Zwischen Himmel und Hölle

Von Miriam Wiegele (Collagen: Andreas Posselt, unter Verwendung der Werke von Otto Wilhelm Thomé, Pierre-Joseph Redouté, William-Adolphe Bouguereau u. a.), aus „Servus in Stadt & Land“, Ausgabe November 2014. (Nachveröffentlichung hier anläßlich Samhain.)

Efeu für Treue, Lilien für Unschuld, Rosen für die Liebe über den Tod hinaus: Wem die Stunde schlägt, dem blüht Verheißungsvolles. Servus-Expertin Miriam Wiegele über goldene Kinderblumen, welkende Orakel und himmlische Düfte.

VERFLOSSEN IST DAS GOLD DER TAGE,
DES ABENDS BRAUN UND BLAUE FARBEN.
aus dem Gedicht „Rondel“ von Georg Trakl (1887-1914)

Früher waren die Menschen überzeugt, dass der Tod nicht plötzlich und unvermittelt kommt, vielmehr schickt der Sensenmann – wie im Märchen – seine Boten. Vorzeichen für den bevorstehenden Tod eines Angehörigen gab es viele: wenn ein Käuzchen ruft, wenn ein Hund unablässig mit gesenktem Kopf heult, wenn der Holzwurm, der „Totenwurm“, besonders laut klopft. Und auch Pflanzen konnten Künder der letzten Stunde sein.

Der Holunder war seit Urzeiten der heilige Baum des Hauses und der Sippenbaum, er war aber auch der Baum des Todes. Verdorrte der am Haus stehende Holunder, so wartete der Tod auf ein Familienmitglied.

Wenn Bäume zur „Unzeit“ blühen, also zum Beispiel jetzt, im späten Herbst, kann das ein schlechtes Zeichen sein. Wenn gar ein Kirschbaum gleichzeitig Blüten und reife Früchte trug, hieß es, dass das Kind des Hauses im selben Jahr sterben würde.

Blüht die Hauswurz (Sempervivum tectorum), die als Blitzschutz am Dach wuchs, mit vielen Blüten, so war das ein schlimmes Zeichen für die Hausbewohner. Wenn es dann um einen Kranken schlecht bestellt war, empfahl es sich, das „Fette-Hennen-Orakel“ zu befragen. Man hängte von der Fetten Henne (Hylotelephium telephium) einen Stengel samt Blättern und Blüten an einem Faden über das Bett des Kranken. Blühte die Fette Henne weiter, was bei einer solchen saftspeichernden Pflanze durchaus möglich ist, würde der Kranke wieder gesund werden. Wenn sie bald vertrocknete, stand dagegen das Ende bevor.

Die Fette Henne diente auch als Orakelpflanze, wenn man erfahren wollte, wie es einem abwesenden Angehörigen geht, da man schon länger nichts mehr von ihm gehört hatte. Es wurden ein paar Stengel der Pflanze abgebrochen und aufgehängt. Welkten einige Blätter, deutete dies auf Krankheit hin, wobei noch genauer beobachtet wurde: Welkten die Blätter an der Spitze, bedeutete dies eine Krankheit über der Gürtellinie; wurde der Stengel braun, handelte es sich um eine Krankheit unter der Gürtellinie; welkte die gesamte Pflanze, so bedeutete das etwas wirklich Schlimmes.

Ein Geruch, der Dämonen abwehrt

Wenn des Menschen Herz aufhört zu schlagen und er seinen letzten Atemzug ausgehaucht hat, entschlüpft seine Seele der leiblichen Hülle. Doch sie findet nicht sofort den Weg in die jenseitige Welt, die Überlieferungen aller Völker sagen das, und auch die moderne Sterbeforschung berichtet davon.

Während der Zeit der Totenwache ist die Seele noch nahe. In dieser Übergangsphase bedarf sie eines besonderen Schutzes vor negativen Einflüssen. Der dämonenabwehrende Duft von Kräutern, der Rauch von Harzen, das Licht der Kerzen und die Gebete und Gesänge schützen die Seele, bevor sie sich auf ihre letzte Reise begeben kann.

Blumen und Kräuter spielten immer eine wichtige Rolle in den meisten Totenkulten. Der Brauch, den Toten auf Blumen zu betten, ist uralt und wurde erstmals bei den Neandertalern belegt, wie Pollenanalysen zeigten.

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Holunder: Früchte vom Baum der Seelen

Von Miriam Wiegele (Illustrationen: Andreas Posselt), aus „Servus in Stadt & Land“, Ausgabe September 2014. (Nachveröffentlichung hier anläßlich Samhain.)

Weiße Schneeflocken-Blüten im Frühjahr, blauschwarze Beeren jetzt, zur Erntezeit. Wie keine andere Heilpflanze verkörpert der Holunder in seinem Wesen Neubeginn und Ende.

Groß ist die Begeisterung der Menschen für den Holunder, wenn er blüht, verbinden wir dies doch mit der Zeit, wo der Frühling alle Pflanzen strahlen lässt. Jetzt leuchten seine schwarzvioletten Früchte von den Sträuchern und erinnern uns mit ihrer Farbe daran, dass bald wieder die dunkle Zeit kommt.

Früher wuchs in jedem Bauernhof ein Hollerstrauch. Der Schwarze Holunder folgte dem Menschen überall hin, als wollte er von ihm adoptiert, gehegt und gepflegt werden. Man könnte ihn in der Sprache der Botaniker als eine anthropochore Pflanze bezeichnen, also (aus dem Altgriechischen abgeleitet) als eine Pflanze, „die mit dem Menschen tanzt“.

Diesen Hofholunder betrachtete man als Sippenbaum, als Baum, in dem die Seelen der Ahnen wohnten und so wie die Frau Holle, die ebenfalls in diesem Baum saß, die Familie vor Unglück und Schaden schützten.

Frau Holle oder Holda nannte man diese Göttin und war der Meinung, dass ihr Name den gleichen Ursprung wie die noch heute gebräuchlichen Worte wie hold oder Huld habe und dass auch der Name des Holunders daher stammt.

Die Sprachwissenschaft bezweifelt dies allerdings. Der Name stammt ihrer Meinung nach von den alten indogermanischen Wortwurzeln für „schwarzer Baum“. Dennoch wurde der Baum in ganz Nordeuropa mit Hochachtung als „Frau Holler“ angesprochen.

Der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl ist diplomatischerweise der Meinung, dass der schwarze Baum auch der Baum der schwarzen Göttin ist, denn Frau Holle war bei den Kelten die Erdmutter, die Schwarze Göttin.

Die Holle zeigt sich im Lauf des Jahres in zwei Gestalten: als Lichtjungfrau Brigid zu Beginn des Jahres und als Totengöttin Frau Percht im Winter.

Diese zwei Seiten findet man auch beim Holunder, der im Jahreslauf sein Erscheinungsbild eindrucksvoll wechselt. Im Frühjahr zeigt er Blüten, so weiß und filigran wie Schneeflocken, die, wenn sie verblüht sind und zu Boden fallen, wie eine Schneedecke dort liegen. Im Herbst trägt der Holunder fast schwarze Beeren, deren Saft lang anhaltend und dunkel färbt wie Pech.

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Der 1. Mai ist heidnisch – May Day and Easter Goddess of Dawn

Gefunden auf Counter-Currents Publishing unter Video of the DayMay Day & Easter Goddess of Dawn:

Tom Rowsell von Survive the Jive präsentiert ein kurzes (20:34 min. langes) Video, das mehrere der vorchristlichen Bräuche für den 1. Mai in Europa beschreibt, und wie sie sich von einer Tradition ableiten, die mit der proto-indoeuropäischen Göttin Hausos zusammenhängen. Einen schönen Ersten Mai!

Siehe auch:

Eine Sonnwendfeier von Kevin Alfred Strom

Imbolc: Das Fest zum Beginn der hellen Jahreshälfte von Lichtschwert

Beltane / Walpurgisnacht von mir, mit einer Ergänzung von Lichtschwert

Eurocentrism and Halloween (Video von Hugh MacDonald)

The Origins of the Lucia Tradition (Video)

Buchempfehlung: Waltraud Ferraris „Alte Bräuche neu erleben“ von Lichtschwert

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

Asatru als lebendige Tradition

Von Collin Cleary, übersetzt von Tekumseh. Das Original Asatru as a Living Tradition erschien am 22. Oktober 2015. [Das letzte Bild wurde vom Übersetzer eingefügt]

Vorbemerkung des Autors:

Dieser Essay beruht auf einem Vortrag, der vor Mitgliedern der Asatru-Volksversammlung (Asatru Folk Assembly; kurz: AFA) am 16. Oktober, beim Wintertreffen in den Pocono-Bergen gehalten wurde. Ich möchte Steve und Sheila McNallen, Brad Taylor-Hicks und all den anderen für die Einladung danken und für ihre Gastfreundschaft und Freundschaft. Heil der AFA!

New Grange Hall

New Grange Hall

Letzten Monat habe ich die Erwerbung einer neuen Farmhalle durch die AFA mit einem Artikel gewürdigt, der den Titel „Was die neue Farmhalle für uns bedeutet“ trägt. Er wurde auf der Counter-Currents-Webseite veröffentlicht. Darin lege ich an einer Stelle dar:

Es wird faszinierend sein, die neuen Formen künstlerischen Ausdrucks zu sehen, die sich herausbilden werden, sowie Mitglieder der AFA damit beginnen, dieses nüchterne und moderne amerikanische Bauwerk zu verzieren. Und neue Formen der Zeremonie, Theologie und Gemeinschaft werden sich dort auch entwickeln. Alle von ihnen werden das Resultat eines dynamischen Wechselspiels zwischen dem Alten und dem Neuen sein. Diese Arbeit wird sich am Gebäude selbst manifestieren und die neu-alten Formen werden sich im Inneren entfalten. Parallel werden sie diesen Prozess nachvollziehen, der in jedem von uns vonstatten geht, wenn wir lernen, den Göttern unserer Ahnen getreu zu sein.

Ehrlich gesagt wollte ich mit dieser Aussage bewusst provokant sein. Ich wollte die Idee, dass die Neue Farmhalle einfach ein Ort ist, an dem das Alte neu geschaffen wird, scharf in Frage stellen. So eine Idee ist verständlich. Wir neigen dazu, Asatru im Wesentlichen als eine Wiederbelebung von etwas Altem zu sehen, als eine Rückgewinnung von etwas Verlorenem. Das ist es auch, sicherlich. Aber ich möchte vorschlagen, es als viel mehr als das zu sehen. Es ist eine lebende Tradition, nicht etwas, was jemals beendet und abgeschlossen war. Die Teilnahme an dieser Tradition bedeutet für uns, dass wir auch etwas von uns hinzufügen, es sacht in neue Pfade zu lenken. Ich meine, was das ermöglicht, ist genau die Tatsache, dass Asatru eine Volksreligion ist: Eine Religion von und für ein bestimmtes Volk. Das ist etwas, was die Mitglieder der AFA wissen, zumindest unbewusst. Aber womöglich bewerten sie die daraus erwachsenden Vorteile nicht ausreichend positiv.

Tommy Ferguson mit seinem Werk.

Tommy Ferguson mit seinem Werk.

Beginnen wir damit, die Sicht mancher von uns zu prüfen, Asatru sei ein Bündel von Lehren oder Überzeugungen, die wiedergewonnen oder rekonstruiert werden müssten. Sogar in jenen Situationen, in denen ein Asatruer“ seine Religion nicht rein und klar auslegen kann, wird er trotzdem die Bedeutung vieler Aspekte implizit erfassen. Wie kommt das? Die Antwort it recht simpel. Das Christentum hat Asatru verdrängt. Die meisten von uns wurden christlichen Glaubens erzogen. Und sogar für jene Glücklichen von uns, die nicht als Christenerzogen wurden, ist diese Religion die vertrauteste. Darum gibt es die Tendenz, andere Religionen so zu verstehen, wie die Christenheit Religion“ begreift. Wir müssen an dieser Stelle vorsichtig sein, denn diese Neigung ist sehr oft auch dann vorhanden, wenn wir uns ihrer nicht bewusst sind.

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Rassische Zivilreligion

civilreligion

Von Greg Johnson, übersetzt von zippelmütz. Das Original Racial Civil Religion erschien am 2. August 2013.

Andere Übersetzungen: Estnisch, Französisch, Polnisch, Spanisch.

Für meinen Zweck werde ich Religion als gemeinschaftliche Praxis zur Ehrung des Heiligen definieren. Mit dem Heiligen meine ich nicht notwendig einen Gott oder Götter oder irgendwelche übernatürlichen Wesen, ob immanent oder transzendent. Was ich meine ist das höchste Gut in einem Glaubenssystem, für das alle niedrigeren Werte weichen und, in einem Konflikt, geopfert werden müssen.

Man kann entweder ordnungsgemäß den höchsten Wert ehren, oder man kann ihn ignorieren, verunglimpfen, und entweihen. Die Religion ehrt ihn. Aber es ist nicht genug, den höchsten Wert nur in Gedanken zu ehren. Man muß es mit Taten tun. Aber selbst das ist noch nicht Religion. Tatkräftig das höchste Gut individuell zu ehren, heißt, ein rechtschaffenes Leben zu führen. Das höchste Gut kollektiv zu ehren, in Gemeinschaft mit anderen, das ist Religion. Solche kollektiven Ehrungen des höchsten Gutes sind Rituale.

Religion ist in dieser Sichtweise inhärent gemeinschaftlich und inhärent ritualistisch. Aber sie ist nicht inhärent theistisch oder übernatürlich. Eine Gemeinschaft könnte sich selbst – ihre Ursprünge, ihre Existenz, ihr Schicksal – das höchste Gut sein und sich selbst zum Objekt einer Zivilreligion machen, mit gemeinschaftlichen Ritualen des Selbsterinnerns und Selbstverewigens: die Helden und Vorfahren ehrend, die Ehe und das Familienleben heiligend, Erziehung und Erwachsenwerden sakralisierend, feierlich große geschichtliche Ereignisse erinnernd, Feinde dämonisierend, Verräter verdammend, und so weiter.

Ich glaube, daß es ein höchstes Gut für jede Gemeinschaft gibt, das über die Zeit besteht. Denn eine Religion – eine gemeinsame Hierarchie von Werten kombiniert mit einem Mittel, um diese kollektiv zu ehren und zu bewahren – ist die primäre Bewahrerin der Einheit. Eine Gemeinschaft mit vielen höchsten Gütern und Religionen mag in einem historischen Standbild aufscheinen, aber ich meine, wenn man den Film laufen ließe, würde man sehen, daß eine solche Gesellschaft bereits im Auflösungsprozeß ist. Da sind viele Werte und Kräfte, die die Gesellschaft auseinanderziehen. Eine Gesellschaft wird deshalb zugrunde gehen, wenn ihre fortdauernde Einheit nicht wertgeschätzt wird, und wenn dieser Wert nicht in eine tatsächliche kohäsive Kraft umgesetzt wird, indem er kollektiv durch eine Zivilreligion geehrt wird. Bloße äußerliche, gesetzliche Macht reicht dazu nicht, wenn ihre Ziele nicht im Bewußtsein des Volkes als legitim angesehen werden.

Was eine Gemeinschaft erzeugt, braucht nichts mit Religion zu tun zu haben. Eine Gemeinschaft kann einfach aufgrund geographischer Isolation und gemeinsamem Blut, gemeinsamer Sprache, und gemeinsamen Sitten zustande kommen. Aber was die Gemeinschaft als eine solche über die Zeit erhält, hat alles mit Religion zu tun. Es gibt natürlich die tiefsitzenden, völlig naturgemäßen Neigungen, die Seinen zu lieben und Fremden zu mißtrauen. Aber diese allein reichen nicht aus, um eine bestimmte Gemeinschaft zu erhalten.

Gemeinschaften können zugrunde gehen, indem sie sich aufspalten oder indem sie mit anderen verschmelzen. Manchmal teilen sich Gemeinschaften mit gemeinsamen Werten auf, weil sie wegen Mangels in Streit geraten. Manchmal verschmelzen radikal verschiedene Gemeinschaften und Rassen und vermischen sich aus Habgier und Lust. Damit Gemeinschaften zusammenhalten, müssen sie ihrer Einheit einen höheren Wert beimessen als der Familien- und Fraktionenloyalität und individueller Habgier, Lust und Ambition. Solche Prioritäten zu befestigen, ist eine Sache der Religion.

Natürlich kann die Einheit einer Gemeinschaft immer noch bedroht sein, wenn es darüber noch höhere Werte gibt, zum Beispiel universale Brüderlichkeit, kapitalistische Wohlstandsakkumulation, oder kommunistische Wohlstandsverteilung. Deswegen ist der beste Weg, eine Gemeinschaft zu erhalten, sie als den höchsten Wert einzusetzen, d.h. eine Zivilreligion zu errichten.

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