Combatschießen im Winter

Von Dipl.-Ing. Manfred Ertl, ursprünglich erschienen in „Internationales Waffen-Magazin“ 3-1998.

Eine bewaffnete Auseinandersetzung im Winter unterscheidet sich nur in wenigen Dingen von ähnlichen Situationen bei mildem Wetter. Diese wenigen Dinge, wie dickere Kleidung, das Tragen von Handschuhen oder die eingeschränkte Motorik mit kalten Fingern können aber einen immensen Einfluß auf den Verlauf und den Ausgang eines Feuergefechtes haben.

Für das gebrauchsmäßige Schießen relevante Meßwerte, wie Ziehzeiten oder Trefferergebnisse, werden normalerweise unter optimalen oder zumindest genormten Umweltbedingungen ermittelt. Dies ist im allgemeinen auch sinnvoll, da die Werte so leichter reproduzierbar sind, bei Veröffentlichungen eine Angabe von vielen Randbedingungen überflüssig ist und man unter immer gleichen Bedingungen den eigenen Trainingsfortschritt besser erkennen kann. Außerdem ist es nur unter gleichen und reproduzierbaren Bedingungen möglich, den Einfluß einzelner Parameter, wie einer bestimmten Holsterform oder Schießtechnik, getrennt zu betrachten und in ihrem Einfluß auf das Gesamtergebnis zu bewerten.

Man darf dabei allerdings nicht aus den Augen verlieren, daß die so ermittelten Werte in der Regel das Maximum dessen darstellen, was man mit einer Waffe, einem Holster oder einer bestimmten Munitionssorte unter günstigsten Bedingungen erzielen kann. Im realen Feuergefecht sind die Randbedingungen für den Schußwaffeneinsatz meist erheblich ungünstiger, als quasi unter Laborbedingungen auf dem Schießstand. Hier reduziert der Einfluß von Streß die Psychomotorik, schlechte Lichtverhältnisse erschweren es, das Ziel zu erfassen und ungünstige räumliche Verhältnisse machen es oft unmöglich, den so intensiv geübten Anschlag korrekt einzunehmen.

Wer es nicht schon in der Ausbildung gelernt hat, sich auf solche Einflüsse einzustellen, und wem nicht bewußt ist, daß die Ergebnisse, die unter realen Bedingungen mit einer Waffe zu erzielen sind, meist deutlich schlechter ausfallen, als die Werte auf dem Schießstand, wird im Feuergefecht damit konfrontiert werden. Überraschungen solcher Art wirken sich aber auf den Ausgang eines Schußwechsels zweifach negativ aus. Zum einen ist man dann in seinen Vorbereitungen und seinem Verhalten auf den Umgang mit den ungünstigen Rahmenbedingungen nicht eingestellt, und zum anderen wirken alle negativen Überraschungen in Extremsituationen streßverstärkend, was zu Unsicherheit führt und letztlich bis zum lähmenden Schock reichen kann. Wer erst in einem Ernstfall feststellt, daß man bei Nacht kaum das Ziel erfassen kann oder daß eine Feuerwaffe auch einmal Störungen haben kann, wird meist keine Gelegenheit mehr haben, um aus dieser Erfahrung zu lernen.

Vorbereitung auf ungünstige Rahmenbedingungen

Ziel eines ernstfallorientierten Trainings im gebrauchsmäßigen Schießen muß es daher immer sein, schon in der Ausbildung mit möglichst vielen ungünstigen Rahmenbedingungen eines Feuergefechts vertraut zu werden und sich in seinem Verhalten darauf einzustellen. Von der Methodik kann man dabei zwischen zwei Arten von negativen Randbedingungen unterscheiden. Die einen, wie z. B. der Einfluß von Kampfstreß, treten mehr oder weniger stark ausgeprägt bei praktisch allen Arten von bewaffneten Konfrontationen auf, die anderen beziehen sich ausschließlich auf ganz besondere Situationen.

Ein typisches Beispiel aus der zweiten Gruppe ist das Schießen unter winterlichen Verhältnissen. Daran läßt sich im übrigen auch sehr gut verdeutlichen, wie wenig in der gängigen Ausbildung von Gebrauchswaffenträgern und in der allgemeinen Diskussion über Waffen und Schießtechnik auf derartige Sonderfälle eingegangen wird, obwohl solche scheinbaren Sonderfälle einen keinesfalls zu vernachlässigen Anteil an der Gesamtzahl aller bewaffneten Konfrontationen ausmachen. Daß in manchen Bereichen Mitteleuropas oder Nordamerikas mindestens ein Viertel des Jahres von winterlichen Verhältnissen geprägt ist, wird in kaum einem Schießkurs oder in kaum einer Publikation über das Verteidigungsschießen zur Kenntnis genommen. Betrachtet man die Bilder in den einschlägigen Veröffentlichungen, gewinnt man eher den Eindruck, alle denkbaren Feuergefechte müssen in Kalifornien, in der Sahara oder auf beheizten Schießständen stattfinden. Darstellungen von Schützen in dicker Winterkleidung oder mit Handschuhen sind ausgesprochen selten.

Dies muß nicht zwingend daran liegen, daß der jeweilige Autor sich keine Gedanken über diese Problematik gemacht hat, sondern hat in der Regel ganz andere Gründe. Die korrekte Ausführung von Techniken bei der Verwendung von dicker Kleidung nicht mehr so gut darstellbar wie im kurzärmeligen Hemd, und schneebedeckter Boden sowie beschlagene Linsen machen das Fotografieren nicht gerade einfacher.

Entscheidend ist aber, daß man trotz dieser eher darstellungsorientierten Überlegungen nicht völlig aus dem Auge verliert, daß es nicht nur Schönwetter-Feuergefechte gibt, und daß auch die Thematik der ungünstigen Witterungsverhältnisse ihren Stellenwert in der Ausbildung bekommen muß. Diese Berücksichtigung ungünstiger Witterungsverhältnisse fängt bei theoretischen Überlegungen an und geht über das Praktizieren entsprechender Techniken bis zum Verhalten im Alltag. Im Bereich der theoretischen Überlegungen muß man zunächst einmal die Aspekte eines Feuergefechtes identifizieren, die durch Witterungsverhältnisse beeinflußt werden. Danach muß man diese bewerten, in ihren Auswirkungen abschätzen und die entsprechenden Folgerungen für das eigene Handeln, bzw. die Ausbildung, daraus ziehen.

Einer der sonst im Zusammenhang mit Feuerwaffen durchaus relevanten Aspekte, der Einfluß der Witterung auf die Ballistik des Schusses, spielt im Rahmen des zivilen und polizeilichen Schußwaffengebrauchs zum Glück keine große Rolle. Während sich Parameter wie Pulvertemperatur, Schneefall oder Außentemperatur bei der Ballistik von Artilleriegeschützen oder Scharfschützengewehren durchaus bemerkbar machen, haben sie beim Einsatz von Faustfeuerwaffen auf kurze Entfernungen keinen relevanten Einfluß auf die Trefferlage. Auch eine andere aus dem militärischen Waffeneinsatz bekannte Problematik, die Verringerung der Funktionssicherheit von Handfeuerwaffen durch die zunehmende Zähigkeit von Schmiermitteln, des Gefrierens von Nässe in der Waffe und das unterschiedliche Wärmeausdehnungsverhalten verschiedenartiger Materialien, spielt bei den im zivilen Bereich meist am Körper getragenen und nur kurz exponierten Faustfeuerwaffen praktisch keine Rolle.

Ein relevanter Aspekt liegt hier aber in der Kleidung, die der Schütze normalerweise bei niederen Temperaturen trägt. Fast alle Formen winterlicher Bekleidung haben gemeinsam, daß sie den Zugriff auf eine verdeckt getragene Waffe nicht gerade erleichtern. Während man im Sommer ein Jackett oder eine Lederjacke grundsätzlich offen tragen kann, und somit beim Ziehen zwar auch etwas mehr behindert ist als beim offenen Tragen der Waffe, ist ein geschlossener Wintermantel nicht nur eine leichte Behinderung beim Ziehvorgang, sondern kann das Ergreifen der Waffe unter Umständen sogar völlig unmöglich machen. Man muß sich dazu nur vorstellen, man trage eine Schußwaffe in einem rechts hinten sitzenden Hüftholster mit FBI-Ziehwinkel unter einem zugeknöpften Mantel. Unter diesen Umständen kann man eine Waffe schon aufrecht stehend im freien Gelände kaum mehr erreichen. Mit gleicher Bekleidung im Auto sitzend und mit angelegtem Sicherheitsgurt dürfte ein Ergreifen der Waffe dann gänzlich unmöglich werden. Jedenfalls, wenn man die Zeitansätze berücksichtigt, die einem in einer bewaffneten Konfrontation realistischerweise dafür zur Verfügung stehen.

Systematische Ermittlung der Lösungsansätze

Nun wurde in diesem Beispiel sicher die ungünstigste Konstellation beschrieben, die in einem solchen Fall denkbar ist, aber es läßt sich daran eben ganz gut verdeutlichen, worin das eigentliche Problem besteht und wo die Lösungsansätze liegen. Geht man dabei systematisch vor, kann man sich zunächst einmal die Frage stellen, ob man eine Waffe denn zwingend im Bereich der untersten Bekleidungsschichten tragen muß, oder ob man sie nicht auch sozusagen näher an die Oberfläche bringen könnte. Es würde sich dazu z. B. anbieten, die Waffe nicht in einem Holster am Hosengürtel, sondern in einer Tasche des äußeren Kleidungsstückes zu tragen.

Von den Befürwortern dieser Trageweise wird normalerweise als Argument vorgebracht, daß so die Waffe unabhängig von der momentanen Bekleidung immer gut erreichbar ist. Abgesehen davon, daß dieses Argument zweifelsohne richtig ist, stehen ihm allerdings zahlreiche Argumente, die für die Holsterlösung sprechen, entgegen.

Steckt man die Waffe einfach lose in die Mantel- oder Jackentasche, liegt sie dort im Gegensatz zu einer geholsterten Waffe in keiner definierten Position, sondern kann sich je nach Ausformung der Tasche drehen oder sogar im Futter der Tasche verfangen. Beim Ziehen kann sich der Hammersporn oder ein anderes vorstehendes Teil der Waffe im Futter einhaken und hängenbleiben. Aber auch wenn dies nicht passiert, kann man eine in die Tasche geschobene Waffe nie so gut erfassen, wie es der Griff zum fest sitzenden Holster ermöglicht. Verschärft wird diese Problematik noch dadurch, daß die Taschen in verschiedenen Kleidungsstücken an unterschiedlichen Stellen sitzen, unterschiedliche Größen haben und in ihrer Formgebung unterschiedlich beschaffen sind. Abgesehen davon bieten viele Taschen in Mänteln und Jacken auch nicht die notwendige Sicherheit gegen Herausfallen oder anderweitigen Verlust, die man für eine scharfe Waffe in unseren Breitengraden fordern muß.

Die Möglichkeit, ein Kleidungsstück abzulegen, an eine Garderobe zu hängen oder es im Fahrzeug zurückzulassen, erhöht dieses Verlustrisiko ebenfalls und kann darüber hinaus dazu führen, daß man die Waffe gerade dann nicht zur Hand hat, wenn man sie eigentlich braucht. Diese Nachteile der Taschenlösung ändern sich auch nicht, sondern werden im besten Fall etwas reduziert, wenn man spezielle Konstruktionen von Holstern (Taschenholster) oder Waffen (S & W Centennial) in Betracht zieht.

Ein weiterer Vorteil, der für das lose Tragen der Waffe in der Manteltasche oft angeführt wird, die Möglichkeit, ohne zu ziehen mit der Hand in der Tasche durch den Stoff hindurch zu schießen, hat sich in der Praxis ebenfalls kaum bewährt. Die schlechte Möglichkeit, den Lauf bei einer solchen Schußabgabe auf das Ziel auszurichten und die Gefahr von Fehlfunktionen durch eingeklemmte Stoffstücke nach dem ersten Schuß lassen diese Technik als nicht sehr zweckmäßig erscheinen.

Geholsterte Waffe als zweckmäßigste Lösung

Insgesamt meine ich, daß nach Abwägung aller Argumente die Holsterlösung die zweckmäßigste ist. Das Tragen der Waffe in der Manteltasche kann beim gelegentlichen Reviergang für die Fangschußwaffe hinnehmbar sein, beim ständigen Führen einer Kurzwaffe überwiegen aber die Vorteile des definierten Zugriffswinkels, der größeren Sicherheit gegen Verlust deutlich. Es stellt sich dann aber die Frage, wie man Bekleidung, Holster und Verhaltensweisen so aufeinander abstimmt, daß es letztlich zu einem brauchbaren Kompromiß führt. Hier hängt vieles natürlich von den besonderen Lebensumständen und der individuellen Gefährdungssituation eines bestimmten Waffenträgers ab, so daß man kaum allgemeingültige Empfehlungen geben kann. Es lassen sich aber einige grundsätzliche Zusammenhänge aufzeigen.

Längere Mäntel und Jacken beeinträchtigen die Erreichbarkeit einer rechts im FBI-Ziehwinkel getragenen Waffe wenig, solange das Kleidungsstück offen getragen wird. Man muß für sich selbst beurteilen, ob man im Winter Jacken oder Mäntel in den Situationen, in denen ein Angriff zumindest möglich erscheint, grundsätzlich offen tragen will oder kann. Bei längeren Winterspaziergängen in Grönland dürfte dies ausscheiden. Auf dem Weg vom Auto ins Haus oder ins Büro ist es aber sicher unter mitteleuropäischen Verhältnissen machbar. Wer im Winter weder auf die Möglichkeit, Jacken geschlossen zu tragen, noch auf den gewohnten Sitz des Holsters an der rechten Hüfte verzichten will, kann auf kurze, blousonartige Lederjacken umsteigen. Diese oft mit elastischem Bund ausgestatteten Kleidungsstücke verbergen, wenn sie lang genug sind, eine hochsitzende Waffe recht gut und lassen den Zugriff zur rechts getragenen Waffe noch relativ gut zu, wenn man die Jacke beim Ziehvorgang mit der linken Hand ein Stück nach oben zieht. Es harmonieren aber nicht alle derartigen Jacken mit allen Formen von Holstern und Waffengriffen gleich gut. Hier muß man ein paar Kombinationen ausprobieren, um im Ernstfall keine Überraschungen zu erleben.

Wer nicht unbedingt auf die Trageweise an der rechten Hüfte festgelegt ist, kann auch mit einem Crossdraw- oder Schulterholster und entsprechenden Kleidungsstücken brauchbare Lösungen erzielen, vor allem die hoch sitzenden Schulterholster ermöglichen ein Erfassen des Waffengriffs, wenn die Knöpfe oder der Reißverschluß einer Jacke oder eines Mantels unten geschlossen und im oberen Bereich geöffnet sind. Schon an diesen Beispielen sieht man deutlich, daß es bei einer zweckmäßigen Ausrüstung im kampfmäßigen Schießen nie nur um ein bestimmtes Holster, eine optimale Jacke für den Wintereinsatz der Schußwaffe oder um irgend einen anderen Einzelaspekt geht. Gesucht ist vielmehr immer eine Gesamtlösung, bei der nicht nur alle Ausrüstungsteile, sondern auch die individuelle Gefährdung und die persönlichen Lebensumstände miteinbezogen werden. Eventuell muß man auch bestimmte Verhaltensmuster ändern, um ausrüstungsmäßige Lösungen seinen persönlichen Verhältnissen anzupassen. Der Ansatz zu solchen Lösungen sollte dabei immer mit den Überlegungen beginnen, in welchen Situationen man selbst gefährdet ist, was man in diesen Situationen normalerweise für Kleidungsstücke trägt oder wie man Bekleidung und Trageweise besser aufeinander abstimmen kann.

Ganz gleich, für welche Kombination aus Trageweise der Waffe und Bekleidung man sich dann entscheidet, muß das Ziehen und Schießen unter diesen Rahmenbedingungen geübt werden. Das Wegschieben eines geöffneten Wintermantels mit der Schußhand zum Ziehen aus dem FBI-Winkel oder das Hochziehen eines Blousons mit der freien Hand sind keine natürlichen Bewegungen, die einem automatisch und schnell gelingen, wenn man auf dem Schießstand immer nur mit offen getragener Waffe ohne lästige zusätzliche Bekleidungsstücke geübt hat. Setzt man dies konsequent um, ergeben sich dabei manchmal auch ganz andere Aha-Effekte, wie die Erkenntnis, daß eine bestimmte Lederjacke zusammen mit einer darunter getragenen Schutzweste das Ziehen und den eigenen Anschlag doch mehr behindert, als man eigentlich vorher gedacht hätte. Im übrigen ersetzt die dickste Winterbekleidung natürlich  keinen ballistischen Schutz. Bis auf wenige Munitionssorten, wie feinen Schrot oder bestimmte Arten von extremen Deformationsgeschossen (Glaser Safety Slugs), wird die Endballistik von handelsüblicher Winterbekleidung kaum beeinflußt. Auch dicke Mäntel und Lederjacken stoppen kein 9-mm-Luger- oder .357-Magnum-Geschoß.

Ein anderes Problem, das der Winter für den Gebrauchswaffenträger mit sich bringt, liegt darin, daß in dieser Jahreszeit häufig Handschuhe getragen werden. Kann man davon ausgehen, daß man nur während kurzer Aufenthaltszeiten im Freien gefährdet ist und daß man nicht gerade in arktischen Gefilden lebt, muß man dieser Problematik keine allzu große Bedeutung schenken. Andernfalls wirkt sich das Tragen von Handschuhen aber in verschiedener Weise auf den Umgang mit der Waffe aus.

Zunächst einmal muß man bedenken, daß sich nicht alle Waffen zum Schießen mit Handschuhen eignen. Kleine Backups lassen sich damit oft gar nicht nutzen, und selbst ausgewachsene Combatwaffen sind nicht unbedingt auf die Handhabung mit Handschuhen ausgelegt. Zu geringe Abstände zwischen Abzug und Abzugsbügel oder zu kleine Bedienungselemente können die Benutzung einer Waffe mit Handschuhen deutlich erschweren oder gar unmöglich machen. So sind z. B. ernsthafte Störungen bei kleinen Revolvern vorprogrammiert, wenn zwischen Abzug und Abzugsbügel für den behandschuhten Zeigefinger nicht mehr genug Raum bleibt, um den Abzug nach der Schußabgabe vollständig in die vordere Position zurückkehren zu lassen. Auch Single-Action-Pistolen, deren Hahn man unmittelbar vor der Schußabgabe spannen muß, eignen sich nicht unbedingt für die Bedienung mit dicken Handschuhen. Dasselbe gilt für zu kleine Waffengriffe, die ohnehin schon in der bloßen Hand nicht unbedingt perfekt liegen und deren Handlage sich mit Handschuhen noch weiter verschlechtert.

Wer damit rechnen muß, daß er den Feuerkampf mit Handschuhen führen muß, sollte zweckmäßigerweise eine Waffe wählen, die das von ihren Abmessungen her zuläßt, und deren Handhabung möglichst wenige Manipulationen an externen Bedienungselementen erfordert. Ein größerer Revolver oder eine Glock-Pistole sind hier Beispiele einer sinnvollen Waffenwahl. Aber ganz gleich welche Waffe man wählt, das Gefühl beim Bedienen einer Waffe verschlechtert sich mit Handschuhen in jedem Fall. Auch hier muß man durch entsprechende Übungen ein Mindestmaß an Vertrautheit erlangen.

Wie wichtig eine solche Vertrautheit mit widrigen Witterungsbedingungen und ungewohnten Kleidungsstücke ist, zeigt sich, wenn man Schießkurse im Winter auf Außenständen durchführt. Schon bei mittleren Teilnehmerzahlen und einem Munitionsaufwand von hundert Schuß pro Teilnehmer entstehen Aufenthaltszeiten im Freien, die kaum jemand ohne dicke Bekleidung und Handschuhe durchstehen will. Natürlich wäre es möglich, zur Absolvierung der einzelnen Übungen die dicksten Bekleidungsstücke abzulegen und sich nur in den Wartezeiten gegen die Witterung zu schützen. Dies wäre aber nicht im Sinne einer Übung, die genau der Thematik des Schießens unter winterlichen Bedingungen entsprechen soll. In realistischen Lagen ist es vielleicht noch möglich, die Handschuhe abzulegen, bevor man die Waffe zieht, größere Umkleideaktionen sind aber vor dem Hintergrund wahrscheinlicher Bedrohungsszenarien kaum mehr möglich. Aus diesem Grund sollte man bei solchen Übungen auch den Gebrauch anderer Hilfsmittel, wie z. B. Taschenöfen, nicht zulassen, wenn man nicht davon ausgehen kann, daß dem Schützen im Ernstfall die gleichen Hilfsmittel in gleicher Weise zur Verfügung stehen werden. Ausbildung im gebrauchsmäßigen Schießen ist eben keine sportliche Veranstaltung, bei der man alle zugelassenen Hilfsmittel und Erleichterungen nutzen kann, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen, sondern eine Vorbereitung auf einen möglichen Ernstfall mit all seinen Widrigkeiten und erschwerenden Rahmenbedingungen. Dies muß sich im Training widerspiegeln.

Wenn man damit rechnen muß, daß man seine Waffe unter Umständen behindert durch dicke Winterbekleidung und Handschuhe sowie mit klamm gefrorenen Fingern einsetzen muß, dann ergibt es keinen Sinn, sich der schöneren Schießergebnisse wegen im Training durch das Weglassen dieser limitierenden Faktoren Erleichterungen zu schaffen.

Wie sehr solche Einschränkungen sich auf die Kampfkraft und den Gefechtswert eines Schützen auswirken, sieht man weniger an den Trefferergebnissen, als am Gesamtverhalten der Übungsteilnehmer. Einigermaßen erfahrene Waffenträger treffen auch im Winter, wenn die Waffe erst einmal schußbereit ist und richtig in der Hand liegt. Interessanter in diesem Zusammenhang ist es aber, die einzelnen Schützen beim Umgang mit der Waffe zu beobachten. Szenen, in denen ein Teilnehmer plötzlich nicht mehr weiß, in welcher Tasche der Daunenjacke sich das Reservemagazin versteckt hat, oder wo jemand krampfhaft danach sucht, wo er die Waffe ablegen kann, wenn er das Holster unter der dicken Jacke nicht mehr erreicht, sind dann keine Seltenheit.

Auch das aussichtslose Unterfangen, genug freie Hände für die Waffe, das Reservemagazin und die ausgezogenen Handschuhe verfügbar zu haben, hat für den aufmerksamen Beobachter durchaus seinen Reiz. An und für sich logische Handlungen, wie die Handschuhe, wenn sie beim Magazinwechsel stören, einfach fallen zu lassen, finden nicht statt, wenn so etwas nicht drillmäßig geübt wurde. Selbst unter den relativ schwachen Stresseinflüssen einer solchen Schießübung fällt der Mensch eben auf Standardverhalten zurück, wenn nicht anderes Verhalten systematisch eingeübt wurde. Das Wegwerfen von Handschuhen auf matschigem Untergrund ist aber normalerweise kein Standardverhalten. Folglich unterbleibt es auch, selbst wenn offensichtlich wird, daß man nicht genug Hände hat, um die Handschuhe festzuhalten und um gleichzeitig alle Waffenmanipulationen in gewohnter Weise auszuführen.

Die Erfahrung, daß bereits bei geringen Abweichungen von den Rahmenbedingungen, unter denen wir bestimmte Verhaltensweisen recht sicher beherrschen, zu extremen Schwierigkeiten und Verhaltensunsicherheiten führen können, bezieht sich im Übrigen nicht nur auf das Schießen unter winterlichen Bedingungen, sondern auf alle Gebiete des kampfmäßigen Einsatzes von Schußwaffen. Ziel einer realitätsnahen Ausbildung muß es daher sein, den Auszubildenden auf möglichst viele im Ernstfall zu erwartende Rahmenbedingungen vorzubereiten, um ihm Handlungssicherheit zu geben und ihm Überraschungen so weit wie möglich zu ersparen.

Für die Vorbereitung auf eine bewaffnete Auseinandersetzung im Winter bedeutet dies unter anderem, daran gewöhnt zu sein, mit lästiger Bekleidung zu schießen, Kleidungsstücke beim Erkennen von Gefahren rechtzeitig zu öffnen oder die Handhabung der Waffe mit kalten Händen und Handschuhen zu üben. Dies wird sicher nicht der Schwerpunkt in der Ausbildung von Gebrauchswaffenträgern sein, aber ein Mindestgrad an Vertrautheit mit solchen Bedingungen sollte man auch hier erlangen.

*   *   *   *   *   *   *   *

Siehe auch Der Schuss durch die Tasche von Peter Ernst Grimm und Hans-Jörg Signer.

*     *     *

Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

Ein Kommentar

  1. Bei der von DI Ertl oben angesprochenen Alternative, eine Faustfeuerwaffe unter Winterkleidung in Crossdraw-Trageweise (d. h. an der Hüfte, die der Schußhand gegenüberliegt, mit nach vorn weisendem Griff) oder in einem Schulterholster zu führen, ist die Gefahr des sogenannten „Sweepings“ zu bedenken. Darunter versteht man das Überstreichen anderer Personen außer dem Gegner, oder eigener Körperteile, mit der Laufrichtung, wobei die Gefahr besteht, daß man im Streß des Ernstfalles währenddessen schon abdrückt. Beim Ziehen einer mit nach hinten weisendem Lauf getragenen Waffe überstreicht man schon einen Winkel von fast 180°, bevor der Lauf nach vorne zeigt, und speziell beim Schulterholster zielt man unmittelbar nach dem Ziehen sogar auf den eigenen Oberarm und die Schulter. Wenn man sich für so eine Trageweise entscheidet, ist es ratsam, diese Gefahr durch Ziehübungen ohne scharfe Munition (eventuell mit einer Pufferpatrone in der Waffe) zu minimieren.

%d Bloggern gefällt das: