Gebrauchswaffen: Zuverlässigkeit als Hauptkriterium

Von Dipl.-Ing. Manfred Ertl, aus „Internationales Waffen-Magazin“ 3-1997.

Die Zuverlässigkeit ist eines der wichtigsten – wenn nicht das wichtigste – Kriterien bei der Beurteilung von Gebrauchswaffen. Was Störungen verursacht und wie sie zu vermeiden sind, ist für den Gebrauchswaffenträger genauso wichtig, wie Ziehzeiten und Trefferergebnisse.

Waffen kann man nach sehr unterschiedlichen Kriterien bewerten. Welche dieser Kriterien im Einzelfall relevant und dominierend sind, hängt in erster Linie vom Verwendungszweck ab. Jäger, Gebrauchswaffenträger und Sportschützen stellen eben durchaus verschiedene Forderungen an eine Waffe. Es macht daher oft wenig Sinn, von einer guten oder schlechten Pistole zu sprechen, ohne zu erklären, für welchen Verwendungszweck sie vorgesehen ist. Extrem wird dies, wenn man z. B. die Auswahlkriterien von Sammlern betrachtet. Dort spielen Eigenpräzision oder Ergonomie der Bedienungselemente logischerweise überhaupt keine Rolle. Den ernsthaften Sammler interessiert vielmehr, ob die einzelnen Teile nummerngleich sind, ob Originalzubehör existiert und wie groß die Auflage einer bestimmten Serie war. Hierbei handelt es sich allerdings um einen sehr speziellen Kreis von Waffenbesitzern, für den das Schießen und Treffen in der Regel nicht im Vordergrund steht.

Aber auch bei den Waffenbesitzern, die vor allem am Schießen und Treffen interessiert sind, kann die Bewertung einer bestimmten Waffe sehr unterschiedlich ausfallen. Wer an olympischen Wettbewerben im klassischen Pistolenschießen teilnehmen will, wird mit Sicherheit nur eine Waffe in die engere Wahl ziehen, die ihm ein hohes Maß an Präzision bietet. Zehn Millimeter mehr oder weniger Streuung können in diesem Bereich schon über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Bei einer Gebrauchswaffe sieht das ganz anders aus. Ob eine Pistole, die als Verteidigungswaffe vorgesehen ist, eine Eigenstreuung von 40 oder 70 mm auf 25 m Schußentfernung aufweist, ist kein maßgebliches Entscheidungskriterium. Bei einer wahrscheinlichen Kampfentfernung von weniger als 10 m oder sogar weniger als 5 m, wie sie in den meisten zivilen Verteidigungsszenarien zu erwarten ist, verringert sich nämlich die auf 25 m ermittelte Streuung auf Bruchteile dieses Wertes. Damit erreicht die Eigenpräzision eine Größenordnung, die nur einen Bruchteil vom Schützenfehler beträgt, der beim schnellen Schuß auf kurze Entfernungen zu erwarten ist. Da die einzelnen Streuungskomponenten aber nach den Regeln der Fehlerrechnung quadratisch in die Gesamtstreuung eingehen, wirkt sich immer der Teil, der deutlich kleiner als andere Streuungsanteile ist, nur noch sehr gering auf die Gesamtstreuung aus. Im Klartext bedeutet dies, daß ein Unterschied im Streukreis von 50 oder 70 mm, der auf eine Schußentfernung von 25 m ermittelt wurde, beim schnellen Schuß auf 5 m Entfernung praktisch keinen Einfluß auf die Qualität der Trefferlage mehr hat. Schon dieses einfache Beispiel zeigt, wie falsche Annahmen und Schwerpunktsetzungen zu irrationalen Entscheidungen bei der Auswahl einer Gebrauchswaffe führen können. Orientiert man sich in diesem Entscheidungsprozeß an den wirklichen Erfordernissen einer bewaffneten Auseinandersetzung, gewinnen ganz andere Kriterien an Bedeutung.

Eines dieser Kriterien ist die Zuverlässigkeit der Waffe. In der Praxis ist dieses Kriterium erheblich bedeutender als die reine Präzision oder andere favorisierte Leistungsmerkmale von Schußwaffen. Allerdings ist ein Merkmal wie die Zuverlässigkeit nicht so leicht interpretierbar wie Streukreise oder V0-Werte. Würde man aber eine Reihenfolge der wichtigsten Merkmale einer Gebrauchswaffe aufstellen, würde die Zuverlässigkeit mit Sicherheit den ersten Platz einnehmen. Dies ergibt sich bereits aus einfachen Überlegungen.

Waffenstörungen

Eine Ablage des Treffpunktes von einigen Zentimetern hat in den meisten Fällen auf den Ausgang eines Feuergefechtes kaum einen Einfluß. Eine ernsthafte Waffenstörung wird die eigenen Chancen aber immer dramatisch reduzieren, häufig sogar auf Null setzen. Und selbst wenn eine Waffe im Ernstfall einwandfrei funktioniert, wird sie für den Schützen zur psychischen Belastung und zum Risikofaktor, wenn er aus der Erfahrung vom Schießstand her weiß, daß seine Waffe häufig zu Störungen neigt. Die Zuverlässigkeit und das Wissen, daß die eigene Waffe hundertprozentig funktioniert, ist daher eine der materiellen Grundvoraussetzungen, um ein Feuergefecht erfolgreich zu überstehen. Um die Zuverlässigkeit einer Waffe zu einem Bewertungskriterium zu machen, muß man aber erst einmal definieren, was man darunter versteht, und festlegen, wie man sie in die praxisorientierte Bewertung einer Schußwaffe mit einbeziehen will. Ein einfacher und weit verbreiteter Ansatz hierzu ist die Angabe der Zuverlässigkeit als Anzahl von Störungen während eines Benutzungszeitraums oder einer bestimmten Anzahl von Schüssen. Je geringer dabei die Anzahl derartiger Störungen ausfällt, desto zuverlässiger ist die jeweilige Waffe folglich.

Schon bei dieser Vorgehensweise fällt auf, daß Zuverlässigkeit kaum auf die Waffe allein bezogen werden kann, sondern immer im Zusammenhang mit der verwendeten Munition gesehen werden muß. Nur die Waffe selbst zu betrachten, wäre kaum sinnvoll, denn in diesem Fall könnte Zuverlässigkeit nur bedeuten, daß der mechanische Funktionsablauf in der Waffe sichergestellt ist. Dies ist für den realen Gebrauchswert einer Waffe aber relativ wenig aussagekräftig. Daß die einzelnen Teile einer Waffe mechanisch richtig zusammenarbeiten, kann man bei den gängigen Modellen eigentlich immer voraussetzen. Fehler, die man ohne Schußabgabe feststellen kann, wie eine gebrochene Auszieherkralle oder verbogene Magazinlippen, sind eigentlich immer auf Beschädigungen zurückzuführen und daher eher eine Ausnahme als eine prinzipielle Eigenschaft der betrachteten Waffe. Ob eine Patrone aber in einer unbeschädigten Waffe zündet und die nächste Patrone sicher zugeführt wird, läßt sich normalerweise kaum durch eine optische Begutachtung der Waffe allein feststellen. Selbst allgemeine Erfahrungswerte von anderen Waffen her, z. B. über günstige und ungünstige Neigungen von Zuführrampen, usw., lassen im konkreten Einzelfall nur sehr unsichere Prognosen darüber zu, ob eine bestimmte Waffe störungsfrei schießt.

Oft eignen sich solche Erfahrungswerte besser, um häufige Störungen retrospektiv zu erklären, als solche Störungen auf der Basis eines bloßen Augenscheins vorherzusagen. Um die Zuverlässigkeit einer Waffe zu ermitteln, kommt man also nicht umhin, größere Serien zu schießen, und diese nach ihrer Störungshäufigkeit auszuwerten. Da Zuverlässigkeit eine statistische Größe ist, braucht man eben entsprechend große Stichproben, um eine verkäßliche Aussage darüber machen zu können.

Zuverlässigkeit bei großen Serien

Dabei zeigt sich, daß die meisten Gebrauchswaffen, die in einigermaßen großen Serien Verbreitung gefunden haben, im Zusammenhang mit Fabrikmunition technisch eine Zuverlässigkeit besitzen, die man zumindest als ausreichend bezeichnen kann. Hohe Fertigungsstandards und starke Konkurrenz haben bei den meisten gängigen Fabrikaten zu einer Serienreife geführt, bei der man eine einwandfreie Funktion der Waffe voraussetzen kann, solange man keine Munition verwendet, die von den gebräuchlichen Ladedaten und Geschoßformen zu sehr abweicht.

Übliche Kriterien, wie z. B. maximal ein bis zwei Funktionsstörungen pro tausend Schuß bei einer Selbstladepistole, werden von den meisten gängigen Modellen grundsätzlich erfüllt. Es hat hier auch wenig Sinn, einzelne Marken zu benennen, da sich Fertigungstoleranzen, Materialqualitäten und konstruktive Details manchmal von Fertigungslos zu Fertigungslos ändern und auch innerhalb einer Serie nicht unbedingt konstant sein müssen. Außerdem schützt auch die Tatsache, daß bestimmte Modelle, wie z. B. die CZ 75 oder die FN High Power, sich über lange Jahre als sehr zuverlässig erwiesen haben, nicht davor, daß eine ganz bestimmte Pistole dieses Typs im Einzelfall überdurchschnittlich viele Störungen produziert. Scheinbar gibt es bei Waffen eben auch etwas Analoges zum sogenannten „Montagsauto“. Im konkreten Fall muß man sich immer selbst davon überzeugen, ob eine Verteidigungswaffe hundertprozentig funktioniert. Bevor man nicht zumindest tausend Schuß mit einer Selbstladepistole geschossen und sich dabei von ihrer Zuverlässigkeit überzeugt hat, sollte man sie nicht zum ständigen Begleiter machen.

Auch einen Revolver sollte man nicht aus der Schachtel heraus gleich ins Holster stecken und davon ausgehen, daß er im Falle eines Falles hundertprozentig funktioniert. Allerdings kann man sich hier auf eine Erprobungsphase von einigen hundert Schuß beschränken, da die Störungsursachen bei Revolvern von anderer Natur sind als bei Selbstladepistolen und in der Regel früher erkannt werden.

Die empirische Methode, sich von der Zuverlässigkeit einer Waffe zu überzeugen, indem man größere Serien an Munition damit verschießt, ist natürlich nur für die Kombination aus Waffe und Munition aussagekräftig, die man für die Erprobungsphase verwendet hat. Selbst bei einem Wechsel zu einem Munitionstyp mit gleicher Geschoßform und ähnlichen ballistischen Daten muß die nachgewiesene Funktionssicherheit nicht unbedingt erhalten bleiben. Eine etwas andere Gestaltung der Auszieherrille oder des Patronenbodens kann im Extremfall zu Störungen führen, die man kaum voraussagen kann. Diese Fälle sind zwar nicht sehr häufig, dennoch sollte man im Ernstfall nur die Munition in der Waffe führen, von der man sicher und aus Erfahrung weiß, daß sie mit der eigenen Waffe harmoniert. Jedes Experimentieren auf diesem Gebiet wird andernfalls zu einem zusätzlichen Risikofaktor. Besonders deutlich wird dies, wenn man aus Selbstladepistolen Munitionstypen wie Hohlspitzgeschosse, Teilmantelflachkopfprojektile oder Patronen mit stark von der Norm abweichendem Gasdruck verschießen will. Ob die mit normaler Fabrikmunition mit Ogivalgeschoß nachgewiesene Zuverlässigkeit dann noch vorhanden ist, kann man nur feststellen, wenn man es ausprobiert. Bei den meisten halbautomatische Waffen werden sich – auch wenn die Pistole mit der neuen Munition grundsätzlich schießt und zuführt – zumindest Abstriche in der Zuverlässigkeit ergeben. Wo man hier den Schwerpunkt setzt oder den Kompromiß sucht, ist dann letztlich eine individuelle Entscheidung. Im Zweifelsfalle sollte man aber immer der Zuverlässigkeit den höheren Stellenwert einräumen. Eine nicht so wirkungsvolle Patrone, die eine einwandfreie Waffenfunktion gewährleistet, ist immer die bessere Alternative als eine noch so wirkungsvolle Laborierung, bei der man nie weiß, ob die zweite oder dritte Patrone auch noch zugeführt wird und abgefeuert werden kann.

Diese Munitionsabhängigkeit der Waffenfunktion trifft natürlich in besonderem Maße auf die Selbstladepistolen zu, ganz verdrängen sollte man sie aber auch als Revolverschütze nicht. Zwar ist hier der Funktionsablauf der Waffe unabhängig von Gasdruck und Rückstoß, aber in seltenen Fällen kann die Munition auch beim Revolver zu ernsthaften Störungen führen. So können z. B. nach hinten aufgeblähte Zündhütchen das Weiterdrehen der Trommel nachhaltig erschweren oder verhindern. Die Ursache dieser Störung kann sowohl bei der Munition selbst als auch beim Revolver liegen, wenn bei diesem der Abstand zwischen Trommel und Stoßboden zu gering ist.

Eine andere munitionsbedingte Störung bei Revolvern liegt darin, daß bestimmte Hülsen nach dem Schuß so fest in den Kammern sitzen, daß man die Auswerferstange schon gegen einen Tisch oder einen anderen festen Gegenstand drücken muß, um die leeren Hülsen zu entfernen. Dies ist zwar keine Störung, welche die eigentliche Schußabgabe verhindert. Doch wenn man im laufenden Feuergefecht nachladen muß und die verschossenen Hülsen nur unter großen Schwierigkeiten entfernen kann, ist dies mit Sicherheit eine ähnliche Beeinträchtigung wie eine verklemmte Hülse bei der Selbstladepistole. Auch hier kann die Ursache sowohl bei der Munition als auch bei der Waffe liegen. Zu hohe Gasdrücke in Verbindung mit zu leicht verformbaren Hülsen kommen gleichermaßen als Auslöser für diese Störung in Frage, wie zu enge, bzw. zu rauhe Trommelkammern. Tritt eine derartige Störung nur bei einer bestimmten Munitionssorte auf, kann man sie leicht dadurch vermeiden, daß man diese Sorte eben für den eigenen Gebrauch ausschließt. Neigt ein bestimmter Revolver aber bei mehreren Munitionssorten zu einer der beschriebenen Fehlfunktionen, obwohl diese Patronentypen in anderen Waffen einwandfrei arbeiten, sollte man die Waffe wechseln bzw. die Trommel nacharbeiten lassen. Als Abhilfe für ein derartiges Problem lediglich nach einer Patronensorte zu suchen, die sich aus einem solchen Revolver störungsfrei verschießen läßt, ist nicht zu empfehlen. Das Restrisiko, daß es bei einem anderen Los derselben Patrone oder bei etwas verschmutzter Trommel wieder zu Störungen kommt, ist einfach zu groß.

Manchmal liegen die Ursachen für derartige Störungen aber weder an der Munition noch an der Waffe selbst, sondern einfach am Pflege- und Wartungszustand des Revolvers. Verunreinigungen der Trommelkammern, wie sie z. B. durch den häufigen Wechsel zwischen Hülsen unterschiedlicher Länge entsteht, können ebenfalls die Ursache der beschriebenen Störungen sein. Ähnliches gilt natürlich auch für Selbstladepistolen. Mangelnde oder falsche Pflege kann auch hier die ursprüngliche Zuverlässigkeit einer Waffe einschränken. Allerdings kann eine falsche Pflege auch im zu häufigen und falschen Reinigen bestehen. Durch ständiges Zerlegen und Blankpolieren aller Teile wird eine Waffe nicht unbedingt besser. Lieber weniger oft und dann gründlich reinigen, z. B. mit Bremsscheibenreiniger und Druckluft oder im Lösungsmittelbad.

Eine andere Ursache für Störungen, die man selbst beeinflussen kann, ist unzweckmäßiges und falsches Tuning der Waffe. Darunter seien hier nicht das Auswechseln von Griffschalen und ähnlich oberflächliche Maßnahmen verstanden. Aber sobald man in den Funktionsablauf der Waffe eingreift, riskiert man eine erhöhte Anfälligkeit für Störungen. Schließlich beruht ja die hohe Zuverlässigkeit von eingeführten Gebrauchswaffen unter anderem darauf, daß sie in großen Serien hergestellt und in unterschiedlichsten Verwendungsbereichen eingesetzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß mögliche Schwachstellen so frühzeitig erkannt werden, ist somit relativ hoch. Eine getunte Waffe ist aber immer ein Einzelstück. Wie sich eine solche Waffe unter extremen Rahmenbedingungen verhält, und welche Lebensdauer die einzelnen Teile haben, weiß man daher in der Regel erst hinterher. Außerdem sind viele Tuningmaßnahmen mehr als überflüssig oder sogar schädlich. Eine Verkürzung der Nachladezeit durch Verwendung eines verlängerten Magazinhaltehebels ist im realen Feuergefecht kein erstrangiger Faktor. Wenn sich aber durch eine derartige Konstruktion das Magazin unbemerkt im Holster löst, kann dies im Ernstfall zum Desaster führen. Ähnlich ist eine andere verbreitete Tuningmaßnahme, die Verringerung des Abzugswiderstandes, zu sehen. Die Vorteile eines solchen Sportabzugs kann man unter streßbedingt verringerten psychomotorischen Fähigkeiten ohnehin nicht nutzen, aber die ungewollte Schußabgabe durch ein Verkrampfen der Hand kann fatale Folgen haben. Getunte Hochleistungswaffen taugen eben mehr für eine sportliche Verwendung als für den praktischen Einsatz als Verteidigungswaffe.

Eine andere sinnvolle Grundregel bei der Auswahl einer Gebrauchswaffe besteht darin, daß man keine Waffe wählt, die brandneu auf dem Markt ist. Manche Kinderkrankheiten eines neuen Modells bleiben während der Funktionstests des Herstellers noch im Verborgenen und werden erst sichtbar, wenn sich die Waffe einige Zeit im Alltagseinsatz befindet. Es spricht sich dann meist sehr schnell herum, wo sich bei einer neuen Waffe die Achillesferse befindet und wo Probleme zu erwarten sind. Außerdem reagieren die Hersteller auf die Reklamationen von Behörden und Sportschützen meist sehr schnell und bessern die jeweiligen Mängel nach.

Die Badewannenkurve zeigt den typischen Verlauf von Ausfallwahrscheinlichkeiten bei technischen Geräten im Verlauf ihrer Nutzung. Sie beschreibt die Zuverlässigkeit von Waffen bezüglich technischer Defekte oder mechanischer Ausfälle von Baugruppen und Teilen.

Interessant ist auch die Störanfälligkeit von Waffen im Verlauf ihrer Lebensdauer. Hier sind es vor allem die Teile, die aufgrund von Abnutzung und Verschleiß versagen und so zu ernsthaften Funktionsstörungen führen. Ähnlich wie bei anderen technischen Geräten, zeigt sich auch bei Waffen eine sogenannte „Badewannenkurve“, wenn man die Anzahl der verschleißbedingten Schäden über die Schußzahl aufträgt. Danach ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Bauteil bricht oder anderweitig versagt, besonders groß am Anfang, also während der ersten paar hundert Schuß, und am Ende der Lebensdauer einer Waffe, also mindestens jenseits von zwanzig- oder dreißigtausend Schuß. Dazwischen ist die Wahrscheinlichkeit einer Störung aufgrund eines defekten Waffenteils deutlich geringer. Erklären läßt sich das so, daß Bauteile von technischen Geräten normalerweise auf die Gesamtlebensdauer eines bestimmten Gerätes ausgelegt sind. Daher häufen sich die Ausfälle gegen Ende der Lebensdauer. Die Häufung in einer frühen Phase der Inbetriebnahme resultiert hingegen meist aus Material- oder Fertigungsfehlern. Was diese erste Phase überstanden hat, hält dann auch meist bis zum Ablauf der Gesamtlebensdauer oder noch länger. Auch daraus läßt sich ableiten, daß man eine Waffe nicht aus der Schachtel ins Holster steckt, sondern sie vor dem gebrauchsmäßigen Führen einer gewissen Schußzahl auf dem Schießstand aussetzt.

Handhabung als Fehlerquelle

Die Zuverlässigkeit einer Waffe hängt aber nicht nur vom technischen Funktionsablauf beim Schuß und dem Zusammenspiel mit bestimmten Munitionssorten ab, sondern auch von der Handhabungscharakteristik eines bestimmten Modells. Jede Möglichkeit, eine Waffe falsch zu handhaben, schränkt deren Zuverlässigkeit ein, auch wenn der Funktionsablauf bei ordnungsgemäßer Handhabung sichergestellt wäre. So ist z. B. bei manchen Walther-Pistolen, wie der PPK, P 38 usw., der Entspannhebel so ausgelegt, daß er nach dem Entspannvorgang in der Position „gesichert“ verbleibt. Es kommt dabei relativ häufig vor, daß ein Schütze, der seine Waffe normalerweise fertig geladen, entsichert und entspannt führt, dies nicht bemerkt und sich im weiteren so verhält, als ob sich die Waffe im gewohnten Zustand befände und er somit eine sofortige Schußabgabe ausschließlich über die Betätigung des Spannabzugs herbeiführen könnte. Wenn dann kein Schuß bricht, kann man schon auf dem Schießstand beobachten, wie Sekunden vergehen, bis die Störungsursache erkannt und beseitigt wird. Im Ernstfall wirkt sich eine solche Störung noch viel gravierender auf das Verhalten des Schützen aus.

Analoge Störungsursachen liegen hier bei anderen Pistolen in der Art und Weise, wie das Magazin einrastet. So vermitteln z. B. manche Pistolen den Eindruck, daß das Magazin fest eingerastet ist, wenn es noch einige Bruchteile eines Millimeters von der eigentlichen Rast entfernt ist. Optisch kann man dies kaum feststellen. Erst ein leichter Schlag mit dem Handballen auf den Magazinboden garantiert bei solchen Pistolen, daß das Magazin wirklich voll einrastet. Steckt man das Magazin nicht mit dem nötigen Nachdruck ins Griffstück, ist die Störung vorprogrammiert.

Man kann bei diesem Typ von Störungen natürlich argumentieren, daß es sich hierbei um gar keine echten Störungen, sondern vielmehr um Bedienungsfehler handelt. Dies trifft aber nur zum Teil zu, denn Handhabungsfehler, die konstruktionsbedingt möglich sind, werden auch gemacht. Eine Gebrauchswaffe, die man als zuverlässig bezeichnen kann, darf von ihrer ganzen Konzeption her erst gar keine Bedienungsfehler zulassen. Selbst dann nicht, wenn der Schütze über wenig Ausbildung verfügt oder unter Streß steht.

Daß dies prinzipiell möglich ist oder zumindest angestrebt wird, zeigt sich z. B. an der Ausführung des Entspannhebels bei den SIG-Sauer-Pistolen oder in der Reduzierung aller äußeren Bedienungselemente bei der Glock-Pistole.

Waffen und Munition dürfen eben auch unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit nicht gesondert betrachtet werden, sondern müssen immer als Komponenten des Gesamtsystems Mensch – Waffe – Munition begriffen werden (Graphik).

Nur wenn man die Zuverlässigkeit in diesem übergreifenden System betrachtet und danach handelt, kann man die Wahrscheinlichkeit von Störungen auf ein Minimum reduzieren.

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

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