Luftpost schon im März 2019 über das Asow-Regiment

Von Luftpost aus dem Siechkobel, ursprünglich gepostet am 28. März 2019 als Kommentar zum CC-Artikel „Weiße müssen sich nach Christchurch unterwerfen“ und von mir (Lucifex) hier als Artikel aufbereitet. Das anstelle eines Titelbildes eingefügte Asow-Propagandamusikvideo „Victory or Valhalla“ habe ich bei B-Mashina gefunden, der bezüglich der Menschenrechtverletzungen des Regiments Asow in einem Kommentar schrieb:

„Naja, Zustände wie in einem Viertwelt-Shithole ebent. Und die heroischen Azov-Recken scheinen mir wie rechte Schulhof-Bullies: Gern im Rudel Schwächere quälen, und wenns dann wirklich heroisch wird und Walhalla ruft, versteckt man sich hinter Kindern und Weiberröcken und plärrt nach Evakuierung und seiner Mama. Einen geistig Behinderten gruppenvergewaltigen – oh Mann. Naja, vielleicht kann sich da grad noch „NV“ einen drauf schleudern, der fände ja Hendrik Möbus und „Absurd“ nicht halb so geil, wenn die genannte Kackwurst nicht mit seinen Kumpels einen Behinderten totgequält hätte, der nur mit ihnen abhängen wollte – „unwertes Leben“, meinten sie. Ghoil.“

*     *     *

Nun ist aber Luftpost am Wort:

Mit diesem „Tarrant“-Manifest und der Reisetätigkeit haben sie den Rundumschlag ermöglicht. Ich bin sehr weit davon entfernt, das alles einschätzen zu können. Zunächst mal können sie Alles und Jeden mit dem Ereignis verbrennen, aber sie können nun auch juristisch neue Wege gehen und sie werden die Geheimdienste nach dem Schrecken von Christchurch auch noch viel stärker antiweiß ausrichten, möglich auch, dass die Fünf Augen plus Israel mehr Einfluss bekommt.

Was mir aber auch durch den Kopf ging, ist, dass sie möglicherweise Mittel in die Hände bekommen haben, „weiße Terrorgruppen“ „real“ aufzubauen, um gegen den „weißen Terror“, also unseren Wunsch zu überleben, zu kämpfen. So läuft das ja in den USA mit diesen islamistischen Terrorzellen, die sie aufbauen, um sie zerschlagen zu können, seit Jahren, und sie haben ja bereits in aller Offenheit (Nuland verteilte Kekse) den „Rechten Sektor“ erschaffen. Sie sind aber inzwischen viel weiter.

(Es kann aber natürlich auch ohne Probleme über die Dugin Verbindung in Zusammenarbeit mit Russland laufen. Die Kämpfer der „Internationalen Brigaden“, die im Russland/Ukraine-Konflikt Kampferfahrung sammeln, kehren ja in die Heimatländer zurück)

Na jedenfalls bin ich auf diesen langen Artikel zum ukrainischen Azov Regiment gestoßen und ich denke, so lang der ist, so wichtig ist er. Ich glaube nicht, dass irgendwas in der Ukraine ohne (((Zustimmung))) geschieht, und was ich gefunden habe, bestätigt mich in dieser Ansicht. Die Ukraine gilt als „gekaperter Staat“. Das bedeutet, das kriminelle Oligarchen sich das Land vollständig unterworfen haben. Aber es geht noch darüber hinaus.

Die Ukrainer sind in den Bruderkrieg mit Russland verstrickt. Das Asov Regiment soll zu den Milizen gehören, die der Mafia Oligarch Igor Kolomoisky finanziert hat ( was allerdings von denen bestritten wird). Eine Anschubfinanzierung durch K. scheint mir erwiesen.

Jedenfalls wurde Asov später in die militärischen und politischen Strukturen der Ukraine eingebunden und kämpft nun gegen die kommunistischen russischen Milizen (für die Dugin wirbt), betreibt aber auch im weitesten Sinne Straßenagitation und wird für Überfälle auf Minderheiten verantwortlich gemacht. Erst im Jahr 2018 beschloss der US-Kongress, Asov aus den Finanz- und Waffenhilfen offiziell auszuschließen, die die USA der Ukraine sendet.

Nun könnte uns das vielleicht alles egal sein, hätte Asov nicht auch eine globale Agenda der „weißen Rekonquista“. Die außenpolitische Sprecherin von Asov, Olena Semenyaka, pflegt Kontakte ins westliche Spektrum des „weißen Nationalismus“ und sagt „Wir denken global“.

Die Ukraine wird in WN-Kreisen, unter vollkommener Vermeidung der (((Realität))), als Knospe der wachsenden WN-Bewegung beworben und dazu sollte man (an Blumenthal ist nicht vorbei zu kommen) dieses Video sehen:

Blumenthal spricht darin darüber, dass Israel Asov finanziert, und weist auch auf die lange Geschichte hin, in der Israel und die USA andere faschistische Gruppen unterstützten. Sehr verblüffend (auf den ersten Blick) fand ich die Asov-Verbindung nach Kanada, die bis in die Trudeau Regierung hinein reicht, die nicht dafür bekannt ist, weiße Interessen zu verfolgen.

Wie kann es sein, dass Asov in WN-Zusammenhängen vor diesem Hintergrund (!) als leuchtendes Beispiel verkauft wird und sich WN-Meinungsführer mit der Asov-Sprecherin treffen und eine Bühne teilen? Leicht zu finden sind die Namen Kevin McDonald, Jared Taylor, Greg Johnson und – würg – Lichtmesz.

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (7): Spartanische Ziele

Die Seeschlacht bei Salamis (480 v. Chr.), in der eine griechische Koalition mit geringfügiger spartanischer Beteiligung gegen die Perser kämpfte. (Bild nicht aus dem Artikel)

Von Bret Devereaux, übersetzt und mit einem Titelbild und zusätzlichen Links versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part VII: Spartan Ends erschien am 27. September 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule(2): Spartanische Gleichheit, (3): Spartanische Frauen, (4) Spartanischer Reichtum, (5) Die spartanische Regierung und (6) Sparta in der Schlacht.

Dies ist der siebte (und letzte!) Teil unserer siebenteiligen Betrachtung von Sparta in der allgemeinen Erinnerung und in der historischen Wahrheit. Letztes Mal redeten wir über Spartas Erfolgsbilanz auf dem Schlachtfeld und stellten dabei fest, daß sie zutiefst enttäuschender Durchschnitt war. Längerfristige Leser werden natürlich wissen, daß wir militärische Effektivität nicht nach Schlachten beurteilen können – die Frage ist immer die Erreichung strategischer Ziele.

Außerdem hat unsere letzte Diskussion über Spartas Leistung auf dem Schlachtfeld uns ein bißchen ein Rätsel beschert. Die Spartaner waren hinsichtlich einiger ihrer Kampffähigkeiten tatsächlich über dem Durchschnitt verglichen mit anderen poleis, aber das übertrug sich nicht in eine positive Siegesbilanz. Wir können also fragen: warum? Welche anderen Mängel behinderten ihre Leistung?

Also werden wir heute aus der letztes Mal besprochenen rein taktischen Schicht herauszoomen in die operationelle Schicht und schließlich in die strategische (soger jene der großen Strategie). Sparta hat in der allgemeinen Vorstellung immerhin einen Ruf effektiver Staatskunst, also werden wir fragen, welche Ziele setzten die Spartaner sich? In welchem Ausmaß erreichten sie diese Ziele, und in welchem Maß waren diese Ziele wünschenswert?

Aber klären wir zuerst ein paar Begriffe. Militärisches Denken ist wie Oger sind wie Zwiebeln – sie haben Schichten.

Wir unterteilen diese Schichten in Taktik, Operationen und Strategie. Sehr einfach ausgedrückt ist Taktik die Schicht des militärischen Denkens, die das betrifft, wie eine Armee kämpft; wir diskutierten das letztes Mal. Operationen ist die Schicht des Denkens, die sich damit befaßt, die Armee in den Kampf zu bekommen – großmaßstäbliche Koordination und Logistik sind hier zu Hause. Strategie befaßt sich mit Fragen des größeren Bildes: welche Kriege sind es wert, sie zu führen, und für welche Ziele? Große Strategie erweitert dieses Denken über das Militärische hinaus auf politische, kulturelle und wirtschaftliche Institutionen.

Was wir heute tun werden, ist zuerst, Spartas operationelle Fähigkeiten zu beurteilen – wie gut sie Armeen aufstellen, verlegen und versorgen. Dann werden wir zur strategischen Schicht hochspringen und beurteilen, wie gut Sparta Ziele (das, was man erreichen will) mit Mitteln koordiniert (den Methoden, die man anwendet, um es zu bekommen). Und schließlich werden wir, eines nach dem anderen, die verschiedenen strategischen Ziele beurteilen, die Sparta manchmal zugeschrieben werden: in welchem Ausmaß erreichten die Spartaner sie, und waren sie es wert, erreicht zu werden?

Spartanische Operationen

Einfach ausgedrückt, waren die spartanischen Operationsfähigkeiten extrem begrenzt, selbst nach den bereits niedrigen Standards Gleichrangiger, das heißt, sehr großer griechischer poleis (wie Athen oder Syrakus).

Die griechische Logistik in dieser Periode war allgemein sehr begrenzt verglichen mit mazedonischen oder römischen Logistikfähigkeiten in nachfolgenden Jahrhunderten, oder mit zeitgenössischen persischen Logistikfähigkeiten. Ironischerweise betrifft die längste Studie klassischer griechischer Logistik die Feldzüge von Xenophon (J.W. Lee, A Greek army on the March (2008)), das heißt, sie befaßt sich nicht mit Amateuren aus einer polis, sondern mit einer Armee professioneller Söldner, und doch ist selbst diese griechische Logistik – wahrscheinlich der Goldstandard ihrer Zeit – erstaunlich unterentwickelt verglichen mit dem, was die Mazedonier ein halbes Jahrhundert später auf demselben Terrain zu tun fähig sein werden (siehe D.W. Engels, Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army (1978)).

Sehr kurz ausgedrückt: Griechische Armeen scheinen relativ wenige Transport- oder Logistikkapazitäten gehabt zu haben. Sie scheinen nicht allgemein mit ausreichenden technischen Werkzeugen oder Materialien für effektive Feldbefestigungen oder Belagerungskrieg unterwegs gewesen zu sein. Dies wird verschärft durch ihre Unfähigkeit, unterwegs Getreide zu mahlen (etwas, das mazedonische und römische Armeen konnten), was das Problem der Nutzung von örtlichen Versorgungsgütern verschärft. Man kann ungemahlenes Getreide essen (es kann geröstet oder zu Grütze gekocht werden), aber das ist weniger als ideal. Was sie zu haben tendieren, ist eine hohe Zahl von nicht kämpfenden persönlichen Dienern (genau die Art von Leuten, die gute römische oder mazedonische Generäle so bald wie möglich aus dem Lager vertreiben), die zusätzliche logistische Belastungen verursachen, ohne die operationelle Reichweite oder Ausdauer der Armee sehr zu erhöhen. Als Folge davon hatten griechische Armeen Schwierigkeiten, das ganze Jahr über im Feld zu bleiben, während römische und mazedonische Armeen routinemäßig zu ganzjährigen Feldzügen in der Lage waren.

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (6): Sparta in der Schlacht

Aus „300“: Leonidas (Gerard Butler) verabschiedet sich von seiner Frau Gorgo (Lena Headey) und seinem Sohn.

Von Bret Devereaux, übersetzt und mit einem Titelbild und zusätzlichen Links versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part VI: Spartan Battle erschien am 20. September 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule(2): Spartanische Gleichheit, (3): Spartanische Frauen, (4) Spartanischer Reichtum und (5) Die spartanische Regierung.

Diese Woche gibt’s den Teil, auf den ihr alle gewartet habt – wir werden uns ansehen, wie die Spartaner kämpften. Dies ist Teil sechs unserer Serie, die Sparta und seinen Platz im kulturellen Gedächtnis betrachtet. Wie wir zuvor kurz diskutierten, gibt es in der Sparta-Mystik zwei zentrale Mythen, den Mythos von der spartanischen Gleichheit und den Mythos von der spartanischen militärischen Exzellenz. Wir haben die letzten vier Wochen mit der Untersuchung des ersteren verbracht und herausgefunden, daß er schwer zu wünschen übrig läßt.

Natürlich ist der Mythos von der spartanischen Gleichheit nicht das, was Spartas Platz in der Populärkultur garantiert. Sicher, Akademiker und die Autoren von Meinungskolumnen mögen über die spartanische Gesellschaft diskutieren, aber wir machen keine Filme und Videospiele über die spartanische Gesellschaft (vielleicht sollten wir das – sie wären erschütternde Dystopien, aber dafür gibt es heutzutage einen Markt). Wir machen Filme und Videospiele über spartanische Krieger. Und für eine Menge Leute ist das alles, was zählt – die Kindesmißhandlung, Brutalität und Sklaverei, der demographische Kollaps und der ganze Rest wird irgendwie „die Sache wert“, wenn das dazu führt, daß Sparta die „besten“ Krieger hervorbringt.

Nun erhebe ich klarerweise heftig Einspruch gegen diese Position. Welche Ehre wird gewonnen durch die mächtige Verteidigung eines entsetzlichen, unmenschlichen Systems? Aber so viel vom Ruhm der Spartaner – was sie auch immer für Lebensumstände schützten – steckt in ihrem Ruf als Krieger.

Spartaner sollen Krieger sein, vielleicht die ultimativen Krieger. Oder vielleicht totale Krieger, was immer das bedeutet (so gut ich sagen kann, bedeutet es „mittelmäßiges Hauen und Stechen“, was, wie wir sehen werden, seltsam angemessen ist). Wie soll euer Einmannarmee-Supersoldat genannt werden? Es liegt auf der Hand, daß ihr ihn Spartaner nennt. Oder John Spartan.

Und all das, bevor wir hierzu kommen:

Diese Szene – und keine andere Szene in diesem Film – ist tatsächlich eine der besseren Darstellungen von griechischem Hoplitenkrieg, die ich in Filmen gesehen habe. Sie ist nicht perfekt – die Spartaner halten wahrscheinlich ihre Speere falsch, und „alle zusammen STOSSEN und vereint drängen“ wird nirgendwo in unseren Quellen beschrieben (es ist kaum dasselbe wie der othismos, den ich hier nicht debattieren werde). Aber hinsichtlich der Darstellung der dichten Formation mit einander überlappenden Schilden ist sie besser als der Durchschnitt.

Das Bild von Sparta und den Spartanern, das hier präsentiert wird, hat ein paar ineinandergreifende Teile. Wir werden diese Teile auseinandernehmen und separat zerlegen, sodaß wir sie einen nach dem anderen gegen die antiken Belege testen können. Insbesondere wollen wir diese Vorstellungen testen:

  • Daß die spartanische Phalanx qualitativ anders und besser war – hinsichtlich Organisation, Disziplin oder Kampffähigkeiten – als die Phalanxen anderer griechischer poleis oderr sogar anderer antiker Staaten.
  • Daß der einzelne Spartaner – oder einfach Spartiat – individuell eine Art idealer oder ultimativer Krieger war.
  • Daß – als Konsequenz der beiden vorherigen – die Spartaner die beste Armee in Griechenland hatten und eine qualitativ sehr hochwertige Armee nach den Maßstäben der antiken Welt.

Jetzt ist also der Mythos von der spartanischen militärischen Exzellenz an der Reihe, um auf die Probe gestellt zu werden. Ich möchte klarstellen, daß die Analyse dieser Woche eine Kampanalyse Pfund für Pfund ist – wir werden Strategie, Logistik und Umfang nächste Woche betrachten, wenn wir die Serie beschließen. Heute geht es nur um das Gewinnen von Schlachten, was, wie wir nächste Woche sehen werden, noch lange nicht bedeutet, Kriege zu gewinnen oder große strategische Ziele zu erreichen.

Ergreift also eure Schilde, nehmt eure Speere, setzt eure Helme auf, denn es ist Zeit für ein paar Hoplitenschlachten.

Und jetzt alle zusammen

Als die Spartaner in 300 bei den Thermopylen ankommen, hält Leonidas eine Rede vor Ephialtes (der aus irgendeinem Grund von einem örtlichen Schafhirten in einen lakedaimonischen hypomeion verwandelt wurde) über die Stärke der spartanischen Phalanx. Jeder Hoplit in der Formation – wobei Hoplit der Ausdruck für den schweren griechischen Infanteristen ist, der den aspis-Schild trug (der manchmal hoplon genannt wird, daher der Name) – deckte nicht nur sich selbst mit seinem Schild, sondern auch den Mann zu seiner Linken. 300 stellt das als irgendwie einzigartig spartanisch dar – wenn die Arkadier kämpfen, sind sie verglichen mit den Spartanern „mehr Raufbolde als Krieger, sie machen ein erstaunliches Chaos daraus“.

Leonidas erklärt Ephialtes die Phalanx. Die volle Zeile lautet: „Dein Vater hätte dir sagen sollen, wie unsere Phalanx funktioniert. Wir kämpfen als eine einzige undurchdringliche Einheit. Das ist die Quelle unserer Stärke. Jeder Spartaner schützt den Mann zu seiner Linken vom Oberschenkel bis zum Hals mit seinem Schild. Eine einzige schwache Stelle, und die Phalanx zerbricht.“ Das ist ein starkes Stück von einer polis, die immer in Koalitionen mit anderen griechischen Staaten kämpfte, die immer ihre eigenen Nichtspartiaten zum Kampf in der Phalanx zwang, manchmal sogar einschließlich versklavter Heloten (sodaß es fakisch VIELE schwache Stellen gab), und die sich zunehmend auf hypomeiones – wie diese Version von Ephialtes – stützen sollte, die anstelle der ständig weniger werdenden, immer reicheren Spartiaten kämpften.

(Eine pedantische Anmerkung: Ich weiß natürlich von der Debatte unter griechischen Historikern über die Natur der Phalanx. Ich vertrete – mit einigen Modifikationen – die „orthodoxe“ Sicht auf die Hoplitenphalanx (mehr Western Way of War und weniger Greek Warfare: Myths and Realities), und daher werdet ihr hier diese bekommen. Macht euch nichts draus, wenn euch das nichts bedeutet – es ist bloß dazu da, um die Handvoll von Leuten zu informieren, die es kümmert. Dieses Argument wird dadurch weder im einen noch im anderen Fall verändert.)

Dieser Eindruck – daß der Hoplit irgendwie zu Sparta gehört – wird durch die Art, wie Objekte wie der korintische Helm, der runde griechische aspis-Schild (jene „spartanischen“ Hindernisrennen verwenden beides!), manchmal sogar die komplette Hoplitenausrüstung, in der Populärkultur als spartanische Bildsprache statt als [allgemeine] griechische Bildsprache assimiliert worden sind. Ich habe mehr schlechte Netzartikel gesehen, als ich zählen kann, wo diese Sachen als „spartanische“ Ausrüstung bezeichnet werden, als ob der Rest der Griechen etwas anderes getragen hätte.

Dies… ist Unsinn. Die Hoplitenphalanx war der gemeinsame Kampfstil von im Wesentlichen allen griechischen poleis. Sie war nicht einzigartig für Sparta.

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (5): Die spartanische Regierung

Von Bret Devereaux, übersetzt sowie mit zusätzlichen Links und einem Titelbild versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta, Part V: Spartan Government erschien am 12. September 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule, (2) Spartanische Gleichheit, (3) Spartanische Frauen und (4) Spartanischer Reichtum.

Diese Woche werden wir uns ansehen, wie der spartanische Staat sich regiert. Wir werden ein breites Bild dessen entwerfen, wie die Teile der spartanischen Regierung funktionieren, aber wir bleiben auf eine hauptsächliche Frage fokussiert, die wir letztes Mal aufwarfen: Wir wissen, daß der demographische Niedergang der Zahl der Spartiaten katastrophal und zu der Zeit sichtbar war. Warum war die spartanische Regierung angesichts der Schwere der Krise nicht fähig, effektiv zu reagieren?

Dies ist Teil V unseres Blicks auf die Kluft zwischen Spartas Platz in der allgemeinen Vorstellung und dem Sparta der Geschichte. Der Essay dieser Woche markiert auch eine Änderung unseres Fokus. Die letzten drei Essays konzentrierten sich auf wichtige Teile der spartanischen Gesellschaft, die in der Populärkultur und sogar oft im Geschichtsunterricht im Allgemeinen unsichtbar gemacht werden. Und daher möchte ich noch einmal betonen, bevor wir weitermachen, daß die Gegenstände in jenen Beiträgen – die Heloten, die Unterklassen, die Frauen – ungefähr 90 % von Sparta ausmachen.

Das bedeutete, daß das Verhältnis von „Geschichte zu Populärkultur“ auf diesem Geschichte-und-Populärkultur-Blog weit in Richtung „Geschichte“ schwang, weil diese Menschen einfach nicht in der Darstellung der Populärkultur vorhanden sind. Das relative Schweigen der Quellen verhindert oft sogar, daß diese Leute in Unterrichtsdiskussionen aufscheinen.

Aber wir wenden uns jetzt wieder dem winzigen, winzigen Bruchteil von Sparta zu, an dem der Populärkultur etwas liegt: die Spartiaten, und insbesondere ihre Regierung. Sparta hat seit der Antike einen Ruf guter Regierungsführung gehabt – Aristoteles sagt Entsprechendes in seiner Politik, obwohl er selbst viel skeptischer ist, daß die spartanische Regierung erfolgreich gewesen ist. Die Beurteilung dieses Eindrucks wird erfordern, die Teile der spartanischen Regierung darzulegen, aber es wird auch eine Gegenüberstellung dessen erfordern, wie diese Regierung funktionieren soll und wie sie tatsächlich funktioniert.

Zur Erinnerung: zu dieser Serie gibt es hier ein Glossar, für den Fall, daß ihr auf einen technischen Begriff stoßt, an den ihr euch nicht von einer früheren Woche erinnert (oder falls ihr diese Beiträge außerhalb der Reihenfolge lest).

Einführungskurs, wie man eine Polis betreibt

Bevor wir in das Thema eintauchen, möchte ich euch eine kurze Einführung in die Grundlagen dazu geben, wie nahezu alle griechischen poleis – Athen, Sparta, Korinth, Theben, Tegea, was auch immer – strukturiert sind, weil es beim Verständnis von Sparta helfen wird. (Erinnerung: die polis, manchmal Stadtstaat genannt, ist die Grundeinheit der griechischen Regierungsführung – das sind alles unabhängige Mikrostaaten.)

Die Standardzutaten einer griechischen polis sind eine Versammlung aller erwachsenen männlichen Bürger (oft ekklesia genannt, was „Versammlung“ bedeutet), ein kleineres Beratungskomitee (häufig boule genannt [d. Ü.: eingedeutscht auch Bule) und dann eine festgesetzte Zahl gewählter Amtsträger (Amtsrichter), die die Gesetze der anderen beiden ausführten. Ich habe die gängigen Namen dieser Bestandteile genannt, aber sie haben in verschiedenen poleis oft verschiedene Namen.

Jene Grundeinheiten ändern sich nicht von einer Demokratie (wie Athen) zu einer Oligarchie (wie Korinth) oder sogar einer Tyrannei (wie Syrakus) – die Art der Regierung widerspiegelt einfach die Machtaufteilung zwischen ihnen und die Wahlmethode. In einer Demokratie wie Athen wird die ekklesia die meiste Macht haben und die boule oder die Amtsrichter überstimmen können. Oft können die Mitglieder der boule aus einem breiten Spektrum von Wohlstandsklassen kommen oder sogar zufällig ausgewählt werden.

In einer Oligarchie ist die Macht im Allgemeinen bei den Amtsrichtern konzentriert – die aus der Oberschicht der Gesellschaft kommen – und bei einer kleineren boule, wobei die ekklesia viel weniger Macht hat, sie einzuschränken. Alternativ kann die ekklesia größenmäßig auf eine wohlhabende Untergruppe der Bürgerschaft beschränkt sein. In einer Tyrannei ist eine einzelne Person (der Tyrann) in der Lage, durch eine Mischung aus Demagogie, Charisma und gut plazierte Kumpane die Kontrolle über das System zu gewinnen. Sogar unter einer Tyrannei existiert das grundlegende dreiteilige System immer noch, es ist bloß von einer einzelnen Person unterwandert und kontrolliert (so ziemlich wie manche modernen Diktaturen alle Institutionen einer Demokratie haben – Gerichte, Wahlen etc. -, aber alle Macht liegt immer noch in einem Paar Hände, und die Wahlen sind Schwindel).

Ich möchte das gleich vorweg erwähnen, weil es wichtig ist zu erkennen, daß die Existenz einer Volksversammlung eine griechische polis nicht zu einer Demokratie macht, noch macht die Existenz einer mächtigen Amtsrichterschaft sie zu einer Tyrannei. Wie wir sehen werden, hat Sparta eine Versammlung, sie ist bloß lachhaft schwach; es hat auch zwei sehr mächtige Amtsrichtergruppen oder Magistrate, aber deren Macht ist stark kontrolliert. Was zählt, ist die Machtaufteilung zwischen diesen Teilen. Ich wollte auch deshalb hier anfangen, weil Sparta diesem Grundmodell folgt, aber mit ein paar interessanten Variationen. Das Wissen, wie das normale Modell aussieht, wird es leichter machen, die Variationen zu erkennen, die für Sparta einzigartig sind.

Gehen wir also die Grundeinheiten der spartanischen Regierung durch. Angefangen mit der vielleicht ungewöhnlichsten:

Doppelkönige: Oberster In-den-Brunnen-Treter

Sparta – das nie zu halben Sachen neigte – hatte zu allen Zeiten zwei Könige. Es gab zwei Königslinien, die Agiaden und die Eurypontiden. Für die Neugierigen: die -iden-Endung, die man bei dynastischen Namen sieht (Seleukiden, Antigoniden, Lagiden, Sassaniden) ist die Transkription des Suffix -ιδης, -ιδαι, das an einen Namen gehängt wird und „die Nachkommen von“ anzeigt. Somit wären die Atreidai (ἀτρείδαι) die Söhne des Atreus (im Fall von Agamemnon und Menelaos kann die Einzahl Atreides [ἀτρειδης] natürlich Agamemnon oder Menelaos bedeuten, oder – obligatorischer Sci-fi-Witz – den Kwisatz Haderach). Von den beiden scheinen die Agiaden immer die bedeutenderen gewesen zu sein, aber das soll kaum heißen, daß die Eurypontiden unbedeutend waren. Theoretisch hatten die beiden Häuser dieselben Befugnisse.

Die Darstellung von Leonidas in „300“ als hauptsächlich ein Kriegsführer mit zusätzlichen religiösen Pflichten ist zum Großteil akkurat, obwohl – wie wir sehen werden – seine religiösen Pflichten in dem Film kriminell unterrepräsentiert sind. Ich meine, er beginnt eine Schlacht ohne irgendeine Art von Opferung – kein Wunder, daß er verlor!

Wie wir letztes Mal erwähnten, besaßen die Könige bedeutende Ländereien, die aus Periökenland abgetrennt worden waren (Xen. Lac. 15.3). Es ist nicht klar, wie die Vererbung dieses Landes funktionierte, aber die Könige scheinen immer die Reichsten in Sparta gewesen zu sein. Die Königswürde selbst ging vom Vater auf den ältesten Sohn über. Sie konnte nicht über Frauen weitergegeben werden, noch scheint es, daß Frauen als Regentinnen für ihre Söhne herrschen konnten, Es gibt eine populäre Vorstellung, daß Gorgo in irgendeiner Weise nach dem Tod von Leonidas regierte, aber das tat sie nicht – Cleombrotus, Leonidas‘ jüngerer Bruder, wurde Regent für Leonidas‘ jungen Sohn (Pleistarchos); als Cleombrotus starb, wurde sein Sohn Pausanias Regent, bis Pleistarchos selbst regieren konnte. Bei Fehlen eines Erben würde der nächste männliche Verwandte genügen – daher ging die Krone, als Pleistarchos ohne männlichen Erben starb, an Pleistoanax über, den Sohn von Pausanias (des vorherigen Regenten).

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (4): Spartanischer Reichtum

Von Bret Devereaux, übersetzt von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part IV: Spartan Wealth erschien am 5. September 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule, (2) Spartanische Gleichheit und (3) Spartanische Frauen.

Diese Woche sehen wir uns mehr an, wie das Leben in Sparta wirklich war, und fokussieren uns diesmal auf Reichtum und Grundbesitz. Letztes Mal betrachteten wir die Frage des täglichen Lebens für Frauen in Sparta und kamen zu dem Schluß, daß die Unterdrückung, mit der die große Mehrheit der Frauen in Sparta – die weiblichen Heloten – es zu tun hatte, viel schwerer wog als alles, was elitäre Spartiatenfrauen dadurch an mageren Vorteilen hatten. Dies ist Teil IV unserer siebenteiligen Reihe über den Gegensatz zwischen dem Bild Spartas und der Wirklichkeit.

Wie in Teil 2 festgestellt, haben wir konträr zu der Nostalgie nach einfacheren Zeiten, die sich durch unsere literarischen Quellen zieht, gute Belege dafür, daß es immer bedeutende Ungleichheiten in Wohlstand und Status sowohl zwischen den spartanischen Klassen (Bürger, Freier, Sklave) gab als auch innerhalb jener Klassen. Während wir letzte Woche sahen, wie scharf dies das tägliche Leben für spartanische Frauen formte, werden wir diese Woche ein wenig herauszoomen, um ganze spartanische Haushalte zu betrachten – besonders jene der Spartiaten… und ehemaligen Spartiaten.

Und wie immer gibt es hier ein hilfreiches Glossar, aber wir werden alle Begriffe bei der ersten Erwähnung ebenfalls definieren, also braucht ihr nicht das Gefühl zu haben, darauf zurückgreifen zu müssen, sofern ihr nicht denkt, etwas übersehen zu haben.

Die Frage, die wir heute angehen, ist die Vorstellung, daß die spartanische Gesellschaft besonders zusammenhaltend und stabil war. Wenn ich Nick Burns – ein letztes Mal – als Beispiel für diese Idee da draußen verwenden darf:

Das für mein Auge Beeindruckendste an Sparta war das Maß an Gleichheit und Zusammenhalt *unter Bürgern*. War das nur möglich durch die Tyrannisierung der umgebenden Bevölkerung? Das ist nicht unwahrscheinlich.

Aber es kommt mir der Gedanke, daß sie genauso sehr hätten tyrannisieren und dennoch innerhalb ihrer Reihen ungleich sein können. Ich denke an Schumpeters Diktum: Demokratie ist die Herrschaft einer Untergruppe der Gesellschaft, die innerhalb ihrer eigenen Reihen demokratisch ist.

Diese Idee widerspiegelt sich häufig in populären Bildern von Sparta. Die Spartiaten selbst – vielleicht mit Ausnahme der Könige – sind identisch und austauschbar. Sie haben dieselben Lebenserfahrungen, dieselbe Weltsicht und dieselbe Mentalität. Diese Vision von Sparta durchzieht das, wie es in Filmen und Spielen erscheint – es gibt eine gemeinsame „spartanische Erfahrung“, die den Spartanern das extreme Solidaritätsgefühl verleiht. Natürlich haben wir bereits gesehen, wie schon die Zusammensetzung der spartanischen Gesellschaft bedeutet, daß nur eine winzige Minderheit der Spartaner überhaupt an dieser gemeinsamen Erfahrung teilhat – aber allzu oft „lösen“ Filme wie 300 dieses Problem, indem sie einfach alle anderen aus der Geschichte schreiben.

Alle anderen werden aus der Geschichte geschrieben. Zu Leonidas‘ Armee gehörten 300 Spartiaten, aber auch ungefähr 900 Periöken (Diodorus 11.4; Hdt. 7.202) und eine unbekannte Zahl – aber nicht null – von Heloten (Hdt. 8.25.1). Diese wurden im Film alle einfach weggelassen.

Dies dient oft als Kern einer Verteidigung von Sparta – daß das System vielleicht brutal gewesen ist, es aber eine radikale Nivellierung bewirkte, die einen wahrhaft homogenen, wahrhaft zusammenhaltenden Körper in seinem Zentrum schuf. Wir haben bereits diskutiert, daß ein Teil davon nicht wahr ist – es gab schon von Anfang an reale Wohlstandsunterschiede zwischen Spartiaten – aber nun möchte ich tiefer darauf eingehen, warum das eine Rolle spielt.

Denn es stellt sich heraus, daß – zumindest in der klassischen Periode (ca. 480 v. Chr. bis 323 v. Chr. – der Zeitraum, für den wir wirklich solide Belege für die spartanische Gesellschaft haben) – selbst unter den „freien“ Menschen Spartas und sogar unter den Spartiaten selbst diese Gemeinsamkeit der Lebenserfahrung ein Trugbild war. Das Leben konnte für den armen Spartiaten ganz anders aussehen als für den reichen Spartiaten.

Bevor wir uns darin vertiefen, möchte ich euch auch an etwas aus Teil II und Teil III erinnern, nämlich daß die berühmte spartanische Askese nicht annähernd so alt ist, wie unsere Quellen uns glauben machen wollen. In vielen Fällen legen Wissenschaftler ihren Beginn näher an 500 v. Chr. als 700 v. Chr. (geschweige denn ca. 820 und Lykurg), aber der absolute Bestfall für das spartanische System, das wir beobachten, ist, daß es in den mittleren 600ern mit dem Abschluß der Eroberung Messeniens begann. Das spielt eine große Rolle, wenn man über die Stabilität dieses Systems redet, wozu wir am Ende kommen werden.

Lebensstile der Reichen und Berühmten

Wie wir damals diskutierten, gibt es in jeder Periode, für die wir Belege haben, Anzeichen für bedeutende Wohlstandsunterschiede in Sparta, sowohl zwischen den Klassen als auch innerhalb der Bürgerklasse der Spartiaten.

Nun wird die Frage zu: wie sieht das aus?

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (3): Spartanische Frauen

Lena Headey als Königin Gorgo in „300“ (Bild von Lucifex hinzugefügt)

Von Bret Devereaux, übersetzt von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part III: Spartan Women erschien am 29. August 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta, Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule und (2) Spartanische Gleichheit.

Heute werden wir uns in Teil III unserer siebenteiligen Betrachtung Spartas (IIIIVVVIVII) die Rolle der Frauen in der spartanischen Gesellschaft näher ansehen und dabei an die spartanische soziale Hierarchie denken, die wir letztes Mal festgestellt haben. Sparta hat einen Ruf – der oft von Lehrbüchern unterstützt und gefördert wird -, eine geschlechteregalitärere Gesellschaft zu sein. Ist das wahr – und noch wichtiger, für wen ist das wahr?

Oder, um die Frage anders zu stellen: war Sparta – verglichen mit anderen antiken Gesellschaften – ein „guter“ Ort, um dort als Frau geboren zu werden?

Karten auf den Tisch – dieser Beitrag hätte ursprünglich in zwei Teilen kommen sollen: dem ersten, der das Leben der Frauen in Sparta betrachtet (was nun dieser Teil ist) und dem zweiten, der die Auswirkungen der Wohlstandsungleichheit auf spartanische Familien betrachtet, mit einem Abschnitt über den (fehlenden) historischen Lykurg am Anfang. Das wurde zu lang für einen einzigen Essay, sowohl für euch zum Lesen als auch für mich zum Schreiben (nachdem ich das Hinauskriegen dieser Teile Woche für Woche mit meinem akademischen Schreiben, dem Unterrichten etc. ausbalancieren muß). Ich hätte diesen Abschnitt kürzen können, damit er reinpaßt, aber ich denke, „den Abschnitt über Frauen“ zu kürzen, „damit er hineinpaßt“ ist ein allzu häufiges Laster, und ich weigere mich, da mitzumachen, daher habe ich aus dem Essay zwei Teile gemacht (und zu meiner Verteidigung: dies ist nicht das einzige Mal, daß wir über die spartanischen Frauen reden werden. Sie sind immerhin die Hälfte der Gesellschaft).

Durch diese Teilung bleibt Lykurg hier vorne drin, den einen Kerl in einem Beitrag, der sich auf die Frauen konzentriert, aber ich wollte nicht weitermachen, bevor ich nicht die Frage der Historizität von Lykurg des Alters der spartanischen Gesellschaft behandelt hatte, die wir in unseren Quellen beobachten, also hier ist er. Wie wir sehen werden, spielt die Idee des Lykurg eine Rolle für unser Verständnis der gesamten spartanischen Gesellschaft.

Und noch eine Inhaltswarnung: Dieser Beitrag wird Diskussionen über historische sexuelle Gewalt enthalten. Es ist nichts Drastisches, aber ich verstehe es, wenn ihr das überspringen wollt.

Wie zuvor gibt es hier ein kurzes Glossar der Begriffe, aber wir werden alles definieren, wenn wir zum ersten Mal darauf stoßen, daher solltet ihr nicht ständig zurückblättern müssen.

Herrn Lykurgs Nachbarschaft

Aber bevor wir anfangen, detaillierter über spartanische Frauen, die spartanische Gesellschaft und spartanische Familien zu reden – und auch über Spartas Regierung und Militär (im Laufe der nächsten paar Wochen), ist es Zeit, daß wir über Lykurg reden. Wir sahen letztes Mal, daß unsere Quellen eine schlechte Gewohnheit haben, – unrichtigerweise – alle Probleme oder Mängel in Sparta als bloß jüngere Versäumnisse bei der Einhaltung von Lykurgs Gesetzen abzutun (selbst wenn unsere Belege sehr klar machen, daß diese „jüngeren Versäumnisse“ in Wirklichkeit schon lange bestanden). Das spielt eine Rolle, weil es eine entscheidende Frage erhebt, wenn wir über Sparta reden – welches Sparta?

Lykurg war der Name, den die Spartaner ihrer mythischen Gründergestalt gaben, einem Spartaner, der angeblich im späten 9. Vorchristlichen Jahrhundert lebte und die spartanische Gesellschaft begründet hatte, so wie wir sie in der klassischen Periode sehen. Fast alle unsere Details über sein Leben stammen aus einer Biographie von Plutarch, die ca. 100 n. Chr. geschrieben wurde (dieses Datum wird gleich wichtig sein). Die Geschichte, die die Spartaner erzählten, ging so:

Es war einmal… da lebte ein Spartaner namens Lykurg, und er war der allerbeste Spartaner…

Lykurg war der jüngere Bruder eines der beiden Könige Spartas gewesen, aber er verließ Sparta, um zu reisen, als sein Bruder starb, sodaß er keine Bedrohung für seinen jungen Neffen wäre.

Nach einer Weile baten die Spartaner Lykurg, zurückzukommen und die Gesellschaft neu zu organisieren, und Lykurg gestaltete die spartanische Gesellschaft – mit dem Segen des Orakels von Delphi – radikal zu der Form um, die sie für die nächsten 400 Jahre haben sollte. Er veränderte nicht nur die Regierung, sondern erließ Gesetze für jede Facette des Lebens, von der Kindererziehung über die Ehe, die Struktur der Haushalte bis zur Wirtschaftsstruktur, für alles. Sobald er das geschafft hatte, ging Lykurg zurück nach Delphi, aber bevor er abreiste, ließ er alle Spartaner versprechen, daß sie seine Gesetze nicht verändern würden, bis er zurückkehrte. Als das Orakel ihm gesagt hatte, daß seine Gesetze gut waren, beging er Selbstmord, sodaß er niemals nach Sparta zurückkehren würde, wodurch er verhinderte, daß seine Gesetze jemals aufgehoben würden. Daher änderten die Spartaner niemals Lykurgs Gesetze, die von Apollo selbst für perfekt erklärt worden waren. In weiterer Folge brachten die Spartaner Lykurg göttliche Ehren entgegen, und in Sparta wurde er als Gott verehrt.

Und so gestaltete Lykurg Sparta um.

Die Rolle, der Lykurg in den Quellen dient, ist jene der perfekten, unfehlbaren Gründerfigur. Nichts Geringeres als das Orakel von Delphi – das göttliche Wort Apollos – erklärte Lykurg zum Gott (Hdt. 1.65.3). Für spätere Quellen – die, wie wir betonen müssen ihre eigene Religion glauben (wie es Menschen überall zu tun pflegen – bedeutet das im Grunde a priori, daß Lykurgs „Verfassung“ praktisch fehlerlos sein muß und daß alle Mängel aus deren unvollkommener Umsetzung stammen müssen.

Aber – wartet mal – was ist unser Beweis für die wirkliche Person des Lykurg oder für den Charakter des Staates, den er begründete?

Erinnert euch, wie ich sagte, daß Lykurg auf das späte 9. vorchristliche Jahrhundert datiert wird – spezifisch ungefähr die 820er v. Chr. Das ist ein riesiges Problem. Die früheste griechische Literatur stammt ungefähr (sehr ungefähr – es gibt hier eine tiefe wissenschaftliche Debatte, die ich übergehe) aus dem mittleren 8. Jahrhundert (ca. 750 v. Chr.) und ist völlig mythologischer Natur. Die erste wirkliche Geschichtsschreibung kommt von Herodot, der in den mittleren 400ern schrieb. Das früheste historische Ereignis, für das wir Belege haben, ist der Lelantische Krieg (ungefähr um 700), mindestens ein Jahrhundert nach dem Leben des Lykurg. Keine unserer Quellen enthält irgendetwas, nach dem bezüglich Lykurgs gehen kann – abgesehen von dem, was die Spartaner – die diese Gestalt bereits als Gott verehren – ihnen sagen. Entscheidend ist, daß Tyrtaeus, der in den 650ern v. Chr. schrieb, zwar die rhetra erwähnt (ein Orakel, das die Spartaner betreffend das Arrangement ihrer Regierung erhielten) Lykurg nicht erwähnt (obwohl Plutarch die beiden geschwind miteinander verbindet, Plut. Lyc. 6.5), was bedeutet, daß die früheste Quelle für Lykurgs Existenz Herodot ist.

Wartet, es wird noch besser – das eine, das wir über Lykurgs Gesetze wissen, ist daß sie nicht niedergeschrieben wurden (Plut. Lyc. 13.1). Auch unternahm Lykurg angeblich Schritte, um zu verhindern, daß seine Überreste nach Sparta zurückkehrten (Plut. Lyc. 29.5-6, but cf. 31.4), und daß es eine fortbestehende Familienlinie gäbe, was als genau die Art von Erklärung erscheint, die man am Ende einer guten Lagerfeuergeschichte dafür gibt, warum es absolut keine Spur von solch einem bedeutenden Mann außer seiner Legende gibt. Also werden nicht nur die Details über Lykurgs Leben, sondern auch die Gesellschaft, die er schuf, als mündliche Tradition weitergelebt haben – sich potentiell von einer Erzählung zur nächsten verändert haben, ausgeschmückt oder erweitert worden sein -, generationenlang, bevor sie dem dauerhaften, unveränderlichen Gedächtnis der geschriebenen Geschichte übergeben wurden.

Kurz, unser einziger Beweis für Lykurg sind die Lagerfeuergeschichten, die von Leuten, die ihn bereits als Gott verehrten, Jahrhunderte später Individuen über ihn erzählt wurden. Was bedeutet, daß es nach historischen Standards überhaupt keine verläßlichen Belege dafür gibt, daß Lykurg existierte.

Bild des Lykurg als einer der 23 Großen Gesetzgeber im U.S.-Repräsentantenhaus. Ich muß zugeben, wenn ich Solon, Hammurabi, Thomas Jefferson oder Justinian wäre (alles wirkliche historische Gestalten, die in der Reliefgruppe enthalten sind), wäre ich ein bißchen beleidigt darüber, mit Lykurg in einen Topf geworfen zu werden (und Lykurg wäre vermutlich beleidigt, mit bloßen Sterblichen gruppiert zu werden).

Es gibt tatsächlich einige klare Diskrepanzen in den Darstellungen Lykrugs, die wir haben, die darauf hindeuten, daß die Geschichte seiner Gesetze nicht so stattgefunden haben kann, wie die Spartaner sie erzählten. Die offenkundigste ist die Sache mit den kleroi. Plutarch sagt uns, daß Lykurg für dieses System verantwortlich war (und die Spartaner scheinen das so ziemlich geglaubt zu haben), das entweder 9000 gleiche Grundstücke schuf, oder andernfalls 6000 oder auch 4500, die später vom spartanischen König Polydorus (reg. ca. 700 – ca. 665, Plut. Lyc. 8.1-3) ergänzt wurden.

Wie wir letzte Woche diskutierten, erhielt jeder Spartaner einen kleros – ein Stück Staatsland, das von Heloten bearbeitet wurde -, um seinen Lebensstil zu erhalten. Aber – wie wir wissen – die meisten der kleroi und die große Mehrheit der Heloten befanden sich in Messenien, Land, über das Sparta nicht vor den frühen 600ern Kontrolle haben sollte – eine Eroberungsleistung, die, wie ihr euch von letzter Woche erinnern werdet, Tyrtaeus der Generation seines Großvaters zuschreibt (Tyrtaeus f. 5, West (1993), 23). Wenn das kleros-System in der Zeit Lykurgs geschaffen worden wäre, hätte es keine 4500 kleroi geben können, geschweige denn 9000.

Und doch wird Lykurg in Schulbüchern oft als historische Gestalt behandelt, besonders um den Beginn des spartanischen Gesellschaftssystems zu datieren. Das wiederum hinterläßt bei Studenten den Eindruck, daß diese klagenden Passagen – „sicherlich sind die Dinge in Sparta jetzt schlecht, aber sie waren unter Lykurg besser“ – in unseren Quellen eine Art von Realität widerspiegeln. Außerdem gibt es einen falschen Eindruck von der Stabilität nicht nur des spartanischen Staates, sondern auch der spartanischen Gesellschaft. Studenten werden dazu angeregt, sich eine Gesellschaft vorzustellen, die ungebrochen von 820 bis mindestens 371 mit denselben gesellschaftlichen, kulturellen und Regierungsinstitutionen eingefroren war. Dies kann nicht wahr sein, allein schon aus dem Grund, daß das Sparta, das unsere Quellen beschreiben – wie wir letzte Woche klargemacht haben -, nicht ohne die riesige Zahl von Heloten funktionieren kann, von denen die meisten sich in Messenien befanden und bis zum 700 Jahrhundert noch unbesiegt waren.

Lykurg wird oft Solon entgegengestellt – den athenischen Reformer des frühen 6. Jahrhunderts. Es ist wahr, daß Athener ebenfalls dazu tendieren, Solon Dinge zuzuschreiben, die spätere Entwicklungen waren, aber wir müssen die entscheidenden Unterschiede anmerken: Solon kommt zwei Jahrhunderte nach Lykurg (somit anders als  Lykurg in historischer Zeit), erhielt keine göttlichen Ehrungen, und was am wichtigsten ist, es gibt Schriften von ihm (er schrieb Gedichte, von denen manche überlebten), sodaß wir wissen können, daß er eine wirkliche Person war. Studenten zu ersuchen – wie ich es gesehen habe -, einen realen, mit Fehlern behafteten Reformer mit einem idealisierten, halb-mythischen Halbgott zu vergleichen, ohne irgendeine Anleitung über die Natur dieser beiden Gestalten, ist ganz offen gesagt Fehlverhalten im Unterrichtswesen.

Relief eines wirklichen Menschen, der tatsächlich existierte. Solon als einer der 23 Großen Gesetzgeber im U.S.-Repräsentantenhaus. Nicht sein wirkliches Ebenbild – wir wissen nicht, wie Solon aussah, obwohl wir wissen, daß er einige angemessene Gedichte schrieb.

Seltsamerweise ist es, wenn man nach einer athenischen Entsprechung zu Lykurg sucht, nicht Solon aus dem 6. Jahrhundert, sondern Theseus. Ihr wißt schon – der Kerl, der den Minotaurus im Labyrinth tötete – dieser Theseus. Wie Lykurg war Theseus eine legendäre Gründergestalt – er soll für die politische Einigung Athens verantwortlich gewesen sein -, die göttliche/Heldenehrungen in seiner Heimatstadt erhielt und Gegenstand einer Biographie von Plutarch ist, die hauptsächlich auf Quellen aus dem 5. bis 3. Jahrhundert beruht (von denen nur manche überleben; in der Tat vergleicht Plutarch ausdrücklich Lykurg, Numa, Romulus und Theseus miteinander (Plut. Thes. 1.2) – von diesen wird nur Lykurg jemals als historische Gestalt behandelt). Es gibt sogar einige – törichte – Versuche, Theseus als historische Gestalt im 8. oder 9. vorchristlichen Jahrhundert zu plazieren (was ihn zu einem Zeitgenossen von Lykurg machen würde, und nein, ich scherze nicht, siehe RE Supp. XIII „Theseus”).

All das soll heißen, daß es keinen Grund gibt, Lykurg als reale historische Person zu behandeln, und keinen Grund, seine Daten (ca. 820 v. Chr.) als „Startdatum“ für den spartanischen Staat zu behandeln. Selbst falls ein Lykurg existierte (und ich bin nicht davon überzeugt, daß er historischer ist als Theseus), können wir recht sicher sein, daß er nicht den spartanischen Staat schuf, wie wir ihn kennen, weil die Struktur dieses Staates – wie wir letztes Mal diskutierten – völlig davon abhängt, eine große Zahl von Heloten zu haben, deren große Mehrheit erst in den 680ern in den spartanischen Staat gezwungen wurde, nachdem die meisten Heloten Messenier waren und nicht Lakonier.

Dies mag offenkundig oder sogar unwichtig erscheinen, aber allzu oft stellen wir Vergleiche an zwischen antiken Staaten, wie sie waren, und dem spartanischen Staat, wie man ihn sich vorstellte. Studenten werden ersucht, die athenische Demokratie, wie sie in der Praxis existierte (weil das die Belege sind, die wir haben), mit den idealisierten Darstellungen von Spartas legendärer Vergangenheit zu vergleichen – erinnert euch, selbst unsere pro-spartanischen Quellen geben alle zu, daß Sparta zu ihrer Zeit nicht mehr so funktionierte, wie sie dachten, daß „es früher funktionierte“, obwohl unsere Belege darauf hindeuteten, daß es nie so funktionierte.

Anzuerkennen, daß der lykurgische Staat nicht mehr greifbar ist, hat auch eine sehr bedeutende Auswirkung für unsere weitergehende Diskussion: wir diskutieren den spartanischen Staat, wie er von ca. 680 bis 371 existierte. Das ist es, wofür wir Belege haben. Der spartanische Staat, der vor 680 existierte, der angebliche lykurgische Staat – was immer seine Form war – ist für uns völlig verloren, außer durch (sehr begrenzte) Archäologie und Epigraphie. Wir können diesen Staat nicht diskutieren, falls er jemals überhaupt existierte.

(Pedantische Anmerkung: es ist auch keineswegs sicher, daß der spartanische Staat, wie wir ihn durch Herodot, Thukydides und Xenophon im fünften und vierten Jahrhundert beobachten können, wirklich bis ins Jahr 680 zurückreicht. Genauso wie ein paar schnelle Beispiele, Kennell, Spartans (2011) Skepsis darüber äußern, wie weit zurück die „Große Rhetra“ (wir kommen dazu) wirklich reicht, oder P.-J Shaw „Olympiad chronography and ‘Early Spartan History” (1999) dazu, daß das Ritual der Gymnopaidiai (und vielleicht die damit verbundenen spartanische Askese) spät-archaisch ist (lies: ca. 490er) statt aus Lykurgs Zeit, wie unsere Quellen annehmen. Wir sollten immer sehr vorsichtig sein, wenn irgendeine Gesellschaft uns sagt, daß ihre gegenwärtigen (oder nostalgisch erinnerten) Bräuche bis in die Nebel der Vergangenheit zurückreichen – für gewöhnlich tun sie das nicht.)

Kurz, dieser Beitrag diskutiert – wie eigentlich alle vorherigen und folgenden – den spartanischen Staat und die spartanische Gesellschaft, die wir tatsächlich in den Quellen sehen, statt irgendein mythisches Utopia, das unsere Quellen sich in der tiefen Vergangenheit vorstellen und das wahrscheinlich niemals realer war als Theseus und sein Minotaurus. Das wiederum wird prägen, wie wir diese Woche und die nächste über die spartanische Gesellschaft reden – wir werden Sparta nicht den Vertrauensbonus geben, anzunehmen, daß alles in der spartanischen Gesellschaft völlig richtig funktionierte bis eine halbe Sekunde, bevor unsere historischen Aufzeichnungen verläßlich werden… wenn schon aus keinem anderen Grund als dem, daß wir auch keiner anderen Gesellschaft diesen Vertrauensbonus geben.

Spartiatenfrauen, spartanische Frauen

Und ich denke, es ist Zeit, daß wir fokussierter über die Frauen von Sparta reden. Sparta hat in der Populärkultur einen – aus den Quellen abgeleiteten – Ruf erlangt, seinen Frauen ein größeres Maß an Freiheit und Bedeutung zu gewähren als jede andere griechische polis (ich sollte betonen, daß das eine sehr niedrige Latte ist), und solange wir über Spartiatenfrauen reden, liegt darin etwas Wahrheit.

Spartiatenmädchen machten eine ähnliche „Erziehung“ durch wie Spartiatenjungen, obwohl sie nicht aus ihrem Zuhause entfernt wurden wie ihre Brüder. Spartiatenmädchen liefen Wettrennen und wurden dazu angehalten, körperlich aktiv zu sein (Plut. Lyk. 14.3; Mor. 227; Xen. Lac. 1.4). Die Beweislage ist dünn, deutet aber recht stark darauf hin, daß Spartiatenfrauen im Allgemeinen lesen und schreiben konnten, in ziemlichem Gegensatz (noch einmal, wie es die Beweislage zuläßt) zum Rest Griechenlands. Nun machen unsere Quellen klar, daß dies zum Teil ein Produkt der Muße war, die Spartiatenfrauen hatten, nachdem die hauptsächlichen häuslichen Aufgaben griechischer Frauen – Textilherstellung und Essenszubereitung – zur Gänze in Sklavenarbeit ausgeführt wurden, die Helotenfrauen aufgezwungen wurde (Xen. Lac. 1.3; Plato, Laws. VII; Plut. Mor. 241d).

Statuette eines laufenden spartanischen Mädchens (ca. 525 – 500 v. Chr.) aus Prizren oder Dodona, nun im British Museum, London. Ihre Kleidung – die in Sparta normal war, aber skandalös für eine Bürgerfrau in Athen gewesen wäre – war eine Art, wie Spartiatenfrauen wahrscheinlich mehr Freiheit hatten als andere griechische Elitebürgerfrauen.

Während die Quellen ein Bild der athenischen Elitebürgerfrauen als praktisch abgeschieden malen, hatten Spartiatenfrauen bedeutend mehr Bewegungsfreiheit, teilweise weil sie die hauptsächlichen Leiterinnen ihrer Haushalte gewesen zu sein scheinen. Männliche Spartiaten lebten bis zum Alter von dreißig Jahren nicht zu Hause und waren selbst danach wahrscheinlich häufig auswärts (Plut. Lyc. 14.1; Mor. 228b). Spartiatenfrauen konnten auch in einem größeren Maß als in Athen oder anderswo in Griechenland erben und in ihrem eigenen Namen Grund besitzen (man beachte zum Beispiel Plut. Agis 7.3-4). Man bekommt aus den Quellen den starken Eindruck, daß dies den Spartiatenfrauen um einiges mehr Einfluß gab; unsere großteils männlichen Quellen, besonders Aristoteles, mißbilligen das, aber wir brauchen (und sollten!) ihre Misogynie nicht teilen. Die Quellen sind auch sehr klar darin, daß Frauen und Mädchen der Spartiaten sich viel freier fühlten, öffentlich ihre Meinung zu sagen, als griechische Frauen in den meisten poleis, obwohl sie dennoch völlig und universal von der formalen Politik ausgeschlossen waren.

Gorgo, wie sie in Civilization 6 als eine der möglichen Führerinnen der Griechen erscheint. Dies ist etwas Seltsames, das sich im Laufe der Zeit in Gorgos Popkultur-Identität eingeschlichen hat – um es klarzustellen: Gorgo führte niemals die Spartaner an, ganz zu schweigen von den Griechen. Leonidas‘ Tod hatte eine Regentschaft für ihren Sohn zur Folge, aber der Regent war Pausanias, der in Wirklichkeit der Architekt des spartanischen Sieges war. Dies ist umso frustrierender, als es absolut tolle griechische Herrscherinnen gab, die wirklich regierten und an dieser Stelle verwendet werden könnten (Artemisia von Caria und Irene von Athen fallen mir ein).

Aber – und ihr habt gewußt, daß es ein „Aber“ geben würde (Überraschung! es gibt zwei) – aber die Rolle der Frauen in der spartanischen Gesellschaft, wie wir sie beobachten können, bleibt grundsätzlich instrumental: in der spartanischen Gesellschaftsordnung existierten Spartiatenfrauen, um Spartiatenjungen hervorzubringen. Die Leibesübungen, die Spartiatenmädchen unternahmen, waren unter der Annahme gerechtfertigt, daß sie fittere (männliche) Kinder hervorbrachten (Plut. Lyc. 14.2; Xen. Lac. 1.4). Plutarch deutet an, daß das Heiratsalter für Spartiatenfrauen gesetzlich festgelegt war, wenngleich es im Allgemeinen älter war als im Rest Griechenlands (Plut. Lyc. 15.3; Mor. 228a).

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (2): Spartanische Gleichheit

Von Bret Devereaux, übersetzt und mit zusätzlichen Links versehen von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part II: Spartan Equality erschien am 23. August 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Zuvor erschienen: Glossar zu Sparta und Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule.

Dies ist Teil II unserer siebenteiligen Betrachtung Spartas (IIIIIVVVIVII). Letzte Woche warfen wir einen Blick auf unsere Quellen für Sparta und untersuchten dann das spartanische Kinderausbildungssystem, die agoge. Wir fanden heraus, daß unsere Quellen nicht annähernd wie die Veteranen aussehen, die Filme wie 300 erzählen, sondern stattdessen zum Großteil wohlhabende (und snobistische!) Griechen von außerhalb Spartas sind. Wir fanden auch heraus, daß die spartanische agoge mehr wie ein Trainingsprogramm für Kindersoldaten war – etwas wie aus der Lord’s Resistance Army in Uganda – als wie irgendeine Art von Bildungssystem, wie wir es verstehen.

Diese Woche werden wir unseren Blick auf die spartanische Gesellschaft ausweiten und die Behauptung der spartanischen Gleichheit untersuchen. Wir werden das tun, indem wir uns zuerst die verschiedenen Klassen von Menschen in Sparta ansehen – Bürger, Nicht-Bürger und Sklaven – und dann das Thema der Wohlstandsgleichheit innerhalb der spartanischen Bürgerschaft betrachten.

Wie immer gibt es hier gibt es hier ein hilfreiches Glossar der Begriffe, falls ihr es brauchen solltet, aber ich werde die Dinge definieren, so wie wir zu ihnen kommen, also solltet ihr keine Probleme haben.

Der Mythos von der spartanischen Gleichheit

Nun sagt 300 – und in der Tat viele Darstellungen Spartas in der Populärkultur – uns nicht immer in Worten, daß die spartanische Gesellschaft gleich war. Vielmehr tendieren sie dazu uns zu zeigen, daß sie es war. Die Bildsprache in Filmen ist, wenn überhaupt, mächtiger als Dialoge, aber es kann schwerer sein, sie wirklich festzunageln. Aber machen wir uns die Mühe – und sei es nur, damit mir nicht vorgeworfen wird, einen Strohmann zu attackieren. Wenn 300 uns die in der Stadt lebenden Spartaner zeigt, dann sehen sie so aus:

Es ist schwierig, das in einem Standbild einzufangen, aber während die Kamera in einem Kreis über die Hauptcharaktere schwenkt, sind da mindestens 10 Spartaner, die genau wie die beiden im Hintergrund gekleidet sind und alle herumlaufen.

[Einschub des Übersetzers: siehe das von mir unten noch einmal eingefügte zweiminütige Video mit der Brunnentrittszene, aus der das obige Bild ist (Lena Headey als Königin Gorgo ist schon mmmmh)]:

Und auf dem Marsch sehen sie so aus:

Es ist seltsam – die antiken Quellen stellen die Spartiaten, wenn überhaupt, als ein bißchen eitel dar, daß sie ihr Haar vor der Schlacht kämmten, ihre Schilde verzierten und so weiter. Dieses Bild von sauber identischen Spartanern ist entschieden ahistorisch.

Identische, austauschbare Spartaner. Interessant ist hier, daß Frank Miller und Zack Snyder sich solche Mühe gegeben haben, die identische Natur jedes dieser Männer zu betonen, was so weit geht, daß sie mit Dingen brechen, die wir über sie wissen. Jeder Spartaner in dem Film hat einen identischen Schild mit einem identischen lambda (Λ) darauf, aber wir wissen in Wirklichkeit (Plut. Mor. 234.41), daß die einzelnen Spartaner ihre Schilde mit einer Vielzahl individueller heraldischer Zeichen bemalten. Ebenso brachten die Spartaner ihre eigene Rüstung „um ihrer selbst willen“ mit (vgl. Plut. Mor. 220.2), und man kann angesichts der Vielfalt von Rüstungen und Helmen im Griechenland dieser Zeit mit Sicherheit annehmen, daß es in der spartanischen Schlachtlinie ebenfalls eine recht breite Vielfalt von Stilen gegeben hat.

Die Spartaner laut Samurai Jack – eine lange Reihe identischer Spartaner, außer dem König und seinem fremden, zeitreisenden Gast.

Zum Glück wird die unausgesprochene visuelle Signalisierung der „spartanischen Gleichheit“ oft in ausdrückliche schriftliche Erklärungen umgewandelt. Um nur ein Beispiel zu nehmen, dieser Artikel von Nick Burns in der New Republic lobt die spartanische „relative wirtschaftliche Gleichheit“ und ihren „kulturellen Egalitarismus“ und sagt weiters:

Lykurg, der Gründer des spartanischen Regimes, soll verfügt haben, daß nur Eisenbarren als Währung akzeptiert werden. Es wurde so schwierig, Geld zu verdienen oder anzusammeln, nachdem es in riesigen Schubkarren herumgekarrt werden mußte, daß die Bürger ihren Wunsch aufgaben, ein Vermögen zu machen, und sich damit abfanden, auf einer weitgehend gleichen materiellen Basis wie ihre Mitbürger zu leben.

Lykurg ließ auch alle Bürger an gemeinsamen Tischen miteinander essen, um die Entwicklung von Luxusgewohnheiten zu verhindern und sicherzustellen, daß private Beziehungen, sogar familiäre, die Gemeinschaft nicht untergruben.

Wir werden zur Person des Lykurg nächstes Mal kommen (Spoiler: halbgöttliche, mythische Gründergestalten sollten nicht wie historische Gestalten behandelt werden). In einer – wie ich betonen sollte, höflichen – Twitterkonversation mit mir stellte Nick Burns hinterher seine Sicht klar:

Das für mein Auge Beeindruckendste an Sparta war das Maß an Gleichheit und Zusammenhalt *unter Bürgern*. War das nur möglich durch die Tyrannisierung der umgebenden Bevölkerung? Das ist nicht unwahrscheinlich.

Aber es kommt mir der Gedanke, daß sie genauso sehr hätten tyrannisieren und dennoch innerhalb ihrer Reihen ungleich sein können. Ich denke an Schumpeters Diktum: Demokratie ist die Herrschaft einer Untergruppe der Gesellschaft, die innerhalb ihrer eigenen Reihen demokratisch ist.

Diese Vorstellung – das Maß der Gleichheit und des Zusammenhalts – ist das, was ich den Mythos von der spartanischen Gleichheit zu nennen vorziehe, und den werden wir heute aufs Korn nehmen.

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Das. Ist. Nicht. Sparta. (1): Spartanische Schule

Die ikonische Szene in 300, wo Leonidas den persischen Gesandten mit den Worten „Das – Ist – Sparta!“ in den Brunnen tritt. (Bild von Lucifex hinzugefügt)

Von Bret Devereaux, übersetzt von Lucifex. Das Original This. Isn’t. Sparta. Part I: Spartan School erschien am 16. August 2019 auf dem Blog A Collection of Unmitigated Pedantry des Autors.

Dies ist Teil I einer siebenteiligen Serie (IIIIIIIVVVIVII), die das populäre Vermächtnis Spartas (verkörpert in Filmen wie 300) mit dem historischen antiken Staat vergleicht. Heute sehen wir uns zuerst die Quellen unserer Informationen über Sparta an und beginnen dann am Anfang: dem spartanischen Erziehungs- und Trainingssystem, der agoge.

Ich wußte, daß wir uns schließlich hierher begeben würden (insbesondere eine Kritik an 300 ist ein recht häufiger Leserwunsch gewesen), aber ich beschloß, dies im Kalender nach oben zu schieben, nachdem ich die einander duellierenden Artikel in der New Republic über den Wert Spartas gelesen hatte. Ich denke nicht, daß einer der beiden Artikel wirklich so umfassend war, wie er hätte sein können, und ich hatte das Gefühl, daß einer davon zutiefst irrig war – es wird bald sehr offensichtlich sein, welcher.

Spartas Vermächtnis in der amerikanischen Populärkultur ist immer markant gewesen, aber es scheint das besonders jetzt zu sein. Man sieht das spartanische Lambda (das Λ für Lakedaimon, der Name des Territoriums von Sparta) auf T-Shirts. Sparta wird auf Fitnessmotivationspostern beschworen. Berühmte spartanische Bonmots (wie molon labe – „kommt und holt sie euch“ [d. Ü.: in diesem Zusammenhang: die Waffen] werden in moderne politische Slogans verwandelt. Es gibt eine ganze populäre Serie von Hindernisläufen, genannt „Spartan race“ (eine unglückliche Formulierung, wenn ich je eine gehört habe).

Das Logo für die „Spartan Race“-Hindernisläufe. Es scheint relevant zu sein, anzumerken, daß der Helm hier ein korintischer Helm ist. Historisch wird Sparta stärker mit dem Helmtyp pilos assoziiert, einem einfachen konischen Helm aus Bronze, der das Gesicht und die Ohren freiließ, aber wahrscheinlich trugen Spartaner, was immer ihnen für ein Helm gefiel.

Es dehnt sich in den breiteren Gebrauch in der Populärkultur aus. Natürlich mußte der Hauptprotagonist von Assassin’s Creed: Odyssey ein Spartaner sein. Spartaner sind sogar eine militärische Elitetruppe in Total War: Rome II (das ein Jahrhundert nach der Zeit stattfindet, als Sparta aufhörte, eine bedeutende Militärmacht zu sein). Der Name für die Supersoldaten des Halo-Universums, einschließlich des Protagonisten Master Chief, ist Spartaner. Die Schlacht bei den Thermopylen und ihre dreihundert Spartiaten (warum sage ich nicht „Spartaner“? dazu kommen wir nächsten Woche) bekommt eine freundliche namentliche Erwähnung in Star Trek: Deep Space Nine und ein volles, liebevolles Reenactment in Samurai Jack von Cartoon Network.

Heroische Spartaner, wie sie in der Serie Samurai Jack von Cartoon Network, „Jack and the Spartans“, Staffel 2, Episode 25, auftreten. Die Schlacht bei den Thermopylen wird hier nachgespielt, aber mit den robotischen Monstern des bösen Aku als Ersatz für die persische Armee, was eine sehr wörtlich genommene Entmenschlichung ist.

Den gesamten Bogen von Spartas Präsenz in Politik und Populärkultur zu behandeln, wäre eine eigene Artikelserie, und das ist nicht das, was ich hier tun werde. Ich möchte über die wirkliche griechische polis Sparta reden, nicht über den Stadtstaat unserer Vorstellung (um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sehr die populäre Vorstellung daneben liegt, laßt mich anmerken, daß Sparta aus dem einfachen Grund kein Stadtstaat war, daß es keine Stadt hatte – es hatte stattdessen fünf Dörfer). Wir werden also vereinfachen: unser Modell für die popkulturelle Präsenz Spartas wird bloß ein Film sein: 300, entstanden unter der Regie von Zack Snyder.

Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, bedeutet das, daß 300 hier mehr als nur ein bißchen Haue kriegen wird. Ich werde ehrlich sein, 300 ist ein schuldbewußtes Vergnügen von mir gewesen. Ich denke, ich finde mich hier in einer ähnlichen Position wieder wie Dan Olsen: es ist ein zutiefst verantwortungsloser Film, und nicht bloß, weil der Soundtrack plagiiert wurde), aber isoliert gesehen ist er dennoch ein sehr wirksamer Film bei der Vermittlung der Kraft und der Emotionen, auf die er abzielt. (mehr …)

Frank Herberts „Dune – Der Wüstenplanet“, richtig gelesen

Ornithopter, die in „Dune“ verwendeten Schlagflügelflugzeuge, fliegen durch einen Einschnitt im Schildwall in die offene Wüste von Arrakis hinaus.

Von Lucifex, unter Verwendung von Zitaten aus „Dune“ und aus Greg Johnsons Artikel dazu sowie zweier Videos aus David Lynchs Dune-Verfilmung. Die Bilder sind – mit Ausnahme der Karten – Illustrationen von John Schoenherr zu „Dune“. (Ergänzt am 21. Mai 2021 um zwei Videos aus David Lynchs Film.)

„Das Fazit der Dune-Trilogie ist: nehmt euch vor Helden in Acht. [Es ist] viel besser, sich auf sein eigenes Urteil und auf seine eigenen Fehler zu stützen.“ („The bottom line of the Dune trilogy is: beware of heroes. Much better [to] rely on your own judgment, and your own mistakes.“

Frank Herbert, 1979.

Dune zielte auf diese ganze Idee vom unfehlbaren Führer ab, denn meine Sicht auf die Geschichte sagt, daß Fehler, die von einem Führer (oder im Namen eines Führers) gemacht werden, durch die Zahlen derer multipliziert werden, die ohne zu fragen folgen.“ („Dune was aimed at this whole idea of the infallible leader because my view of history says that mistakes made by a leader (or made in a leader’s name) are amplified by the numbers who follow without question.“

Frank Herbert, 1985.

Vor Kurzem habe ich Frank Herberts Science-Fiction-Roman „Dune“ („Der Wüstenplanet“) wieder einmal gelesen. Das Buch handelt ganz im Sinne dessen, was George R. R. Martin in Bat Durston, oder: Das Herz im Widerstreit über die Essenz guter Literatur geschrieben hat, von Liebe und Treue, von Ehre und Stolz versus Schändlichkeit, Intrigen und Verrat, von Mitleid und Grausamkeit, Leidenschaft und Opferbereitschaft und vom menschlichen Herz, das mit sich selbst im Widerstreit liegt. Aber es ist eines ganz bestimmt nicht: das Plädoyer für einen angeblich als Regierungsform überlegenen „archäofuturistischen“ Feudalismus, als den Greg Johnson es in Archeofuturist Fiction: Frank Herbert‘s Dune (deutsche Übersetzung hier) interpretiert hat.

Dies hat mich zu meiner eigenen vorliegenden Darstellung veranlaßt. Warnung 1: Darin werden Spoiler enthalten sein, aber das macht nicht allzu viel, da das Werk bei allen sonstigen Qualitäten die erzählerische Schwäche aufweist, selbst zu viel vorab zu verraten: Der Hauptschurke Baron Harkonnen erklärt in Besprechungen mit seinen Leuten und in seinen privaten Gedanken immer wieder, was er vorhat und wie er Dr. Yueh, den Arzt der Familie Atreides, zum Verrat erpreßt hat, und Yueh bestätigt das selbst in seinen gewissensgeplagten Gedanken, sodaß für den Leser nur noch die Einzelheiten neu sind, wenn der Angriff tatsächlich stattfindet. Und am Beginn jedes Kapitels steht ein Zitat aus einer der Schriften der Imperatorstochter Irulan, die darin in offenbarer Unkenntnis des Begriffs „Spoileralarm“ erkennen läßt, was später geschehen wird. Wer dennoch Spoilern ausweichen möchte, überfliegt am besten den Schluß der Inhaltszusammenfassung und scrollt zu „Interpretationen“ hinunter. Warnung 2: Für SF-Muggels wird dieser Artikel definitiv zu lang sein. (Video unten: der Prolog von Virginia Madsen als Prinzessin Irulan in David Lynchs Verfilmung)

Der Kosmos von Dune

„Als mein Vater, der Padischah-Imperator, vom Tode Herzog Letos – und von der Art, auf die er umkam – unterrichtet wurde, bekam er einen Wutanfall, wie wir ihn bis dahin nie gekannt hatten. Er beschuldigte meine Mutter und die Organisation, der sie angehörte, ihm eingeredet zu haben, er müsse eine Bene Gesserit auf den Thron setzen. Er verwünschte die Gilde ebenso wie den tückischen alten Baron. Er verfluchte jeden, der sich in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt und nahm nicht einmal mich davon aus und sagte, ich sei eine Hexe wie alle anderen. Als ich versuchte, ihn mit den Worten zu beruhigen, daß dies auf der Basis eines alten Gesetzes der Selbstverteidigung geschehen sei, dem auch die meisten früheren Herrscher ihre Zustimmung nicht versagt hätten, knurrte er mich an und fragte, ob ich ihn für einen Schwächling hielte. Ich verstand schließlich, daß sein Zorn nicht der Tatsache galt, daß Herzog Leto aus dem Leben geschieden war, sondern was dies für den Adel an sich – und sein Ansehen – bedeutete. Aus heutiger Sicht glaube ich zu erkennen, daß er bereits damals schon von Vorahnungen über sein eigenes Schicksal gequält wurde, was darauf zurückzuführen ist, daß er und Muad’dib der gleichen Linie entstammten.“

„Im Hause meines Vaters“, von Prinzessin Irulan (am Beginn von „Zweites Buch: Muad’dib“).

Morgendämmerung beim Palast von Arrakeen, der alten Hauptstadt von Arrakis.

Dune spielt einundzwanzig Jahrtausende in der Zukunft und zehn Jahrtausende nach einer „Butler’s Djihad“ genannten Revolte, seit der ein Verbot von Computern und Robotern mit künstlicher Intelligenz besteht, das verschiedene Organisationen zur Weiterentwicklung der menschlichen Fähigkeiten veranlaßt hat. Die politische Ordnung des von Menschen besiedelten Teils der Galaxis beruht auf einem Gleichgewicht zwischen drei Hauptkräften: der Raumgilde, dem nur aus Frauen bestehenden Orden der Bene Gesserit und einer Feudalaristokratie mit einem Padischah-Imperator an der Spitze.

Die Raumgilde hat das Monopol auf die interstellare Raumfahrt und kontrolliert durch ihre Transportgebühren die Preise für interstellar gehandelte Güter. Alle anderen Akteure, auch die Adelshäuser einschließlich des Imperators, sind darauf angewiesen, ihre nicht mit Überlichtantrieben ausgestatteten Raumschiffe von der Gilde in ihren gigantischen Heighlinern in andere Sonnensysteme mitnehmen zu lassen. Die Gilde garantiert vordergründig ihre Neutralität zwischen den Adelshäusern und bietet Verlierern von Konflikten die Möglichkeit, auf ihren außerhalb des Imperiums liegenden neutralen Planeten Tupile ins Exil zu gehen. Da die Kommunikation zwischen den Sonnensystemen ebenfalls nur über die Gildeschiffe läuft, hat die Gilde auch das Monopol des interstellaren Bankwesens. All dies verschafft der Gilde eine enorme Macht, die es den Aristokraten verunmöglicht, gegen sie vorzugehen. Als Konsequenz des Computerverbots sind die Gildenavigatoren neben ihrer gesteigerten mathematischen Begabung auf die hellseherischen Fähigkeiten angewiesen, die ihnen die bewußtseinserweiternde Droge Melange, meist einfach Gewürz genannt, für die Wahl des richtigen Kurses gibt, wenn sie den Raum mit den Holtzman-Generatoren ihrer Sternenschiffe falten (unten die Szene aus David Lynchs Film, wo die Atreides mit der Raumgilde von ihrem Heimatplaneten Caladan nach Arrakis fliegen).

Dieses Gewürz, das außerdem die menschliche Lebensspanne auf bis zu drei Jahrhunderte verlängern kann und auch von anderen wie den Bene Gesserit und den Mentaten für ihre Zwecke genutzt wird, ist die wertvollste Substanz im bekannten Universum, und da es nicht synthetisiert werden kann und nur auf dem Wüstenplaneten Arrakis alias Dune vorkommt, ist diese Welt eine der wichtigsten und am profitabelsten auszubeutende der Galaxis.

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Gegen Mishima: Sex, Tod und Optik in der dissidenten Rechten

Von Dr. Andrew Joyce, übersetzt von Lucifex. Das Original Against Mishima: Sex, Death and Optics in the Dissident Right erschien am 8. Januar 2020 auf The Occidental Observer.

„Man erfährt aus Confessions of a Mask, wie Mishima „Tscherkessen“ (weiße Jungen) in seinen Träumen zu Dutzenden dem Schwert überantwortete.”
Henry Scott Stokes, The Life and Death of Yukio Mishima

„Mishima ist mehr eine Gestalt der Parodie als eine Kraft der Politik.”
Alan Tansman, The Aesthetics of Japanese Fascism

Ich las mit großem Interesse Guillaume Durochers kürzlich in Unz Review erschienenen Artikel über Yukio Mishimas Kommentar zum Hagakure, dem im achtzehnten Jahrhundert verfaßten Leitfaden zum Bushido, oder der japanischen Kriegerethik. Ich bewerte Durochers Arbeit sehr hoch, und als jemand, der einst sein Interesse an Mishima und an der japanischen Kultur allgemeiner teilte, erwartete ich, daß sein Artikel gut informiert, einsichtsvoll und anregend sei. So sehr ich von Durochers Text fasziniert war, denke ich doch, daß die dissidente Rechte von einer alternativen Sicht auf Mishima profitieren würde, und vielleicht auch auf das Thema der japanischen Kultur im Kontext europäischer rechter Einstellungen, besonders wenn andere rechte Betrachtungen Mishimas als jene von Durocher (die in der Bewertung von Mishimas Romanen angemessen wohlüberlegt ist) zur Hagiographie tendieren. Im folgenden Essay biete ich nicht unbedingt eine Widerlegung oder einen Tadel von Durocher, sondern eine alternative Linse, durch die man den japanischen Autor, sein Leben und seine Politik betrachten sollte. Nachdem die Auswahl der Helden einer Bewegung eine Auswirkung auf ihren Geist und ihr Ethos haben kann, sollte das Folgende als Versuch einer spirituellen Ophthalmologie betrachtet werden, oder bestimmte Perspektiven in einen klareren Fokus zu bringen. Dieser klarere Fokus, behaupte ich, kann nur zu dem Schluß führen, daß Mishima ein zutiefst ungesundes und unorganisches Individuum war, das als Greuel für europäisch-nationalistisches Denken betrachtet werden sollte.

Mein erster Kontakt mit Yukio Mishima erfolgte vor mehreren Jahren in Form einer Aufzeichnung eines 2011 vom verstorbenen Jonathan Bowden beim 10. New Right Meeting gehaltenen Vortrags.

Bowden war ein außergewöhnlicher Redner, für den man unter den gegenwärtigen Führern der dissidenten Rechten erst einen finden muß, der ihm gleichkommt. Tatsächlich fürchte ich, daß, während wir uns immer weiter in die Muster von YouTube-gestütztem „content producing“ bewegen, Redekunst in der Art von Bowden zu einer zunehmend seltenen Kunst wird. Eine von Bowdens großen Stärken als Redner war die Fähigkeit, dichte Themen und biographische Übersichten zu nehmen und sie auf etwa eine Stunde dynamischen, unterhaltsamen und extrem zugänglichen Kommentars zu reduzieren. Diejenigen, die sich im Publikum befanden oder auf andere Weise zuhörten, fanden es unmöglich, ihre Aufmerksamkeit abschweifen zu lassen. Ein Nachteil von Bowdens Redekunst war, daß sie sich nicht ganz so gut auf Papier übertragen ließ und oft Bowdens Bewußtseinsstrom folgte statt einem logischeren und strukturierterem Verlauf, mit dem Ergebnis, daß man beklagt, daß Bowden sich nicht auch auf eine formalere Art von Wissenschaft fokussierte, die sicherlich ein monumentales und dauerhaftes Vermächtnis für die Bewegung dargestellt hätte, der er soviel widmete. Nach Lage der Dinge ist die Rettung von Bowdens Vermächtnis zum Großteil die Aufgabe gewesen, verlorene Aufzeichnungen seiner Reden aufzuspüren, eine Aufgabe, bei der Counter-Currents in bewundernswerter Weise die Führung übernommen hat.

Bevor ich Bowden über Mishima zuhörte, hatte ich bereits ein Interesse an der japanischen Geschichte und Kultur entwickelt. Ich trainierte mehrere Jahre lang Jiu-jitsu, verbrachte in meinen frühen 20ern viel Zeit mit dem Lesen der Werke von D. T. Suzuki und Shunryu Suzuki über den Zen-Buddhismus (Ersterer hatte auch einige interessante und sympathisierende Dinge über Nationalsozialismus und Antisemitismus zu sagen), und Brian Victorias Zen at War von 1997 bleibt eines der interessantesten Werke über die Geschichte von Religion und Kriegführung, die zu lesen ich bisher das Vergnügen hatte. Irgendwie war jedoch Mishima bis zu Bowdens Vortrag, der in Wirklichkeit nur die gröbste und grundlegendste Vorstellung des Mannes bot, meiner Aufmerksamkeit entgangen. Bowden präsentierte Mishima als rechten Denker, erläuterte aber nie so recht, warum. Er deutete an, daß Mishima einige Relevanz für die europäische Rechte hatte, konnte aber nicht artikulieren, wie. Der Vortrag plazierte Mishima nur ungeschickt in die beinahe zeitgenössische japanische Kultur, und Bowden selbst bekundete Zweideutigkeit und Unverständnis über die Gründe, warum Mishima seine nun berüchtigte finale Selbstmordaktion unternahm. Wer war Mishima? Warum war er relevant? Im Versuch, bei diesen losen Enden nachzuhaken, und im Vertrauen auf Bowden, daß der Versuch die Mühe wert sein würde, verbrachte ich etwa ein Jahr damit, mich durch Mishimas Romane und Biographien, durch wissenschaftliche Arbeiten und anderen Formen von Kommentaren über Mishimas Leben und Tod zu lesen. Das Ergebnis meiner Recherche war eine Flut von Notizen, von denen nun viele den Weg in diesen Artikel finden werden, und tiefe Enttäuschung darüber, daß solch eine Gestalt jemals in unseren Kreisen beworben werden konnte.

Die Erläuterung, wie und warum es dazu kam, daß Mishima in Winkeln der europäischen Rechten beworben wurde, erfordert, daß man sich dem stellt, was man „den Mishima-Mythos“ nennen könnte, oder den vagen und propagandisierten Umrissen dessen, was Yukio Mishimas Biographie und vermutete Ideologie ausmachte. Der Mishima-Mythos geht ungefähr so:

Yukio Mishima war ein begabter und produktiver japanischer Autor und Dramatiker, der über den politischen und spirituellen Entwicklungsweg des modernen Japan zutiefst desillusioniert wurde; beeinflußt von der Samurai-Tradition und von westlichem Denken, besonders von der Philosophie Nietzsches, unternahm er ein Programm der radikalen Selbstverbesserung; er begann mit dem Bodybuilding und gründete seine eigene 100köpfige Privatarmee – die Schildgesellschaft; er führte seine Armee in einen versuchten Staatsstreich an einer Militärbasis, nahm einen sehr hochrangigen Offizier als Geisel und forderte, daß alle Soldaten ihm in seiner Ablehnung der Nachkriegsverfassung folgen und die Wiedereinsetzung des Kaisers in seinen Vorkriegsstatus als Gottheit und höchster Führer unterstützen; und schließlich, als er von den Soldaten abgelehnt und verspottet wurde, nahm er sich das Leben mittels seppuku, die rituelle Ausweidung in der Tradition der Samurai.

Gelegentlich werden rechte Bewerber von Mishima wegen der zusätzlichen Wirkung hinzufügen, daß er 1968 ein Stück mit dem Titel Mein Freund Hitler schrieb, das trotz des provokanten Titels politisch mittelmäßig ist und genauso oft als antifaschistisch wie als faschistisch interpretiert worden ist. Zusammengefaßt nimmt man an, daß die relevanten Faktoren hier die sind, daß Mishima ein autoritärer, monarchistischer „Mann der Tat“ war, der die Kontrolle über sein eigenes Leben übernahm und seine Nation vom leeren Konsumismus abzubringen versuchte (Stichwort für den Applaus). Somit wird Mishimas Ideologie im Mishima-Mythos, statt sich auf seine tatsächlichen Schriften über Faschismus und Politik zu fokussieren, aus ausgewählten Kapiteln seines Lebens gelesen, besonders aus seinen letzten Handlungen. Mishima wird zu einem Mann der Rechten, weil er Mishima war, wegen, dem, was er tat. Dies, so lautet das Narrativ, ist der Grund, warum er für uns relevant sein sollte.

Eine Kritik am Mishima-Mythos ist daher notwendigerweise ad hominem, nachdem es ein offenkundiges Fehlen von Ideen gibt, gegen die man argumentieren könnte, und nachdem der Mythos bloß ein Gemisch aus Ausschnitten editierter und stark gesäuberter Biographie ist. Trotz einer Fülle englischsprachiger Biographien betreiben rechte Bewerber von Mishima selten eine ernsthafte Erforschung von Mishimas Leben und ziehen es vor, sich auf hagiographische Darstellungen ausgewählter Episoden zu fokussieren, besonders auf ihre Interpretation des dramatischen Todes. Dies sollte der erste Grund zur Vorsicht sein, und es war sicherlich meiner. Der Hauptgrund für dieses Ausweichen ist, wie ich herausfinden sollte, tiefe Peinlichkeit, nachdem Mishimas Leben hinsichtlich rechter Politik, oder eigentlich Politik jeder Art, dünn ist, und eine starke Schlagseite in Richtung homosexueller Sadomasochismus hat (was bei weitem nicht der einzige fragwürdige Aspekt des Mishimaismus ist). Aber wir greifen vor. Fangen wir am Anfang an.

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