Ein Gastkommentar von Gerald Weigl in „caliber“ 2-2004.
Es steht außer Zweifel, bei kaum einem anderen Thema kommen sich Europas Rechte und Linke so nahe, wie wenn es darum geht, den USA wieder einmal auszurichten, wie roh, barbarisch, gewaltverherrlichend und egozentrisch sie sind. Nachdem sich spätestens seit Michael Moores „Bowling for Columbine“ Millionen von Europäern im Besitz der Wahrheit über den „Waffenwahn der Amerikaner“ wähnen; nachdem so gut wie jeder Artikel, der eine Waffengesetzverschärfung durchpeitschen möchte, darauf hinweist, tut es vermutlich gut, sich einige Facts zu den „amerikanischen Verhältnissen“ vor Augen zu führen.
Für Normalsterbliche war es in den USA der 70er Jahre in nur wenigen ländlichen Bundesstaaten möglich, Waffentragscheine, sogenannte „concealed carry permits“, zu erhalten. Ähnlich wie in der heutigen EU sicherten sich allerdings Stars, Superreiche oder Spitzenpolitiker wie Janet Reno, Sean Penn oder Donald Trump selbst in so restriktiven Zonen wie New York City oder Washington DC ihre permits. Eine Serie brutaler Vergewaltigungen führte in Orlando, Florida, 1966 zu der Veranstaltung von durch Lokalzeitungen (!) gesponserten Kursen durch die Polizei. Nach bestandener Prüfung hatte jeder volljährige, unbescholtene Bürger das Recht, die Waffe zu tragen. In den nächsten Jahren sank, im Gegensatz zum nationalen Trend, hier die Anzahl sämtlicher Gewaltdelikte, die der Vergewaltigungen gar um 88 %, deshalb wurde das Modell in ganz Florida eingeführt. Der Erfolg erwies sich als spektakulär, die Anzahl der Tötungen sank in den Folgejahren um 22 %, die Anzahl der Tötungen mit Schußwaffen ging gar um 29 % zurück. Und dies bei gegenläufigem Trend auf Bundesebene – dort nahm die Zahl der Tötungen allgemein um 15 % und die der Tötungen mit Schußwaffen um 50 % zu. Die von Waffengegnern vorhergesagten Schießereien, die Blutbäder im Wildwest-Stil, blieben aus. Im Gegenteil, von den ausgestellten permits wurden lediglich 48 (also 0,16 Promille) wegen „Mißbrauchs“ wieder eingezogen. Mißbrauch kann jedoch bereits das Betreten eines Lokals, in dem Alkohol ausgeschenkt wird, bedeuten, nicht nur Mord und Totschlag! Die Geschichte der Erleichterung des Zugangs zur concealed carry permit in etlichen US-Bundesstaaten ist eine Erfolgsstory – unter dem Eindruck der „Lott-Studie“ liberalisierten schließlich nahezu 40 Bundesstaaten ihr Recht. Ausnahmslos jeder Bundesstaat konnte so seine Rate an Gewaltdelikten senken!
Waffenrechts-Liberalisierung reduziert Gewaltdelikte
Die Anti-Gun-Lobby zweifelte jedoch weiter am Nutzen von Schußwaffen. Gegen entschlossene Verbrecher hätte ein Normalsterblicher keine Chance, so das von der Polizei gebetsmühlenartig verbreitete Argument. Nachdem mehrere Zeitungsumfragen auf eine hohe Dunkelziffer an Selbstschutzfällen hinwiesen, beschlossen die Kriminologen Gary Kleck und Mark Gertz 1993, der Sache auf den Grund zu gehen. Anhand von tausenden Telefoninterviews wurden Amerikaner befragt, ob sie in den vergangenen fünf Jahren beziehungsweise im vergangenen Jahr eine Schußwaffe zum Selbstschutz oder zum Schutz anderer nutzten – wobei Fälle in Polizei und Militär und gegen Tiere ausgeschlossen wurden. Das Ergebnis überraschte selbst jene, die sich sicher waren, mit den gemeldeten Fällen nur die Spitze des Eisbergs vorliegen zu haben: jährlich ereignen sich bis zu 2,5 Millionen Fälle privater Notwehr mit Schußwaffen. Die schmerzliche Wahrheit für die Waffengegner: Schießereien finden so gut wie nie statt, im Regelfall reicht die Drohwirkung der Schußwaffe vollauf. So kommt es nur in 8 % der Fälle zu einer Verletzung des Täters! Kriminalitätsopfer, welche die Tips der Waffengegner befolgen und sich fügen, wurden dagegen dreimal häufiger verletzt als jene, die mit Schußwaffen Widerstand leisteten! Dies schlägt sich allerdings auf die Bereitschaft, den Vorfall zu melden, nieder und erklärt die hohe Dunkelziffer – wo niemand verletzt wird, gibt es keinen Grund, die Behörden einzuschalten (und die Konfiszierung der Waffe zu riskieren). Der Nutzen der Schußwaffe für die Gesellschaft ist evident – 15,7 % der Befragten gaben an, er/sie sei sich sicher, daß Unschuldige ihr Leben verloren hätten, wenn die Schußwaffe nicht zur Verteidigung bereitgestanden hätte. Anders ausgedrückt, wären das etwa 340.000 gerettete Leben pro Jahr!