Das. Ist. Nicht. Sparta. (2): Spartanische Gleichheit

Von Bret Devereaux, übersetzt und mit zusätzlichen Links versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part II: Spartan Equality erschien am 23. August 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta und Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule.

Dies ist Teil II unserer siebenteiligen Betrachtung Spartas (IIIIIVVVIVII). Letzte Woche warfen wir einen Blick auf unsere Quellen für Sparta und untersuchten dann das spartanische Kinderausbildungssystem, die agoge. Wir fanden heraus, daß unsere Quellen nicht annähernd wie die Veteranen aussehen, die Filme wie 300 erzählen, sondern stattdessen zum Großteil wohlhabende (und snobistische!) Griechen von außerhalb Spartas sind. Wir fanden auch heraus, daß die spartanische agoge mehr wie ein Trainingsprogramm für Kindersoldaten war – etwas wie aus der Lord’s Resistance Army in Uganda – als wie irgendeine Art von Bildungssystem, wie wir es verstehen.

Diese Woche werden wir unseren Blick auf die spartanische Gesellschaft ausweiten und die Behauptung der spartanischen Gleichheit untersuchen. Wir werden das tun, indem wir uns zuerst die verschiedenen Klassen von Menschen in Sparta ansehen – Bürger, Nicht-Bürger und Sklaven – und dann das Thema der Wohlstandsgleichheit innerhalb der spartanischen Bürgerschaft betrachten.

Wie immer gibt es hier gibt es hier ein hilfreiches Glossar der Begriffe, falls ihr es brauchen solltet, aber ich werde die Dinge definieren, so wie wir zu ihnen kommen, also solltet ihr keine Probleme haben.

Der Mythos von der spartanischen Gleichheit

Nun sagt 300 – und in der Tat viele Darstellungen Spartas in der Populärkultur – uns nicht immer in Worten, daß die spartanische Gesellschaft gleich war. Vielmehr tendieren sie dazu uns zu zeigen, daß sie es war. Die Bildsprache in Filmen ist, wenn überhaupt, mächtiger als Dialoge, aber es kann schwerer sein, sie wirklich festzunageln. Aber machen wir uns die Mühe – und sei es nur, damit mir nicht vorgeworfen wird, einen Strohmann zu attackieren. Wenn 300 uns die in der Stadt lebenden Spartaner zeigt, dann sehen sie so aus:

Es ist schwierig, das in einem Standbild einzufangen, aber während die Kamera in einem Kreis über die Hauptcharaktere schwenkt, sind da mindestens 10 Spartaner, die genau wie die beiden im Hintergrund gekleidet sind und alle herumlaufen.

[Einschub des Übersetzers: siehe das von mir unten noch einmal eingefügte zweiminütige Video mit der Brunnentrittszene, aus der das obige Bild ist (Lena Headey als Königin Gorgo ist schon mmmmh)]:

Und auf dem Marsch sehen sie so aus:

Es ist seltsam – die antiken Quellen stellen die Spartiaten, wenn überhaupt, als ein bißchen eitel dar, daß sie ihr Haar vor der Schlacht kämmten, ihre Schilde verzierten und so weiter. Dieses Bild von sauber identischen Spartanern ist entschieden ahistorisch.

Identische, austauschbare Spartaner. Interessant ist hier, daß Frank Miller und Zack Snyder sich solche Mühe gegeben haben, die identische Natur jedes dieser Männer zu betonen, was so weit geht, daß sie mit Dingen brechen, die wir über sie wissen. Jeder Spartaner in dem Film hat einen identischen Schild mit einem identischen lambda (Λ) darauf, aber wir wissen in Wirklichkeit (Plut. Mor. 234.41), daß die einzelnen Spartaner ihre Schilde mit einer Vielzahl individueller heraldischer Zeichen bemalten. Ebenso brachten die Spartaner ihre eigene Rüstung „um ihrer selbst willen“ mit (vgl. Plut. Mor. 220.2), und man kann angesichts der Vielfalt von Rüstungen und Helmen im Griechenland dieser Zeit mit Sicherheit annehmen, daß es in der spartanischen Schlachtlinie ebenfalls eine recht breite Vielfalt von Stilen gegeben hat.

Die Spartaner laut Samurai Jack – eine lange Reihe identischer Spartaner, außer dem König und seinem fremden, zeitreisenden Gast.

Zum Glück wird die unausgesprochene visuelle Signalisierung der „spartanischen Gleichheit“ oft in ausdrückliche schriftliche Erklärungen umgewandelt. Um nur ein Beispiel zu nehmen, dieser Artikel von Nick Burns in der New Republic lobt die spartanische „relative wirtschaftliche Gleichheit“ und ihren „kulturellen Egalitarismus“ und sagt weiters:

Lykurg, der Gründer des spartanischen Regimes, soll verfügt haben, daß nur Eisenbarren als Währung akzeptiert werden. Es wurde so schwierig, Geld zu verdienen oder anzusammeln, nachdem es in riesigen Schubkarren herumgekarrt werden mußte, daß die Bürger ihren Wunsch aufgaben, ein Vermögen zu machen, und sich damit abfanden, auf einer weitgehend gleichen materiellen Basis wie ihre Mitbürger zu leben.

Lykurg ließ auch alle Bürger an gemeinsamen Tischen miteinander essen, um die Entwicklung von Luxusgewohnheiten zu verhindern und sicherzustellen, daß private Beziehungen, sogar familiäre, die Gemeinschaft nicht untergruben.

Wir werden zur Person des Lykurg nächstes Mal kommen (Spoiler: halbgöttliche, mythische Gründergestalten sollten nicht wie historische Gestalten behandelt werden). In einer – wie ich betonen sollte, höflichen – Twitterkonversation mit mir stellte Nick Burns hinterher seine Sicht klar:

Das für mein Auge Beeindruckendste an Sparta war das Maß an Gleichheit und Zusammenhalt *unter Bürgern*. War das nur möglich durch die Tyrannisierung der umgebenden Bevölkerung? Das ist nicht unwahrscheinlich.

Aber es kommt mir der Gedanke, daß sie genauso sehr hätten tyrannisieren und dennoch innerhalb ihrer Reihen ungleich sein können. Ich denke an Schumpeters Diktum: Demokratie ist die Herrschaft einer Untergruppe der Gesellschaft, die innerhalb ihrer eigenen Reihen demokratisch ist.

Diese Vorstellung – das Maß der Gleichheit und des Zusammenhalts – ist das, was ich den Mythos von der spartanischen Gleichheit zu nennen vorziehe, und den werden wir heute aufs Korn nehmen.

Wo kommt diese Vorstellung her? Nun, sie kommt von den selben pro-spartanischen Quellen, die wir letztes Mal diskutierten. Plutarch behauptet, daß Lykurgs Entscheidung, Geld aus Sparta zu verbannen, im Wesentlichen die Habgier beseitigte, indem dadurch alle Spartaner gleich (Plut. Lyc. 9.1-4) – oder gleichermaßen arm – gemacht wurden, obwohl wir anmerken sollten, daß Plutarch 900 Jahre nach der Zeit schrieb, in der Lykurg (der, um es zu wiederholen, wahrscheinlich keine reale Person war) gelebt haben soll. Xenophon merkt zustimmend an, daß Lykurg den Spartanern jegliches produktive Gewerbe verbot und ihnen somit verunmöglichte, Reichtum anzuhäufen (Xen. Lac. 7.1-6). Land sollte angeblich gleich auf jeden spartanischen Vollbürger – die Spartiaten oder homoioi (wir werden diese Begriffe gleich definieren) in gleichen Grundstücken aufgeteilt werden, die kleroi genannt wurden.

Diese Idee – der Mythos von der spartanischen Gleichheit – ist vielleicht die eine „größte Idee“ in der Vorstellung vom spartanischen Staat, mit der nur noch der Mythos von der spartanischen militärischen Exzellenz wetteifert (keine Sorge, dazu kommen wir noch!). Es etwas zu tiefst Ansprechendes, auf einer fundamentalen emotionalen Ebene, an der Idee einer vollkommen gleichen Gesellschaft wie dieser. Und dieser Mythos der Gleichheit hat alle Arten von Denkern aus allen Zeiten (am bekanntesten Rousseau) – einschließlich unserer eigenen – dazu veranlaßt, an Spartas vielen, vielen Mängeln vorbeisehen zu wollen.

Und oberflächlich besehen klingt es nach einer sehr gleichen Gesellschaft – praktisch einem kollektivistischen Utopia. Es ist eine angenehme Vision. Leider ist es auch eine Lüge.

Hier sind die Spartaner*: Ein Helot unter vielen Heloten.

[* Die im Originalartikel verwendete Formulierung „Meet the Spartans“ ist auch der Originaltitel der „300“-Parodie „Meine Frau, die Spartaner und ich“.]

Beginnen wir, indem wir die Gestalt der spartanischen Gesellschaft skizzieren. Der griechische Begriff für die politische Grundeinheit des griechischen Lebens ist polis (Mehrzahl poleis). Ursprünglich bedeutete dieses Wort „Stadt“, aber im Laufe der Zeit nahm es eine Bedeutung nahe an „Gemeinschaft“ oder „Staat“ an. Es war möglich, eine polis ohne Stadt zu haben (wie Sparta), oder eine Stadt ohne eine polis (zum Beispiel kleine und große Städte, die sich nicht selbst regierten). Stattdessen wurde eine polis in unseren antiken Quellen mit einer Bürgerschaft identifiziert (z. B. „die Spartaner“, „die Thebaner“, „die Athener“ etc.), und es ist darin auch die Regierung inbegriffen, die jene Bürger errichteten, und das Territorium, das diese Regierung kontrolliert.

Während jede polis eine Bürgerschaft als Kern hatte, umfaßten poleis auch verschiedene Unterklassen, die keine Bürger waren: typischerweise Ausländer und Sklaven. Der Bürgerstatus in griechischen Städten war erblich und wurde streng reguliert, daher könnte „Ausländer“ hier Familien bedeuten, die seit Generationen in der polis gelebt hatten, aber kein Teil der ursprünglichen Bürgerschaft waren. Dennoch hatte nur die Bürgerschaft – wie auch immer sie definiert wurden – volle gesetzliche und politische Rechte: jene freien Nicht-Bürger mußten oft die volle Last des Bürgerseins bezahlen (Steuern, Militärdienst etc.), ohne irgendwelche der Vorteile (Wählen/Abstimmen, in Gerichten zu dienen, Zugang zu öffentlichen Diensten, etc.)

Jede griechische polis hatte also eine Schichttorte aus drei Statusebenen: die Bürgerschaft, freie Nicht-Bürger (wie Ausländer) und unfreie Personen (Sklaven). Man konnte – und die Griechen taten das – diese oberste Gruppe nach Reichtum und Geburt und so weiter unterteilen, aber dazu werden wir ein bißchen später in diesem Beitrag und im nächsten kommen. Bleiben wir vorerst bei der dreischichtigen Torte. Sparta folgt diesem Schema sauber.

An der Spitze standen die Spartiaten, die männlichen Vollbürger Spartas. Laut Herodot gab es einst 8000 davon (Hdt. 7.234.2); angeblich 9000 beruhend auf der anfänglichen Zahl der gleichen Grundstücke (kleroi), die verteilt wurden (Plut. Lyc. 8.3 – oder statt „verteilt“ könnten wir sagen „beschlagnahmt“). Natürlich sind dies Zählungen männlicher Spartiaten, aber Frauen konnten der Population der Bürger angehören (aber nicht selbst Bürgerinnen sein), und wir sollten uns zu jeder gegebenen Zeit eine gleiche Zahl von Spartiatenfrauen vorstellen. Denn damit ein [männliches] Kind in die Bürgerklasse geboren wurde (und somit für die agoge und einen zukünftigen Vollbürgerstatus zugelassen war), mußte es einen Bürger-Vater und eine Bürger-Mutter haben. Wir werden uns mit den Bastardkindern ein Stück weiter unten befassen. Die Spartiaten wurden oft auch die homoioi genannt, was manchmal als „Gleichrangige“ [„peers“] übersetzt wird, aber wörtlich etwas wie „die Gleichen“ bedeutet. Wie wir sehen werden, ist diese Gleichheit bestenfalls theoretisch, aber dieses Ideal von der Gleichheit der Bürger war etwas, womit Sparta für sich warb.

Ich wundere mich über diese Marktszene: Sollen diese Frauen Helotinnen oder perioikai sein? Falls ja, so sind die die einzigen Vertreter der einen oder anderen Gruppe, die wir im gesamten Film sehen, aber ich vermute, daß zumindest manche von ihnen Spartiatenfrauen sein sollen. Wie wir weiter unten sehen werden, hatten Spartiatenfrauen aber wenig Grund, Rohwolle zu schleppen – sie scheinen nicht ihre eigenen Stoffe gewoben oder gesponnen haben. Stattdessen deutet Xenophon an, daß Helotenfrauen gezwungen wurden, Kleidung für sie herzustellen.

Die Zahl der Spartiaten nahm während des Zeitraums, für die wir Beweise haben (ab ca. 480 v. Chr.), rapide ab. Während es 480 v. Chr. angeblich 8000 männliche Spartiaten gegeben hat, scheinen es bis 418 nur noch 3500 gewesen zu sein (Thuc. 5.68), nur 2500 im Jahr 394 (Xen Hell. 4.2.16) und nur 1500 im Jahr 371 (Xen. Hell. 6.1.1; 4.15.17). Wir werden nächste Woche mehr darüber reden, warum dieser Kollaps stattfand und welche Auswirkungen er hatte, aber fürs erste möchte ich ihn erwähnen, weil es etwas Skepsis darüber erweckt, daß es jemals so viele Spartiaten gab, wie Herodot oder Plutarch uns glauben machen wollen. Dennoch werden wir die Zahl von 8000 vorerst akzeptieren.

Im Laufe der Zeit entwickelte Sparta eine verblüffende Anzahl von Unterklassen unterhalb der Bürger, die „frei“ waren, aber nur begrenzte Rechte genossen und keine Mitbestimmung in ihrer Regierung hatten. Die größte und bedeutendste davon waren die perioikoi ([Periöken] wörtlich: „die Herumwohnenden“). Als die spartanische polis entstand, scheinen die armen Bauern um die Kerndörfer zu Heloten gemacht worden zu sein (wir kommen dazu, ich verspreche es), aber die außenliegenden Siedlungen blieben frei, während sie dem spartanischen Staat untertan waren. Die perioikoi nahmen nicht an der agoge teil, hatten keine Mitbestimmung in der Regierung und keine Rolle in der spartanischen „Gleichheit“ (was bedeutet, daß sie von allen Vorteilen ausgeschlossen waren, die der spartanische Staat bot), aber sie durften ihre eigenen Angelegenheiten regeln (abgesehen davon, daß sie in der spartanischen Armee kämpfen mußten). Fast das gesamte gute, produktive Land scheint für die kleroi der Spartiaten reserviert worden zu sein, daher waren die Periöken zum Großteil wirtschaftlich marginal – auf das schlechte Ackerland abgeschoben -, aber sie stellten doch die Klasse der Handwerker, die die Rüstungen, Waffen und Werkzeuge hergestellt haben werden, die die Spartiaten benötigten. Die skiritai waren eine besondere Gruppe von Periöken, die oben in den Bergen wohnten – sie dienten auf andere Weise in der Armee, scheinen aber ansonsten rechtlich nicht von den Periöken verschieden gewesen zu sein. Für diesen Beitrag werden wir sie alle gemeinsam behandeln.

Neben den Periöken haben wir auch die hypomeiones und mothakes. Die hypomeiones scheinen aus den Männern (und deren Nachkommen) bestanden zu haben, die Spartiaten gewesen waren, denen man aber aus irgendeinem Grund den Bürgerstatus weggenommen hatte, für gewöhnlich wegen Armut (aber manchmal wegen Feigheit). Nachdem es normalerweise unmöglich war, den Bürgerstatus zurückzugewinnen – selbst für Kinder -, stellten sie eine dauerhafte Unterklasse mit Rechten so ziemlich wie die Periöken dar. Die mothakes (Einzahl: mothax) scheinen die gemischten Nachkommen von Spartiatenmännern und Helotenfrauen gewesen zu sein (wir werden noch einmal darauf zurückkommen) – Xenophon (Xen. Hell 5.3.9) bezeichnet diese Männer als nothoi (wörtlich „Bastarde“). Manchen mothakes wurde von reichen Spartiaten in die agoge hineingeholfen, aber sie konnten niemals Bürger sein und hatten somit niemals Anspruch auf die Dinge, die volle Spartiaten hatten, daher stellen auch sie eine effektiv permanente Unterklasse in Sparta dar.

Und schließlich sammelten sich im Laufe der Zeit kleine Gruppen befreiter Heloten an, die Neodamodes und die Brasideoi (Letztere scheinen bloß eine spezifische Gruppe der Ersteren zu sein). Diese wurden am Rand des spartanischen Territoriums angesiedelt (auf Land, das mit Elis umstritten war). Also scheinen sie abgesehen davon, daß man ihnen den schlimmsten Müll an Immobilien in ganz Sparta gab, funktionell dieselbe Stellung gehabt zu haben wie der Rest der Unterklassen, die keine Bürger waren.

Die Abschätzung der Größe der verschiedenen freien spartanischen Unterklassen, die keine Bürger waren, beruht zwangsläufig auf Mutmaßungen – unsere Quellen sind zutiefst uninteressiert an diesen Menschen, weil – wie wir letzte Woche diskutierten – unsere Quellen zum Großteil Elitesnobs sind, die daran interessiert sind, über andere Elitesnobs zu schreiben und denen daher wenig an den niedrigeren Klassen liegt. Schätzungen werden dadurch erschwert, daß es angesichts der Beweise recht klar erscheint, daß die hypomeiones, mothakes und neodamodes alle im Laufe der Zeit zahlenmäßig zunahmen. Dennoch scheinen die Entsendungen von Periöken in die Schlacht den spartanischen Zahlen gleich gewesen zu sein oder diese übertroffen zu haben sogar im Jahr 480, daher kann man anscheinend mit Sicherheit annehmen, daß es etwas mehr Periöken als Spartiaten gab. Ich habe 30.000 als vorsichtige Schätzung ihrer Gesamtzahl ca. 500 v. Chr. dargeboten, die im Lauf der Zeit bedeutend anstieg. Ich denke, man könnte überzeugend dafür argumentieren, daß diese Zahl bedeutend höher war, besonders, wenn man für eine kleinere Zahl von Heloten argumentiert (siehe unten). Wir werden nächste Woche mehr über all diese Leute reden.

Und die Heloten waren Sklaven, die dem spartanischen Staat gehörten und die kleroi bearbeiteten, die den Spartiaten gehörten (man hat also das Land, aber der Staat besitzt die Arbeitskräfte), und einen Teil ihrer Erzeugnisse (anscheinend recht viel davon) den Spartiaten schuldeten. Von den Heloten gab es zwei große Gruppen – die lakonischen Heloten, die in Sparta gelebt hatten, bevor die polis entstand, und die zu dieser Zeit zu Heloten gemacht worden waren. Die messenischen Heloten waren die freien Einwohner der benachbarten Gemeinde Messenien, als sie von Sparta in den frühen 600ern erobert wurde, zu welcher Zeit fast die gesamte Bevölkerung zu Heloten gemacht worden war. Es gab ca. 200.000 Heloten, die gegenüber jeder anderen Gruppe in Sparta weit in der Überzahl waren, und auch allen davon zusammengenommen.

Okay, ich weiß, daß das verdammt viel Information ist – Sparta hat eine verblüffende Zahl von Unterklassen -, aber es ist wichtig wegen dem, wie es sich auf die Zusammensetzung des spartanischen Staates auswirkt. Unten ist eine grobe Schätzung der Bevölkerung Spartas im Jahr 480 v. Chr. nach Klassen abgebildet:

Anmerkungen: Die Zahl der männlichen Spartiaten (und der entsprechenden Bürgerfrauen) ist höher als Herodots 8000, um die Kinder zu berücksichtigen, die ca. 1/3 der Population ausmachen sollten. Technisch waren sie keine Spartiaten, bis sie die agoge abschlossen, aber ich habe sie hier hinzugenommen, nachdem sie Bürgerstatus haben. Die Schätzung der Zahl der Periöken und anderer freier Nicht-Bürger beruht im Wesentlichen auf Mutmaßung. Hier habe ich danach argumentiert, daß die Periöken in der spartanischen Armee dienten und in den frühen 400ern (im Allgemeinen) zahlenmäßig ungefähr gleich mit den zu jeder gegebenen Zeit vorhandenen Spartiaten waren. Es hat in jüngerer Zeit Versuche von Wissenschaftlern gegeben, die Zahl der Helotenbevölkerung herabzusetzen – Thomas Figueira hat eine wertvolle Synthese solcher Versuche präsentiert (es ist ein guter Lesestoff, wenn man so etwas mag), die die Helotenbevölkerung auf untefähr 110.000 bis 120.000 reduziert. Ich denke, die durchgeführte Modellierung ist wertvoll, schafft aber im Wesentlichen eine Untergrenze (was die kleinste Zahl von Heloten ist, die dieses System erhalten könnte), was meiner Meinung nach ein unplausibel effizientes Eintreibungssystem annimmt, daher habe ich einige der etwas älteren Schätzungen verwendet, von denen ich denke, daß sie der Wirklichkeit wahrscheinlich näher kommen. Aber ich wollte kurz erwähnen, daß es einigermaßen (wenn auch nicht radikal) niedrigere Schätzungen gibt – in allen Schätzungen sind die Heloten den Spartiaten zahlenmäßig mehrfach überlegen. Hinsichtlich des Arguments hier spielt es kaum eine Rolle, wenn die Spartiaten 5:1, 7:1 oder 8:1 (das obige Verhältnis) in der Minderzahl waren, oder wie für spätere Perioden argumentiert wurde, 16:1 oder mehr. Was zählt, ist, daß die überwältigende Mehrheit der auf spartanischem Territorium lebenden menschlichen Wesen Heloten waren.

BOAH! höre ich euch sagen. Das sind eine Menge Sklaven. Massig versklavte Menschen. Aber andererseits – in der Antike war Sklaverei üblich, richtig? War dies normal für eine griechische polis? Nun, vergleichen wir es mit dieser genau gleich erstellten Grafik von Athen in ungefähr demselben Zeitraum:

Anmerkung: Wirklich, wir sollten in Spannen reden, aber das ist schwer grafisch zu vermitteln. Die Schätzungen für die Zahl der Bürger reichen von 60.000 bis 140.000 – aber Thukydides‘ Zahl (Thuc. 2.13.6-8) spricht stark für eine Zahl um 100.000, was mit den 30.000 Hopliten konsistent ist, die Athen gehabt haben soll. Die Zahl der Metics [gängiger Begriff auf Deutsch: Metöken] beruht weitgehend auf Mutmaßungen, aber die meisten Schätzungen nehmen an, daß sie gegenüber der Bürgerschaft im fünften Jahrhundert signifikant in der Minderzahl waren. Es wird auch oft angenommen, daß die Metökenpopulation männerlastig war, angesichts dessen, wer im antiken Griechenland wahrscheinlich ins Ausland ging, um Geschäfte zu machen (aber man beachte auch, daß viele Metöken seit mehreren Generationen in Athen ansässig waren). Die Zahl der Sklaven ist unbekannt – die beiden zitierten antiken Zahlen scheinen auf Basis der Bevölkerungsdichte unmöglich zu sein. Wahrscheinlich war die Zahl der Sklaven gleich der Größe der Bürgerschaft oder übertraf sie leicht. Die Gesamtgröße der Bevölkerung in Attika (dem Territorium von Athen) sollte irgendwo zwischen 200.000 und 300.000 liegen. Ich habe hier M- H. Hansens Zahlen von 1986 verwendet – leider fokussieren viele der neueren Arbeiten über die griechische Demographie, wie M. H. Hansens The Shotgun Method (2006) oder J.-N. Corvisiers La population de l’Antiquité classique (2000) mehr auf die Schätzung der Gesamtbevölkerung statt auf eine Aufschlüsselung der Bevölkerung nach sozialen Klassen. Ich sollte auch betonen, daß Schätzungen der Bevölkerungen einzelner griechischer poleis ziemliche Spekulationen sind. In vielen Fällen bleibt Beloch (1886) – nein, das ist kein Tippfehler 1886 – eine Standardreferenz.

Athen war eine sehr wohlhabende Stadt, die viele ausländische Händler und Geschäftsleute anzog, aber auch riesige Zahlen von Sklaven importieren konnte (alles Dinge, die Sparta ganz entschieden <i>nicht</i> tat), und doch macht die Bürgerschaft immer noch einen viel größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. Um einen antiken, aber nichtgriechischen Vergleich zu geben: diese Tortendiagramme vergleichen Athen (5. vorchristliches Jahrhundert), Sparta (ca. 480 v. Chr.), Sparta, nachdem der Schwund der Spartiaten sich auszuwirken begonnen hatte (371 v. Chr.) und das römische Italien ca. 218 v. Chr. (am Vorabend des Zweiten Punischen Krieges):

Anmerkung: offensichtlich sind das alles einigermaßen Näherungen, aber das allgemeine Muster hält. Ich würde sagen, daß diese Diagramme die italienischen Verbündeten (oder „socii“) schlecht wegkommen lassen, die im Allgemeinen größere Rechte und Privilegien hatten als athenische Metöken oder spartanische Periöken. Anders als diese beiden Gruppen waren die socii Vollbürger ihrer eigenen Gemeinden (in denen sie immer noch lebten) und hatten somit eine Mitbestimmung in ihrer eigenen Selbstregierung (wenn auch nicht in der Außenpolitik). Das römische Recht bot den meisten socii selbst in Rom beträchtlich mehr Schutz als das athenische oder spartanische Recht. Die Zahlen für Italien folgen Brunt (1971), weil ich sie zur Hand hatte. Ich ziehe eigentlich Launaros Schätzung (Peasants and Slaves (2011)) aus aufregenden technischen Gründen vor, die es nicht wert sind, hier auf sie einzugehen – die Grafik würde hinsichtlich der relativen Prozentanteile gar nicht sehr anders aussehen. Ich sollte einen entscheidenden Unterschied erwähnen: die römische „Torte“ wäre maßstäblich dargestellt zwanzigmal größer als die athenische oder spartanische. Ich sollte auch erwähnen, daß die Schätzungen für die Bevölkerung des römischen Italien viel zuverlässiger sind als jene für Griechenland – die Beweislage ist viel bessern. Man beachte, daß, wenn wir eine zweite römische Grafik aus, sagen wir, der Zeit des Todes von Augustus (14 n. Chr.) hätten, der graue Teil zweimal so groß wäre, aber fast das ganze orange Stück blau wäre.

Der Punkt hier ist also, wenn wir über das Leben in Sparta reden wollen, sollten ungefähr 85 % dieser Konversation vom Leben der Heloten handeln. Reden wir also über sie.

Es ist ein Helotenleben, für uns.

Ich möchte beginnen, indem ich betone, wie wahnsinnig die vorherige Aussage ist, daß die Heloten nicht einfach eine einfache Mehrheit der unter dem spartanischen Staat lebenden Menschen waren, sondern tatsächlich eine riesige Supermehrheit. Zum Vergleich, ungefähr ein Drittel der Bevölkerung des amerikanischen Südens im Jahr 1860 wurde in Sklaverei gehalten, und wir nennen das zu Recht eine „Sklavengesellschaft“. [Einschub des Übersetzers: es wäre interessant zu wissen, wie viele der Weißen im amerikanischen Süden zu dieser Zeit noch Sklaven oder „indentured servants“ waren und zusammen mit den Negersklaven den Gesamtanteil der Unfreien erhöht hatten.] Gesellschaften, wo eine absolute Mehrheit der Personen in Sklaverei gehalten wird, sind extrem selten, aber Spartas massive Supermehrheit versklavter Menschen ist – nach meinem Wissen – einzigartig in der menschlichen Geschichte.

Wir sind über die Heloten sehr schlecht informiert. Unsere snobistischen Quellen – erinnert ihr euch an letzte Woche? – sind zum Großteil einzigartig uninteressiert an ihnen, daher bleibt uns nur, ein Flickwerk an Informationen zusammenzusetzen. Das wiederum führt zu Situationen, wo Studenten des alten Griechenlands zu dem falschen Eindruck kommen können, wenn sie nicht alle Quellen im Kopf haben (wir werden sehen, daß dies ein gängiger Trend bei Sparta ist – nur Xenophon zu lesen oder nur Plutarch zu lesen kann zutiefst irreführend sein).

Erledigen wir als erstes das manchmal vorgebrachte Argument, daß die Heloten mehr wie mittelalterliche Leibeigene waren statt Sklaven, wie wir die Ideen verstehen, und somit nicht wirklich Sklaven – dies ist Unsinn. Heloten scheinen in der Lage gewesen zu sein, bewegliches Eigentum zu besitzen (Geld, Kleidung etc.), aber tatsächlich trifft das auf viele Sklaven in der Antike zu, einschließlich römischer (die Römer nannten dieses Quasi-Eigentum peculium, was auch für das Eigentum von Kindern und sogar vieler Frauen galt, die unter der gesetzlichen Macht (potestas) eines anderen standen). Kleine Mengen von beweglichem Eigentum zu besitzen war nicht selten unter unfreien Individuen in der Antike (oder auch bei anderen Formen von Sklaverei).

Nein, was die Heloten rechtlich von den douloi (Sklaven in den meisten griechischen Gesellschaften) unterschied, war, daß sie Sklaven des spartanischen Staates waren statt von einzelnen Spartanern – dies hatte nichts mit irgendeinem Sinn von größerer Freiheit zu tun, die sie gehabt haben könnten. Tatsächlich gibt Plutarch die Redensart wieder, daß „in Sparta der freie Mann freier ist als irgendwo sonst auf der Welt, und der Sklave mehr Sklave“ (Plut. Lyc. 28.5). Er kann sich hier nur auf die Heloten beziehen. In der Tat ist Plutarchs Aussage aufschlußreich – die Heloten wurden nach den Maßstäben der antiken Besitzsklaverei schlecht behandelt, was, wie ich betonen muß, eine unglaublich niedrige Latte ist. Antike Gesellschaften behandelten versklavte Menschen absolut schrecklich, und doch wurde irgendwie das Schicksal des Heloten allgemein für schlimmer gehalten.

Aber das letzte Wort dazu, ob wir die Heloten als voll unfrei betrachten sollten, betrifft die Unantastbarkeit ihrer Person: sie hatten keine, überhaupt keine. Jedes Jahr im Herbst erklärten die fünf Ephoren (nächste Woche) genannten spartanischen Amtsrichter den Krieg zwischen Sparta und den Heloten – Sparta erklärte im Grunde einem Teil von sich selbst den Krieg – sodaß jeder Spartiat jeden Heloten ohne gesetzliche oder religiöse Konsequenzen töten konnte (Plut. Lyc. 28.4; man beachte auch Hdt. 4.146.2). Isokrates – zugegeben eine entschieden antispartanische Stimme – erwähnt, daß es überall in Griechenland außer in Sparta eine religiöse, wenn nicht rechtliche Übertretung war, Sklaven zu töten (Isoc. 12.181). Nach dem athenischen Recht war das Töten eines Sklaven immer noch Mord (dasselbe gilt für das römische Recht). Man nimmt natürlich an, daß diese Regeln von Sklavenhaltern oft ignoriert wurden – wir wissen, daß viele solche Gesetze im amerikanischen Süden routinemäßig mißachtet wurden. Die Sklaverei ist immerhin schon von ihrer bloßen Natur her eine brutale und unmenschliche Institution. Das Fehlen irgendeines gesetzlichen oder religiösen Tabus gegen das Töten von Heloten kennzeichnet die Institution als ungewöhnlich brutal nicht bloß nach griechischen Maßstäben, sondern nach welthistorischen Maßstäben.

Wir können mit Sicherheit schlußfolgern, daß die Heloten nicht nur versklavte Menschen waren, sondern daß sie von allen Sklaven so ziemlich die wenigsten Schutzbestimmungen hatten – effektiv keine, nicht einmal Schutzbestimmungen, die nur dem Namen nach welche waren.

Wow, das sind schöne Getreidefelder. So viel Getreide. Ich frage mich: wer baut es an?

Aber was tun die Heloten?

Die Antwort ist zum Großteil „sie bewirtschaften das Land“, aber spezifischer zu werden, wird schnell schwierig. Aber wir können versuchen, das kurz zu halten: Heloten waren versklavte landwirtschaftliche Arbeiter. Heloten gehörten nicht einzelnen Spartiaten, sondern dem spartanischen Staat, von dem sie – mit welchen Methoden, wissen wir nicht – beauftragt wurden, die Grundstücke (kleroi, siehe oben) zu bearbeiten, die den Spartiaten zugeteilt worden waren, denen, wie oben erwähnt, jegliche Art von produktiver Arbeit verboten war. Die Heloten scheinen in ihren eigenen Dörfern und Siedlungen gelebt zu haben – keine Überraschung, da die messenischen Heloten weit zahlreicher gewesen zu sein scheinen als die lakonischen und die Spartiaten selbst nicht in großen Zahlen in Messene gelebt hatten. Es scheint aber doch, daß die messenischen Heloten in einer kleineren Zahl von Kerndörfern zusammengefaßt wurden, statt auf Bauernhöfe aufgeteilt zu sein, wahrscheinlich um es der kleinen Zahl von dort stationierten Spartiaten einfacher zu machen, sie im Auge zu behalten. Und sie scheinen nicht nur einfache Getreidenahrungsmittel produziert zu haben, sondern das volle Spektrum landwirtschaftlicher Produkte: Weizen (Xen Lac. 5.3 – wir werden darauf zurückkommen), Gerste, Trauben und Wein, Feigen, Oliven und Olivenöl, Käse, Textilien (Wolle) und Tierprodukte, einschließlich Fleisch und Fisch.

[Eine superpedantische Anmerkung: Dieses Produktionsspektrum ist ein Grund, warum ich behaupten würde, daß die Versuche von Wissenschaftlern wie Figueira und Hodkinson dazu tendieren, eine Untergrenze der Zahl der Heloten festzusetzen (ich greife meine Anmerkung zum Diagramm oben auf) – sie gehen von einem vereinfachten Modell der Landwirtschaft aus, wo nur Gerste und Weizen produziert wird (ich sollte betonen, daß dies keine schlechte Praxis ist – man muß das so ziemlich tun, um irgendetwas aus den begrenzten Belegen herauszubekommen, die wir haben). Aber das riesige Spektrum der landwirtschaftlichen Produktion, die die Heloten betreiben, erfordert, daß viele Heloten Aufgaben wahrnehmen, die kein Anbau von Weizen und Gerste sind, und noch mehr Heloten, die sie versorgen. Solche Modelle nehmen auch an, daß die Arbeitsleistung der Heloten effizient zugeteilt wurde, was für die antike Landwirtschaft sehr seltsam wäre – Bauernhaushalte sind fast immer „arbeitsineffizient“ (zu viele Hände, zu wenig Land oder Kapital), siehe dazu Erdkamp, The Grain Market in the Roman Empire (2005)]

Wir wissen nicht, welcher Prozentanteil der landwirtschaftlichen Güter, die von den Heloten produziert wurden, der Spartiatenfamilie übergeben werden mußte, die ihren kleros besaß. Plutarch nennt nur eine (augenscheinlich maximale?) Zahl von 82 medimnoi Gerste, die einem einzelnen Spartiatenhaushalt jährlich von den Heloten ihres kleros gezahlt werden mußten (Plut. Lyc. 8.4, aber beachte Cartledge (1979), 170 zu den Schwierigkeiten mit dieser Passage) – dies ist, wie angemerkt werden muß, eine riesige Menge, ungefähr das Zehnfache der Rationen eines römischen Soldaten. Tyrtaeus, der im 7. Jahrhundert v. Chr. schreibt (unsere früheste Quelle für Sparta) sagt in einem Fragment, daß die Heloten „wie Esel unter schweren Lasten leiden, durch schmerzliche Gewalt gezwungen, ihren Herren die Hälfte aller Erzeugnisse zu bringen, die ihr Boden hervorbrachte. „Die Hälfte“ ist eine verlockende Zahl, aber es ist auch eine nette, runde und poetisch bequeme Zahl, die vielleicht nicht die Wirklichkeit darstellt. Aber wir haben nicht die notwendigen Belege, um die durchschnittliche Größe eines kleros oder die Zahl der ihn bearbeitenden Heloten zu bestimmen, daher ist es schwer herauszufinden, wie belastend das gewesen wäre (außer daß wir angesichts der geforderten Menge „sehr belastend“ annehmen können – 50 % ist in der Tat eine sehr hohe Pacht).

Aber ich denke, es ist hervorhebenswert, wie extrem die Arbeitsteilung war. Heloten leisteten alle Arbeit, weil es gut möglich ist, daß die Spartiaten die am wenigsten produktiven Menschen waren, die es je gab (die Periöken produzierten vermutlich ebenfalls eine Menge Güter für die Spartiaten, aber nachdem sie frei waren, stellt man sich vor, daß sie dafür aus der einzigen wirtschaftlichen Ressource entschädigt werden mußten, die die Spartiaten besaßen: die Erzeugnisse der Helotenarbeit). Den Spartiaten war verboten, irgendeine produktive Aktivität aufzunehmen (Plut. Lyc. 24.2). Lysander ist schockiert darüber, daß der persische Fürst Kyros als Hobby gärtnert (Xen. Oec. 4.20-5), denn warum seine Hände mit Arbeit besudeln, wenn man nicht muß? Angesichts der normalen Aufteilungen der Haushaltsarbeit (die Textilherstellung im griechischen Haushalt wurde typischerweise von Frauen betrieben) ist es gleichermaßen auffallend, daß nicht eines von Plutarchs „Sprichwörtern spartanischer Frauen“ in den Moralia das Weben betrifft außer einem – wo eine spartanische Frau eine ionische beschämt, weil sie auf ihr Geschick darin stolz ist (Plut. Mor. 241d). Xenophon bestätigt, daß Spartiatenfrauen nicht woben, sondern sich auch dafür auf die Arbeit von Heloten verließen (Xen. Lac. 1.4), ein Punkt, auf den wir nächste Woche zurückkommen werden.

Die Heloten wurden auch zum Kämpfen gezwungen. Uns wird von Herodot gesagt, daß die Spartaner zum Kampf bei Plataiai 35.000 Heloten mitbrachten (479 v. Chr., Hdt. 9.28.2), und leichte Infanterietruppen aus Heloten erscheinen anderswo in den Quellen. Aber mit antiken Armeen verbundene Sklaven aller Arten werden in den Quellen oft weggelassen; man fragt sich, wie viele Heloten gezwungen wurden, bei Leonidas in seinem zum Scheitern verurteilten letzten Gefecht bei den Thermopylen zu bleiben – es ist eine sichere Wette, daß mehr als die 300 Spartiaten dort waren (zusammen mit ca. 1000 Periöken; Diodorus 11.4). Man kann sich nicht vorstellen, daß die Heloten begeistert waren, ihr Leben für einen Staat zu geben, der sie hasste und brutal behandelte, aber selten wurden loyale Heloten mit der Freiheit belohnt (z. B. die Brasideoi). Die Heloten schienen im Wesentliche  das gesamte spartanische Logistiksystem ausgemacht zu haben – Lebensmittel und Versorgungsgüter getragen zu haben -, obwohl, wie wir sehen werden, die spartanische Logistik kaum beeindruckend war.

Was in diesem Bild einer spartanischen Armee auf dem Marsch fehlt: mehrere hundert Heloten, die gezwungen wurden, das gesamte Gepäck und die Ausrüstung zu schleppen. Ebenfalls fehlend: 900+ Periöken, die die Spartiaten dazu zwangen, auf ihrer Selbstmordmission mitzukommen.

Angesichts der riesigen zahlenmäßigen Ungleichheit zwischen den Heloten und den Spartiaten werdet ihr euch vernünftigerweise fragen: wie bewahrten die Spartiaten die Kontrolle? Die Antwort scheint in einem Wort zu sein: Terror.

Wie oben erwähnt, hatten die Spartiaten eine rechtliche und religiöse Fiktion, die ihnen ermöglichte, Heloten zu jeder Zeit aus irgendeinem Grund – oder ohne Grund – ohne rechtliche oder religiöse Konsequenzen zu ermorden. Und nun kehren wir zur krypteia zurück, der wir zuletzt als Initiationsritus für junge Spartiatenmänner bei ihrem Abschluß der agoge begegneten – nun treffen wir auf dieselbe Institution als Instrument des Terrors.

Manche sparta-freundliche Wissenschaftler haben versucht, die Rolle der krypteia zu minimieren, aber es fällt schwer, dem Eindruck aus den Quellen zu entgehen, daß dies eine weit verbreitete und zutiefst gewalttätige Institution war. Plutarch beschreibt ihre Funktion: die Mitglieder der krypteia pflegten heimlich über das Land auszuschwärmen, ermordeten Heloten, die sie nachts antrafen, oder schlichen sich auf die Felder und ermordeten Heloten, die sie für zu stark, zu tapfer oder zu unabhängig gesinnt hielten. Selbst Plutarch beschreibt die Institution als abscheulich und versucht sie daher von Lykurg zu distanzieren, aber wie bereits erwähnt, funktioniert sein Datum (nach 460 v. Chr.) nicht, nachdem Herodot die Institution als etwas betrachtet, das es bereits beträchtliche Zeit vor den Ereignissen von 480 v. Chr. gab (Hdt. 4.146.2).

Thukydides erzählt von einem Fall (Thuc. 4.80), wo die Spartaner – in einer List – 2000 Heloten, die im Krieg tapfer für sie gekämpft hatten, die Freiheit versprachen, bevor sie sie kurz danach alle ermordeten. Herodots Bericht (Hdt. 4.146.2), daß die Spartaner alle ihre Hinrichtungen nachts durchführen, spricht ebenfalls für den Terror der krypteia – man nimmt an, daß das Hinrichtungen ohne Prozeß waren, was wiederum bedeutet, daß sie nur Hinrichtungen der Heloten sein können.

Selbst wenn sie nicht ermordet wurden, wurden die Heloten grausam behandelt. Plato (Laws 6.776c-778a) präsentiert die Institution höflich als umstritten, und während er diese schlechte Behandlung als einen Faktor erwähnt, der zu Sklavenrevolten führt (zusammen mit der sprachlichen Gemeinsamkeit), erwähnt er auch, daß solche Revolten unter den messenischen Heloten häufig sind, mit der eindeutigen Implikation, daß die Heloten von Messenien deshalb sehr oft revoltieren, weil sie sehr schlecht behandelt werden. Plutarch erzählt von Erniedrigungsritualen, wo Heloten gezwungen wurden, sich schwer zu betrinken, und vor der Speisegemeinschaft (dem syssition) als Anschauungsbeispiel erniedrigt wurden, oder gezwungen wurden, erniedrigende Lieder zu singen (Plut. Lyc. 28.4-5). Verschiedene Fragmente griechischer Historiker erzählen mit variierender Verläßlichkeit von anderen Erniedrigungen, die den Heloten aufgezwungen wurden – Kennell, Spartans (2010), S, 83 – 87 enthält eine gute Zusammenfassung.

Angesichts dessen, wie wenig unseren Quellen an den Leben und Erfahrungen irgendwelcher versklavter Menschen liegt, ist die Einstimmigkeit ihres Zeugnisses, daß das Leben als Helot scheußlich war, nichts weniger als erstaunlich. Dies ist eine Institution, die das Gewissen antiker Sklavenhalter schockiert.

Nein, wirklich, das ist eine Menge Getreide. Sicherlich wird es einige Bauern in dem Film geben? Nein? Gar keine Bauern?

Die Fingerabdrücke eines Kindes

Wenn ich meinen Althistorikerhut für einen Moment abnehme und meinen Militärhistorikerhut (Helm?) aufsetze, so scheint es ausgehend von moderneren Parallelen sehr wahrscheinlich, daß diese Brutalität selbst ein Produkt der agoge war. Organisationskulturstudien moderne Streitkräfte – die den Vorteil reichlicher Belege hatten, die wir für die antike Welt einfach nicht haben – haben starke Verbindungen zwischen Gewalt und Brutalität innerhalb des Militärapparats (zum Beispiel im Training) und dem gewalttätigen und brutalen Verhalten jener Militärs unter Zivilisten aufgezeigt.

Direkter ausgedrückt: Armeen, die Rekruten oder rangniedrige Soldaten im Training und in Friedenszeiten mißhandeln und schlagen, werden dazu tendieren, Zivilisten in besetztem Territorium und in Kriegszeiten zu mißhandeln und zu ermorden. Gewalt rollt auch immer abwärts, wie sich herausstellt. Soldaten, die von ihren Vorgesetzten mißhandelt werden, tendieren ihrerseits dazu, ihre Untergebenen zu mißhandeln, sowohl als erlerntes Verhalten, aber auch als Übertragungsmechanismus (sie reparieren die Erniedrigung, Gewalt zu empfangen, indem sie sie jemandem zufügen, der noch machtloser ist als sie). Diese Beziehung ist am besten dokumentiert im kaiserlich-japanischen Militär (z. B. S. Ienaga, The Pacific War (1978), S. 46 – 54); wird aber auch in der kaiserlichen deutschen Armee beobachtet (I. Hull, Absolute Destruction (2006), S. 93 – 103 – obwohl ich anmerken sollte, daß Hull sich weitgehend auf das Versäumnis der Kommando- und politischen Strukturen fokussiert, diese Tendenz einzubremsen; siehe auch für die Wehrmacht im WK2, O. Bartov, „The Conduct of War: Soldiers and the Barbarization of Warfare” (1992)) – und hey, was sagt man dazu, zwei andere Armeen, die irgendwie einen Ruf für „badass“ militärische Effizienz gewannen trotz einer umfassenden Unfähigkeit, strategische Ziele zu erreichen, was in der völligen Vernichtung des Staates resultierte, den sie verteidigen sollten. Es ist fast, als hätten wir da ein Muster.

Bedenkt, was der junge Spartiat – dem bald die uneingeschränkte Macht über Leben und Tod seiner Heloten-Untertanen gegeben wird – in der agoge lernt. Wenn er in sie eingeführt wird, werden seine Fehler durch die körperliche Gewalt der älteren Jungen „korrigiert“ (Xen. Lac. 2.2), in einem System, wo die Belohnung für „Erfolg“ im Hochsteigen auf der Leiter der Gewalt besteht – das heißt, der junge Spartiat steigt vom bloßen Opfer von Gewalt zu der „Belohnung“ auf, daß ihm ebenfalls erlaubt – er in der Tat ermutigt – wird, Jungen Gewalt zuzufügen, die noch jünger und schwächer sind als er selbst.

Gesellschaften impfen ihre Werte in der Kindheit ein. Streitkräfte impfen ihre Werte im Training ein. Welche Werte werden hier eingeimpft?

Man sagt uns nicht, daß dieses Muster über die agoge hinaus fortbesteht (obwohl Xen. Lac. 4.5-6 es stark andeutet und anmerkt, daß körperliche Gewalt bei der Klärung von Streitigkeiten häufig war), aber – wiederum mit meinem aufgesetzten Militärhistorikerhelm sprechend – natürlich tat es das. Warum auch nicht? Anders als Rom oder Athen, wo klare rechtliche Unterscheidungen zwischen Orten gezogen waren, wo militärische Disziplin (und somit Disziplinargewalt) zulässig war und wo nicht (römische Bürger waren gesetzlich immun gegen Körperstrafen außer auf einem Feldzug; einen athenischen Mitbürger mit der Absicht zu schlagen, ihn zu erniedrigen, war hubris, ein rechtlich definiertes Verbrechen, das mit dem Tod bestraft wurde), war Sparta – daran erinnern unsere Quellen uns – immer für den Krieg mobilisiert, und die Spartiaten standen immer unter militärischer Disziplin (Plut. Lyc. 24.1; Xen Lac. 3.2-5; zur militärischen Disziplin vgl. Xen. Anab. 3.4.49, wo Xenophon seine Soldaten einen Soldatenkameraden verprügeln läßt, weil es sich beschwerte, was uns etwas Einsicht darin gibt, warum Xenophon Sparta als eine ideale Gesellschaft sieht).

Bei all dieser abwärts rollenden Gewalt gibt es nur einen Ort, wo sie stoppt, und das sind die Heloten. Die Gewalt ist eine Folge des Schadens, der jeder Generation von Spartiaten von der vorherigen Generation zugefügt wird; kaputte Männer lassen ein kaputtes System fortbestehen (auf den Rücken und mit dem Blut von Heloten), aus den Gründen, die wir letzte Woche umrissen haben. Gleichzeitig ist sie das einzige Mittel, das die Spartiaten haben, um die Heloten in Sklaverei zu halten, nachdem ihr Gesellschaftssystem einzigartig schlecht darin ist, sie zum Aufbau irgendeiner anderen Art von Legitimität zu befähigen, ein Punkt, auf den wir tiefgreifender am Ende dieser Serie zurückkommen werden.

Okay, ich nehme meinen Militärhistorikerhelm ab, setze meine Althistorikerkappe wieder auf, und weiter zu:

Zeichnen von Kästchen

Was können wir daraus schlußfolgern?

Ich möchte nicht noch mehr auf den armen Nick Burns einschlagen – der, wie ich betonen muß, in unserer Twitterdiskussion vollkommen höflich war und nichts sagte, das ich nicht in der Vergangenheit in Texten und Diskussionen von Studenten gesehen habe -, aber er ist beispielhaft für eine bestimmte Art von kaputtem Denken über Sparta:

Hey, danke für diese Kommentare! Ich sehe, daß ich wahrscheinlich nicht einen so gelehrten Romliebhaber wie dich überzeugen können werde, aber hier sind ein paar Gedanken: erstens, für die Beurteilung der spartanischen Gesellschaft muß man wie bei jeder anderen Gesellschaft zuerst Kästchen zeichnen: zählt man die Heloten und Periöken mit, oder nicht?

Aus demselben Grund: zählen wir die athenischen Sklaven? Frauen? Den Delischen Bund? Zählen wir die römischen Territorien ohne Bürgerstatus? Etc., etc. Ich schätze, diese Zahl von 20/23 kommt davon, daß die Periöken und Heloten als unfrei gezählt wurden – Letztere waren das sicherlich, Erstere weniger.

Burns fragt im Grunde: „können wir einfach ein Kästchen um die Spartiaten zeichnen und sie für sich genommen beurteilen?“ Und wie ich hoffe, daß die laufende Analyse gezeigt hat, lautet die Antwort: nein, das kann man nicht. Die Heloten und die Brutalität, die der spartanische Staat ihnen zufügt, sind integraler Teil des Systems – sie können nicht entfernt werden. Ohne die Arbeit von Heloten gibt es effektiv keine spartanische Wirtschaft und keine landwirtschaftliche Produktion, um den Müßiggang der Spartiatenklasse zu unterstützen. Die Brutalität ist das entscheidende Mittel, um diese Arbeiter in einem Zustand der Sklaverei zu halten, ohne sie kann das System nicht auf seine abscheuliche Weise „funktionieren“. Ohne die Heloten bricht Spartas Militärmacht zusammen – nicht nur wegen des Verlusts für die Spartiaten, sondern auch weil die Heloten große Kräfte als leichte Infanterieabschirmungen zu stellen scheinen.

Aber nein, im Ernst, dieser Film hat ungefähr 95 % aller Menschen in diesem System buchstäblich ausradiert, um sich völlig auf die Spartiaten zu fokussieren. Ich jammere darüber, daß „Game of Thrones“ so wenig an den Smallfolks liegt, aber nicht einmal Benioff und Weiss haben sie einfach alle entfernt. Auch werden diese 300 Spartaner anscheinend hunderte Meilen zu den Thermopylen marschieren, ohne Lebensmittel, Wasser, Kleidung, Zelten oder Versorgungsgüter irgendeiner Art. Viel Glück dabei.

Und in schieren zahlenmäßigen Begriffen waren die Heloten Sparta. Wenn wir über das Zeichnen von Kästchen reden wollen, dann sollten wir nicht um die Spartiaten ein Kästchen zeichnen, sondern um die Heloten. Die Heloten sind den Spartiaten zahlenmäßig so entscheidend überlegen, daß es bei jeder Beurteilung dieser Gesellschaft um die Lebensqualität der Heloten zu gehen hat (die schrecklich ist). Kästchen zu zeichnen, wie Burns möchte, wäre, wie wenn man ein Kästchen um Jeff Bezos zeichnen und erklären würde, daß Amerika die erste nur aus Milliardären bestehende Gesellschaft sei. Tatsächlich repräsentieren die amerikanischen Millionäre ungefähr denselben Prozentanteil in Amerika wie die Spartiaten in Sparta, ungefähr sechs Prozent.

Dies ist ein fundamentaler Fehler dabei, wie wir über Sparta lehren – in High Schools und im College. Wir unterrichten über Sparta, als sei es eine freie Bürgergesellschaft mit einer bedauernswerten Sklavenpopulation, die, während sie schrecklich war, typisch für ihre Zeit war – etwas eher wie Rom. Aber das war es nicht: Sparta war eine Gesellschaft, die fast zur Gänze aus Sklaven bestand, mit einer winzigen elitären Aristokratie. Die Spartiaten waren nicht die gewöhnlichen Bürger Spartas, sondern vielmehr der Erbadel – gewissermaßen die Ritter, Grafen und Herzöge. Wir sollten eher das Frankreich des 17. Jahrhunderts nach den ersten zwei Ständen beurteilen als Sparta nur nach den Spartiaten.

Aber inzwischen werdet ihr euch wundern – dies klingt nach einem Abschluß, aber es ist immer noch viel von dem Artikel übrig – was hat dieser pedantische Kerl noch im Ärmel? Nun, hier ist es: selbst wenn, selbst wenn wir Burns‘ Kästchen akzeptieren – selbst wenn wir eine Mauer um die Spartiaten ziehen – um es klarzustellen, wir sollten das nicht tun – aber selbst wenn wir es tun, wird Sparta dennoch nicht seinem Mythos der Gleichheit gerecht.

Der Mythos von den Homoioi

Nun möchte ich klarstellen: die Kerle, die sich homoioi nannten, waren kein Mythos – offensichtlich existierten die Spartiaten. Aber ich wollte dieses Wort angehen – homoioi. Es bedeutet „Gleichrangige“, übersetzt sich aber wörtlich als „Gleiche“. Das Ideal war unkompliziert – jeder homoios (das bedeutet, jeder Haushaltsvorstand unter den Spartiaten) hatte ein gleiches Stück Land, einen gleichen Anteil an (versklavten, brutal behandelten, terrorisierten) Helotenarbeitern, einen gleichen Platz in der spartanischen „Speisegemeinschaft“ (dem syssition), eine gleiche Stimme in der Apella (der spartanischen Abstimmungsversammlung). Sie waren Gleichgestellte. Die Crux dabei ist wie wirtschaftliche Gleichheit – keine armen Spartiaten, keine reichen Spartiaten.

Herodot deutet das an. Xenophon sagt es uns. Aristoteles und Plato berichten von diesem Ideal. Plutarch macht häufig Bemerkungen darüber. Und es ist völliger Unsinn.

Beginnen wir mit Plutarch. Plutarch (der ca. 100 n. Chr. schrieb) sagt, daß dieses Ideal in der Vergangenheit unter Lykurg existierte (zu dem wir später kommen werden), aber das war in der Vergangenheit, und daß zu irgendeinem Zeitpunkt (er setzt ihn in der Regierungszeit von Agis II und Lysander an) Wohlstand hereinströmte und das System korrumpierte (Plut. Lyc. 30.1-2). Sicher, sagt er, Sparta ist jetzt kein gleiches Paradies, aber früher war es eines – damals in der Zeit von Xenophon, mehr oder weniger.

Wir gehen also zurück zu Xenophon. Xenophon (der in den frühen 300ern v. Chr. schrieb), sagt, daß dieses Ideal absolut existierte… wartet… aber das war in der Vergangenheit, und zu irgendeinem Zeitpunkt (er lebt während der Herrschaftszeit von Agis II, daher muß es früher gewesen sein) wurden die Spartaner reich und reisten ins Ausland, und das korrumpierte das System (Xen. Lac. 14.1-5). Sicher, sagt er, Sparta ist jetzt kein gleiches Paradies, aber früher war es eines – damals in der Zeit von Herodot, als die Spartaner die Griechen gegen die Perser anführten!

Also gehen wir zurück zu Herodot (der ca. 430 v. Chr. schrieb, aber über Ereignisse bis zurück zu den späten 500ern). Nur daß Herodot ausdrücklich zwei reiche Spartaner erwähnt: Sperthias und Bulis – beide eindeutig Spartiaten (sie sind als Vertreter der spartanischen Bürgerschaft, als deren Botschafter, unterwegs!) – die „von nobler Geburt und großem Reichtum“ sind und vor 480 v. Chr. zu einer Botschaft reisen (Hdt. 7.134). Sie sind also nicht nur reich, sondern auch gegonotes eu (γεγονότες εὖ; wörtlich „wohlgeboren“), was bedeutet, daß sie aus Familien kommen, die schon lange Zeit reich gewesen sind! Die Spartaner führen also Buch über Schulden (Hdt. 6.59) und spielen mit Kolonisation (im Allgemeinen eine Reaktion auf Landknappheit, Hdt. 5.42-46). Also war Sparta offensichtlich nicht einmal damals ein gleiches Paradies – oder sogar lange vor diesem Zeitpunkt!

Gehen wir also noch weiter zurück, zu den frühesten literarischen Belegen, die wir für Sparta haben – den lyrischen Dichtern Alkman und Tyrtaeus, die im siebten Jahrhundert schrieben (Tyrtaeus ca. 650 v. Chr., Alkman vielleicht ein paar Jahrzehnte später). Wir haben bereits erwähnt, daß Tyrtaeus über die Leiden der Heloten spricht, aber er gibt auch indirekte Hinweise auf gesellschaftliche Spaltungen und Armut (Tyrt. frag 6, 7, 10, West (1993), 23-4). Alkman beschreibt in etwas, das eine Tanzgruppe zu sein scheint, goldene Armreifen, prächtige Stirnreifen und anderen Aufputz (Alc. frag 1, West (1993), 32.). Ich sollte betonen, daß die begrenzte Produktivität antiker Gesellschaften bedeutet, daß keine Gesellschaften all ihre Frauen mit solchem Putz ausstatten kann – diese Frauen stellen ihren ungewöhnlichen Reichtum zur Schau. Ich möchte betonen, daß das Werk dieser Dichter nur in zusammenhanglosen Fragmenten existiert, und doch haben wir selbst in dieser sehr schlechten Quellenbasis solide Belege für reiche und arme Spartiaten.

Um klarzumachen, wie weit zurück wir hier historisch sind – das kritische Ereignis, das den spartanischen Staat erschafft, den wir kennen, die Eroberung Messeniens und die Helotisierung der Messener, fand – laut Tyrtaeus – in der Generation seines Großvaters statt. Wir sind bis zur lebenden Erinnerung an die Ursprünge des spartanischen Staates, wie wir ihn verstehen, zurückgegangen, und wir sind noch immer nicht zurück zu dieser idealen Vergangenheit der Gleichheit gekommen.

Gehen wir also noch weiter zurück, bis ins frühe siebte Jahrhundert oder sogar ins achte Jahrhundert. Wir sind nun vor allen unseren literarischen Quellen, aber siehe! die Archäologie und Epigraphie (des Studium von Inschriften) kommt zu unserer Rettung. Und ich werde Cartledge bezüglich dessen zitieren, was sie uns sagen: „es gab reiche und arme Spartaner. Diese literarischen Belege [die wir gerade diskutierten] werden voll bestätigt [Hervorhebung von mir] durch die Archäologie (aus dem achten Jahrhundert) und die Epigraphie (aus dem mittleren siebten Jahrhundert)“ (Cartledge (1979), S. 165 – und nein, dieses archäologische Urteil hat sich seit damals nicht bedeutend geändert, soweit ich weiß). Es wird nicht für eine noch frühere Zeit bestätigt, weil wir keine früheren Belege haben.

Ich möchte das also sehr, sehr deutlich festhalten: zu jedem Zeitpunkt, für den wir irgendwelche Belege haben – egal wie begrenzt oder schwierig – haben wir Belege für bedeutende Wohlstandsungleichheiten unter den Spartiaten.

(Das soll nicht heißen, daß es niemals eine Veränderung in der sozialen Schichtung Spartas gab. Im Gegensatz dazu hat es einige Annahmen gegeben – besonders von Figueira – daß es nach dem Erdbeben von 460 um einiges schlimmer wurde – wir werden nächste Woche darüber reden, wie das aussieht.)

Die wirtschaftliche Gleichheit der Spartiaten ist ein Mythos. Sie war 100 n. Chr. ein Mythos. Sie war 360 v. Chr. ein Mythos. Sie war 480 v. Chr. ein Mythos. Sie war immer ein Mythos. Sie war niemals wahr.

Schlußfolgerungen: Wer zählt?

Dies ist zwangsläufig eine etwas künstliche Stelle, um diese Beiträge zu teilen. Ich verspreche, daß wir nächste und übernächsten Woche auf einige dieser Themen zurückkommen werden – wie Wohlstands- und Machtungleichheit unter Spartiaten aussieht, oder warum Lykurg in den Augen der Quellen nichts falsch machen kann. Aber ich möchte einen Schritt zurücktreten und die Themen, die wir bisher behandelt haben, aus der Perspektive dessen betrachten, wie wir Bezüge zur Geschichte herstellen.

Es entspricht der menschlichen Natur, wenn uns eine Geschichte erzählt wird, mit dem Erzähler der Geschichte und den Menschen, die er in ihren Mittelpunkt stellt, zu sympathisieren und sich mit ihnen zu identifizieren. TV Tropes nennt das Protagonist-Centered Morality, und es ist ein passender Begriff. Wir fühlen schließlich, was der Protagonist fühlt, und schätzen, was er schätzt. Dies trifft umso mehr auf die Dinge und Menschen zu, die die Geschichte wegläßt – der leichtgläubige Leser weiß nicht, was er nicht weiß. Für unsere Quellen sind die Spartiaten – und insbesondere die wohlhabenden, erfolgreichen Elitespartiaten – die Protgonisten der Geschichte von Sparta, und daher dreht die Moral dieser Geschichte sich um sie.

Im Studium der Geschichte ist dies natürlich eine Falle – und eine häufige. Studenten sympathisieren ganz natürlich mit der gebildeten herrschenden Klasse vergangener Gesellschaften und sehen sich selbst in den Schuhen von Militäraristokraten und Herrschern (statt als die große Mehrheit der Bauern und Arbeiter), sowohl weil das die Perspektive ist, die unsere Quellen geben, aber auch weil das dazu tendiert, die Geschichte zu sein, die wir lehren: die Geschichte der Macht und Politik.

Allzu oft sehe ich, wie Studenten die griechische Verachtung für den armen Mann, den Nicht-Bürger oder den Sklaven mit Schrecken lesen, aber dann sofort eine Kehrtwendung machen und diese Denkmuster in ihrem eigenen Denken über diese Gesellschaften wiederholen (nun, natürlich kann man dem „Mob“ das Regieren nicht anvertrauen – Thukydides und Xenophon sagten das – worauf ich endlich antworte: „ja, aber solltet ihr ihnen glauben?“).

Bei Sparta ist der Fall noch schlimmer, weil es keine Sache dessen ist, in die Verachtung der Quellen zu verfallen, sondern in ihre Mißachtung. Die Quellen kümmern sich nicht um die Heloten, weil die Quellen reiche Griechen sind, die die Sklaverei nicht als moralisches Übel sehen – falls die Helotensklaverei sie stört, dann nur, weil sie noch grausamer ist als die normale griechische Sklaverei. Xenophon ignoriert die Heloten gern ganz, wann immer er kann. Xenophons Verfassung der Lakedaimonier läuft über 118 Abschnitte, von denen zwei die Heloten erwähnen, und weder namentlich noch ausführlich (Xenophon verwendet entweder doulos [besessener Sklave] oder oiketes [Haushaltssklave], aber in beiden Fällen ist es bei Spartas Gesellschaftssystem klar, daß ein Helot gemeint sein muß). Es wäre leicht, beim Lesen zu vergessen, daß die Heloten überhaupt vorhanden waren (schwerer natürlich in Xenophons Hellenica, nachdem sie dort schließlich militärisch bedeutend sind).

Dies ist, wie ich betonen möchte, ein Versuch von Xenophon, die gesamte spartanische Gesellschaft zu beschreiben, der ungefähr 93 % aller Menschen darin wegläßt (Xenophon läßt auch die Periöken weg), einschließlich buchstäblich aller, die irgendetwas von Wert produzieren. Wenn es jemals ein Zeichen dafür gegeben hat, daß eine Quelle kritisch gelesen werden muß (freundliche Anmerkung des Geschichtslehrers: lest alle Quellen kritisch), dann ist es das!

Aber natürlich tappen wir nicht in die Falle unserer Quellen. Wir können – und sollten – an die vielen, vielen Menschen denken, die unseren Quellen egal sind. Wir müssen fragen, ob diese Gesellschaft eine bessere menschliche Erfahrung produziert – nicht nur für die Aristokraten, mit denen unsere Quellen sich verkumpeln, sondern für alle Menschen. Eine Gesellschaft, die die Wenigen erhöht, indem sie die Vielen ins Elend stürzt, ist nicht dasselbe wie eine Gesellschaft, die tatsächlich die Lebensqualität für die Mehrheit der Menschen in ihr verbessert. Dies ist ein Teil dessen, was ich meine, wenn ich sage, daß wir die Fakten unserer Quellen akzeptieren können, aber ihre Urteile nicht zu akzeptieren brauchen: wir müssen unseren snobistischen Quellen nicht zustimmen, daß die beste Gesellschaft eine ist, die nur für die Elite am besten ist.

Rekapitulieren wir also:

Die vorherrschende menschliche Erfahrung des Lebens in Sparta war, ein Helot zu sein. Wenn wir eine einstündige Vorlesung über die menschliche Erfahrung des Lebens in Sparta halten würden, dann würden wir einundfünfzig dieser sechzig Minuten für die Heloten verwenden. Das sind 51 Minuten über Morde, Verprügelungen, Vergewaltigungen, Zwangsabgaben, Armut und Erniedrigung. Wonach es fünf bis sechs Minuten über das Los der Periöken gäbe und dann – gerade wenn alle ihre Notebooks in ihre Taschen stopfen (meine lieben Studenten: tut das nicht, es macht mich wahnsinnig) – kommen wir zu den Spartiaten.

Statt egalitär zu sein, war Sparta in Wirklichkeit eine zutiefst geschichtete Gesellschaft. Mehr als 90 % aller Einwohner des spartanischen Staates gehören zu einer oder einer anderen Art von Unterklasse. Folglich sollten die Spartiaten nicht als den Staat ausmachend verstanden oder isoliert besprochen werden, weil sie keine autarke Gesellschaft waren. Stattdessen sind die Spartiaten nur ein lokaler Adel, die Elite einer viel größeren, viel weniger gleichen Gesellschaft.

Dennoch ist der Mythos von der wirtschaftlichen Gleichheit der Spartiaten ebenfalls falsch. Es gab immer reiche und arme Spartiaten, zu jedem historischen Zeitpunkt, für den wir Belege haben. Ein Teil des Grundes, warum ich mich so stark auf Cartledge stützte – trotzdem seine Forschungsarbeit ein bißchen älter ist – ist, um zu zeigen, daß wir das jetzt schon eine Weile gewußt haben. Es ist keine neue Offenbarung, daß alle unsere Quellen denken, daß die spartanische Gleichheit vor zehn Minuten endete, trotzdem sie durch Jahrhunderte getrennt sind. Dessen ungeachtet verbreiten Highschool- und sogar College(!)-Lehrbücher weiterhin leichtgläubig den Mythos – akzeptieren die angenehme Lüge statt der unerfreulichen Wahrheit.

Tatsächlich ist diese leichtgläubige Herangehensweise an die Quellentradition – nicht nur die Fakten zu akzeptieren, die sie angeben, sondern auch ihre Vermutungen darüber, was für sie die ferne Vergangenheit ist, und ihre Urteile über den moralischen Wert eines Sparta, das [so] wahrscheinlich nie existierte – so häufig, daß sie seit 1933 einen Namen hatte, le mirage spartiate, geprägt von Francois Ollier. Rousseau und Jefferson hatten eine Entschuldigung für ihre Leichtgläubigkeit – wir nicht.

Nächste Woche werden wir die Auswirkungen dieser Art von sozialer Schichtung durch die Linse spartanischer Familien betrachten – sowohl Helotenfamilien als auch Spartiatenfamilien… aber wir werden auch anfangen, einen genaueren Blick auf manche dieser freien spartanischen Unterklassen von Nichtbürgern werden, und darauf, was sie für das Verständnis von Sparta bedeuten.

Nächster Teil: Das. Ist. Nicht. Sparta. (3): Spartanische Frauen

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Ich kann mir denken, daß einige von euch über eine bestimmte Stelle in diesem Artikel gegrummelt haben werden, und ich hatte eigentlich vor, einen ausführlichen Kommentar darüber zu schreiben, in welcher Weise das ungerecht seitens des Autors ist und daß das vielmehr breiter betrachtet auf Militärs allgemein zutrifft, sowie über eine gewisse schwule Tendenz, die in den Machthierarchien von Elitetruppen und „harten Männern“ von der spartanischen agoge über die US Navy SEALS und den SAS bis zu Jack Donovan und seine „Wolves of Vinland“ auffällt. So wie ich auch zu den anderen Teilen dieser Reihe einiges kommentieren wollte. Das werde ich aber nicht mehr tun (ihr könnt ja zu diesem Beitrag meckern, wenn ihr wollt, ich werde nicht mehr darauf eingehen). Ich haue nur noch diese Übersetzungsreihe raus, weil ich sie mir schon mal vorgenommen und damit angefangen habe, und dann gibt es noch eine letzte Taverne für diejenigen, die irgendwann in der Zukunft doch noch was sagen wollen, wonach mein Morgenwacht-Engagement endgültig enden wird, so wie ich es schon im vergangenen Mai (nicht zum ersten Mal)  vorhatte.

*     *     *

Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

3 Kommentare

  1. Frank

     /  Januar 2, 2021

    Devereaux scheint ein linksliberaler Schreiberling zu sein. Heloten verdienen seine Anteilnahme, überhaupt wird im ganzen Artikel übler Humanismus verbreitet. Mit keinem Wort geht er darauf ein, dass der Hauptunterschied und der Grund für die Ungleichbehandlung zwischen Spartiaten und der Unterschicht (Heloten, Periöken) in rassischer Ungleichheit bestand (Spartiaten nordisch, Heloten mediterran)

    • Wenn es „üblen“ Humanismus gäbe, so gäbe es wohl auch „guten“ solchen?
      Aber eingeräumt, mit der Wehrmacht labert er ziemlich daneben, und die US-Army hat sich diesbezüglich auch nicht mit Ruhm bedeckt.

    • Ja, noch Ende 18./Anf.19. Jhd. haben in Engeland Kinder bis zu sechs Jahren herunter Steinkohle in Tragekiepen aus den Schächten gehuckt. Welcher Rasse waren die?

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