Von Max Meinrad Krieg, aus der Serie „Sturmgewehre“ des „Schweizer Waffen-Magazins“, Heft 6-1984.
Das Fallschirmjägergewehr 1942 (FG 42) sollte Maschinenpistole, Gewehr, Scharfschützenwaffe und leichtes Maschinengewehr ersetzen, Ansprüche, denen diese qualitativ und konstruktiv sehr gute Waffe erstaunlich weitgehend gerecht werden konnte.
Die deutsche Luftwaffe, der die Fallschirmjäger unterstellt waren, betonte immer ihre Eigenständigkeit gegenüber dem Heer; dies konnte sie vornehmlich auch deshalb, weil ihr Chef der einflußreiche Hermann Göring war. Diese Eigenständigkeit führte dann zur Entwicklung des FG 42.
Deutschland setzte als erstes Land der Welt Fallschirmjäger in großem Maßstab ein; eine Truppe, die damals nur mit ihrer persönlichen Waffe ins Gefecht gehen konnte. (Heutige Fallschirmjäger sind hierin besser gestellt, moderne Lastfallschirme ermöglichen den Abwurf selbst von Panzern!) Diese Unzulänglichkeit in der Bewaffnung, 98 k oder MP 38/40, zeigte sich denn z. B. in den hohen Verlusten bei der Besetzung von Kreta.
Das Waffenamt der Luftwaffe forderte deshalb ein automatisches Gewehr, dessen Spezifikationen eigentlich über diejenigen eines Sturmgewehrs hinausgehen (!):
- Länge maximal 1 m,
● Gewicht maximal wie das des 98 k (3,9 kg),
● im Einzel- und Seriefeuer kontrollierbar,
● als LMG einsetzbar,
● als Scharfschützengewehr tauglich,
● mit Möglichkeit, Gewehrgranaten zu verschießen (diese Forderung wurde später fallengelassen),
● zum Bajonettkampf geeignet,
● die normale Patrone 7,92 x 57 verschießend.
Die Forderung, daß die Waffe auch als Scharfschützengewehr und LMG eingesetzt werden sollte, verlangte eine große Einsatzdistanz und ließ die Luftwaffe die Entwicklung, die zum Stgw 44 führen sollte, ablehnen und auf einer Eigenentwicklung beharren. (Die beschränkte Einsatzdistanz des Stgw 44 ließ Hitler das FG 42 lange bevorzugen; so wurde seine Leibstandarte SS mit den allerersten FG 42 ausgerüstet!)
Die Firmen Mauser, Walther, Gustloff, Rheinmetall und Krieghoff wurden 1940 aufgefordert, sich an der Entwicklung gemäß obigem Pflichtenheft zu beteiligen. Aber nur Rheinmetall und Krieghoff lieferten Anfang 1942 erste Prototypen ab; die anderen Firmen wollten das Heer als Hauptauftraggeber offensichtlich nicht verärgern. Der Waffe von Rheinmetall, einer Entwicklung von Louis Stange, einem Schüler von Louis Schmeisser, wurde der Vorzug gegeben, und sie wurde als FG 42 bei den deutschen Fallschirmjägern eingeführt. Die Fertigung jedoch erfolgte aus Kapazitätsgründen dann bei Krieghoff.
Mit Ausnahme des Handschutzes aus Holz ist das FG 42 ausschließlich aus Metall hergestellt. Wohl wurden an Kolben, Pistolengriff und Zweibein Stanzteile verwendet; die anspruchsvollen Forderungen – geringes Gewicht bei hoher Belastung – konnten jedoch nur durch die Verwendung von hochvergüteten Stählen, damals eine Mangelware, und eine anspruchsvolle Fertigung erfüllt werden. Alle belasteten Teile, wie Verschlußgehäuse, Verschluß und vor allem Lauf, wurden aus vollem Material gefräst. Da der Chromnickelstahl der Prototypen bereits nicht mehr erhältlich war, wurde die erste Serie des FG 42 aus Magnesiumstahl gefertigt. Das FG 42 konnte aus diesem Grunde keine billige Massenwaffe sein; die erste Serie wurde nur in rund 2000 Exemplaren gefertigt, dann war der teure Spezialstahl nicht mehr verfügbar.
Im FG 42 wurden verschiedene Konstruktionsmerkmale verwendet, denen wir teilweise in modernsten Waffen wieder begegnen. Die kurze Bauweise wurde dadurch erreicht, daß das System voll in den Schaft hineingebaut wurde; eine Lösung, die beispielsweise beim Steyr AUG und beim FAMAS „Clairon“ wieder befolgt wird!
Lauf, Verschluß und Schaft – und Schulter des Schützen – bilden eine Gerade. Dadurch wird der Rückstoßimpuls geradlinig nach hinten geleitet und vermindert so das „Steigen“ der Waffe. Da aber die Visierlinie dadurch deutlich über den Waffenkörper zu liegen kommt, mußten Visier und Korn entsprechend hoch plaziert werden; im Falle des FG 42 sind sie abklappbar. Auch diese Merkmale finden sich bei modernen Sturmgewehren. Alle FG 42 sind zur Montage eines Zielfernrohres vorbereitet.
Das FG 42 ist ein Gasdrucklader mit Drehwarzenverschluß. Das untenliegende Gasgestänge ist gleichzeitig Verschlußträger und läßt nach der Schußauslösung im Zurückgehen den Verschluß ausdrehen. Dieser zieht dann die leere Hülse mit, die anschließend nach rechts ausgeworfen wird. Nach dem Auftreffen des Verschlusses auf den Puffer geht das Ganze unter dem Druck der Schließfeder wieder nach vorn, und der Verschluß verriegelt sich. Noch ist aber das Gasgestänge nicht in seiner vordersten Stellung angelangt. Erst nach Betätigung des Abzuges gleitet es in seine vorderste Lage und schlägt dabei, unterstützt durch eine Feder im Verschluß, den Schlagbolzen nach vorn.
Dies ist jedoch der Ablauf im Einzelfeuer, denn das FG 42 schießt nur im Einzelfeuer aus geschlossenem Verschluß, um eine größere Präzision zu erreichen. Im Seriefeuer bleibt der Verschluß nach Loslassen des Abzuges in offener Stellung hinten stehen, damit in Feuerpausen eine bessere Kühlung möglich ist und bei heißgeschossener Waffe keine Selbstzündung auftreten kann. Mechanisch wird dies durch eine seitlich schwenkbare Fangklinke erreicht, die im Einzelfeuer das Gasgestänge in vorderer, im Seriefeuer hingegen in hinterer Stellung fängt. Das FG 42 ist somit die einzige in Serie gegangene Waffe, die sowohl auf- als auch zuschießend war.

Feuerwahlhebel: Das FG 42 schießt Einzelfeuer aus geschlossenem Verschluß, Seriefeuer aus offenem Verschluß.
Die Magazinzuführung erfolgt von links, was die Balance der Waffe stört. Da aber der Verschluß oberhalb des Gasgestänges liegt, war dies die bessere Lösung; eine Zufuhr von oben wäre in die Visierlinie zu liegen gekommen.
Der Lauf trägt eine große Mündungsbremse, die zudem als Feuerscheindämpfer wirkt. Unterhalb des Laufes befindet sich das umsteckbare Bajonett, welches durch das beigeklappte Zweibein verdeckt wird. Das geringe Gewicht und die kurze Bauweise überraschen immer wieder, und wir waren gespannt, wie sich das FG 42 im Schuß verhält.
Der Knall und der Rückstoßimpuls sind recht stark. Aber der durch Puffer gefederte (!) Blechschaft und die geradlinige Weitergabe des Rückstoßes sowie die Mündungsbremse mildern die Auswirkungen auf den Schützen spürbar. Erstaunlich ist auch, daß der stark schrägstehende Pistolengriff in jeder Stellung angenehm in der Hand liegt. Links oberhalb dieses Griffes findet sich der Feuerwahl- und Sicherungshebel.
Im Einzelfeuer lassen sich auf 300 m Schußbilder um 15 cm erzielen, wobei wir bei nicht idealen Wetterverhältnissen schossen. Im Seriefeuer sind nur kurze Feuerstöße sinnvoll, denn dann bleibt die Waffe trotz ihres geringen Gewichts noch kontrollierbar. Für einen Sturmangriff oder als leichte Unterstützungswaffe ist das FG 42 somit absolut geeignet. Für reines Dauerfeuer ist das FG 42 zu leicht und „rüttelt“ dann sehr stark.

Das Fallschirmjägergewehr 42, ein Gasdrucklader mit Drehverriegelung, zerlegt. Unterhalb des Laufs mit dem angeklappten Zweibein ist das Nadelbajonett zu sehen, das jenem des französischen Repetiergewehrs MAS 36 sehr ähnelt.
Zusammenfassend können wir sagen, daß wir vom FG 42, welches ja eine normal starke Gewehrpatrone verschießt, positiv beeindruckt waren. Wir kennen moderne Sturmgewehre, die sich nicht so angenehm schießen lassen.
Als die teuren Spezialstähle nicht mehr erhältlich waren, mußte das FG 42 zur Verwendung von gewöhnlichem Carbonstahl umkonstruiert werden. Dieser zweite Typ, meist FG 42/II genannt, wurde um gut 1 kg schwerer und rund 20 cm länger. Äußerlich unterscheidet er sich durch zusätzliche Verwendung von Holz im Schaft und Pistolengriff, wobei der letztere nun praktisch senkrecht steht. Auch von diesem Typ wurden nur gut 3000 Stück hergestellt, sodaß die Gesamtproduktion aller FG 42 nur um 6000 Waffen liegen dürfte.
Da die Mehrzahl der FG 42 im harten Kampf zerstört wurden oder verlorengingen (Monte Cassino!), sind die wenigen noch erhaltenen Exemplare heute begehrte Sammler- und auch Studienstücke.
Daten FG 42:
Kaliber: 7,92 x 57 mm (8 mm Mauser, 8 x 57 IS)
System: Gasdrucklader, Drehverriegelung
V0: 760 m/s
E0: 400 mkg / 3925 J
Kadenz: 750 Schuß/min.
Lauflänge: 500 mm
Gesamtlänge: 948 mm
Gewicht: 4,5 kg
Züge: 4, Rechtsdrall
Magazinkapazität: 10 oder 20 Schuß
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Buchempfehlung:
„WAFFEN IM EINSATZ Band 8: Fallschirmjägergewehr 42“ von Guus de Vries
Und hier noch drei Videos über das FG 42:
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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.
Lucifex
/ April 29, 2020In dem folgenden 12:43 min. langen InRange-Video tritt Karl Kasarda mit einem Fallschirmjägergewehr 42 der zweiten Ausführung (in .308, also wohl ein Nachbau) und einer Walther P 38 in einem 2-Gun-Actionmatch gegen Ian McCollum mit dem amerikanischen Selbstladegewehr M1 Garand und einer Ballester Molina (praktisch eine Colt Government M 1911) an:
Karl gewinnt dabei, und sein Fazit ist, daß das Zielfernrohr des FG 42 zwar auf kurze Entfernung (50 m) trotz der besseren Zielmöglichkeit den Nachteil hatte, daß der Zielwechsel – das Finden der jeweils nächsten Ziele – wegen des engen Gesichtsfeldes erschwert war; auf 100 und 200 Meter brachte es dann einen klaren Vorteil. Er sagt, daß das FG 42 eine feine Waffe ist und sich dank der wirksamen Mündungsbremse und des im Kolben gepufferten Rückstoßes trotz der starken Patrone wie ein AR-15 schießt, und er würde sich zutrauen, damit in einem Match gegen jede moderne Waffe bestehen zu können. Er würde es auch, wenn er im Zweiten Weltkrieg kämpfen hätte müssen, dem Garand M1 vorziehen; er würde es sogar jetzt im Kampfeinsatz nehmen.
Ian McCollum stimmt ihm zu und sagt, obwohl er ein M1-Fan sei, müsse er zugeben, daß der Garand im Vergleich zum FG 42 wegen der Magazinkapazität und der Eisenvisierung etwas beschränkt sei.
Nachtrag: Von Ian McCollum ist gerade das Video „FG-42: Perhaps the Most Impressive WW2 Shoulder Rifle“ erschienen (über das FG 42E mit der Seriennummer 1864, eines der letzten hergestellten Exemplare der ersten Serienausführung von etwa 2000 Stück):