Alexiej Shiropajews „Gefängnis der Nation“: Eine ethnonationalistische Geschichte Rußlands, Teil 4

Von Jarosław Ostrogniew, übersetzt von Lichtschwert (= Lucifex). Das Original Alexiey Shiropayev’s Prison of the Nation: An Ethnonationalist History of Russia, Part 4 erschien am 4. Februar 2016 auf Counter-Currents Publishing.

Letzter Teil; zuvor erschienen: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

Gefängnis der Nation behandelt Wladimir Putins Ära nicht, aber Shiropajew hat sie in seinen anderen Schriften ausführlich kritisiert. Er betrachtet Putins Regime als „orthodoxen Neostalinismus“: eine Mischung der schlimmsten Elemente der byzantinischen und der bolschewistischen Phase des Projekts. Es ist eine Herrschaft von Kommissaren, die vom orthodoxen Klerus gesegnet werden und das Imperium auf Kosten der weißen Bevölkerung Rußlands erweitern, während sie Staatsbürgerpatriotismus, Rassenvermischung, Alkoholismus und Mystizismus fördern, nachdem gottesfürchtige (oder vielmehr: priesterfürchtige) betrunkene „Patriotards“ nie gegen ihre Oberherren rebellieren werden.

Und wieder einmal sind es die „anderen Rassen“, welche die wahren Nutznießer des eurasischen Projekts sind: die russische Bevölkerung bezahlt die Rechnungen für alle nichteuropäischen Provinzen, wo die örtlichen Despoten von Moskau durch Bestechung zum Gehorsam veranlaßt werden. Es sind besonders die asiatischen Moslems, die das letzte Wort in Rußland haben. Der Kreml paßt seine Politik ihren Forderungen an. Sie stellen den Kern der Armee, wo sie den russischen Soldaten und Offizieren ihre Bedingungen diktieren. Sie stellen die Mehrheit von Rußlands illegalen Arbeitskräften. Am schlimmsten von allem ist, daß die Tschetschenenmafia die großen Städte der Russischen Föderation kontrolliert.

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Alexiej Shiropajews „Gefängnis der Nation“: Eine ethnonationalistische Geschichte Rußlands, Teil 1

Von Jarosław Ostrogniew, übersetzt von Lichtschwert (= Lucifex). Das Original Alexiey Shiropayev’s Prison of the Nation: An Ethnonationalist History of Russia, Part 1 erschien am 27. Januar 2016 auf Counter-Currents Publishing.

Алексей Широпаев
Тюрьма Народа. Русский взгляд на Россию
Москва 2001

[Alexiej Shiropajew, Gefängnis der Nation: Die russische Perspektive auf Rußland (Moskau, 2001).]

Es gibt verschiedene Ansätze beim Erzählen der Geschichte Rußlands und des russischen Volkes. Es gibt die patriotisch-orthodoxe Version der Geschichte, das kommunistische sowie das liberale und demokratische Narrativ. Es gibt natürlich einige wichtige Alternativen. Diejenige, die gegenwärtig die beliebteste unter europäischen Nationalisten zu sein scheint, ist die eurasianistisch-imperialistische Version, wie sie von Alexander Dugin beworben wird, aber in Wirklichkeit von Lew Gumiljow geschaffen wurde. Es gibt jedoch auch eine explizit weiß-nationalistische Erzählweise der Geschichte Rußlands. Die wichtigste Präsentation dieser Sichtweise ist Tyurma Naroda (Gefängnis des Volkes oder Gefängnis der Nation) von Alexiej Shiropajew. Wie Sie aus dem Titel allein ersehen können, ist Shiropajews Sicht auf den russischen Staat extrem kritisch.

Da das Buch nur auf Russisch erhältlich ist, und es extrem unwahrscheinlich ist, daß es jemals ins Englische (oder irgendeine andere Sprache) übersetzt werden wird, werde ich zuerst eine detaillierte Übersicht über Shiropajews Argument präsentieren, und dann eine Kritik an dem Buch.

Rus’ protiv Rossiyi: Rus’ versus Rußland

Ein Thema, das gleich einmal geklärt werden muß, ist die Terminologie. Zwei völlig verschiedene Wirklichkeiten werden durch die deutschen Begriffe „Rußland“ und „Russe“ zu einer gemacht. In der russischen Sprache gibt es zwei verschiedene Wörter als Name des Landes: „Rus‘“ und „Rossiya“. Rus‘ steht für die Länder, die ursprünglich von östlichen Slawen bewohnt wurden, wohingegen Rossiya den größeren russischen Staat bedeutet: das zaristische russische Reich, die Sowjetunion oder die zeitgenössische Russische Föderation. Und diese beiden Begriffe werden oft unter Verwendung eines Wortes ins Deutsche übersetzt: „Rußland“, was daher einige Verwirrung verursacht.

Im Russischen gibt es zwei verschiedene Begriffe: „Russkiy“ und „Rossiskiy“. „Russkiy“ (sowohl als Eigenschaftswort wie auch als Hauptwort) bedeutet einen ethnischen Russen, eine Person von ostslawischer Herkunft, die die russische Sprache spricht. „Rossiskiy“ (als Eigenschaftswort) oder „Rossiyanin“ (als Hauptwort) steht für eine Person, die Russisch spricht oder sich als Teil der russischen („rossiyskiy“) Kultur betrachtet und ein Bürger des russischen Staates sein kann – aber von jeder ethnischen Herkunft sein kann. Wiederum werden beide oft als ein Wort ins Deutsche übersetzt: „Russe“.

Daher ist ein moslemischer Tschetschene, dessen Muttersprache Tschetschenisch ist, der Grundkenntnisse in Russisch hat und sich als loyalen Bürger der Russischen Föderation betrachtet, unzweifelhaft ein „Rossiyanin“ und ohne Zweifel kein „Russkiy“. Ein heidnischer Russe, dessen Muttersprache Russisch ist und dessen Familie über zahllose Jahrhunderte auf russischem Boden gelebt und diesen bearbeitet hat, der die Russische Föderation verläßt und sich den ukrainischen Freiwilligenkräften anschließt, um gegen die Separatisten von Novorossiya zu kämpfen, ist kein „Rossiyanin“ mehr, aber er ist sicherlich ein „Russkiy“.

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Die Slawen, Teil 2: Alltag, Wirtschaft, Religion

Von „bedo“, aus dem Historie-Magazin „Karfunkel“ Nr. 80 Februar – März 2009, demselben Heft, in dem auch Götter, Götter, Götter: Die Macht der alten Mütter  erschienen ist.

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Das Thema Slawen ist einfach zu umfangreich, um es in einem einzigen Titelthema abzuhandeln. In der letzten Ausgabe haben wir uns ausführlich mit der Geschichte der Slawen beschäftigt – wo kamen sie her, wo haben sie sich angesiedelt, welche verschiedenen Stämme gab es, mit welchen Nachbarn hatten sie wann Auseinandersetzungen und vieles mehr. Nun wollen wir uns intensiv dem Leben der Slawen widmen: Alltag, Gesellschaft, Tracht und Schmuck; Religion und Kult, Tempel und Heiligtümer; Burgen und Festungen; Handelsplätze und Wirtschaft. Archäologisch sind die Hinterlassenschaften dieses Volkes gut dokumentiert, und auch die Historiographien haben uns sehr interessante Einblicke in die slawische Welt überliefert. Eindrucksvolle Rekonstruktionen in Holstein, Mecklenburg und Vorpommern geben uns ein anschauliches Bild des Lebens dieses Volkes, das aus der Sicht der christlichen Chronistik viel zu lange als Barbaren angesehen wurde. Wollen wir also mit diesem Vorurteil aufräumen und die Slawen so zeigen, wie sie wirklich waren!

BURGEN UND FESTUNGEN

„Die Burg [Mecklenburg] wird Grâd genannt, das heißt große Burg. Südlich von Grâd befindet sich wiederum eine Burg, die in einem See erbaut wurde. So bauen die Slawen die meisten ihrer Burgen: Sie gehen zu Wiesen, reich an Wasser und Gestrüpp, stecken dort einen runden oder viereckigen Platz ab nach Form und Umfang der Burg, wie sie sie beabsichtigen, graben ringsherum und schütten die ausgehobene Erde auf, wobei sie mit Planken und Pfählen nach Art einer Bastion gefestigt wird, bis die Mauer die beabsichtigte Höhe erreicht. Auch wird für die Burg ein Tor abgemessen, an welcher Seite man will, und man geht auf einer hölzernen Brücke aus und ein. Von der Burg Grâd bis ans Weltmeer beträgt die Entfernung elf Meilen. Heere dringen in das Land […] nur mit großer Mühe ein, denn das ganze Land besteht aus Dickicht, Wiesen und Morast.“

So äußerte sich der islamische Reisende Ibrahim Ibn Jaquub um 960/65 über den Burgenbau bei den slawischen Stämmen im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern. Bei der hier erwähnten Burg Grâd handelt es sich um die Mecklenburg bei Wismar, die dem Land seinen heutigen Namen gegeben hat. Schon im 8. Jh. entstand hier eine erste Burganlage, nachdem die Niederung weitgehend trockengelegt worden war. Sie diente den obodritischen Stammesfürsten als Sitz. Ihre erste namentliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 995, als Otto III. der Michelenburg am 10. September eine Schenkungsurkunde ausstellte. Aus Michelenburg, das im Slawischen (Vili)Grâd heißt, wurde im Laufe der Zeit dann Mecklenburg. Sprachforscher übersetzen den Begriff mit „große Burg“, wie es auch Ibn Jaquub in seinem Bericht überliefert.

Eine typische slawische Herrscherburg: Ringwallanlage auf einer Halbinsel mit Torbau und Brücke (Rekonstruktion aus Groß Raden).

Ebenso läßt sich die Beobachtung des Chronisten, daß die Slawen ihre Burgen dort anlegten, wo die Umgebung einen natürlichen Schutz bot, archäologisch belegen. Außerdem paßten sie sie optimal an die jeweiligen topographischen Voraussetzungen an. So lassen sich die Burgen in verschiedene Typen klassifizieren: Beispielsweise legte man in bergigen Landschaften die Festungen auf Bergspornen oder –kuppen als Höhenburgen an. Hierbei mußte lediglich die Zugangsseite besonders gut befestigt werden, etwa durch einen Wall. An den übrigen Seiten reichte eine Umzäunung mit Holzpalisaden oder einfachen Hecken aus. Die häufigste Form stellen die sogenannten Niederungsburgen dar, die im Flachland konstruiert wurden und sich vorzugsweise in wasserreichen, sumpfigen Gebieten oder am Rand von Flußtälern, auf Inseln oder Halbinseln befanden. Der natürliche Schutz des umgebenden Wassers oder Sumpfes wurde dabei in das Verteidigungskonzept eingebunden.

Der Aufbau des Walls von innen wurde in Holzkästen angelegt, die mit Erde, Sand und Steinen verfüllt waren (Rekonstruktion aus Oldenburg/Holstein).

Fast alle Niederungsburgen sind als Ringwallanlagen konstruiert. Der Wall besaß ein Grundgerüst aus kastenartig zusammengefügten Baumstämmen (meist Eiche), die in mehreren Reihen hinter- und übereinander angeordnet waren. Die 2 – 3 m breiten „Holzkästen“ (= Hohlräume) zwischen den Balken wurden vollständig mit Steinen, Sand und Erde aufgefüllt. Für die Errichtung des Walls von Groß Raden beispielsweise wurden rund 12.000 Kubikmeter Erde und über 800 Kubikmeter Eichenholz verbaut. Das benötigte Holz stammte aus den umliegenden Wäldern, Erde und Sand ebenfalls aus der Nähe der Anlagen. In Groß Raden etwa fanden die Archäologen einige Gruben in der unmittelbaren Umgebung des Geländes. Oben auf dem Wall stand meist eine Palisade, die entweder einfach aus aneinandergereihten Brettern bestand oder auch sehr stabil gestaltet sein konnte, wie zum Beispiel die Rekonstruktion der Slawenburg von Raddusch zeigt, die in sogenannter Rostbauweise aus längs- und radialliegenden Hölzern zusammengesetzt war.

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Die Slawen, Teil 1: Ihre Geschichte

Von „bedo“, aus dem Historie-Magazin „Karfunkel“ Nr. 79 Dezember 2008 – Januar 2009, demselben Heft, in dem auch Götter, Götter, Götter: Donner und Fruchtbarkeit, sowie Das „jüdische“ Khanat: Geschichte und Religion des Reiches der Chasaren erschienen ist.

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„Dieses ganze Volk der Slawen ist dem Götzendienst ergeben, ist immer unstet und beweglich und treibt Seeraub, indem es auf der einen Seite die Dänen, auf der anderen die Sachsen anfeindet. Oft und auf vielerlei Weise haben daher der große Kaiser und Bischöfe sich bemüht, diese rebellischen und ungläubigen Völker irgendwie zur Erkenntnis Gottes und zum Glauben zu bringen. Unter allen Völkern des Nordens bleibt allein das der Slawen unempfänglicher und zum Glauben weniger geneigt als die anderen. Aber Gastlichkeit und Fürsorge für die Eltern gelten bei ihnen als erste Tugenden.“
So schreibt der Chronist Helmold von Bosau 1170 über die slawischen Stämme in Nord- und Nordostdeutschland. Sie galten lange Zeit auch in der modernen Geschichtsforschung als Barbaren jenseits der östlichen Reichsgrenze – völlig zu Unrecht, wie wir im folgenden zeigen werden! Ihre Handwerkskunst, der Handel mit den anderen Völkern ihrer Zeit, ihre gesellschaftlichen Strukturen, all das war den Germanen und ihren Nachfolgern gar nicht so unähnlich. Und faszinierend sind ihre Sitten und Gebräuche, ihre Religion und die damit verwobene Mythologie bis heute.

WAS SAGEN DIE GESCHICHTSSCHREIBER?

Wo genau die Slawen herkommen, darüber streiten die Forscher bis heute. Erst seit dem 1. Jh. n. Chr. berichten antike Schriftsteller wie Plinius der Ältere, Ptolemäus von Alexandria oder Tacitus über Völker, die heute den Slawen zugerechnet werden. Eigene Aufzeichnungen haben uns diese Menschen leider nicht hinterlassen, denn sie waren eine noch schriftlose Kultur. Und auch die Archäologie kann keine konkreten Ergebnisse vorweisen, denn die materiellen Hinterlassenschaften sind nicht so eindeutig in bestimmte ethnische Gruppen einteilbar, daß sie daraus konkrete Aussagen ableiten ließen.

Rekonstruierte slawische Siedlung in Groß Raden

Wenn wir uns also auf die antiken Historiographen stützen, begegnet uns zuerst ein Volksstamm, der östlich der Weichsel gesiedelt haben soll und als Venedi, Venadi oder Veneti bezeichnet wird. Diesen Namen gibt es heute noch: die Wenden. Jordanes, der Geschichtsschreiber der Goten, berichtet im 6. Jh., die Goten hätten im 3./4. Jh. bei ihrem Aufenthalt in Südrußland die Veneter (venethi) besiegt, ein Volk, das aus demselben Geschlecht stamme wie die Slawen (sclaveni). Insgesamt zählt er drei Völker auf, die denselben Ursprung hätten: Slawen und Veneter sowie die Anten (antes). Als Siedlungsgebiet der Veneter gibt auch er den Weichselraum an, die Slawen siedelt er zwischen Weichsel und Donau an und die Anten zwischen Dnister und Don. Eine ethnische Gemeinsamkeit zwischen Venetern/Wenden und Slawen jener Zeit zweifeln manche Forscher jedoch an, weil sich ihre Keramik unterscheidet.

Den nächsten Hinweis auf den Begriff Slawen liefern oströmische Quellen, genauer gesagt der sogenannte Pseudo-Kaisarios im 6. Jh. (sclavenoi). Noch während der Regentschaft Kaiser Justinians I. (527-565) tauchten slawische Stämme, aus den Karpaten, dem unteren Donauraum und den Regionen am Schwarzen Meer kommend, in den Donauprovinzen des Oströmischen Reiches auf, wie Prokop von Caesarea, Menander Protektor, Agathias und andere berichten (sclavenoi und antes). Prokop beobachtet, daß Slawen und Anten dieselbe Sprache sprächen, dieselben Bräuche pflegten und auch ansonsten sehr ähnlich seien.

DER URSPRUNG DER „SLAWEN“

„Die Slawen“ als prototypisches Urvolk hat es – wie „die Kelten“, „die Germanen“ – nicht gegeben. Zwischen mittlerer Weichsel und Bug sowie mittlerem Dnjepr konnte die Forschung inzwischen zumindest das Kerngebiet der ursprünglichen slawischen Sprache ausmachen, und von hier aus haben sich zahlreiche kleinere Volksgruppen ausgebreitet (hauptsächlich nach Ostmittel- und Osteuropa).

Der Untergang des Römischen Reiches hatte große Umwälzungen in Europa zur Folge gehabt. Während des 4. und 5. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche germanische Stämme auf Wanderschaft begeben und neue Siedlungsgebiete erschlossen. Es gibt viele Faktoren, deren Zusammenspiel dieses als Völkerwanderung bezeichneten Phänomens verursacht hat, und sicherlich war der allmähliche Zusammenbruch der römischen Herrschaft nicht der einzige Grund, wenn auch ein gewichtiger. Die Bevölkerung des heutigen West-Mecklenburg beispielsweise folgte dem historisch bekannten Zug der Langobarden über Mähren (489) und Pannonien (528) nach Italien (568), die Odergermanen zogen mit den Goten über die Schwarzmeerregion (208/230) nach Spanien (418) und Italien (489).

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