Von Dipl.-Ing. Manfred Ertl, ursprünglich erschienen in „Internationales Waffen-Magazin“ 5-1998.
Für das Halten der Waffe und die Abzugstechnik gibt es unterschiedliche Empfehlungen. Ernstfallorientierte Techniken sind einfach und berücksichtigen den natürlichen Bewegungsablauf und die menschliche Anatomie.
Waffenhaltung, Abzugsvorgang und Verhalten nach der Schußabgabe sind wesentliche Elemente der Schießtechnik. Wie diese einzelnen technischen Elemente allerdings korrekt ausgeführt werden, und welche Überlegungen dabei im Vordergrund stehen, hängt wesentlich davon ab, zu welchem Zweck man eine Waffe benutzt und welche Rahmenbedingungen den Waffengebrauch beeinflussen. Nicht alles, was sich im Sportschießen bewährt hat, kann auch kritiklos und unverändert ins gebrauchsmäßige Schießen übernommen werden.
Vor allem in älteren Anleitungen zum gebrauchsmäßigen Waffeneinsatz findet dies wenig Berücksichtigung. Die Atemtechnik, die hier über einen Zeitraum von mehreren Sekunden beschrieben wird, oder die Betonung der Schußabgabe vom Druckpunkt aus, sind hierfür Beispiele.
Das gebrauchsmäßige Schießen unterliegt aber anderen Kriterien als die Schußabgabe zu rein sportlichen Zwecken. Im gebrauchsmäßigen Schießen wirken andere Rahmenbedingungen auf den Schützen ein, und es stellen sich andere Anforderungen an die Schießtechnik. Dies wird vor allem deutlich, wenn man die Zielsetzung und die Rahmenbedingungen eines ernstfallorientierten Schußwaffengebrauchs einmal zusammenfaßt.
Dabei fällt zuerst auf, daß der extrem präzise Schuß über weite Entfernungen ohne jegliche Zeitbegrenzung im gebrauchsmäßigen Schießen mit der Kurzwaffe praktisch nicht vorkommt. Diese Art des langsamen, präzisen Schießens ist aber die Basis eines großen Teils aller sportlichen Schießdisziplinen. Da bewaffnete Konfrontationen praktisch immer unter Zeitdruck ablaufen und in der Regel die Bekämpfung relativ großer Ziele auf kurze Entfernungen erfordern, liegt es auf der Hand, daß dazu eine andere Schießtechnik erforderlich ist als als zum präzisen Schuß auf weite Entfernungen. Hinzu kommt, daß im gebrauchsmäßigen Schießen eine Reihe von weiteren Einflußfaktoren zu berücksichtigen ist, die in dieser Form beim sportlichen Schießen keine Rolle spielen. Kampfstreß, extrem ungünstige Lichtverhältnisse oder das Schießen aus schnellen Drehungen sind Beispiele dafür.
Jede Technik, die im gebrauchsmäßigen Schießen Verwendung finden soll, muß an diesen Anforderungen gemessen werden. Dabei ist es wichtig, daß nicht ein einzelner Aspekt aus dieser Summe von Anforderungen in den Vordergrund gestellt wird, sondern daß eine zweckmäßige Technik im Verteidigungsschießen allen Aspekten zumindest hinlänglich gerecht wird. Die beste Technik nützt nichts, wenn sie sich nicht zur schnellen Abgabe mehrerer Schüsse hintereinander eignet oder nicht streßstabil ist.
Diese Überlegungen gelten natürlich für alle Bereiche der Schießtechnik, also auch für den Anschlag oder die Körperhaltung insgesamt. Hier soll aber nur das Halten der Waffe und die Abzugstechnik näher betrachtet werden.
Geht man davon aus, daß der beidhändige Anschlag sich als Grundtechnik weitestgehend durchgesetzt hat, stellt sich zunächst die Frage, wie die beiden Hände an die Waffe zu bringen sind. Dabei ist es vom Grundsatz her gleichgültig, ob man die Weaver-Haltung oder den Isosceles Stance bevorzugt. Bei beiden Varianten kommt es darauf an, daß – bei Rechtshändern – die linke Hand die rechte, am Waffengriff befindliche Hand fest umschließt, einen sachten Zug nach hinten ausübt und die Waffenhand leicht zusammendrückt. Die ganze Waffenhaltung sollte dabei fest, aber nicht verkrampft sein. Etwa zwei Drittel der gesamten Haltekraft sollten von der linken Hand, ein Drittel von der rechten aufgebracht werden. Die richtige Kraftdosierung ist dabei schwer zu beschreiben. Man muß es einfach erfühlen. Eine Methode hierzu besteht darin, die Haltekraft im angegebenen Verhältnis solange zu erhöhen, bis die Hände zu zittern beginnen, und dann den Krafteinsatz von diesem Punkt aus soweit wieder zu reduzieren, bis man dabei ein gutes Gefühl hat. Ein anderer Ratschlag besagt, daß der Krafteinsatz der Schußhand dem beim Halten eines Hammers zum Einschlagen von Nägeln entsprechen soll.
Richtige Kraftdosierung muß erarbeitet werden
An all diesen Weisheiten und Methoden ist sicher sehr viel Wahres. Trotzdem kann eine verbale Beschreibung nie exakt das Gefühl des Krafteinsatzes ausdrücken. Die richtige Dosierung wird man ohnehin erst durch längeres Üben finden. Von Anfang an sollte man sich aber beim gebrauchsmäßigen Schießen immer darum bemühen, von den Fußsohlen bis zu den Händen eine Körperspannung einzunehmen, die man am besten als unverkrampft und dennoch fest bezeichnen kann.
Ungewohnt und vielleicht sogar unverständlich erscheint vielen Anfängern dabei die Forderung, mit der linken Hand den größeren Kraftanteil an die Waffe zu bringen als mit der rechten. Diese Aufteilung des Kraftansatzes läßt sich aber durchaus logisch herleiten. Sie ergibt sich im wesentlichen aus zwei Gründen: Erstens kommt es im kampfmäßigen Schießen häufig darauf an, zwei oder mehrere Schüsse schnell hintereinander abzugeben. Dazu muß man den Rückstoß der Waffe beherrschen, ihre Auslenkung gering halten und sie schnell wieder in Zielrichtung bringen. Besonders deutlich wird dies bei den sogenannten Doubletten, bei denen von guten Schützen in weniger als 0,2 Sekunden zwei Treffer dicht beieinander plaziert werden sollen. Dies ist bei großkalibrigen Pistolen oder Revolvern nur mit einer Waffenhaltung möglich, die den Rückstoß ausreichend kompensiert. Durch Kraftaufwand mit der Schußhand ist das aber nur in begrenztem Umfang möglich, wie sich gut beim einhändigen Schießen demonstrieren läßt. Bei einer zweckmäßigen beidhändigen Waffenhaltung wirkt das Zurückziehen der linken Hand viel effektiver gegen das Hochschlagen der Mündung, als dies mit der eigentlichen Schußhand möglich wäre. Die Hebelverhältnisse sind hier einfach günstiger.
Anatomie nicht auf optimales Abziehen eingestellt
Der andere Grund für diese Art des Krafteinsatzes ergibt sich aus der Anatomie unserer Hände und Unterarme. Diese sind nämlich für die Betätigung eines Abzugs an einer Faustfeuerwaffe alles andere als optimiert.
Ein sauberer Abzugsvorgang setzt voraus, daß man mit der ganzen Hand eine relativ konstante Haltekraft aufbringt und sowohl den Krafteinsatz, als auch die Stellung eines einzelnen Fingers dabei verändert. Dies ist kein Bewegungsablauf, für den die menschliche Hand besonders gut ausgelegt ist. Schließlich konnte der über Hunderttausende von Jahren reichende Evolutionsprozeß nicht berücksichtigen, daß der Mensch seit einigen Jahrhunderten Feuerwaffen benutzt.
Erfahrungsgemäß stellt das „Ausmerzen“ dieses menschlichen Handikaps durch Training die größte Hürde auf dem Weg zu guten Trefferergebnissen mit der Faustfeuerwaffe dar. Ein zweckmäßiger Anschlag sollte, vor allem vor dem Hintergrund der unter Streß eingeschränkten Feinmotorik, daher dieses Handikap soweit wie möglich kompensieren und nicht noch verstärken. Dies geschieht durch den höheren Kraftaufwand mit der linken Hand. Dadurch kann der Krafteinsatz der Abzugshand geringer ausfallen, was die Bewegung eines einzelnen Fingers erleichtert. Außerdem führt das Nach-hinten-Ziehen mit der linken Hand dazu, daß die rechte zwangsweise dagegen drücken muß, und somit die Kraft vom Handballen aufgebracht wird, was zu einer entspannteren Haltung aller Finger dieser Hand führt. Im Vergleich zu einer Haltung, bei der die drei unteren Finger der Abzugshand den Griff fest zusammendrücken müssen, ergibt sich so eine größere Unabhängigkeit des eigentlichen Abzugsfingers.
Folgt man dieser Argumentation, wird klar, warum bei einer zweckmäßigen Waffenhaltung die linke Hand die rechte von vorn umfaßt und leicht nach hinten zieht, während die rechte Hand entspannter ist und ihre Kraft diesem Zug entgegensetzt.
Ein häufiger Fehler liegt dabei darin, daß sich der Zeigefinger der linken Hand vorn über den Abzugsbügel legt. Von wenigen Ausnahmen bezüglich der Handgröße und Waffenform abgesehen, handelt man sich dadurch nur Nachteile ein. Zum einen besteht dabei immer die Gefahr, daß man über den so abgestützten Zeigefinger beim Abziehen eine Kraft auf die Waffe ausübt, welche die Mündung aus der Zielrichtung schiebt. Zum anderen schwächt man dadurch den Einfluß der linken Hand auf die Rückstoßkontrolle. Warum viele Pistolenhersteller durch eine besondere Gestaltung des Abzugsbügels gerade zu dieser ungünstigen Waffenhaltung verführen, bleibt fraglich. Vielleicht überwiegen hier optische vor funktionalen Gesichtspunkten.
Ein anderes Thema im Zusammenhang mit der Handhaltung beim gebrauchsmäßigen Schießen ist die Lage der Daumen.
Diese liegen am zweckmäßigsten beide an der linken Waffenseite an. Sie können entweder parallel liegen oder verschränkt werden. Welche Variante hier zweckmäßiger ist, hängt von der Handform und -größe sowie der jeweiligen Waffe ab. In vielen Fällen hat es sich bewährt, die Daumen bei der Selbstladepistole parallel anzulegen und sie beim Revolver zu verschränken. Neben diesen beiden Grundvarianten gibt es aber auch noch einige Mischformen. So kann man z. B. den linken Daumen von oben nur auf den vorderen Teil des rechten, leicht abgewinkelten Daumens legen. Um herauszufinden, mit welcher dieser Daumenlagen man am besten zurechtkommt, muß man etwas experimentieren. Es ist aber sicher nicht verkehrt, dabei zunächst einmal mit den beiden Grundvarianten für Pistole und Revolver zu beginnen. Entscheidend ist auf jeden Fall, daß man die Daumen von den beweglichen Teilen der Waffe fernhält, um Funktionsstörungen und Verletzungen zu vermeiden, und daß man mit den Daumen die Waffe bei der Schußabgabe nicht aus der Richtung drückt.
Nichtakzeptable Varianten der Waffenhaltung
Alle Varianten der beidhändigen Waffenhaltung, die nicht auf der Umfassung der rechten Hand durch die linke basieren, kann man im normalen Anschlag ruhig vergessen. Ganz gleich, ob man dabei an das Unterstützen der Schußhand von unten oder die Umfassung des rechten Handgelenks denkt, diese Varianten können getrost verworfen werden.
Hat man einen stabilen Anschlag und eine zweckmäßige Waffenhaltung gefunden, kann man sich auf die eigentliche Abzugstechnik konzentrieren. Ziel muß dabei sein, einen zwar kontrollierten, aber schnellen Schuß anzustreben.
Allein dies macht schon deutlich, daß all die Empfehlungen, sich mit mehreren bewußten Atemzügen auf die Schußabgabe vorzubereiten und dann den Druckpunkt zu suchen, wenig praxisrelevant sind. So etwas kann man nur für die absolute Anfängerausbildung oder zur Steigerung der Präzision beim sportlichen Scheibenschießen empfehlen. Ansonsten sollte der Abzugsvorgang immer auf die schnelle, aber nicht überhastete Schußabgabe ausgerichtet sein. Anzustreben ist dabei ein Abzugsvorgang, der von Beginn der Bewegung an kontinuierlich, zügig und ruckfrei verläuft. Die amerikanische Bezeichnung „squeeze“ läßt sich zwar in diesem Zusammenhang nicht so ohne weiteres wörtlich übersetzen, beschreibt aber sehr gut, was gemeint ist.
Abziehen darf die Lage der Waffe nicht beeinflussen
Das Wesentliche dabei ist immer, daß man von Anfang an darauf Wert legt, den Kraftaufwand und die Bewegung des Zeigefingers so auszuführen, daß der Einfluß auf die Lage der Waffe möglichst gering ist. Um das sicherzustellen, muß man u. a. darauf achten, daß der Zeigefinger im Verlauf des Abzugsweges auf die Waffe immer nur Kraft parallel zur Laufachse ausübt. Gerade bei längeren Abzugswegen besteht allerdings die Gefahr, daß sich die Richtung der aufgewendeten Kraft verändert. Um dies zu verhindern, muß man sich von Anfang an darauf konzentrieren und den Teil des Zeigefingers, welcher den Abzug berührt, richtig wählen. In der Regel wird es der hintere Bereich des ersten Zeigefingerglieds sein. Eine Unterscheidung der Auflagepunkte für den Zeigefinger im Double-Action- und Single-Action-Modus empfiehlt sich im Hinblick auf eine einfache, unkomplizierte Technik nicht.
Worauf man von Anfang an ebenfalls achten muß, ist ein gleichmäßiges Abziehen, bei dem man nicht versucht, den Abzug schnell durchzureißen, wenn man glaubt, besonders gut auf dem Ziel zu liegen. Der Abzugsvorgang sollte immer so durchgeführt werden, wie er eingeleitet wurde. Die Auslösung des Schusses sollte dann überraschen und nicht bewußt herbeigeführt werden. Andernfalls ist ein Verreißen der Waffe vorprogrammiert. Man muß sich dabei vor Augen halten, daß extreme Fehlschüsse mit der Kurzwaffe nie auf Zielfehlern, Verkantung oder ähnlichem, sondern praktisch immer auf Fehlern beim Abziehen beruhen. Zu Beginn der Ausbildung sollte man zunächst nur auf einen kontinuierlichen Abzugsvorgang achten, bei dem man vom Schuß überrascht wird. Die Geschwindigkeit der Ausführung kann man später allmählich steigern. Ein zu frühes, zu schnelles Schießen führt lediglich zu Fehlern, die sich später nur noch schwer korrigieren lassen. Intensives Trockentraining hat hierbei einen unschätzbaren Wert.
Revolverschützen sollten von Anfang an mit dem Spannabzug schießen, da ein Vorspannen des Hammers in realen Feuergefechten ohnehin kaum möglich ist und die Abzugstechnik mit Abzugsweg anders ist als im Single-Action-Modus. Gerade bei Anfängern kann das Schießen mit dem Single-Action-Abzug sogar die Quelle von Fehlern sein, da hier die Gefahr besonders groß ist, den Schuß durch eine schnelle, aber oft unkontrollierte Kraftanstrengung bewußt auszulösen, anstatt die Abzugskraft kontinuierlich zu erhöhen.
Abzugstechniken, wie sie z. B. die Ruger-Revolver zulassen, bei denen man auch im Double-Action-Modus bis zu einer Art Druckpunkt gehen kann, um dann quasi Single-Action zu schießen, sollte man unterlassen. Im Ernstfall funktioniert so etwas ohnehin nicht. Auch mit solchen Revolvern ist es besser, die Abzugskraft kontinuierlich zu erhöhen und dabei die Geschwindigkeit zu steigern, anstatt mit kaum fühlbaren Druckpunkten zu experimentieren.
Grundlegende Fertigkeit
Abzugstechnik und Haltung der Waffe gehören neben der Einnahme eines zweckmäßigen Anschlags zu den Grundfertigkeiten im Schießen, die man auch im fortgeschrittenen Stadium immer wieder üben sollte. In einem zweckmäßigen System bauen diese beiden technischen Elemente aufeinander auf und ergänzen sich gegenseitig.
* * * * * * * *
Zum Thema der Haltung des linken Zeigefingers siehe auch den Austausch zwischen branfendigaidd und mir ab diesem Kommentar.
* * *
Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.