und Babyboomern verwickelt worden.

Den Memen zufolge habe ich es ziemlich leicht gehabt. Anscheinend habe ich ein Haus in meinen 20ern mit einem 9-to-5-Job gekauft, der keinen Bachelor-Abschluß erforderte, aber ich nörgle darüber, daß „junge Leute es heutzutage leicht haben.“

Das Problem ist, ich habe mein allererstes Haus vor ein paar Monaten gekauft, nachdem ich vor 33 Jahren das College summa cum laude abgeschlossen habe, aber man sollte nie zulassen, daß Fakten einem Mem in die Quere kommen. Genauso wenig kann ich mich erinnern, daß ich mich jemals über „die jungen Leute heutzutage“ beschwert hätte. Ich tendiere dazu, mich über Leute im Allgemeinen zu beschweren.

Dennoch, wenn ich eine ehrliche Meinung darüber zu äußern versuche, daß ich das moderne „Traditionalist Catholic“-LARPing in Segmenten der Alt-Right äußerst dämlich finde, dann wird mir gesagt, daß ich mich einfach wie ein typischer Boomer verhalte.

Verhalte ich mich auch wie ein typischer Zwilling?

Astrologie ist idiotisch, weil sie mit null Beweisen annimmt, daß jeder, der im selben einmonatigen Zeitraum geboren wurde, dieselben Charaktereigenschaften haben wird.

Generationenastrologie ist ungefähr 240mal dümmer als gewöhnliche Astrologie, weil sie zu behaupten versucht, daß jeder, der im selben 20jährigen Zeitraum geboren wurde, dieselben Charaktereigenschaften haben wird.

Es ist dumm, und ich habe ein Problem mit dumm.

Gewisse jüngere Elemente der Alt-Right scheinen zu denken, daß ihre Generation irgendwie weniger liberal sei als die Boomer. Nachdem sie in einer Echokammer von 100 Online-Freunden leben, die alle die „Judenfrage“ stellen und „Degeneration“ hassen, scheinen sie die Illusion zu habenl daß alle 20jährigen so denken, und erkennen nicht, daß, wenn man politische Neigungen wirklich mit Umfragen feststellen kann, jüngere Leute viel mehr vom Kulturmarxismus vereinnahmt sind als jeder Boomer oder GenXer, vor dem man mit einem „Shame Stick“ herumfuchteln sollte.

Die Dummheit wurde damals im Mai um ein paar Zacken gesteigert, als so ein ahnungsloses fettleibiges Chamäleon meinen Artikel „In Defense of Degeneracy“ zu analysieren versuchte, indem er behauptete, ich würde mich einfach wie ein typischer ironischer und nihilistischer GenXer verhalten – er konnte nicht einmal meine Generation richtig zuordnen, aber er stützte seine gesamte Kritik auf diese falsche Prämisse.

Er ist einer jener Leute, die sich prinzipiell immer als „Journalisten“ bezeichnen – vielleicht seid ihr ihnen begegnet. Erfahrungsgemäß sind sie alle Ideologen statt Journalisten, und sie haben die Fakten immer falsch. Ich sage immer nur, daß ich in Journalismus ausgebildet wurde und mich an dessen Regeln zu halten versuche, was der Grund ist, warum ich nahezu immer die Fakten richtig hinkriege. Für mich hat es immer prätentiös geklungen, sich einen Journalisten zu nennen – das, plus die Tatsache, daß nahezu jeder Mainstream-„Journalist“ heute dem Beruf mit seiner schreienden Voreingenommenheit Schande bereitet.

Einer Generation das vorzuwerfen, was ihre Führer ihnen aufdrängten, ist gleichermaßen naiv. Ich hasse es, so generationenbezogen zu werden, aber man muß recht jung sein, um zu glauben, daß man viel Einfluß auf irgendwas hat.

Selbst der älteste Babyboomer war zu jung, um irgendeinen der Politiker ins Amt zu wählen, die für das Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsgesetz von 1965 stimmten. Hier ist, wie Ted Kennedy den Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit verkaufte:

Erstens, unsere Städte werden nicht mit einer Million Einwanderern jährlich geflutet werden. Nach dem vorgeschlagenen Gesetzesentwurf bleibt das gegenwärtige Einwanderungsniveau im Wesentlichen dasselbe. … Zweitens, das ethnische Mischungsverhältnis dieses Landes wird nicht umgestoßen werden

Er log also entweder, oder er irrte sich. Aber obwohl keine Boomer über dieses Gesetz abstimmten, und obwohl die Wähler nicht bekamen, was ihnen versprochen wurde, sind es die Boomer statt die Regierung, die die Schuld an dem gegenwärtigen Multikulti-Sumpf bekommen.

Damals in den 1970ern wurde diese Sache namens „Altersgruppismus“ [„ageism“] als eine Neue Sünde betrachtet, so wie Rassismus und Sexismus und Homophobie. Es gab sogar Gruppen wie die Grey Panthers, die für die Rechte der Alten kämpften. Immerhin ist das Alter von jemandem so wie seine Rasse eine „angeborene“ Eigenschaft, über die er keine Kontrolle hat.

Die Sünde des Altersgruppismus ist nicht nur aus den politischen Punkten der Linken verschwunden, sondern aus jenen des gesamten politischen Spektrums. Unter den Jungen wird es nicht als unhöflich betrachtet, Hass gegen die zu schleudern, die älter sind als sie; es wird als gerecht betrachtet.

Vor ein paar Jahren beschlossen zwei angeheiratete Verwandte von mir, ihre Social-Security-Leistungen mit 62 in Anspruch zu nehmen statt mit 67. Wenn sie weitere fünf Jahre gewartet hätten, dann wären ihre monatlichen Schecks ungefähr zweieinhalbmal größer gewesen. Aber keiner der beiden fühlte sich sicher genug, daß die Regierung in fünf Jahren noch Geld übrig haben würde, um Social-Security-Schecks auszugeben.

Die nationale Verschuldung ist gegenwärtig über $ 21 Billionen. So schrecklich diese Zahl auch ist, so sind darin nicht all die „nicht fundierten Verbindlichkeiten“ einschließlich Social Security und Medicare mitgezählt. Die stehen bei ungefähr $ 210 Billionen, und es ist mathematisch unmöglich, daß die Regierung jemals ihre Versprechungen einlöst, etwas von dem Geld in Social-Security-Leistungen zurückzugeben, das sie die Leute einzuzahlen gezwungen hat.

Stattdessen witzeln rabiate Anti-Boomer über den „day of the pillow“, den „Tag des Kopfpolsters“ wenn alternde Boomer in Pflegeheimen von sadistischen schwarzen Pflegerinnen erstickt werden, weil die Boomer sich irgendwie verschworen haben, die Schulden hochzutreiben, die Zukunft zu zerstören und den Multikulturalismus blühen zu lassen.

Das ist der Grund, warum ich argwöhne, daß es Politiker sein könnten, die verdeckt Feindseligkeiten zwischen den Generationen schüren. Sorgt dafür, daß sie einander an die Kehle gehen, statt sich auf die zu fokussieren, wie wirklich schuld sind.

Es ist krank und unehrlich, aber es scheint zu funktionieren. Mein Rat an alle Generationen: Werdet zorniger auf eure Politiker.

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Siehe auch Der „Day of the Pillow“ von Jim Goad, meinen Kommentar vom 2. November 2017 zu Edmund Connellys Boomer-Bashing sowie Strohtod zur Weihnacht, worin B-Mashina die Ansichten des Prostatacollapsers „Nicht Verfuegbar“ zu diesem Themenbereich zitiert.

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

3 Kommentare

  1. Die Tendenz zu Generationenkonflikten setzt sich auch in (bzw. zwischen) den jüngeren Generationen fort, und es ist erstaunlich, welche Trivialitäten dabei als Aufhänger dienen, wie in dieser Kurzmeldung von orf.at ersichtlich:

    Skinny Jeans spalten die Generationen
    Die Skinny Jeans stehen im Zentrum eines Generationenkonflikts, das verrät zumindest ein Blick auf die Kurzvideo-App TikTok. Geht es nach der Generation Z, dann haben die hautengen Hosen ausgedient. Bei Millennials ruft das jedoch teils emotionale Reaktionen hervor. Totgesagt wurden die hautengen Jeans jedenfalls schon einige Male – und das bis dato nicht erfolgreich.

    Wegwerfen, anzünden oder umschneidern – so oder so ähnlich lautet der Rat vieler junger Menschen auf TikTok, die der Generation Z angehören, in Sachen Röhrenjeans. Zur Generation Z (auch Gen Z) zählen überwiegend jene, die zwischen 1997 und 2012 zur Welt gekommen sind. Auf TikTok schenken sich Gen Zs und Millennials (zwischen den frühen 80er und späten 90er Jahren geboren) schon seit geraumer Zeit immer wieder gegenseitig ein. Videos zum Thema „Gen Z vs. Millennials“ gibt es mehrere Millionen.

    Doch wenig polarisierte bisher so sehr wie die Röhrenjeans. Die Debatte darüber entzündete sich erstmals im Vorjahr, nahm in den letzten Tagen aber wieder an Fahrt auf. Auf der einen Seite stehen also Angehörige der Generation Z, die ihren Vorgängern davon abraten, enge Hosen zu tragen, um jünger auszusehen. Die Röhrenjeans haben sie längst gegen Schlaghosen und Baggy Jeans getauscht. Genauso wie den Seitenscheitel, der nun ein Mittelscheitel sein soll. Oder das weinende Lachemoji, das mit wirren Buchstabenkonstrukten ersetzt wird.

    „Wir haben ihren Look erfunden“

    Gen Z gegenüber stehen die röhrenjeansliebhabenden Millennials, die sich teils ertappt, teils beleidigt und teils angriffslustig geben. Während sich manche User und Userinnen auf TikTok – und vereinzelt auch in Form von Kolumnen für diverse Zeitschriften – für ihre Liebe zu Skinny Jeans rechtfertigen oder nach Modetipps fragen, weisen andere darauf hin, dass ihre Nachfolgegeneration eigentlich aus Nachahmern besteht.

    Millennials hätten bereits rund um die Jahrtausendwende weite Hosen getragen, heißt es. „Mode wiederholt sich“, so ein User, der zum Beweis Bilder aus den späten 90ern und frühen 20ern teilt. Eine „Guardian“-Kolumnistin, die sich als Millennial outet, formuliert: „Wir haben ihren kompletten Look erfunden.“

    Der „Guardian“ bringt den Trend zu weiteren Hosen darüber hinaus in Verbindung mit der Body-Positivity-Bewegung. Diese gehe Hand in Hand mit den Agenden der Generation Z, die sich generell für mehr Diversität in allen Bereichen der Gesellschaft stark mache, so die britische Zeitung.

    Blütezeit der Röhrenjeans

    Dass die Röhrenjeans überholt sind, ist für Fashionistas allerdings wenig überraschend. Modemagazine wie „Elle“ verkündeten bereits 2019, dass die Skinny Jeans „tot“ seien. Ähnliches verlautbarten immer wieder auch andere Magazine – von „Vogue“ bis „Harper’s Bazaar“. Zugleich wurde mehrfach der Siegeszug weiterer Schnitte – von Mom Jeans bis Schlaghosen – ausgerufen.

    Ihre Blütezeit erlebten die Skinny Jeans ab 2005. Den Erfolg haben sie unter anderen dem Designer Hedi Slimane zu verdanken, der sie in seine Herbst/Winter-Kollektion für Dior Homme inkorporierte. „Slimanes Skinny Jeans sind aufgrund ihres Schnitts, aber auch aufgrund der Körper, an denen er sie präsentierte – also unglaublich dünne Körper, sowohl männlich als auch weiblich – signifikant“, so die Modeexpertin Emma McClendon („Denim: Fashion’s Frontier“). Getragen wurden diese von It-Girls wie Paris Hilton und Lindsay Lohan – aber auch von Alternative-Rock-Musikern und deren Fans.

    Totgesagte leben länger

    Die Einzelhandelschefin des Trendprognoseinstituts WGSN, Lorna Hall, sagte 2019 aber auch: „Etwas, das so bedeutend ist wie die Skinny Jeans, ist kein Trend. Sie ist ein fixer Bestandteil eines jeden Kleiderschranks. Sie wird weiterhin ein Klassiker bleiben, viele Leute interessieren sich jetzt aber auch für andere Schnitte.“

    In die gleiche Kerbe schlug Levi’s-Chef Chip Bergh. Bei einem Investorentreffen sagte er einem „Business Insider“-Bericht zufolge, dass er nicht denke, dass „Skinny Jeans aus dem Frauengeschäft je verschwinden werden“, wenngleich es generell einen eindeutigen Trend zu lockerer und legerer Kleidung gebe.

    McClendon fügte im „Guardian“ hinzu, dass Röhrenjeans immer einen Weg fänden, zurückzukehren. „Sie sind ein extrem vielseitiges und anpassungsfähiges Kleidungsstück, das so viele kulturelle Bedeutungen mit sich bringt, dass es niemals irrelevant sein wird.“

    Auffallend ist, daß die Neigung, sich als abgegrenzte Generation gegen andere Generationen zu definieren und diese anderen Generationen anzufeinden, zu den jüngeren Generationen hin zuzunehmen scheint. Wir Boomer haben uns nie so richtig als separate Generation gesehen und diese Bezeichnung bzw. Definierung eher von außen, vor allem von den nächstjüngeren Generationen, aufgeprägt bekommen, obwohl es hier mit dem Pillenknick eher eine erkennbare Abgrenzung gibt. Die GenXer waren da schon ein bißchen abgrenzungsbedachter (und ich meine da auch schon eine Andeutung von Opferhaltung wahrzunehmen); die Millennials sind offen (und vermutlich geschürt) „antiboomeriell“, und jetzt erleben sie, daß die nächstjüngeren GenZer sich gegen sie abgrenzen und ihnen „einschenken“. Harhar…

    • (und vermutlich geschürt) —
      Ooch, eher ziemlich sicher: geschürt.
      Köstlich, von Gerhard Haderer: Da sitzt eine mit mürrischer Miene sowie mit einer Liste in der Hand, was alles „out“ wäre, und das eben hat sie alles in ihrer Bude: Designersofas, riesige Marmoreier, äthiopische Adoptivbabies …
      Nebenbei sind knallenge Hosen unter orthopädischen Gesichtspunkten das Grauen schlechthin, auch unter denen der körperlichen Konfrontation, und nebenbei mindern sie in gewissem Maß die potentia generandi.

    • Vorwiegend junge Leute fallen auf dieses Schüren herein und denken nicht daran, daß Ältere schon mehr Dinge kommen und gehen gesehen haben. So wie auch die Millenials nicht daran denken, daß die GenZer und post-GenZer ihnen einmal Ähnliches vorwerfen werden wie sie jetzt den Boomern.

      Someday I’ll be an old record
      A picture of what once had been
      Someday I’ll be an old song
      That they heard in a dream
      Or a record machine.

      Someday I’ll be an old fashion
      With ideals as dated as yours
      Someday they’ll laugh at our hair
      And the clothes that we wore
      Like we all laughed before.

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