Das. Ist. Nicht. Sparta. (7): Spartanische Ziele

Die Seeschlacht bei Salamis (480 v. Chr.), in der eine griechische Koalition mit geringfügiger spartanischer Beteiligung gegen die Perser kämpfte. (Bild nicht aus dem Artikel)

Von Bret Devereaux, übersetzt und mit einem Titelbild und zusätzlichen Links versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part VII: Spartan Ends erschien am 27. September 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule(2): Spartanische Gleichheit, (3): Spartanische Frauen, (4) Spartanischer Reichtum, (5) Die spartanische Regierung und (6) Sparta in der Schlacht.

Dies ist der siebte (und letzte!) Teil unserer siebenteiligen Betrachtung von Sparta in der allgemeinen Erinnerung und in der historischen Wahrheit. Letztes Mal redeten wir über Spartas Erfolgsbilanz auf dem Schlachtfeld und stellten dabei fest, daß sie zutiefst enttäuschender Durchschnitt war. Längerfristige Leser werden natürlich wissen, daß wir militärische Effektivität nicht nach Schlachten beurteilen können – die Frage ist immer die Erreichung strategischer Ziele.

Außerdem hat unsere letzte Diskussion über Spartas Leistung auf dem Schlachtfeld uns ein bißchen ein Rätsel beschert. Die Spartaner waren hinsichtlich einiger ihrer Kampffähigkeiten tatsächlich über dem Durchschnitt verglichen mit anderen poleis, aber das übertrug sich nicht in eine positive Siegesbilanz. Wir können also fragen: warum? Welche anderen Mängel behinderten ihre Leistung?

Also werden wir heute aus der letztes Mal besprochenen rein taktischen Schicht herauszoomen in die operationelle Schicht und schließlich in die strategische (soger jene der großen Strategie). Sparta hat in der allgemeinen Vorstellung immerhin einen Ruf effektiver Staatskunst, also werden wir fragen, welche Ziele setzten die Spartaner sich? In welchem Ausmaß erreichten sie diese Ziele, und in welchem Maß waren diese Ziele wünschenswert?

Aber klären wir zuerst ein paar Begriffe. Militärisches Denken ist wie Oger sind wie Zwiebeln – sie haben Schichten.

Wir unterteilen diese Schichten in Taktik, Operationen und Strategie. Sehr einfach ausgedrückt ist Taktik die Schicht des militärischen Denkens, die das betrifft, wie eine Armee kämpft; wir diskutierten das letztes Mal. Operationen ist die Schicht des Denkens, die sich damit befaßt, die Armee in den Kampf zu bekommen – großmaßstäbliche Koordination und Logistik sind hier zu Hause. Strategie befaßt sich mit Fragen des größeren Bildes: welche Kriege sind es wert, sie zu führen, und für welche Ziele? Große Strategie erweitert dieses Denken über das Militärische hinaus auf politische, kulturelle und wirtschaftliche Institutionen.

Was wir heute tun werden, ist zuerst, Spartas operationelle Fähigkeiten zu beurteilen – wie gut sie Armeen aufstellen, verlegen und versorgen. Dann werden wir zur strategischen Schicht hochspringen und beurteilen, wie gut Sparta Ziele (das, was man erreichen will) mit Mitteln koordiniert (den Methoden, die man anwendet, um es zu bekommen). Und schließlich werden wir, eines nach dem anderen, die verschiedenen strategischen Ziele beurteilen, die Sparta manchmal zugeschrieben werden: in welchem Ausmaß erreichten die Spartaner sie, und waren sie es wert, erreicht zu werden?

Spartanische Operationen

Einfach ausgedrückt, waren die spartanischen Operationsfähigkeiten extrem begrenzt, selbst nach den bereits niedrigen Standards Gleichrangiger, das heißt, sehr großer griechischer poleis (wie Athen oder Syrakus).

Die griechische Logistik in dieser Periode war allgemein sehr begrenzt verglichen mit mazedonischen oder römischen Logistikfähigkeiten in nachfolgenden Jahrhunderten, oder mit zeitgenössischen persischen Logistikfähigkeiten. Ironischerweise betrifft die längste Studie klassischer griechischer Logistik die Feldzüge von Xenophon (J.W. Lee, A Greek army on the March (2008)), das heißt, sie befaßt sich nicht mit Amateuren aus einer polis, sondern mit einer Armee professioneller Söldner, und doch ist selbst diese griechische Logistik – wahrscheinlich der Goldstandard ihrer Zeit – erstaunlich unterentwickelt verglichen mit dem, was die Mazedonier ein halbes Jahrhundert später auf demselben Terrain zu tun fähig sein werden (siehe D.W. Engels, Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army (1978)).

Sehr kurz ausgedrückt: Griechische Armeen scheinen relativ wenige Transport- oder Logistikkapazitäten gehabt zu haben. Sie scheinen nicht allgemein mit ausreichenden technischen Werkzeugen oder Materialien für effektive Feldbefestigungen oder Belagerungskrieg unterwegs gewesen zu sein. Dies wird verschärft durch ihre Unfähigkeit, unterwegs Getreide zu mahlen (etwas, das mazedonische und römische Armeen konnten), was das Problem der Nutzung von örtlichen Versorgungsgütern verschärft. Man kann ungemahlenes Getreide essen (es kann geröstet oder zu Grütze gekocht werden), aber das ist weniger als ideal. Was sie zu haben tendieren, ist eine hohe Zahl von nicht kämpfenden persönlichen Dienern (genau die Art von Leuten, die gute römische oder mazedonische Generäle so bald wie möglich aus dem Lager vertreiben), die zusätzliche logistische Belastungen verursachen, ohne die operationelle Reichweite oder Ausdauer der Armee sehr zu erhöhen. Als Folge davon hatten griechische Armeen Schwierigkeiten, das ganze Jahr über im Feld zu bleiben, während römische und mazedonische Armeen routinemäßig zu ganzjährigen Feldzügen in der Lage waren.

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule

Die ikonische Szene in 300, wo Leonidas den persischen Gesandten mit den Worten „Das – Ist – Sparta!“ in den Brunnen tritt. (Bild von Lucifex hinzugefügt)

Von Bret Devereaux, übersetzt von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part I: Spartan School erschien am 16. August 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Dies ist Teil I einer siebenteiligen Serie (IIIIIIIVVVIVII), die das populäre Vermächtnis Spartas (verkörpert in Filmen wie 300) mit dem historischen antiken Staat vergleicht. Heute sehen wir uns zuerst die Quellen unserer Informationen über Sparta an und beginnen dann am Anfang: dem spartanischen Erziehungs- und Trainingssystem, der agoge.

Ich wußte, daß wir uns schließlich hierher begeben würden (insbesondere eine Kritik an 300 ist ein recht häufiger Leserwunsch gewesen), aber ich beschloß, dies im Kalender nach oben zu schieben, nachdem ich die einander duellierenden Artikel in der New Republic über den Wert Spartas gelesen hatte. Ich denke nicht, daß einer der beiden Artikel wirklich so umfassend war, wie er hätte sein können, und ich hatte das Gefühl, daß einer davon zutiefst irrig war – es wird bald sehr offensichtlich sein, welcher.

Spartas Vermächtnis in der amerikanischen Populärkultur ist immer markant gewesen, aber es scheint das besonders jetzt zu sein. Man sieht das spartanische Lambda (das Λ für Lakedaimon, der Name des Territoriums von Sparta) auf T-Shirts. Sparta wird auf Fitnessmotivationspostern beschworen. Berühmte spartanische Bonmots (wie molon labe – „kommt und holt sie euch“ [d. Ü.: in diesem Zusammenhang: die Waffen] werden in moderne politische Slogans verwandelt. Es gibt eine ganze populäre Serie von Hindernisläufen, genannt „Spartan race“ (eine unglückliche Formulierung, wenn ich je eine gehört habe).

Das Logo für die „Spartan Race“-Hindernisläufe. Es scheint relevant zu sein, anzumerken, daß der Helm hier ein korintischer Helm ist. Historisch wird Sparta stärker mit dem Helmtyp pilos assoziiert, einem einfachen konischen Helm aus Bronze, der das Gesicht und die Ohren freiließ, aber wahrscheinlich trugen Spartaner, was immer ihnen für ein Helm gefiel.

Es dehnt sich in den breiteren Gebrauch in der Populärkultur aus. Natürlich mußte der Hauptprotagonist von Assassin’s Creed: Odyssey ein Spartaner sein. Spartaner sind sogar eine militärische Elitetruppe in Total War: Rome II (das ein Jahrhundert nach der Zeit stattfindet, als Sparta aufhörte, eine bedeutende Militärmacht zu sein). Der Name für die Supersoldaten des Halo-Universums, einschließlich des Protagonisten Master Chief, ist Spartaner. Die Schlacht bei den Thermopylen und ihre dreihundert Spartiaten (warum sage ich nicht „Spartaner“? dazu kommen wir nächsten Woche) bekommt eine freundliche namentliche Erwähnung in Star Trek: Deep Space Nine und ein volles, liebevolles Reenactment in Samurai Jack von Cartoon Network.

Heroische Spartaner, wie sie in der Serie Samurai Jack von Cartoon Network, „Jack and the Spartans“, Staffel 2, Episode 25, auftreten. Die Schlacht bei den Thermopylen wird hier nachgespielt, aber mit den robotischen Monstern des bösen Aku als Ersatz für die persische Armee, was eine sehr wörtlich genommene Entmenschlichung ist.

Den gesamten Bogen von Spartas Präsenz in Politik und Populärkultur zu behandeln, wäre eine eigene Artikelserie, und das ist nicht das, was ich hier tun werde. Ich möchte über die wirkliche griechische polis Sparta reden, nicht über den Stadtstaat unserer Vorstellung (um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sehr die populäre Vorstellung daneben liegt, laßt mich anmerken, daß Sparta aus dem einfachen Grund kein Stadtstaat war, daß es keine Stadt hatte – es hatte stattdessen fünf Dörfer). Wir werden also vereinfachen: unser Modell für die popkulturelle Präsenz Spartas wird bloß ein Film sein: 300, entstanden unter der Regie von Zack Snyder.

Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, bedeutet das, daß 300 hier mehr als nur ein bißchen Haue kriegen wird. Ich werde ehrlich sein, 300 ist ein schuldbewußtes Vergnügen von mir gewesen. Ich denke, ich finde mich hier in einer ähnlichen Position wieder wie Dan Olsen: es ist ein zutiefst verantwortungsloser Film, und nicht bloß, weil der Soundtrack plagiiert wurde), aber isoliert gesehen ist er dennoch ein sehr wirksamer Film bei der Vermittlung der Kraft und der Emotionen, auf die er abzielt. (mehr …)

IWÖ-Editorial zu den COVID-„Maßnahmen“

Editorial von DI Mag. Andreas Rippel in der gerade neu erschienenen Ausgabe 2/2020 der „IWÖ-Nachrichten“. (Die IWÖ ist die „Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich“.)

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle über unseren sehr gut besuchten Informationsstand auf der Messe „Hohe Jagd“ in Salzburg, unsere Teilnahme an der IWA in Nürnberg sowie über den Beginn der warmen Jahreszeit und der damit verbundenen Möglichkeit, wieder vermehrt die Jagd und den Schießsport im Freien auszuüben, schreiben. Ich wollte über unsere Bemühungen im Zusammenhang mit der zu erlassenden Verordnung zum neuen Waffengesetz schreiben, ich wollte über eine interessante Sammlerwaffe berichten, doch jetzt ist alles ganz anders gekommen:

Wir sind seit einigen Wochen Einschränkungen unterworfen, die in der Geschichte der 2. Republik beispiellos sind und bis vor kurzem auch undenkbar waren.

Erstmalig seit 1955 ist es uns nicht mehr erlaubt, legal eine Schußwaffe oder auch nur einen Pfefferspray in einem Waffenfachgeschäft zu kaufen. Der Ankauf von Munition ist ebenfalls verboten, was unsere Munitionsvorräte rasch schwinden lassen wird (zumindest die Jagd ist ja noch erlaubt). Den Waffen- und Munitionshandel trifft es nämlich mehrfach: Hier gilt nämlich nicht nur, daß jeder Waffenhändler gezwungen wurde, sein Geschäft zu sperren (und so mancher dem Konkurs ins Auge sehen wird müssen), sondern es gilt weiterhin auch noch das antiquierte Verbot des Versandhandels. Praktisch jegliche Geschäftsausübung des Waffenhandels ist sohin unter Androhung schwerer Sanktionen verboten.

Doch das ist natürlich nur ein Detailaspekt. Entscheidend in dieser Sache ist die nahezu vollständige Aufhebung der Grundrechte (u. a. Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Berufsausübung, Aufenthaltsfreiheit, etc.), die mit wenigen Federstrichen ohne Diskussion außer Kraft gesetzt wurden.

Den Grund, vielmehr den Anlaß, kennen Sie: Es ist das Auftreten einer sicherlich nicht ungefährlichen Virusinfektion, deren Gefährlichkeit und vor allem Außergewöhnlichkeit aber umstritten ist. Geht sie tatsächlich (weit) über die Gefahr einer (schweren) Grippewelle hinaus oder hätten wir, wenn nicht aller Augen auf dieses eine Virus gerichtet wären, gar nicht bemerkt, daß es sich hier um ein „neues“ Virus handelt? Die bis dato vorliegenden Evidenzen sprechen jedenfalls eher für letzteres, da in den letzten Wochen kein Anstieg der Gesamtsterblichkeit in Europa (Quelle: euromomo.eu) verzeichnet werden konnte.

Bedenklicherweise zeigen sich hier besonders im Umgang mit Ärzten bzw. Wissenschaftler, die sich kritisch zu den Vorgängen und der Interpretation (!) der veröffentlichten Zahlen äußern, totalitäre Tendenzen.

Alle, die nicht die bereits seit Wochen „versprochene“ Apokalypse an die Wand malen, ja selbst wenn lediglich Fragen gestellt werden, werden als Verschwörungstheoretiker o. ä. diskreditiert und versucht, sie mundtot zu machen.

Wenn man sich aber die gar nicht so große Mühe macht und ein wenig recherchiert und hinterfragt, kommt unweigerlich die Frage auf, warum wir nahezu stündlich mit neuen Meldungen über Tote, über Leid und Trauer versorgt werden, wenn doch die jährlichen Grippetoten, die Malariatoten, die Maserntoten, die Hungertoten nie viel mehr waren als Fußnoten in den Massenmedien.

Die ersten Grundrechte, die ersten Menschenrechte wurden in Österreich noch in Zeiten der Monarchie im 19. Jahrhundert erlassen. Für diese Grundrechte haben Menschen in verschiedenen blutigen Revolutionen und Kämpfen ihr Leben gelassen. Nach den bitteren Erfahrungen des 2. Weltkrieges und mit den Diktaturen waren die Menschen in Europa stolz darauf, diese Grundrechte unverrückbar festzuschreiben. Nie wieder sollten diese angetastet werden können.

Der Kampf um Grund- und Menschenrechte, die Wiedererlangung der Freiheit, der Sturz der autoritären Regime und das Vergießen von Blut dafür liegt bei unseren östlichen Nachbarn noch viel kürzer zurück.

Rechtfertigt nun eine Viruserkrankung, deren Auswirkungen wissenschaftlich nun immer stärker umstritten sind und wir nicht, wie prophezeit, dahingerafft werden (das Durchschnittsalter der mit oder wegen COVID-19 Verstorbenen ist in Europa 80 Jahre) tatsächlich, daß wir all diese Rechte, für die unsere Vorfahren gekämpft haben und auch gestorben sind, über Bord werfen? Handelt es sich hier um angemessene und vor allem verhältnismäßige Beschneidungen der Grundrechte?

Rechtfertigt das alles wirklich, daß die Polizei uns auseinandertreibt, wenn wir zusammenstehen? Rechtfertigt es wirklich, daß wir unsere Häuser nur mehr aus „gutem Grund“ verlassen dürfen? Rechtfertigt es auch wirklich, daß uns Sportausübung im Freien verboten ist?

Bewegung im Freien, an der frischen Luft, an der Sonne hat bis jetzt noch jede Grippewelle abflauen lassen, Mikroorganismen sind höchst empfindlich gegenüber Wärme und UV-Strahlung. Aus diesem Grund wird z. B. unser Trinkwasser mit UV-Licht bestrahlt.

Rechtfertigt diese Viruserkrankung tatsächlich, daß wir die Wirtschaft zu Boden ringen? Daß Bildungseinrichtungen gesperrt werden? Daß wir das, wofür viele, viele Menschen Zeit ihres Lebens gearbeitet haben, wofür sie Lebenszeit geopfert haben, innerhalb weniger Monate vernichten, weil wir die Erwerbsausübung untersagen?

Rechtfertigt das wirklich, daß unsere Handydaten an die Polizei übermittelt werden, damit die Obrigkeit sieht, wo man uns auseinandertreiben kann, mit wem wir Kontakt hatten, ob wir krank sind? Rechtfertigt dies die Abschaffung des Schutzes der Privatsphäre, die ein hohes Rechtsgut ist? Rechtfertigt dies den Einsatz von Drohnen oder von Handy-Apps, um zu überwachen, wo wir uns befinden?

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Gedanken von einer Ledercouch über COVID-19

Von Dr. Robert S. Griffin, übersetzt von Lucifex. Das Original Thoughts from a Leather Couch About COVID-19 erschien am 8. April 2020 auf The Occidental Observer.

Anmerkung: Ich schrieb diesen Artikel am 30. März. Nachdem ich ihn fertiggestellt hatte, dachte ich: „Du bist alt und sauer und unqualifiziert, über dieses Thema zu schreiben. Jeder ist an Bord dabei, wie mit dieser COVID-19-Pandemie umzugehen ist, und es muß mit dir etwas nicht stimmen.“ Ich legte den Artikel beiseite. Es ist nun der 1. April, und ich habe ihn noch einmal gelesen und mir gedacht: „Oh, bring‘ ihn raus. Es ist deine Wahrheit, selbst wenn es nicht die Wahrheit ist. Die Leser werden genug wissen, um ihn als das zu nehmen, wofür er gut ist.“ Hier ist er also.

*   *   *

„Ledercouch“ im Titel dieses Artikels bezieht sich darauf, wo ich heutzutage die meiste Zeit in meinem Wohnzimmer verbringe. Ich bin im Ruhestand und geriatrisch alt – 80 nächsten Monat -, und ich besitze nahezu keine Energie, und die Spinalstenose und die Arthritis sind wirklich schlimm, und alles, was ich am Morgen tun kann, ist Frühstück zu machen und das Müsli mit Obst und eine Tasse Kaffee und ein Glas Milch zur Ledercouch zu bringen, um es zu mir zu nehmen, während ich The New York Times auf meinem Laptop lese, verdammt große Sache.

Die Schlagzeile der Times von heute [30. März] lautete: „Während U.S.-Totenzahl steigt, wägt Washington neue Notstandsmaßnahmen ab.“ [Am 1. April lautet sie: „Virus könnte 100.000 bis 240.000 töten, sagen Experten.“] Es ist online, aber was ich die Titelseite der Times nennen würde, enthielt 13 Artikel – jeder davon handelte von der gegenwärtigen COVID-19-Krise. Es gab 11 Stellungnahmen auf der Titelseite – dasselbe.

Dies geht schon seit Wochen so. Die Times hypt diese Sache wirklich. Man sagt mir (ich verlasse das Haus selten, außer ab und zu, um zum Supermarkt zu gehen und Bücher in der Bibliothek zu holen, daher weiß ich es selbst nicht wirklich), daß die Wirtschaftsaktivität heruntergefahren ist und jeder sich zu Hause verkriecht und sich die Hände supersorgfältig wäscht (darin bin ich ziemlich gut) und versucht, das Gesicht nicht zu berühren (da könnte ich etwas Verbesserung brauchen) und sich von anderen Menschen fernzuhalten (meine Spezialität). Die Times sagte, daß Präsident Trump verkündete, daß dieses Arrangement einen weiteren Monat bestehen bleiben wird.

Ich entdeckte, daß eine der bedeutenderen Aktivitäten in meinem Alter, zumindest bis die Demenz einsetzt – oder schlimmer wird, welches immer es ist -, darin besteht, auf dieser Ledercouch zu sitzen und eine Wiederholung meines Lebensfilms anzusehen, die in meinem Kopf projiziert wird.

Eine der sehr frühen Szenen meiner Filmbiographie, ich war wahrscheinlich vier Jahre alt, war, wie ich in Minnesota ein Flugzeug über uns hinwegfliegen hörte und meine Mutter darauf hinwies.

Sie antwortete, im Scherz, wie ich nun erkenne – oder versuchte sie mir boshafterweise Angst einzujagen? – „Das könnte ein deutsches Flugzeug sein, das eine Bombe auf uns abwirft.“

„Eine was?“

„Eine Bombe. Wir sind im Krieg mit den Deutschen.“

Ich wußte zu der Zeit nicht, was eine Bombe war, ein Krieg oder ein Deutscher, und ich beließ es dabei und ging wieder meinen Beschäftigungen nach. Aber aus irgendeinem Grund ist diese Episode über 75 Jahre später in meinem Film.

Was eine Überleitung zu meinem ersten Punkt in diesem Text ist: Keine Bombe ist jemals auf mich abgeworfen worden, weder buchstäblich noch bildlich gesprochen, mein ganzes Leben nicht bis jetzt; diese COVID-19-„Bombe“ hat ihr Ziel getroffen, ich spüre sie. Und, um die Verbindung mit der Filmszene fortzusetzen, ich bin genauso ahnungslos bezüglich dessen, was mit diesem Virus und der kollektiven Reaktion darauf los ist, wie ich es damals 1944 wegen dieses Flugzeugs war.

Das alles soll heißen, daß es für mich in dieser COVID-19-Sache um etwas geht – genug, um mir die Zeit zu nehmen, dies zu schreiben -, aber ich versuche hier nicht den Experten zu spielen. Was ich zu tun versuche, ist die Gedanken eines Durchschnittsbürgers – meine – für eure Begutachtung rüberzubringen. Dies ist, was ich euch sagen würde, wenn ihr euch irgendwie in den roten Lehnstuhl setzen würdet, der sechs Fuß von mir auf dieser Couch entfernt ist.

*   *   *

Während ich hier Tag für Tag sitze – ist gerade Dienstag oder Mittwoch? -, erkenne ich, welch geringe Verwicklung ich in die großen Ereignisse meiner Zeit auf Erden hatte und wie wenig Wirkung sie auf mich hatten. Es ist der Punkt „Keine Bombe ist mir auf den Kopf geworfen worden“ im letzten Abschnitt. Es gab in den ‘40ern eine Polioepidemie, und meine Mutter sagte mir, im See schwimmen zu gehen sei tödlich schlimm (nachdem man dabei Polio bekommen konnte, so dachte sie jedenfalls), und ich habe mich seither immer vor dem Wasser gefürchtet. Da ist nicht viel. In der Grundschule übte ich, unter meinen Tisch zu schlüpfen, wie der Lehrer sagte, damit ich geschützt wäre, wenn die Russen eine Atombombe auf Saint Paul, Minnesota, warfen. Obwohl ich jetzt nicht sicher bin, wieviel es mir geholfen hätte, unter dem Tisch zu sein, wenn das passiert wäre, und die Wahrheit ist, daß ich nie kapierte, warum genau ich überhaupt unter dem Tisch kauerte. Der Koreakrieg war eine Landkarte in der Saint Paul Pioneer Press, die eine Gefechtslinie nahe der Stadt Pusan ganz unten in Südkorea zeigte, und dann gab es die Landung bei Inchon nahe der Stadt Seoul, und dann trieben die Chinesen uns von dort, wohin wir in Nordkorea gekommen waren, wieder ungefähr dorthin zurück, wo wir waren, als der Krieg anfing, aber was das mit irgendetwas zu tun hatte, hätte ich euch nicht sagen können. Ich mußte nicht in Vietnam kämpfen, weil ich mit siebzehn zur Armee gegangen und wieder aus ihr draußen war, bevor der Krieg eskalierte, und ich wäre sowieso nicht eingezogen worden, weil ich an einer High School unterrichtete. 9/11 war in Manhattan, und ich war in Vermont, unterrichtete an der Universität, ging ins Kino und sah Ballspiele im Fernsehen an. Es gab den Irakkrieg und die AIDS-Krise, und ich könnte andere größere öffentliche Ereignisse aufzählen, aber alles blieb „da drüben“ und war kein Teil meines Lebens. Aber diese gegenwärtige COVID-19-Krise, -Hysterie, dieses beherrschende Thema, wie immer man es nennen soll, ist eine ganz andere Sache. Sie ist nicht da drüben, sondern genau hier.

Mit dem Absturz der Märkte sind Hunderttausende Dollars in meinem Pensionskonto, für dessen Aufbau ich ein halbes Jahrhundert verwendet hatte, verschwunden, puff.

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Was der Kapitalismus noch zu sagen hat

Von Michael Walker, übersetzt von Lucifex. Das Original What Capitalism Has Left to Say erschien am 12. August 2019 auf Counter-Currents Publishing. [Anm. d. Ü.: der Originaltitel könnte ein doppeldeutiges Wortspiel sein, mit der möglichen anderen Bedeutung: „Was der Kapitalismus der Linken zu sagen hat“.]

Charles Robin
La gauche du capital: libéralisme culturel et idéologie du Marché
Paris: Krisis, 2014

Auf den Fußspuren von Jean-Claude Michéa (dessen Our Enemy: Capital ich für Counter-Currents rezensiert habe) veröffentlichte Charles Robin, ein ehemaliger Militanter in der Linksaußenpartei Nouveau parti antcapitaliste (NPA), im Jahr 2014 ein Buch mit dem Titel La Gauche du Capital: libéralisme culturel et idéologie du Marché (Die Linke des Kapitals: Kulturliberalismus und Marktideologie). Es besteht aus einer Anzahl kritischer Essays über den Liberalismus und seine typische Beziehung zum Kapitalismus. Der erste davon, „Le Liberalisme comme Volonté et comme Representation“ („Liberalismus als Wille und Idee“) ist bei weitem der längste und nimmt 86 der 243 Seiten ein. Diese Wortschöpfung, die dem Titel von Arthur Schopenhauers berühmtestem Werk (Die Welt als Wille und Idee) entlehnt ist, verweist auf die Hauptthese des Buches, nämlich daß es nicht viele unabhängige Arten von Liberalismus gibt, sondern nur eine: eine monolithische, „totalisierende“ (Robin verwendet nicht das Wort „totalitär“) Weltsicht, getrieben vom Willen, alles plattzumachen und zu vernichten, was sich ihr widersetzt.

Robins Ziel ist, eine radikale Untersuchung des Liberalismus zu liefern. Sein Argument ist, daß alle Arten von Liberalismus – insbesondere einschließlich dessen, was er als die beiden Hauptformen sieht, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Liberalismus – Manifestationen einer Ideologie sind und ontologisch in Wechselbeziehung stehen. Eine Analogie von Pierre Bérard im selben Sinne wird aus einem Interview für das französische „neurechte“ Journal Éléments zitiert: Zusammen, sagt er, demonstrieren der Liberalismus in der Wirtschaft und der gesellschaftliche Liberalismus „die sehr hervorstechende Versöhnung des Castor und Pollux des doppelten liberalen Denkens.“[1] Im selben Sinne lautet Robins Argument, daß die „menschliche Vielfalt“, die überall in der westlichen Welt gepriesen wird, sich auf der einen Seite im Engagement der Linken für „freie Bewegung von Menschen“ und „keine Grenzen“ widerspiegelt und auf der anderen Seite im Engagement des Kapitalismus für „die freie Bewegung von Kapital und Arbeitskräften.“ Engagement für Toleranz und Vielfalt und Engagement für Fortschritt und Profit sind dasselbe Engagement, da sie derselben liberalen Quelle entspringen.

Liberalismus wird von verschiedenen Autoren und sogar in verschiedenen nationalen Traditionen in sehr verschiedener Weise verstanden. Liberalismus scheint in Frankreich, Britannien und den Vereinigten Staaten nicht dasselbe Phänomen auszudrücken. Ich sage „scheint“, weil es genau Robins Überzeugung ist, daß verschiedene Autoren in der Betrachtung verschiedener Aspekte des Liberalismus nicht mehr oder weniger recht haben, sondern keine holistische Sicht auf den Liberalismus haben und ihn daher nicht richtig verstehen. Diejenigen, die den Liberalismus als nur links sehen, als nur laissez-faire-kapitalistisch oder nur als permissive Gesellschaftspolitik, betrachten den Liberalismus, ohne das zu erkennen, was Robin die „Prüfsteine“ der liberalen Ideologie nennt.

Überraschenderweise streicht Robin nicht die verschiedenen Konnotationen hervor, die das Wort „liberal“ in verschiedenen Ländern zu haben tendiert, Konnotationen, die durch Unterschiede in der nationalen Geschichte erklärt werden können. Wie entstand der Liberalismus? In Britannien bezog der Begriff sich ursprünglich auf die sogenannten Whigs – die protestantischere Klasse von Freihändlern, die den liberalen Manchesterkapitalismus förderten, der mehr Rechte für die Stadt und die Produktion gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Landwirtschaft und des Reichtums aus Landverpachtung forderte (tatsächlich wurde die erste große liberale Tageszeitung in England in Manchester veröffentlicht, der Manchester Guardian). Die Gegner der Whigs wurden durch die Partei der Krone repräsentiert, die Tories. Im Laufe der Zeit und besonders mit dem Aufstieg der Labour Party wurde der Begriff „liberal“ zumindest in Britannien zunehmend als auf jene bezogen verstanden, die einen gemäßigten dritten Weg zwischen den Kräften des Konservatismus und der Empires auf der Rechten und der Herausforderung des Sozialismus und der internationalen Arbeiterrevolution auf der Linken suchten.

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Fukuyama über Identitätspolitik

Von Greg Johnson, übersetzt von Tekumseh. Das Original Fukuyama on Identity Politics erschien am 11. Januar 2019 auf Counter-Currents Publishing.

Francis Fukuyama: Identity. Contemporary Identity Politics and the Struggle for Recognition. (Identität. Zeitgenössische Identitätspolitik und ihr Ringen um Anerkennung). London: Profile Books 2018.

 

Francis Fukuyama ist der am meisten hervorstechende lebende neokonservative Intellektuelle. Ich habe sein Werk seit 1992, als er sein erstes Buch, The End of History and the Last Man. (Das Ende der Geschichte und der letzte Mensch) veröffentlichte, bewundert und davon profitiert. Darum war ich etwas besorgt zu hören, dass er mit großer Geschwindigkeit ein neues Buch geschrieben hatte, um den Wind aus den Segeln Weißer Identitätspolitik zu nehmen.

Hat Fukuyama einen gröberen Fehler im White Nationalism entdeckt, der uns zu einem Überdenken unserer Positionen oder sogar ihrer Preisgabe bringen würde? Die Antwort ist nein. Tatsächlich ist Identity ein sehr nützliches Buch für White Nationalists, weil Fukuyama praktisch jede essentielle Prämisse für unsere Position einräumt, aber seine Argumente, um unseren schlussendlichen ethnonationalistischen Schlüssen zu widerstehen, sind extrem schwach.

Rechte Identitätspolitik ist in der menschlichen Natur angelegt.

Das wichtigste Zugeständnis, das Fukuyama macht, ist, dass Identitätspolitik in der menschlichen Natur angelegt ist und darum niemals ausgemerzt werden kann.

Die moderne liberal-globalistische Auffassung ist, dass Politik in letzter Konsequenz in rationalem Eigennutz besteht. Im Leben geht es nur darum, die Vernunft einzusetzen, um die eigenen Wünsche zu erfüllen; Liberalismus und Globalismus folgen daraus notwendig. Liberalismus ist einfach ein Rahmen, um den Individuen die Verfolgung ihrer privaten Interessen durch freie Verträge zu ermöglichen. Aber weil Vernunft eine universelle Eigenschaft ist, und alle Menschen die gleichen Grundbedürfnisse haben, gibt es keinen Grund, wieso das liberale System sich nicht über den ganzen Globus erstrecken sollte.

Liberalismus ist darum gegen alle politischen Identitäten gerichtet, die seine globale Ausdehnung verhindern; besonders die Bindung an bestimmte Rassen, Nationen, ethnischen Gruppen und religiösen Gemeinschaften, die ausschließliche Wahrheit behaupten. Linke (Liberale) halten solche Anhänglichkeiten einfach für nicht fundierte Stimmungen und Aberglauben aus der Vergangenheit, die wir abschütteln müssen und können, indem wir uns weiterentwickeln und in eine immer perfektere linke Zukunft fortschreiten. (mehr …)

Alexiej Shiropajews „Gefängnis der Nation“: Eine ethnonationalistische Geschichte Rußlands, Teil 2

Wiktor Wasnezov, „Iwan der Schreckliche“, 1897 (Detail)

Von Jarosław Ostrogniew, übersetzt von Lichtschwert (= Lucifex). Das Original Alexiey Shiropayev’s Prison of the Nation: An Ethnonationalist History of Russia, Part 2 erschien am 29. Januar 2016 auf Counter-Currents Publishing.

Teil 2 von 4. Zuvor erschienen: Alexiej Shiropajews „Gefängnis der Nation“: Eine ethnonationalistische Geschichte Rußlands, Teil 1

Der Archetyp des Tyrannen: Iwan der Schreckliche

Während Iwan III. das Fundament eines unabhängigen russischen Königreichs schuf (oder vielmehr eines orthodoxen Moskowiter Khanats), war es sein Enkel Iwan IV. Wassiljewitsch, besser bekannt als Iwan der Schreckliche, der das zaristische Rußland schuf und die wahren Moskowiter Expansionen des 16. Jahrhunderts begann.

Shiropajew identifiziert die Gründung der Opritschnina als die größte Errungenschaft des antirussischen Projekts unter Iwan dem Schrecklichen. Opritschnina ist ein Begriff, der für die Beschreibung der Innenpolitik von Iwan dem Schrecklichen verwendet wird: brutale Stärkung der Macht des Zaren und Unterdrückung allen Widerspruchs, was die Zerschlagung der inneren Opposition seitens der Bojaren (der russischen Adeligen) oder jeglicher separatistischer Tendenzen bedeutete. Die Ausführenden dieser Politik waren die Opritschniks: Mitglieder einer Elitegarde, die direkt dem Zaren verantwortlich war. Sie wurden zu seinen Hunden und Besen erklärt (zur Bewachung und Säuberung seines Königreichs). Die Methoden der Opritschniks waren Folter und Hinrichtungen, Terror und Verrat. Shiropajew betrachtet die Opritschniks als Vorbild für die spätere sowjetische Sicherheitstruppe, die Tscheka, die Russen nach der Revolution hinrichtete.

Iwan der Schreckliche wird oft als labiler, geistesgestörter Mann dargestellt, dem es – trotz seiner Krankheit – gelang, einen effektiven russischen Staat aufzubauen. Shiropajew sieht das anders: Iwans Handlungen erscheinen abnormal im Vergleich zu europäischen Herrschern. Aber wenn man ihn mit mongolischen Khanen vergleicht, so sind seine Zornausbrüche, seine Ausrottungen ganzer Populationen, seine Neigung zu Grausamkeit und daß er sogar Mitglieder seiner eigenen Familie ermordete, nur typische Eigenschaften eines asiatischen Despoten. Seine Politik des Terrors und der Expansion sollte nicht als bloße persönliche Marotten betrachtet werden. Sie sind genau die Art, wie die mongolische Tyrannei und die Horde immer funktioniert hatten.

Die Mutter von Iwan dem Schrecklichen war Helena Glinskaja, deren Familie vom mongolischen Khan Mamai selbst abstammte. Iwan der Schreckliche war Asiate in Blut und Geist, was einer der Gründe dafür ist, daß er keine Zurückhaltung bei der Ausrottung der russischen Bevölkerung hatte, die er als seine Sklaven von fremder Herkunft betrachtete. Unter der Herrschaft von Iwan dem Schrecklichen erlitten Asiaten keine Diskriminierung; ganz im Gegenteil. Der Zar respektierte die asiatischen Adelstitel und betrachtete den mongolischen Adel als von höherem Rang als seine weißen Untertanen (oder genauer: Sklaven). Jedoch begünstigte Iwan der Schreckliche das orthodoxe Christentum und förderte die Christianisierung, was im Grunde bedeutete, daß die Ostexpansion Rußlands in Rassenvermischung resultierte, da getaufte Mongolen als reguläre Mitglieder der orthodoxen Gesellschaft betrachtet wurden.

Der letzte Khan des Khanats von Kasan, Yadegar Mokhammat, kämpfte zuerst gegen Iwan den Schrecklichen, akzeptierte aber schließlich die Herrschaft des Zaren, konvertierte zum Christentum und wurde unter dem Namen Simeon Kasajewitsch ein russischer Adeliger. Ein weiterer Khan, Sain-Bulat, später bekannt als Simeon Bekbulatowitsch, heiratete eine der Töchter von Iwan dem Schrecklichen und wurde (für ein Jahr) vom Zaren zum Großfürsten der Rus‘ gemacht; Simeon wurde später zum Großfürsten über Twer und Torschok gemacht, zu einem der Befehlshaber der Armee des Zaren, und wurde schließlich ein orthodoxer Mönch. Ein weiterer Tatar am Hof des Zaren war Boris Godunow, einer der Opritschniks, ein Mitglied einer christianisierten mongolischen Familie, der einer der Favoriten von Iwan dem Schrecklichen war und nach dessen Tod Zar wurde.

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Was Populismus nicht ist

Von Greg Johnson, übersetzt von Lucifex. Das Original What Populism Isn’t erschien am 28. Dezember 2018 auf Counter-Currents Publishing.

Jan-Werner Müller
What is Populism?
Penguin, 2017

Wenn ein politisches Establishment sich von einer wachsenden Kraft wie dem Nationalpopulismus bedroht fühlt, dann besteht Plan A darin, das Establishment zu verteidigen und seine Gegner anzugreifen, indem es geistig durchschnittliche Journalisten entsendet, um zu spotten und zu verhöhnen, und geistig durchschnittliche politische Schreiberlinge, um parteipolitische Argumente zu konstruieren. Das Ziel des Establishments ist, die Loyalität seiner Basis zu verstärken, die Köpfe der Unentschlossenen zu vergiften und Dissidenten zu demoralisieren, indem es sie wie Dreck behandelt.

Wenn es Plan A nicht gelingt, die steigende Flut zurückzudrängen, dann besteht Plan B darin, die akademischen Gehirn-Bugs auf das Studium der Opposition und die Formulierung von Kritiken und Gegenstrategien anzusetzen. Offensichtlich lautet die Annahme von Plan B, daß das Establishment objektives Wissen braucht, um ernsthaften Gegnern zu kontern. Es besteht jedoch eine Gefahr, daß Spuren der parteipolitischen Apologetik der ernsthaften intellektuellen Analyse von Plan B in die Quere kommen. Ein Paradebeispiel dafür ist Jan-Werner Müllers What Is Populism?

Populismus und Demokratie bedeuten genau das Gleiche. Sogar ihre Etymologien sind dieselben. Demos ist Griechisch und populus ist Lateinisch für „das Volk“. „Das Volk“ bezieht sich richtigerweise auf das Ganze eines Staatswesens, kann aber auch „die Vielen“ bezeichnen – die gewöhnlichen Leute im Gegensatz zu den Eliten.

Populisten verwenden „das Volk“ in beiderlei Sinn. Populisten meinen, daß politische Legitimität auf dem Gemeinwohl der Gesellschaft beruht – des Volkes als Ganzem. Aber Populisten sprechen oft im Namen des Volkes im engeren Sinn von „die Vielen“, denn wenn politische Systeme vom Gemeinwohl abweichen, dann nimmt es buchstäblich immer die Form an, daß „die Wenigen“ – Regierungs- und Wirtschaftseliten – ihre Gruppeninteressen auf Kosten der Vielen verfolgen. Daher verteidigen und mobilisieren populistische Bewegungen das Volk im engeren Sinne, um ein Regime wiederherzustellen, das den Interessen des Volkes im breiten Sinn dient.

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„Das Volk bin ich“: Rezension von Jan-Werner Müllers „What is Populism?“

Von F. Roger Devlin, übersetzt von Lucifex. Das Original Le Peuple, C’est Moi erschien am 18. Dezember 2018 auf Counter-Currents Publishing.

Jan-Werner Müller
What Is Populism?
Penguin, 2017

Jan-Werner Müller, ein gebürtiger Deutscher, ist Professor für Politik an der Princeton University und der Autor mehrerer vorheriger Bücher. Die vorliegende Studie über den Populismus wurde 2016 von der University of Pennsyslvania Press veröffentlicht und schnell von Penguin Books in einem beliebten Taschenbuchformat nachgedruckt. Diese für einen akademischen Titel ungewöhnliche Auszeichnung verdankt natürlich viel der jüngsten Mode des Begriffs „populistisch“, aber auch der ungewöhnlichen Klarheit der These des Autors und deren Darlegung.

Es gibt wenig allgemeine Einigkeit über den Populismus, außer daß es eine Form der Politik ist, die sich für das „Volk“ gegen die Eliten einsetzt. Müller bemerkt, daß eine solche Haltung tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für die Identifizierung eines Politikers oder einer Bewegung als „populistisch“ ist, aber keine ausreichende. Er lehnt psychologisierende Erklärungen ab, die sich auf den „Zorn“ von Populisten fokussieren, während sie dessen Ursachen ignorieren. Diese Arten von Theorien behaupten, daß das, was Populisten wirklich brauchen, nicht politische Repräsentation oder die Beseitigung objektiver Mißstände ist, sondern eine Art von Psychotherapie. Das ist sowohl herablassend als auch etwas, das unheimlich an den alten sowjetischen Mißbrauch der Einweisung von Dissidenten in psychiatrische Kliniken erinnert.

Die wahrhaft essentielle Eigenschaft des Populismus ist nach Müllers Sichtweise der Anspruch auf ausschließliche Vertretung des Volkes. Das erste Beispiel, das er anbietet, ist der gegenwärtige Präsident der Türkei, Recep Erdogan. Bei einem vor kurzem stattgefundenen Parteikongreß antwortete Erdogan seinen Kritikern mit der Bemerkung: „Wir sind das Volk; wer seid ihr?“ Der Autor kommentiert:

Natürlich wußte er, daß seine Gegner ebenfalls Türken waren. Der Anspruch auf ausschließliche Vertretung ist kein empirischer; er ist immer eindeutig moralisch. Populisten stellen ihre politischen Konkurrenten als Teil der unmoralischen, korrupten Elite dar.

Kurz gesagt, der Populist ist nach Müllers Darstellung die politische Gestalt oder Bewegung, die angedeutet oder ausdrücklich behauptet: le peuple, c’est moi – das Volk bin ich.

Dies ist eine kühne These, nicht zuletzt, weil sie nach dem eigenen Eingeständnis des Autors die People’s Party der amerikanischen 1890er – die oft als die originalen Populisten betrachtet wird – davon disqualifiziert, als „wahre“ Populisten betrachtet zu werden. Sie unterstellt auch, daß das antike Athen, trotzdem es uns das Wort Demagoge vermachte, keine „wahren“ populistischen Führer hervorbrachte, denn niemand konnte in einer direkten Demokratie, die keinen Gebrauch von Repräsentation machte, Anspruch auf ausschließliche Vertretung erheben. Weiter hinten in dem Buch erklärt er auch, daß Bernie Sanders nach dieser Definition nicht als Populist qualifiziert wäre.

Aber Müller verweist sicherlich auf eine reale und hervorstechende Neigung vieler Politiker, die als populistisch bezeichnet werden. Hugo Chavez’ Wahlkämpfe bringen Slogans wie „Chavez ist das Volk! und „Chavez, wir sind Millionen, auch ihr seid Chavez!“ George Wallace begann seine berühmte „Rassentrennung für immer“-Rede mit der folgenden großspurigen Erklärung: „Im Namen des großartigsten Volkes, das jemals auf Erden wandelte, ziehe ich die Linie im Staub und werfe der Tyrannei den Fehdehandschuh vor die Füße…“ Der Autor fragt spitz, mit welcher Autorität der Gouverneur von Alabama annahm, im Namen des amerikanischen Volkes als Ganzem zu sprechen.

Klarerweise erhalten populistische Politiker niemals einhundert Prozent Unterstützung von den Wählern. Um diese unbequeme Tatsache zu umschiffen, neigen sie dazu, an die vage Vorstellung vom „wirklichen“ Volk zu appellieren, das aus der Gesamtsumme der tatsächlichen Staatsbürger herausgezogen und von dieser unterschieden werden muß. Als zum Beispiel Nigel Farage im Brexit-Referendum das Ergebnis bekam, das er wollte, nannte er es einen „Sieg für das wahre Volk,“

und machte damit die 48 Prozent der britischen Wählerschaft, die dagegen gewesen waren, das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union herauszuholen, irgendwie weniger als real – oder stellte ihren Status als eigentliche Mitglieder der politischen Gemeinschaft in Frage.

In ähnlicher Weise hat eine populistische finnische Partei sich bis vor kurzem die „Wahren Finnen“ genannt.

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Als der Konsens zerbricht: das Ende der Römischen Republik

Aus GEO EPOCHE Nr. 50 „ROM: Die Geschichte der Republik“

Jahrhundertelang eilt Rom von Sieg zu Sieg, beherrscht schließlich fast das gesamte Mittelmeer. Und doch scheitert die Republik. Der Historiker Bernhard Linke über die Gründe für deren Niedergang:

GEO EPOCHE: Herr Professor Linke, die Römische Republik hat mehr als 400 Jahre bestanden, länger als irgendeine andere Republik der Weltgeschichte. Was macht ihren Erfolg aus? Ihre militärische Schlagkraft?

Bernhard Linke: Eher ihre enorm starke Mittelschicht.

Das müssen Sie uns erklären.

Die Römische Republik ist eigentlich eine Agrargesellschaft, selbst die Oberschicht rekrutiert sich traditionell aus Landbesitzern, die meisten Römer sind und bleiben während der gesamten Antike Bauern. Und diese Bauern sind autark. Der Familienvater führt den Hof, darf Eigentum erwerben und verkaufen, darf richten über seine Sklaven, sogar über seine Frau, seine Kinder. Der pater familias übernimmt also staatliche Aufgaben. Das sind freie, unabhängige Männer, die das auch bleiben wollen.

Was hat das mit dem Erfolg der Republik zu tun?

Es ist das Fundament, denn diese Bürger stellen die Soldaten. Sie kämpfen für ihre Freiheit, für ihre Eigenständigkeit. Und sie kämpfen für Beute. Deswegen folgen sie den Feldherren der senatorischen Oberschicht in den Krieg. Die innenpolitischen Verhältnisse bleiben stabil, weil die Republik ab etwa 340 v. Chr. expandiert, sehr viel Beute da ist, sehr viele Ressourcen akquiriert werden – und weil sich die senatorische Oberschicht damit „Zufriedenheit“ bei der Mittelschicht sichern kann. Zugleich haben alle in dieser Beutegemeinschaft verbundenen Bürger das Gefühl, den anderen Völkern überlegen zu sein. Dieses Selbstverständnis macht die Römer unglaublich stark.

Der Konsens hält aber nicht ewig. 133 v. Chr. erschlagen Senatoren nach einem Machtkampf den Volkstribun Tiberius Gracchus. Die Feldherren Sulla und Caesar werden später zu Diktatoren. Was bringt das Erfolgssystem ins Wanken?

Das ist immens kompliziert. Zunächst einmal beginnt mit dem 2. Jahrhundert v. Chr. eine Zeit der tiefgreifenden Verwerfungen. Während des Zweiten Punischen Krieges bringt Hannibal den Römern gewaltige Verluste bei. Wenn unsere Schätzungen richtig sind, kommen allein in den ersten Kriegsjahren ungefähr 25 Prozent der wehrfähigen Bevölkerung um. Zugleich sind etwa zwei Drittel aller Senatoren gefallen. Die alte Oberschicht ist geschwächt. Die nachwachsende Generation ist weitgehend ausradiert. Mehr als 100 Senatorenposten müssen nun mit Leuten aus völlig neuen Familien besetzt werden.

Ein gewaltiger Traditionsbruch.

Es herrschen schwierige Verhältnisse im Senat. Die alten Familien sehen sich sogar gezwungen, die Neuen mit Sittengesetzen dazu zu bringen, sich wie richtige Senatoren zu verhalten. Anschließend gewinnen die Römer zwar in kürzester Zeit den Osten dazu, Makedonien wird 168 v. Chr. zerschlagen, das kleinasiatische Seleukidenreich düpiert – doch dann geschieht Erstaunliches: Die römische Oberschicht hört auf zu erobern.

Warum?

Das wissen wir nicht. Leider bricht auch Livius – unsere Hauptquelle – hier ab. Aber eines ist gewiss: Die Oberschicht nutzt die äußeren Ressourcen immer weniger, es kommt kaum noch Beute nach Rom.

Wie steht die Mittelschicht dazu?

Die römischen Bauern sitzen spätestens seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. auf sehr fruchtbaren Böden, die meisten Bürger sind wohl gut ernährt. Die Kinder haben große Chancen, erwachsen zu werden. Die Kriege haben aber bisher auch dazu geführt, dass die Gesellschaft nicht zu stark anschwillt und keine Tendenzen der Verarmung da sind – denn gefallene Soldaten konkurrieren nicht mit ihren Geschwistern daheim, können nicht heiraten, keine Kinder zeugen.

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