Von Walter M. Miller, Jr., übersetzt von Lucifex. Das Original „Blood Bank“ erschien erstmals im Juni 1952 in Astounding Science Fiction 49 (S. 95 – 138). Eine deutsche Fassung (übersetzt von Birgit Reß-Bohusch) erschien 1972 im Taschenbuch Ullstein 2000 – Science Fiction Stories 12 unter dem Titel „Abfallprodukte“. (Nachträglich eingefügter Link, PDF durch Leser „Usenet“ übermittelt.) Dieses Buch kenne ich von früher, und bei meiner eigenen Übersetzung habe ich bestimmte Ausdrücke so übernommen, wie ich mich aus der Ullstein-Version noch erinnerte, z. B. „Super-C-Antrieb“ für „high-C drive“ oder „Stoppelkopf“ für „Bristleface“.
Die Sekretärin des Colonels hörte harte Schritte im Korridor und schaute von ihrem Tippen auf. Die Schritte hielten in der Türöffnung an. Ein Paar jettschwarzer Augen durchbohrte sie einmal und schaute dann weg. Ein hochgewachsener, dünner Kerl in der Uniform eines Space Commanders schritt in das Empfangszimmer, setzte sich in die Ecke und faltete seine Hände steif in seinem Schoß. Die Sekretärin wölbte ihre gezupften Augenbrauen. Es war sechs Monate her, seit ein Besucher das getan hatte – hereinzumarschieren, ohne etwas zu dem Mädchen hinter der Abgrenzung zu sagen.
„Sie haben einen Termin, Sir?“ fragte sie mit professionellem Lächeln.
Der Mann nickte knapp, sagte aber nichts. Seine Augen flackerten kurz zu ihr hin und wandten sich dann wieder der Wand zu. Sie versuchte festzustellen, ob er zornig war oder litt. Die schwarzen Augen brannten mit kaltem Feuer. Sie überprüfte die Terminliste. Ihr Lächeln verschwand, um von einem schmallippigen Ausdruck der Verachtung ersetzt zu werden.
„Sie sind Space Commander Eli Roki?“ fragte sie in eisigem Ton.
Wieder das knappe Nicken. Sie starrte ihn mehrere Sekunden lang ununterbrochen an. „Colonel Beth wird Sie in ein paar Minuten empfangen.“ Dann begann ihre Schreibmaschine mit scharfen Tönen des Hasses zu klappern.
Der Mann saß still und regungslos da. Der Colonel ging einmal durch das Empfangszimmer und nickte ihm kurz zu. Zwei Majore kamen aus dem Korridor herein und betraten das Büro des Colonels, ohne ihn anzusehen. Ein paar Momente später knisterte die Sprechanlage. „Schicken Sie Roki herein, Dela. Nehmen Sie Ihren Notizblock und kommen Sie mit ihm.“
Das Mädchen sah Roki an, aber er war bereits auf den Beinen und marschierte zur Tür. Offenbar kam er von einem unritterlichen Planeten; er öffnete die Tür, ohne sie anzusehen, und ließ sie die Tür auffangen, als sie zuzufallen begann.
Der pummelige, ältliche Colonel Beth saß wartend hinter seinem Schreibtisch, flankiert von zwei Majoren. Rokis Haltung, als er nähertrat und salutierte, war die des Berufssoldaten, der von Geburt an für das Militär trainiert worden war.
„Setzen Sie sich, Roki.“
Der hochgewachsene Space Commander saß stramm da und wartete, sein Gesicht ausdruckslos, seine Augen kühl auf die Stirn des Colonels gerichtet. Beth schob ein paar Papiere auf seinem Schreibtisch umher und sprach dann langsam.
„Bevor wir anfangen, möchte ich, daß Sie etwas verstehen, Commander.“
„Ja, Sir.“
„Sie stehen nicht vor Gericht. Dies ist kein Kriegsgericht. Es gibt keine Anklagen gegen Sie. Ist das klar?“
„Ja, Sir.“
Die blassen Augen des Colonels schafften es, Roki ins Gesicht zu sehen, ohne Verachtung zu zeigen. „Diese Untersuchung ist für das Protokoll und für die Öffentlichkeit. Der Vorfall ist bereits untersucht worden, wie Sie wissen. Aber die Leute sind erregt, und wir müssen irgendeine Show liefern.“
„Ich verstehe, Sir.“
„Dann lassen Sie uns beginnen. Dela, notieren Sie bitte.“ Der Colonel warf einen Blick auf die Notizen vor ihm. „Space Commander Roki, wollen Sie uns bitte in Ihren eigenen Worten erzählen, was während des Patrouillenflugs Einundsechzig am Viertag des Sechsmonats, Jahr siebenundachtzig, geschah?“
Es gab ein kurzes Schweigen. Das Mädchen starrte Rokis Nacken an, als wollte sie ihn mit einem Beil angreifen. Rokis schmales Gesicht war eine wächserne Maske, als er seine Worte formulierte. Seine Worte kamen ruhig und klar wie eine Glocke.
„Der Flug war eine Zufallspatrouille. Wir starteten um dreizehn Uhr Universaler Patrouillenzeit von Jod VII, schalteten den Super-C-Antrieb ein und drangen zur zehntausendsten Schicht der C-Komponente vor. Wir traten am äußeren Patrouillenradius bei sechsunddreißig Grad Theta und zweihundert Grad Psi wieder in das Kontinuum ein. Mein Navigator würfelte, um einen Zufallskurs zu wählen. Wir sollten zu einem Punkt auf derselben Koordinatenhülle bei dreißig Theta und einundfünfzig Psi weiterfliegen. Wir begannen –“
Der Colonel unterbrach. „Wußten Sie zu dieser Zeit, daß ihr Kurs jenen des Hilfsschiffs schneiden würde?“
Das Mädchen schaute wieder auf. Roki zuckte bei der Frage nicht zusammen. „Ich wußte es, Sir.“
„Fahren Sie fort.“
„Wir flogen entlang des zufällig ausgewählten Kurses, bis die Warpdetektoren uns vor einem Schiff warnten. Als wir in Reichweite kamen, wies ich den Ingenieur an, auf einen Parallelkurs zu gehen und die Automatik aufzuschalten, um uns parallel zu halten. Als das bewerkstelligt war, rief ich den unbekannten Frachter mit der Standardaufforderung an.“
„Sie sahen seine Insignien?“
„Ja, Sir. Den gelben Stern der Barmherzigkeit.“
„Machen Sie weiter. Beantworteten sie Ihre Aufforderung?“
„Ja, Sir. Die entschlüsselte Antwort lautete: Hilfsschiff Sol-G-6, Abflugsort Sol III, Zielort Jod-VI, Fracht Notlieferung von chirurgischem Transplantationsmaterial, Anforderung A-4-J des Sechzig-Sterne-Verbands.“
Beth nickte und beobachtete Roki mit klinischer Neugier. „Sie wußten von der Katastrophe auf Jod-VI? Daß einundzwanzigtausend Opfer in Kühlkammern auf jene Lieferung warteten?“
„Ja, Sir. Es tut mir leid, daß sie starben.“
„Fahren Sie mit Ihrem Bericht fort.“
„Ich befahl dem Navigator, noch einmal zu würfeln, um zu bestimmen, ob der Frachter zwecks Zufallsinspektion der Fracht geentert werden sollte. Er warf eine Zwölf: die Ja-Zahl. Ich rief den Frachter wieder an und befahl, daß die äußeren Schleusen geöffnet würden. Er unterließ es, zu antworten oder in irgendeiner Weise zu reagieren.“
„Einen Moment. Sie erklärten den Grund für die Enterung? Sol liegt am äußeren Rand der Galaxis. Es gehört zu keinem Sternverband. Primitiver Ort – oder zurückentwickelt. Sie würden unsere Gepflogenheiten nicht verstehen.“
„Ich berücksichtigte das, Sir“, fuhr Roki mit kaltem Gesicht fort. „Ich erläuterte die Situation, las ihnen sogar Auszüge aus unseren Patrouillenvorschriften vor. Sie bestätigten nicht. Ich dachte, sie seien vielleicht außer Kontakt, daher ließ ich ihnen die Nachricht mittels Blinkzeichen wiederholen. Ich weiß, daß sie sie erhielten, denn der Blinker-Operator bestätigte die Nachricht. Brachte sie offenbar zu seinen Vorgesetzten. Anscheinend sagten sie ihm, er solle uns ignorieren, denn als wir wieder blinkten, bestätigte er nicht. Ich versuchte dann, längsseits zu gehen und uns mit Magnetgreifern an ihrem Rumpf festzuhalten.
„Sie widersetzten sich?“
„Ja, Sir. Sie versuchten wegzuziehen, indem sie auf eine höhere C-Ebene gingen. Unser Warp war bereits bei sechstausend C. Die Massekomponenten unseres Sternverbands waren auf dieser Ebene bloß eine zusammenfallende Gaswolke. Natürlich zerrten sie uns mit unserer automatischen Folgeeinrichtung bloß mit sich, kamen zum Stillstand und stürzten sich in die Gegenrichtung. Sie zogen uns auf die Viertel-C-Ebene hinunter; der Großteil der Galaxis war im Stadium des Roten Zwergsterns. Ich nahm an, daß sie erkannten, daß sie so nicht von uns wegkommen konnten. Sie kehrten wieder zu einem vernünftigen Warp zurück und setzten ihren vorherigen Kurs fort.“
„Und Sie taten was?“
„Wir warnten sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, lasen ihnen die Standardwarnung vor.“
„Sie bestätigten?“
„Einmal, Sir. Sie sagten wieder: Dies ist eine Notfallslieferung. Wir haben Anweisung, nicht anzuhalten. Wir setzen unseren Kurs fort und werden Sie bei der Ankunft den Behörden melden.“ Roki hielt inne und sah den Colonel zweifelnd an. „Darf ich eine persönliche Anmerkung machen, Sir?“
Beth nickte tolerant. „Nur zu.“
„Sie verschwendeten mehr Zeit mit Ausweichmanövern in der C-Komponente, als sie verloren hätten, wenn sie sich von uns hätten entern lassen. Ich betrachtete dieses Verhalten als höchst verdächtig.“
„Kam es Ihnen in den Sinn, daß das an irgendeiner Eigenart in der Kultur von Sol III liegen könnte? Irgendeine Sturheit, oder eine Abneigung gegen Autoritäten?“
„Ja, Sir.“
„Fragten Sie Ihre Besatzung nach ihrer Meinung?“
Ein leichtes Stirnrunzeln zog Rokis hohe Stirn in Falten. „Nein, Sir.“
„Warum nicht?“
„Die Vorschriften verlangen es nicht, Sir. Mein persönlicher Grund – die kulturellen Eigenarten meines Planeten.“
Das saß. Colonel Beth kannte die militärische Kultur von Rokis Welt – Coph IV. Militärische Ränge wurden geerbt. Auf seinem Heimatplaneten war Roki ein Edelmann und ein Offizier der Kriegsschule. Ihm war beigebracht worden, sich auf seine eigenen Entscheidungen zu verlassen und zackigen, schnellen Gehorsam zu erwarten.
Der Colonel sah seinen Schreibtisch finster an. „Drücken wir es so aus: Kannten Sie die Meinungen der Besatzung?“
„Ja, Sir. Sie dachten, wir sollten die Verfolgung aufgeben und den Frachter weiterfliegen lassen. Ich war gezwungen, zwei von ihnen wegen Insubordination und versuchter Meuterei in das Schiffsgefängnis zu sperren.“ Er hielt inne und warf einem der Majore einen Blick zu. „Mit gebührender Entschuldigung an Sie, Sir.“
Der Major errötete. Er hatte einen höheren Rang als Roki, aber er war als Beobachter bei der Patrouille dabeigewesen, und trotz seines höheren Ranges unterstand er der Autorität des Schiffskommandanten, solange sie im Raum waren. Er war ebenfalls in das Schiffsgefängnis geworfen worden. Nun starrte er den cophischen Commander zornig an, ohne zu sprechen.
„In Ordnung, Commander; als sie sich weigerten, anzuhalten, was taten Sie dann?“
„Ich zog mich auf einen Sicherheitsabstand zurück und feuerte ihnen einen Warnschuß vor den Bug. Er explodierte in voller Sicht ihrer Teleskope, genau vor ihnen. Sie ignorierten die Warnung und versuchten wieder zu fliehen.“
„Reden Sie weiter.“
Rokis Schultern hoben sich in Andeutung eines Achselzuckens. „In Übereinstimmung mit Artikel Dreißig des Codex schoß ich sie aus dem Weltraum.“
Das Mädchen machte ein würgendes Geräusch. „Und über zehntausend Menschen starben auf Jod-VI, weil Sie –“
„Das genügt, Dela“, schnappte Colonel Beth.
Es gab ein langes Schweigen. Roki wartete ruhig auf weitere Befragung. Er schien sich des Ausbruchs des Mädchens nicht bewußt zu sein.
Die Stimme des Colonels kam wieder mit gezwungener Sanftheit. „Sie untersuchten die Trümmer des zerstörten Schiffes?“
„Ja, Sir.“
„Was fanden Sie?
„Bruchstücke von schnellgefrorenen Knochen, Blutplasma, verschiedene Körperorgane und Gewebe in Kultur- oder gefrorener Form, vorbereitet für die chirurgische Verwendung bei Transplantationsoperationen; in anderen Worten, einen vollständigen Bestand an Organbankmaterial, wie er erwartet wurde. Wir sammelten Proben, aber wir hatten keine Einrichtungen, um zu konservieren, was übrig war.“
Der Colonel trommelte mit seinen Fingern. „Sie sagten ‚erwartet‘. Dann wußten Sie sehr wohl von der Natur der Fracht, und Sie vermuteten keine Konterbande irgendeiner Art?“
Roki hielt inne. „Ich vermutete Konterbande, Colonel“, sagte er ruhig.
Beth hob überrascht die Augenbrauen. „Das haben Sie zuvor nicht gesagt.“
„Ich wurde nie gefragt.“
„Warum haben Sie es nicht trotzdem gesagt?“
„Ich hatte keinen Beweis.“
„Ah ja“, murmelte der Colonel. „Wieder die Kultur von Coph IV. Na gut, aber bei der Untersuchung der Trümmer fanden Sie keinen Beweis für Konterbande?“ Der angewiderte Ausdruck des Colonels sagte dem Raum, daß er die Antwort kannte, sie aber nur im Protokoll haben wollte.
Aber Roki hielt lange inne. Endlich sagte er: „Keinen Beweis, Sir.“
„Warum zögern Sie?“
„Weil ich immer noch eine Illegalität vermute – ohne Beweis, fürchte ich.“
Diesmal verriet der Colonel seine persönlichen Gefühle mit einem angewiderten Schnauben. Er schob seine Papiere lang hin und her und sah dann den Major an, der die Patrouille begleitet hatte. „Werden Sie Rokis Zeugenaussage bestätigen, Major? Ist sie im Wesentlichen wahrheitsgemäß, soweit Sie wissen?“
Der in Verlegenheit gebrachte Offizier starrte Roki in unverhülltem Hass an. „Für das Protokoll, Sir – ich denke, der Commander hat sich schändlich und unvernünftig verhalten. Die Ergebnisse der Unterbrechung dringend benötigter Lieferungen beweisen –“
„Ich habe nicht um ein moralisches Urteil gebeten!“ schnappte Beth. „Ich ersuchte Sie zu bestätigen, was er hier gesagt hat. Waren die Vorkommnisse so, wie er sie beschrieb?“
Der Major schluckte hart. „Ja, Sir.“
Der Colonel nickte. „Sehr gut. Ich werde Sie um Ihre Meinungen fragen, meine Herren. Gab es eine Verletzung von Vorschriften? Verhielt Commander Roki sich so, wie es vom Weltraumkodex gefordert wird, oder nicht? Ja oder nein, bitte. Major Tuli?“
„Keine direkte Verletzung, Sir, aber –“
„Kein aber! Major Go’an?“
„Äh – keine Verletzung, Sir.“
„Ich muß zustimmen.“ Der Colonel sprach direkt zu Delas Notizblock. „Die letztendlichen Ergebnisse des Vorfalls waren in der Tat katastrophal. Und Rokis Handlungsweise war unglücklich, unbedacht und nicht so, wie es die Sixty Star Patrol billigen würde. Gesetze, Codes, Vorschriften wurden für Menschen gemacht, nicht die Menschen für die Vorschriften. Roki beachtete die Buchstaben des Gesetzes, vergaß aber vielleicht dessen Geist. Jedoch kann kein Anklagepunkt gegen ihn gefunden werden. Dieses Untersuchungsgremium empfiehlt, daß er vorübergehend ohne Urteilsvorwegnahme Flugverbot erhält und gründlich körperlich und geistig untersucht wird, bevor er wieder in den Dienst zurückkehrt. Damit sind wir fertig, meine Herren. Dela, Sie können gehen.“
Mit einem weiteren wütenden Blick auf den hochmütigen Cophier stolzierte das Mädchen aus dem Raum. Beth lehnte sich in seinem Sessel zurück, während die Majore salutierten und sich entschuldigten. Seine Augen hielten Roki in seinem Stuhl fest. Als sie allein waren, sagte Beth: „Haben Sie mir außerhalb des Protokolls irgendetwas zu sagen?“
Roki nickte. „Ich kann meinen Abschied von der Patrouille über Ihr Büro nehmen, oder?“
Beth lächelte kalt. „Ich dachte es mir, daß Sie das tun würden, Roki.“ Er öffnete eine Schreibtischschublade und holte ein einzelnes Blatt Papier hervor. „Ich war so frei, es für Sie zur Unterschrift vorzubereiten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich dränge Sie nicht dazu, Ihren Abschied zu nehmen, aber wir sind bereit, ihn zu akzeptieren, falls Sie sich dazu entscheiden. Falls Ihnen dieses Standardformular nicht gefällt, können Sie Ihr eigenes gestalten.“
Der schwarzäugige Commander nahm schnell das Papier und fetzte seinen Namen darunter. „Tritt das sofort in Kraft, Sir?“
„In diesem Fall können wir es so einrichten.“
„Danke, Sir.“
„Betrachten Sie es nicht als Gefallen.“ Der Colonel bezeugte die Unterschrift.
Der Cophier ließ sich nicht beirren. „Darf ich jetzt gehen?“
Beth schaute auf und bemerkte amüsiert, daß Roki – nun ein Zivilist – plötzlich das „Sir“ fallengelassen hatte. Und seine Augen waren nicht mehr kalt. Sie waren zornig, verletzt, verzweifelt. „Was geht in euch Cophiern eigentlich vor?“ murmelte er nachdenklich.
Roki stand auf. „Mir liegt nichts daran, das mit Ihnen zu diskutieren, Colonel. Ich gehe jetzt.“
„Warten Sie, Roki.“ Beth runzelte ominös die Stirn, um zu verdecken, was immer er empfand.
„Ich warte.“
„Bis zu diesem Vorfall habe ich Sie gemocht, Roki. Tatsächlich sagte ich dem General, daß Sie der vielversprechendste junge Offizier in meiner Truppe seien.“
„Freundlich von Ihnen“, antwortete er tonlos.
„Und Sie hätten in ein paar Jahren an diesem Schreibtisch sitzen können. Sie hofften das, glaube ich.“
Ein knappes Nicken und ein schneller Blick auf Beth‘ Schulterinsignien.
„Sie haben sich für Ihre Karriere entschieden, und nun haben Sie sie nicht. Ich weiß, was das für Sie bedeutet.“
Ein Anspannen des Kiefers des Cophiers sagte dem Colonel, daß er kein Mitgefühl wollte, aber Beth fuhr fort. „Nachdem dies der älteste, etablierteste, statischste Planet im Verband ist, sind Sie an einem Ort arbeitslos, wo es keine Arbeit gibt.“
„Das geht Sie nichts an, Colonel“, sagte Roki ruhig.
„Gemäß der Ethik meiner Kultur geht es mich etwas an!“ brüllte er. „Natürlich denkt ihr Cophier da anders. Aber wir sind nicht ganz so kalt. Jetzt hören Sie zu: Ich bin bereit, Ihnen ein wenig zu helfen, obwohl Sie wahrscheinlich zu dickköpfig sind, um es anzunehmen. Gott weiß, daß Sie es ohnehin nicht verdienen.“
„Reden Sie weiter.“
„Ich bin bereit, Sie von einem Patrouillenschiff zu jedem Planeten in der Galaxis bringen zu lassen. Nennen Sie ihn, und wir bringen Sie hin.“ Er hielt inne. „Nun gut, machen Sie nur und verweigern Sie es. Dann gehen Sie raus.“
Rokis schmales Gesicht zuckte einen Moment lang. Dann nickte er. „Ich nehme es an. Bringen Sie mich nach Sol III.“
Der Colonel gewann langsam seinen Atem wieder. Er wurde rot und kaute dann an seiner Lippe. „Ich habe Galaxis gesagt, nicht wahr? Ich meinte… nun… Sie wissen, daß wir kein Militärschiff aus dem Sechzig-Sterne-Verband hinausschicken können.“
Roki wartete gelassen; seine dunklen Augen maßen den Colonel.
„Warum wollen Sie dorthin?“
„Persönliche Gründe.“
„In Verbindung mit dem Zwischenfall mit dem Hilfsschiff?“
„Die Untersuchung ist vorbei.“
Beth schlug auf seinen Tisch. „Das ist verrückt, Mann! Niemand ist seit tausend Jahren nach Sol geflogen. Kein Grund dazu. Schlampiger, dekadenter Ort. Ich hätte nie gedacht, daß sie auf die Bitte von Jod-VI um Transplantationsmaterial antworten würden!“
„Warum nicht? Sie verkauften es.“
„Natürlich. Aber ich bezweifelte, daß Sol immer noch Schiffe hatte, besonders Schiffe mit C-Antrieb. Der einzige Beitrag, den Sol jemals zur Galaxis geleistet hat, war, die Rasse des Menschen hervorzubringen – wenn man diese Geschichte glauben will. Es ist weit außerhalb des Kontakts mit irgendeiner interstellaren Nation. Ich kapier’s einfach nicht.“
„Dann schränken Sie Ihr Angebot ein, Colonel?“ Rokis Augen verspotteten ihn.
Beth seufzte. „Nein, nein – ich sagte es. Ich werde es tun. Aber ich kann kein Patrouillenschiff so weit schicken. Ich werde Ihnen einen Flug auf einem privaten Schiff bezahlen müssen. Wir können irgendeinen Vorwand finden – Forschung vielleicht.“
Rokis Augen flackerten sardonisch. „Warum nicht eine diplomatische Delegation schicken – um sich bei Sol für die Zerstörung ihres Hilfsschiffes zu entschuldigen.“
„Uff! Mit IHNEN an Bord?“
„Sicher. Sie werden mich nicht kennen.“
Beth starrte Roki einfach an, als ob er von einer fremden Spezies wäre.
„Sie werden es tun?“ drängte Roki.
„Ich werde darüber nachdenken. Ich werde dafür sorgen, daß Sie dort hinkommen, wenn Sie darauf bestehen. Nun verschwinden Sie hier. Ich habe genug von Ihnen, Roki.“
Der Cophier war nicht beleidigt. Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro. Das Mädchen schaute von den Aktenschränken auf, als er herauskam. Sie lief vor ihn hin und versperrte die Türöffnung mit ihrem kleinen, angespannten Körper. Ihr Gesicht war eine weiße Maske des Abscheus, und sie sprach mit zusammengebissenen Zähnen.
„Wie fühlt es sich an, zehntausend Menschen zu ermorden und damit davonzukommen?“ zischte sie.
Roki sah ihr Gesicht genauer an und sah die Rassemerkmale von Jod-VI – die leicht übergroße Iris ihrer gelbbraunen Augen, die dünne Nase mit den geweiteten Nasenlöchern, den spitzen Kiefer. Offenkundig waren einige ihrer Verwandten bei der Katastrophe gestorben, und sie machte ihn persönlich dafür verantwortlich. Er hatte die Hilfe vernichtet, die auf dem Weg zu den Opfern war.
„Wie fühlt es sich an?“ verlangte sie zu wissen; ihre Stimme wurde höher, und ihre Hände ballten sich zu Waffen.
„Würden Sie bitte beiseite treten, Miss?“
Eine schnelle Hand schoß vor, um seine Wangen mit scharfen Nägeln zu kratzen. Schmerz brannte in seinem Gesicht. Er bewegte sich nicht. Zwei helle Streifen von Blut erschienen von seinem Auge bis zum Mundwinkel. Ein Tropfen rann zu seiner Kinnspitze und platschte auf den Schuh des Mädchens.
„Wenn auf meinem Planeten eine Frau darauf beharrt, sich wie ein Tier zu verhalten“, sagte er in nicht unfreundlichem Ton, „dann helfen wir ihr – indem wir sie öffentlich nackt auspeitschen lassen. Ich sehe, daß persönliche Würde hier nicht so geschätzt wird. Sie betrachten es nicht als Verbrechen, sich wie eine Straßenkatze zu verhalten?“
Ihr Atem zischte in zornigem Ton aus ihr, und sie riß wieder an den Wunden. Dann floh sie, als er nichts tat, als sie kalt anzusehen.
Eli Roki, geboren in den Adel von Coph, der sich dem Dienst für den Sechzig-Sterne-Verband gewidmet hatte, fand sich plötzlich als eine Art Ausgestoßener wieder. Als er den Korridor entlang von Beth‘ Büro wegmarschierte, schien er in einen dichter werdenden Nebel aus Trostlosigkeit zu marschieren. Er hatte jetzt keine Heimat; denn er hatte auf seine ererbten Rechte auf Coph verzichtet, um eine Bestallung bei der SSC Patrol anzunehmen. Auch die war nun weg, und mit ihr seine Karriere.
Er hatte von dem Moment an, als er den Feuerknopf drückte, um den Frachter zu zerstören, gewußt, daß seine Karriere verwirkt sein würde, sofern der Frachter sich nicht als Schmuggler herausstellte. Er war sich moralisch immer noch sicher, daß er keinen Fehler gemacht hatte. Hätte der Frachter irgendeine andere Ladung befördert, dann wäre er dafür bestraft worden, ihn nicht zu zerstören. Und wenn sie nichts zu verbergen gehabt hätten, dann hätten sie für eine Inspektion angehalten. Irgendwo auf Sols Planeten lag die Antwort auf die Frage – „Was war noch an Bord, außer der Hilfsfracht?“
Roki schauderte und versteifte seine Schultern, als er in einem Heliotaxi nach Hause flog. Falls die Antwort „Nichts“ lautete, dann blieb ihm nur noch ein Weg zu gehen übrig. „Das Schwert der Abbitte“ wurde er genannt.
* * *
Er wartete in seinem Quartier darauf, daß der Colonel sein Versprechen erfüllte. Am folgenden Tag rief Beth an.
„Ich habe ein dalethianisches Schiff gefunden, Roki. In Privatbesitz. Der Pilot ist bereit, Sie aus dem Sechzig-Sterne-Verband hinauszufliegen. Es wird als Beobachtungsmission laufen – um Daten über das Solsystem zu sammeln. Die Commissioners haben ihr Veto gegen die Idee eingelegt, eine diplomatische Delegation zu schicken, bis wir versuchen, die Solarier über Super-C-Funk zu kontaktieren.“
„Wann reise ich ab?“
„Seien Sie heute abend am Raumhafen. Und viel Glück, Sohn. Es tut mir leid, daß all das passiert ist, und ich hoffe –“
„Ja, danke.“
„Nun –“
„Nun?“
Der Colonel grunzte und legte auf. Ex-Commander Roki sammelte seine Uniformen zusammen und suchte nach einem Pfandleihgeschäft. „Versetzen oder verkaufen?“ fragte ein kahlköpfiger Mann hinter dem Ladentisch. Dann sah er Rokis Gesicht genauer an und hielt inne, um einen Blick auf ein Bild auf der Titelseite zu werfen. „Oh“, grunzte er, „Sie. Sie wollen sie verkaufen.“ Mit einem leicht höhnischen Gesichtsausdruck zog er zwei Geldscheine aus seiner Tasche und klatschte sie mit einem verächtlichen Nimm-es-oder-laß-es-Blick auf den Ladentisch. Die Kleidung war mindestens doppelt so viel wert. Roki nahm es nach einem Moment des Zögerns. Das Geld entsprach gerade dem Preisetikett auf einer schnittigen, stupsnasigen Multin-Automatik, die in der Vitrine lag.
„Und dreihundert Schuß Munition“, sagte er ruhig, während er die Waffe einsteckte.
Der Händler schnaubte. „Es braucht nur einen Schuß, Kumpel – für das, was Sie zu tun haben.“
Roki dankte ihm für den Rat und nahm seine dreihundert Patronen.
Er traf vor seinem Piloten am Raumhafen ein und ging hinaus, um den kleinen dalethianischen Frachter zu inspizieren, der ihn zum Rand der Galaxis tragen würde. Sein Gesicht umwölkte sich, als er den zernarbten Rumpf und die Schmelzglasur um die Ränder der Strahlrohre sah. Jemand vom Bodenpersonal hatte einen Geigerzähler an das Heck gehängt, um Wanderer zu warnen, sich fernzuhalten. Sein Zeiger flatterte im Roten. Er trug ihn in das Schiff. Die Nadel fiel in der Kontrollkabine auf eine sichere Anzeige ab, aber es gab gefährliche Stellen im Reaktorraum. Zornig sah er sich die Kontrollen an.
Seine Verärgerung wuchs. Das Schiff – das passenderweise Idiot hieß – war uralt, ohne die standardmäßigen Warnsysteme oder Sicherheitseinrichtungen, und ohne eine andere Bewaffnung als seine Ionenkanonen. Die fünfte Anzeigeskala seines Positionsindikators war nur auf hunderttausend C’s kalibriert und hatte eine rote Linie bei neunzigtausend. Ein modernes Militärschiff andererseits hätte in ein Segment des fünfdimensionalen Raumes eindringen können, wo die Lichtgeschwindigkeit bei hundertfünfzigtausend C konstant war, und konnte Sol in zwei Monaten erreichen. Die Idiot würde fünf oder sechs brauchen, falls sie die Reise überhaupt schaffen konnte. Roki bezweifelte es. Unter normalen Umständen würde er zögern, das Schiff auch nur innerhalb des Volumens des Sechzig-Sterne-Verbands zu benutzen.
Er dachte daran, bei Beth zu protestieren, erkannte aber, daß der Colonel sein Versprechen erfüllt hatte und nichts weiter tun würde. Mürrisch verstaute er seine Sachen im Frachtraum und ließ sich im Kontrollraum nieder, um während des Wartens auf den Piloten zu dösen.
Ein scharfer Schlag quer über seine Stiefelsohlen weckte ihn schmerzhaft auf. „Nimm deine Füße von den Kontrollen!“ schnappte eine zornige Stimme.
Roki zuckte zusammen und blinzelte in ein schmales finsteres Gesicht mit einer Zigarre zwischen den Zähnen.
„Und verschwinde aus diesem Stuhl!“ knurrte das Gesicht an seiner Zigarre vorbei.
Seine Füße brannten vor Schmerz. Er zischte wütend und sprang auf die Füße, packte eine Handvoll der Hemdvorderseite des Eindringlings, zielte mit einem Faustschlag gegen die Zigarre – und hielt die Faust dann mitten in der Luft an. Etwas fühlte sich an dem Hemd falsch an. Bestürzt erkannte er, daß eine Frau darin war. Er ließ sie los und errötete. „Ich… ich dachte, Sie seien der Pilot.“
Sie beäugte ihn verächtlich, während sie ihr Hemd hineinstopfte. „Das bin ich, Doc.“ Sie warf ihre Kappe auf den Navigationstisch und enthüllte einen Kopf mit kurzgeschnittenem dunklem Haar. Sie nahm die Zigarre aus ihrem Gesicht, drückte das Feuer sauber aus und steckte den Stummel für einen Regentag in die Tasche ihrer Latzhose. Ohne die Zigarre hatte sie einen hübschen Mund, aber er war verkniffen vor Zorn.
„Bleib‘ von meinem Sitz weg“, sagte sie ihm knapp, „und aus meinem Haar. Stellen wir das gleich klar, bevor wir starten.“
„Das… das ist Ihre Badewanne?“ ächzte er.
Sie stakste zu einem Paneel und begann Einstellungen in den Kursrechner zu drücken. „Richtig. Ich bin Daleth Shipping Incorporated. Irgendwelche Kommentare?“
„Sie erwarten, daß dieses Wrack es nach Sol schafft?“ knurrte er.
Sie warf ihm einen scharfen Blick aus grünen Augen zu. „Na hör‘ sich einer den Gratismitflieger an! Beschwer‘ dich beim Colonel, Mann. Ich erwarte nichts, außer meiner Bezahlung. Ich bin bereit, es zu riskieren. Warum solltest du das nicht sein?“
„Die Existenz eines Narren ist nicht zwangsläufig ein Beweis für die Existenz zweier Narren“, sagte er säuerlich.
„Wenn es dir nicht gefällt, geh woanders hin.“ Sie straffte sich und tastete ihn mit einem klinischen Blick ab. „Aber so wie ich das verstehe, kannst du nicht allzu wählerisch sein.“
Er sah finster drein. „Hast du vor, das zu etwas zu machen, das dich etwas angeht?“
„Uh-uh! Du bist mir nichts, Mann. Es kümmert mich nicht, wen ich befördere, solange es legal ist. Willst du jetzt mitfliegen oder nicht?“
Er nickte knapp und ging nach hinten, um sich ein Quartier zu suchen. „Bleib aus meiner Kabine weg!“ brüllte sie ihm nach.
Roki grunzte angewidert. Die Pilotin war typisch für die Zivilisation von Daleth. Es war immer noch ein rauher, ungehobelter Planet mit einer dünn verstreuten Bevölkerung, einem wilden Grenzland und wachsenden Sorgen. Das Mädchen war das Produkt einer stark expandierenden Kultur mit harten Fäusten und wenig Respekt für Autorität. Ihm kam sofort in den Sinn, daß sie vielleicht daran dachte, ihn an die solarischen Behörden zu verkaufen – als den Mann, der das Hilfsschiff zerstörte.
„Bereitmachen zum Abheben“, kam die Stimme über die Sprechanlage. „Zwei Minuten bis zum Start.“
Roki unterdrückte einen Drang, schnell aus dem Schiff zu klettern und die ganze Sache abzublasen. Die Raketen rülpsten, husteten und zischten dann schwach, als sie im Leerlauf auf einen Befehl warteten. Roki streckte sich auf seiner Koje aus, denn manche dieser älteren Schiffe hoben recht hart ab. Das Zischen wurde zu einem Donnern, und die Idiot bewegte sich himmelwärts – zuerst langsam, dann mit stark zunehmender Geschwindigkeit. Als sie die Atmosphäre hinter sich ließ, gab es ein plötzliches Taumeln, als sie die nun leeren Boosterraketen abwarf. Es gab einen Moment der Totenstille, als das Schiff ohne Schub schwebte. Dann drang das schwache Kreischen der Ionenströme an seine Ohren – als der Ionenantrieb im Vakuum des Weltraums brauchbar wurde. Er warf einen Blick aus der Sichtluke, um zuzusehen, wie der Streifen aus schwachem Leuchten sich zu einer schlanken Nadel aus Hochgeschwindigkeitsteilchen fokussierte und die Idiot in einem Rausch der Beschleunigung immer höher schob.
Er drückte den Intercom-Knopf. „Nicht schlecht für eine Dalethianerin“, sagte er bewundernd.
„Behalte deine Meinungen für dich“, knurrte Daleth Incorporated.
Das Eindringen in höhere C-Niveaus kam ohne subjektive Empfindungen. Roki wußte, daß es stattfand, als das Schnurren aus dem Reaktorraum einen tiefen Klang annahm und die Kabinenlichter schwächer wurden. Er starrte ruhig aus der Sichtluke, denn das Phänomen des Eindringens hörte nie auf, ihn zu erregen.
Der Übergang in den Super-C begann als Blauverschiebung des Sternenlichts. Ferne stumpfrote Sterne wurden langsam heller, weißer – bis sie wie eine Myriade von Schweißlichtbögen im schwarzen Himmelsgewölbe brannten. Sie waren nicht identisch mit den Sternen des Heimatkontinuums, sondern vielmehr Projektionen derselben Sternmassen auf höheren C-Niveaus des fünfdimensionalen Raums, wo die Lichtgeschwindigkeit allmählich zunahm, so wie die Idiot in der C-Komponente höher stieg.
Schließlich mußte er die Luke schließen, denn das Sternenlicht wurde unerträglich, als seine Wellenlängen sich in die Ultraviolett- und Röntgenbänder verschoben. Er sah auf einem Sichtschirm zu. Die projektiven Sternmassen flammten zu Supernovae auf, und das sich verändernde Kontinuum schien in der Blauverschiebung des Kosmos auf das Schiff hin zu kollabieren. Als die strahlende Energie zunahm, wurde die Kabine wärmer, und die Pilotin errichtete einen teilweisen Strahlungsschirm.
Schließlich stoppte das Eindringen. Roki drückte wieder das Intercom. „Auf welchem Niveau sind wir, Daleth?“
„Neunzigtausend“, erwiderte sie knapp.
Roki verzog den Mund. Sie war ohne mit der Wimper zu zucken bis an die rote Linie gegangen. Es war in Ordnung – wenn die Strahlungsschirme durchhielten. Falls sie nicht durchhielten, würde das Schiff zu einer treibenden Staubwolke verbrannt werden.
„Willst du, daß ich für dich navigiere?“ rief er.
„Ich kann mein eigenes Schiff handhaben“, bellte sie.
„Das weiß ich. Aber ich habe sonst nichts zu tun. Du könntest mir genauso gut Arbeit geben.“
Sie hielt inne und erweichte sich dann ein wenig. „In Ordnung, komm‘ nach vorn.“
Sie schwang in ihrem Stuhl herum, als er die Kabine betrat, und zum ersten Mal bemerkte er, daß sie trotz des kurzgeschnittenen Haars und der Latzhose und des Zigarrenrauchens ein recht gutaussehendes Mädchen war – gutaussehend, stolz und sehr tüchtig. Daleth, der Grenzplanet, brachte eine gesunde, wenn auch etwas skrupellose Sorte hervor.
„Die C-Karten sind in diesem Kasten“, sagte sie und deutete mit ihrem Daumen auf einen Aktenschrank. „Arbeite einen Kurs für maximalen Strahlungsschub aus.“
Roki runzelte die Stirn. „Warum nicht einen Kurs für die kürzeste Zeit?“
Sie schüttelte den Kopf. „Meine Reaktoren sind nicht allzu effizient. Wir brauchen allen Schub, den wir aus äußerer Energie bekommen können. Andernfalls müssen wir für Brennstoff zurückfallen.“
Es kommt immer noch schlimmer! – dachte Roki, als er die C-Karten herauszog. Dieses Boot nach Sol zu fliegen, wäre vor zwei Jahrhunderten eine wagemutige Tat gewesen. Jetzt, im Zeitalter besserer Schiffe, war es eine idiotische Tat.
Eine halbe Stunde später überreichte er ihr einen Kursplan, der es der Idiot ermöglichen würde, etwa die Hälfte des Schubs aus den Variationen im Strahlungsdruck aus dem brüllenden Inferno des Kosmos auf hohen C-Niveaus zu beziehen. Sie sah ihn sich ohne Änderung ihres Gesichtsausdrucks durch, dann warf sie ihm einen neugierigen Blick zu, nachdem sie die Zeit notiert hatte.
„Du bist ganz schön schnell“, sagte sie.
„Danke.“
„Blöd kannst du nicht sein. Warum hast du solch einen blöden Bock geschossen?“
Roki versteifte sich. „Ich dachte, du wolltes das als etwas betrachten, das dich nichts angeht.“
Sie zuckte die Schultern und begann Kurseinstellungen in den Kursrechner zu drücken. „Tut mir leid, hab‘ ich vergessen.“
Immer noch zornig, sagte er: „Ich betrachte es nicht als einen blöden Fehler. Ich würde es wieder tun.“
Sie zuckte wieder mit den Schultern und täuschte Desinteresse vor.
„Weltraumschmuggel könnte der Tod der Galaxis sein“, fuhr er fort. „Das ist bewiesen worden. Eine Milliarde Menschen starb einst auf Tau II, weil jemand eine Ladung nicht-tauischer Tiere einschmuggelte – als Haustiere. Ich tat nur, was die Geschichte als das Beste bewiesen hat.“
„Ich versuche mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern“, knurrte sie und beäugte ihn säuerlich.
Roki verstummte und sah zu, wie sie den Strahlungsschirm umgestaltete, um ein Maximum an Kraft aus der Energie einzufangen, die hinter ihnen flammte. Roki war sich nicht sicher, ob er wollte, daß sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerte. Sie würden einander sieben Monate lang ertragen müssen, und es würde schön sein zu wissen, wie die Dinge standen.
„Du denkst also, es war ein blöder Fehler“, fuhr er endlich fort. „Das denken auch alle anderen. Es ist nicht sehr angenehm gewesen.“
Sie schnaubte verächtlich, während sie arbeitete. „Wo ich herkomme, verurteilen wir Narren nicht. Das müssen wir nicht. Sie leben einfach nicht sehr lang, nicht auf Daleth.“
„Und ich bin ein Narr, nach deinem Code?“
„Wie soll ich das wissen? Falls du ein reifes Alter erlebst und bekommst, was du willst, dann bist du wahrscheinlich kein Narr.“
Und das, dachte Roki, war die dalethianische goldene Regel. Wenn das Universum einen leben läßt, dann macht man alles richtig. Und darin lag vielleicht Wahrheit. Der Mensch wurde mit nur einem Recht geboren – dem Recht auf eine Chance, seine Tauglichkeit zu beweisen. Und dieses Recht war die Grundlage jeder Kultur, auch wenn die meisten zivilisierten Welten „Tauglichkeit“ im Sinne kultureller Werte zu definieren versuchte. Wo das Leben rauh war, wurde sie im Sinne des Überlebens bewertet.
„Es macht mir wirklich nichts aus, darüber zu reden“, sagte er etwas verlegen. „Ich habe nichts zu verbergen.“
„Das ist schön.“
„Hast du einen Namen – abgesehen von deinem Firmennamen?“
„Für dich bin ich Daleth Incorporated.“ Sie sah ihn mit argwöhnischem Blick an, der eine Zeitlang auf ihm verweilte, und wurde nachdenklich. „Es gibt nur eines, wegen dem ich neugierig bin – warum fliegst du nach Sol?“
Er lächelte schief. „Wenn ich einer Dalethianerin das sagen würde, dann würde sie mich wirklich für einen Narren halten.“
Langsam nickte das Mädchen. „Aha. Ich weiß von der cophischen Ethik. Wenn der Fehler eines Offiziers den Tod von jemandem zur Folge hat, dann beweist er entweder, daß es kein Fehler war, oder er schneidet sich die Kehle durch – zeremoniell, glaube ich. Wirst du das tun?“
Roki zuckte die Schultern. Er war lange Zeit von Coph weg gewesen. Er wußte es nicht.
„Ein blöder Brauch“, sagte sie.
„Er schafft es, die Narren zu entfernen, oder nicht? Es ist besser, als sie von der Gesellschaft vor Gericht stellen und zwangsweise für ihre Verbrechen hinrichten zu lassen. Auf Coph braucht ein Mann sich nicht vor der Gesellschaft zu fürchten. Er braucht sich nur vor seinen eigenen Schwächen zu fürchten. Die Funktion der Gesellschaft ist es, Individuen vor unglücklichen Unfällen zu schützen, aber nicht vor ihren eigenen Fehlern. Und wenn ein Mann einen schweren Fehler macht, dann schließt Coph ihn einfach aus dem Protektorat aus. Als Ausgestoßener opfert er sich selbst. Es ist kein allzu schlechtes System.“
„Du kannst es behalten.“
„Dalethianerin?“
„Ja?“
„Du hast keinen persönlichen Zorn wegen dem, was ich tat?“
Sie sah ihn verächtlich an. „Uh-uh! Ich urteile über keinen. Ich urteile über keinen, solange ich nicht persönlich betroffen bin. Warum sorgst du dich über das, was andere denken?“
„In unserer höher entwickelten Gesellschaft“, sagte er steif, „legt ein Mann sich zwangsläufig eine Anzahl von Denkgewohnheiten zu, die ‚Gewissen‘ genannt werden.“
„Oh-ja.“ Ihr gelangweilter Ton deutete völliges Desinteresse an.
Wieder fragte Roki sich, ob sie daran denken würde, schnelles Geld damit zu machen, daß sie solarische Offizielle über seine Identität informierte. Er begann im Geiste nach einem Plan zur Vermeidung eines solchen möglichen Verrats zu suchen.
Sie aßen und schliefen nach der Schiffsuhr. Am zehnten Tag bemerkte Roki eine Abweichung in den Anzeigen der Instrumente für den Strahlungsschirm. Die Form der Schirmhülle versuchte sich allmählich auf minimale Torsion hin zu verändern und eine sphärische Gestalt anzunehmen. Er wies Daleth darauf hin, und sie nahm schnell die notwendigen Neuanpassungen vor. Aber der Leistungsausstoß des Reaktors kroch als Ergebnis des zusätzlichen Verbrauchs ein Stück höher. Roki trug ein besorgtes Stirnrunzeln, als der Flug weiterging.
Zwei Tage später begann der Schirm sich wieder schleichend zu verformen. Ein weiteres Mal wurde zusätzliche Leistung eingesetzt. Und die Leistungsnadel des Reaktors hing im gelben Warnband. Die Feldgeneratoren ächzten und bebten vor drohender Überlastung. Roki arbeitete wie wild daran, das Problem zu lokalisieren, und endlich fand er es. Er kehrte in kalter Wut in die Kontrollkabine zurück.
„Hast du dieses Schiff vor dem Start einer Vorflugüberprüfung unterziehen lassen?“ verlangte er zu wissen.
Ihr Mund bebte vor Erheiterung, als sie seinen Zorn betrachtete. „Sicher, Commander.“
Er errötete bei dem wertlosen Titel. „Kann ich die Papiere sehen?“
Einen Moment lang zögerte sie, dann fummelte sie in ihrer Tasche und zeigte ein zusammengefaltetes rosa Papier.
„Rosa!“ brüllte er. „Du hättest nicht abheben dürfen!“
Hochmütig las sie ihm die erste Zeile des Vorflugprüfberichts vor. „‘Basispersonal lehnt jede Verantwortung für Unfälle ab, die aus Flug von Daleth-Schiff resultieren –‘ Da steht nicht, daß ich nicht abheben darf.“
„Ich werde dafür sorgen, daß du Weltraumverbot bekommst!“ knurrte er.
Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihn an seinen gegenwärtigen Status erinnerte. Es war ein tolerantes, amüsiertes Starren. „Was stimmt nicht, Commander?“
„Die Synchronisatoren sind aus, das ist alles“, schäumte er. „Der Schirm entfernt sich immer weiter von der Resonanz.“
„So?“
„Sodaß die Überlastung schlimmer wird und der Schirm zusammenbricht. Du wirst aus der C-Komponente zurückfallen und ihn reparieren lassen müssen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir riskieren es so, wie es ist. Ich habe immer herausfinden wollen, wieviel Überlastung der Reaktor aushält.“
Roki würgte. Es gab keine Chance, es zu schaffen. „Bist du ein geprüfter Weltraumingenieur?“ fragte er.
„Nein.“
„Dann nimmst du besser den Rat von einem an.“
„Deinen?“
„Ja.“
„Nein! Wir machen weiter.“
„Angenommen, ich weigere mich, dich das tun zu lassen?“
Sie wirbelte schnell herum, mit blitzenden Augen. „Ich habe das Kommando über dieses Schiff. Ich bin auch bewaffnet. Ich schlage vor, du kehrst in dein Quartier zurück, Passagier.“
Roki schätzte die Sitution ab, maß die Entschlossenheit in den Augen des Mädchens und entschied, daß es nur eines zu tun gab. Er zuckte die Schultern und sah weg, als ob er ihre Autorität zugeben würde. Sie starrte ihn einen Moment lang an, drückte aber ihre Forderung nicht durch, daß er den Kontrollraum verlassen solle. Sobald sie wieder auf die Instrumente schaute, polsterte Roki seine rauhen Knöchel mit einem Taschentuch, wählte ein Ziel an ihrem von kurzem, dunklem Haar bedeckten Hinterkopf und beseitigte ihre Einwände mit einem kurzen, hackenden Schlag gegen den Kopf. „Tut mir leid, Freundin“, murmelte er, als er ihren schlaffen Körper aus dem Sitz hob. Er trug sie in ihr Quartier und legte sie auf die Koje. Nachdem er eine kleine Nadelpistole aus ihrer Tasche entfernt hatte, ließ er eine Schachtel Kopfwehtabletten in Reichweite zurück, sperrte sie ein und ging wieder an die Kontrollen. Seine Faust war taub, und er fühlte sich wie ein Schuft, aber es hatte keinen Sinn, mit einer Dalethianerin zu streiten. Sie mit einem Schlag schlafen zu legen, war der einzige Weg, um blutigeres Unheil zu vermeiden, aus dem sie vielleicht als Siegerin hervorgegangen wäre – bis der Schirm nachgab.
Die Leistungsanzeige war bedrohlich hoch, als Roki den C-Antrieb aktivierte und das Schiff durch die fünfte Komponente nach unten zu steuern begann. Aber mit den richtigen Einstellungen machte er aus dem Prozeß etwas Analoges zum freien Fall, und die Leistungsanzeige fiel langsam ab. Ein Blick auf die C-Karten sagte ihm, daß die Idiot weit jenseits der Grenzen des Sechzig-Sterne-Verbands auftauchen würde. Wenn sie wieder ins Kontinuum eintrat, würde das in dem allgemeinen Raumvolumen sein, das von einer anderen interstellaren Organisation namens Viggern-Föderation kontrolliert wurde. Er wußte wenig über ihre Kultur, aber sicherlich würde sie Einrichtungen für die Reparatur eines Satzes von Schirmsynchronisatoren haben. Er schlug ihren Hauptplaneten nach und begann darauf zuzufliegen, während das Schiff in C abwärts driftete. Als er niedrigere Energieniveaus erreichte, schaltete er den Schirm ganz ab und ging, um nach Daleth Incorporated zu sehen, die seit zwei Stunden keinen Ton von sich gegeben hatte. Er war überrascht, sie wach und auf der Koje sitzen zu sehen. Sie warf ihm einen kalten und tödlichen Blick zu, zeigte aber keine Wut.
„Ich hätte es besser wissen müssen, als dir den Rücken zuzuwenden.“
„Tut mir leid. Du warst dabei –“
„Spar’s dir. Wo sind wir?“
„Wir nähern uns Tragor III.“
„Ich lasse dich dann auf Tragor III einsperren.“
Er nickte. „Du könntest das tun, aber dann hast du vielleicht Schwierigkeiten, meinen Flugpreis von Beth zu kassieren.“
„Das ist in Ordnung.“
„Wie du willst. Ich lasse mich lieber wegen deiner erfundenen Anschuldigungen einsperren, als ein Hauch von Gas bei neunzigtausend C zu sein.“
„Erfunden?“
„Sicher, das rosa Vorflugdokument. Jedes Gericht wird sagen, dass alles, was geschehen ist, deine eigene Schuld war. Du verlierst die Autorität, wenn du rosa fliegst, sofern nicht deine Besatzung eine Verzichtserklärung unterschreibt.“
„Bist du ein Anwalt?“
„Ich habe ein paar Kurse in Weltraumrecht gehabt. Aber wenn du mir nicht glaubst, überprüfe das beim Interfed Service auf Tragor III.“
„Das werde ich. Wie wär’s jetzt damit, die Tür zu öffnen? Ich will raus.“
„Benimmst du dich?“
Sie hielt inne und sagte dann: „Mein Versprechen würde nichts bedeuten, Roki. Ich teile dein Ethiksystem nicht.“
Er beobachtete ihre kühlen grünen Augen und schmunzelte dann. „In gewissem Sinne tust du das – oder du hättest das nicht gesagt.“ Er sperrte die Kabine auf und ließ sie frei, vertraute ihr nicht, erkannte aber, daß die Synchronisatoren nun in so schlechtem Zustand waren, daß sie nicht versuchen konnte, ohne Reparaturen weiterzufliegen. Sie konnte kein Motiv haben, sich gegen ihn zu wenden – außer Zorn vielleicht.
„Meine Waffe?“ sagte sie.
Wieder zögerte Roki. Dann lächelte er schwach und überreichte sie ihr. Sie nahm die Waffe, schnaubte verächtlich und spannte sie. „Dreh dich um, du Narr!“ bellte sie.
Roki verschränkte die Arme vor der Brust und blieb ihr zugewandt. „Geh zum Teufel“, sagte er ruhig. Ihre Finger am Abzug wurden weiß. Dennoch zuckte der Cophier nicht, verlor sein Lächeln nicht, bewegte sich nicht. Daleth Incorporated wölbte ihre Augenbrauen, entspannte die Pistole und steckte sie wieder in ihren Gürtel. Dann tätschelte sie seine Wange und schmunzelte fies. „Paß nur auf dich auf, Commander. Ich mag dich nicht.“ Und er bemerkte, als sie sich abwandte, daß sie eine Beule am Kopf hatte, die das bewies. Er fragte sich, wieviel ihn die Beule kosten würde, bevor es vorbei war. Verrat auf Sol vielleicht.
Die Pilotin rief Tragor III an und erhielt Anweisungen, einen orbitalen Kurs festzusetzen, um auf die Inspektion zu warten. Alle fremden Schiffe wurden geentert, bevor ihnen die Landung erlaubt wurde. Ein paar Stunden später flog ein kleines Patrouillenschiff nahe heran und machte am Rumpf fest. Roki ging, um die Luftschleusen zu bedienen. Ein Captain und zwei Assistenten kamen durch. Der Inspektor war ein junger Mann mit Brillen und übergroßen Ohren. Seine Augenbrauen waren lächerlich buschig und erstreckten sich auf beiden Seiten bis zu seinen Wangenknochen hinunter. Die Ohren waren ebenfalls von gelbem Haargebüsch ausgefüllt. Roki erkannte die Eigentümlichkeiten als örtliche evolutionäre Tendenzen; denn sie wurden auch von den Assistenten geteilt. Tragor III hatte anscheinend eine außergewöhnlich staubige Atmosphäre. Der Captain nickte einen Gruß und verlangte die Flugpapiere des Schiffes. Er warf einen Blick auf den rosa Vorflugprüfbericht, gackerte vor sich hin und las jedes Wort in den Formularen des Disponenten. „Beobachtungsflug? Nach Sol?“ Er wandte sich an Roki und verwendete das interstellare Esperanto.
Das Mädchen antwortete. „Richtig. Bringen wir das hinter uns.“
Der Captain sah sie schneidend von Kopf bis Fuß an. „Sind Sie die Schiffseignerin, Frau?“
Daleth Incorporated hielt ihren Zorn mit Mühe zurück. „Das bin ich.“
Der Captain sagte ihr, was ein Tragorer davon hielt, indem er sich von ihr abwandte und weiter mit Roki redete, als ob er der Skipper des Schiffes sei. „Bitte verlassen Sie das Schiff, während wir desinfizieren und inspizieren. Wohr wird es Ihnen im Patrouillenschiff bequem machen. Sie werden sich einer körperlichen Untersuchung unterziehen müssen – eine Vorsichtsmaßnahme gegen Verseuchung.“
Roki nickte und ging dann hinter dem Assistenten hinaus. Als sie den Korridor betraten, grinste er Daleth an und erhielt für seine Mühe einen brutalen Tritt gegen das Schienbein. „Ups, tut mir leid!“ murmelte sie.
„Oh – einen Moment, Sir“, rief der Captain ihnen nach. „Kann ich einen Moment mit Ihnen sprechen -?“ Sie blieben beide stehen und drehten sich um.
„Privat“, fügte der Captain hinzu. Das Mädchen marschierte zornig weiter. Roki ging in die Kabine zurück und nickte.
„Sie sind ein weitgereister Mann, E Roki? fragte der Mann mit den buschigen Augenbrauen höflich.
„Der Weltraum ist mein Beruf gewesen.“
„Dann brauchen Sie keine Warnung wegen örtlicher Gebräuche.“ Der Captain verbeugte sich.
„Ich weiß genug, um sie zu respektieren und mich an sie zu halten“, versicherte Roki ihm. „Das ist eine allgemeine Regel. Aber ich bin mit Tragor III nicht vertraut. Gibt es irgendetwas Besonderes, das ich wissen sollte, bevor wir aufbrechen?“
„Ihre Frau, E Roki. Sie tun vielleicht gut daran, sie zu informieren, daß sie einen Schleier tragen müssen wird, mit keinem Mann sprechen darf und auf der Straße zu jeder Zeit begleitet sein muß. Andernfalls wird es klug für sie sein, im Schiff zu bleiben, in ihrem Quartier.“
Roki unterdrückte ein Grinsen. „Ich werde versuchen, ihr gutes Benehmen sicherzustellen.“
Der Captain sah abwehrend drein. „Sie betrachten unsere Bräuche als primitiv?“
„Jeder Gesellschaft nach ihrem Geschmack, Captain. Die Weisheit einer Gesellschaft wäre Torheit für eine andere. Wer ist qualifiziert, darüber zu urteilen? Nur das Universum, das allen Völkern das Urteil des Überlebens ausstellt.“
„Danke. Sie sind ein weiser Reisender. Ich könnte vielleicht erklären, daß unsere Purdah das Ergebnis einer evolutionären Besonderheit ist. Sie werden das jedoch selbst sehen.“
„Ich kann das Benehmen meiner Begleiterin nicht garantieren“, sagte Roki, bevor er ging, um sich Daleth anzuschließen. „Aber ich werde mein Bestes versuchen, um sie zu beeinflussen.“
Roki grinste breit, als er in das Patrouillenschiff ging, um zu warten. Eines war sicher: das Mädchen würde es auf Tragor schwer haben, wenn sie versuchte, ihn wegen Meuterei ins Gefängnis sperren zu lassen.
Ihr Gesicht wurde rot wie eine Schmiedeesse, als er die Warnung des Captains weitergab. „Ich werde nichts dergleichen tun“, sagte sie steif.
Roki zuckte die Schultern. „Du weißt genug, um örtliche Gebräuche zu respektieren.“
„Nicht, wenn sie persönlich erniedrigend sind!“ Sie rollte sich auf einem gepolsterten Sitz im Besucherraum zusammen und begann zu schmollen. Er beschloß, das Thema fallenzulassen.
* * *
Die Reparatur der Synchronisatoren versprach laut dem tragorianischen Inspekteur, der die Idiot bei der Landung begleitete, eine einwöchige Arbeit zu werden. „Unsere Ersatzteile sind natürlich standardisiert – innerhalb unseres eigenen Systems. Aber Teile für SSV-Schiffe werden nicht auf Lager gehalten. Die Synchronisatoren werden speziell gefertigt werden müssen.“
„Gibt es eine Chance, die Arbeit zu beschleunigen?“
„Eine Woche ist schon beschleunigt.“
„In Ordnung, wir werden warten müssen.“ Roki bewegte die Kontrollen leicht und lenkte das Schiff zu dem Landeplatz, den der Captain angegeben hatte. Daleth war in ihrer Kabine, allein, um sich Peinlichkeiten zu ersparen.
„Darf ich eine Frage über Ihre Mission stellen, E Roki – oder ist sie von vertraulicher Natur?“
Roki legte eine Denkpause ein, bevor er antwortete. Er würde natürlich lügen müssen, aber er mußte es auf sichere Weise tun. Plötzlich schmunzelte er. „Ich habe einen Moment lang vergessen, daß Sie nicht vom Sechzig-Sterne-Verband sind. Daher werde ich Ihnen die Wahrheit sagen. Dies soll offiziell eine Beobchtungsmission sein – aber in Wirklichkeit hat unser Vorgesetzter uns ausgeschickt, um eine Ladung von einem bestimmten knappen Gut zu kaufen.“
Der Captain grinste. Schiebung und Korruption waren auf Tragor III anscheinend nicht völlig fremd. Aber dann verwandelte sein Grinsen sich in Nachdenklichkeit. „Auf den Planeten von Sol?“
Roki nickte.
„Dieses knappe Gut – falls ich nicht zu neugierig bin – ist das chirurgisches Transplantationsmaterial?“
Roki fühlte, wie sein Gesicht vor Überraschung zuckte. Aber er erholte sich sofort von seinem Schock. „Vielleicht“, sagte er ruhig. Er wollte den Mann an den Schultern packen und tausend Fragen schreien, aber er sagte sonst nichts.
Der Beamte wand sich eine Zeitlang in seinem Sitz. „Kauft Ihre Föderation viele Hilfsfrachten von Sol?“
Roki sah ihn neugierig an. Der Captain floß vor schlecht verborgener Neugier über. Warum?
„Gelegentlich, ja.“
Der Captain kaute einen Moment lang auf seiner Lippe. „Sagen Sie mir“, platzte er heraus, „halten die solarischen Schiffe für Inspektionen durch Ihre Patrouillen an?“
Roki zögerte lange Zeit. Dann sagte er: „Ich nehme an, daß Sie und ich uns zusammensetzen und einander mitteilen können, was wir über Sol wissen, ohne irgendwelche Geheimnisse unserer eigenen Regierungen zu enthüllen. Offen gesagt bin auch ich neugierig wegen Sol.“
Der Beamte, dessen Name WeJan war, nahm bereitwillig an. Er kritzelte eine seltsame Reihe von Linien auf einen Fetzen Papier und gab ihn Roki. „Zeigen sie das einem Heliotaxifahrer. Er wird Sie zu meiner Wohnung bringen. Würde es Ihnen zum Abendessen passen?“
Roki sagte, daß es das würde.
* * *
Das Mädchen blieb in seinem Quartier, als sie landeten. Roki klopfte an die Tür, aber sie war entweder stur, oder sie schlief. Er verließ das Schiff, stand einen Moment lang auf der Rampe und starrte in den dunstigvioletten Himmel. Feine Körnchen rieselten auf sein Gesicht und stachen in seinen Augen.
„Man wird Ihnen Schutzbrillen, geeignete Kleidung und einen Dolmetscher zur Verfügung stellen, der Sie während Ihres Aufenthalts begleitet“, sagte WeJan, als sie auf ein niedriges Gebäude zu aufbrachen.
Aber Roki hörte kaum zu, als er über die Rampe hinweg starrte. Tausend Meter entfernt befand sich ein Hilfsschiff mit gelbem Stern, das die solaren Markierungen trug. Das Seltsamste daran war der Ring von Wachen, der es umgab. Sie gehörten anscheinend zum Schiff, denn ihre Uniformen waren anders als jene des Basispersonals.
WeJan sah, daß er hinschaute. „Seltsame Kreaturen, nicht wahr?“ flüsterte er in vertraulichem Ton.
Roki hatte entschieden, daß er auf lange Sicht mehr Informationen gewinnen konnte, indem er vorgab, mehr zu wissen, als er wußte. Daher nickte er weise und sagte nichts. Das Hilfsschiff war zu weit entfernt, als daß er feststellen konnte, ob die Wachen menschlich waren. Er konnte nur ausmachen, daß sie Zweibeiner waren. „Richtig, manchmal begegnet man fremdartigen Leuten. Kennen Sie die Quinjori – von der anderen Seite der Galaxis?“
„Nein – nein, ich glaube nicht, E Roki. Quinjori?“
„Ja. Ein sehr seltsames Volk. In der Tat sehr seltsam.“ Er lächelte vor sich hin und verstummte. Vielleicht konnte er, bevor dieser Besuch vorbei war, Fiktionen über die fiktiven Quinjori gegen Fakten über die Solarier tauschen.
Roki traf seinen Dolmetscher in den Raumhafenbüros, legte das lose Gewand von Tragor an und ging, um mit dem Reparaturdienst zu reden. Er konnte die zugesagte Zeit für die neuen Synchros noch immer nicht verkürzen. Sie saßen offensichtlich eine Woche lang auf Tragor fest. Er dachte daran, sich dem solarischen Schiff zu nähern zu versuchen, entschied aber, daß es besser war, Argwohn zu vermeiden.
Begleitet von dem krummbeinigen Dolmetscher, dessen Verhaltensweisen jene eines Hundes waren, der zu viele Schläge erhalten hatte, machte Roki sich nach der ein paar Meilen entfernten tragorianischen Hauptstadt Polarin auf. Sein Begleiter war ein kleiner Mann mittleren Alters mit einer Piepsstimme und abstehenden Ohren; Roki entschied, daß es seine wahre Aufgabe war, seinen fremden Schützling auf verdächtige Aktivitäten zu beobachten, denn der kleine Mann war kein Linguistikexperte. Er sprach zwei oder drei der Sprachen, die im Sechzig-Sterne-Verband benutzt wurden, aber nicht fließend. Der Cophier beschloß, sich auf das Esperanto des Weltraums zu stützen und es den Dolmetscher ins heimische Tragorianisch übersetzen zu lassen, wann immer es notwendig war.
„Wie möchte E Roki sich amüsieren?“ fragte der kleine Mann. „Ein Getränk? Ein hübsches Mädchen? Ein Museum?“
Roki schmunzelte. „Was tun die meisten Ihrer Besucher, während sie hier sind?“ Er fragte sich im Stillen, was insbesondere die solarischen Besucher taten. Aber es war vielleicht nicht sicher, danach zu fragen.
„Äh – das hängt von der Nationalität ab, Sir“, murmelte Pok. „Die echt-menschlichen Fremden besuchen oft gern den Wanderer, ein Etablissement, das ihren Geschäften entgegenkommt. Die weiterentwickelt-menschlichen und die nichtmenschlichen Besucher frequentieren gerne The Court of Kings – ein ziemlich, äh, seltsamer Ort.“ Er sah Roki zweifelnd an, als ob er sich über dessen biologischen Status wunderte.
„Welches ist am teuersten?“ fragte er, obwohl es ihn in Wirklichkeit nicht kümmerte. Wegen der gefälschten „Beobachtungsmissionspapiere“ konnte er Colonel Beth die Rechnung begleichen lassen.
„The Court of Kings ist ziemlich hoch“, sagte Pok. „Aber der Wanderer auch.“
„Solche Unparteilichkeit verdient eine Belohnung. Wir werden sie beide besuchen, E Pok. Falls es Ihnen recht ist.“
„Ich bin Ihr Diener, E Roki.“
* * *
Wie identifiziert man einen Solarier, ohne zu fragen? – fragte sich Roki, als sie an einem klebrigen, nach Hefe schmeckenden Getränk nippend in der Lounge des Wanderer saßen. Der schwach beleuchtete Raum war voller Menschen aller Rassen – Pygmäen, Riesen, schwarz, rot und braun. Alle erschienen menschlich, oder annähernd. Es waren ein paar Frauen unter den Besatzungsmitgliedern, und die meisten davon nahmen ihre geliehenen Schleier ab, während sie in der toleranten Zufluchtsstätte des Wanderer waren. Das tragorianische Personal sah diese Frauen von außerhalb des Systems ständig mit heimlichen Blicken an, und der Cophier wunderte sich über ihre Begehrlichkeit.
„Warum seht ihr ständig diese fremden Frauen an, E Pok?“ fragte er den Dolmetscher ein paar Minuten später.
Der kleine Mann seufzte. „Offenbar haben Sie die tragorianischen Frauen noch nicht gesehen.“
Roki hatte draußen auf der Straße ein paar schwer verhüllte Gestalten gesehen, die sich eng an die Arme von Männern klammerten, aber es hatte nicht viel zu sehen gegeben. Dennoch war Poks Hinweis genug, um ihm eine Vorstellung zu vermitteln.
„Sie meinen nicht, daß Tragor III einer jener Orte ist, wo die Evolution die Geschlechter weiter voneinander entfernt hat?“
„Das meine ich“, sagte Pok traurig. „Der weibliche IQ ist selten höher als sechzig, die Körpergröße selten höher als Ihre Jackentasche, und das Gewicht für gewöhnlich höher als Ihr eigenes. Wie ein Reisender es einmal ausdrückte: ‚kleinwüchsig, pummelig und dumm‘. Daher die Purdah.“
„Weil Sie sie nicht gern ansehen wollen?“
„Übrhaupt nicht. Sie entsprechen unserem Maßstab für Schönheit. Die Purdah gibt es, weil sie häufig zu dumm sind, um sich zu erinnern, welcher Mann ihr Ehemann ist.“
„Tut mir leid, daß ich gefragt habe.“
„Braucht es nicht“, sagte Pok, dessen Zunge durch das Hefegebräu gelockert worden war. „Es ist unsere Tragödie. Wir können sie ertragen.“
„Nun, Sie haben es besser als manche Planeten. Auf Jevah zum Beispiel entwickelten die Männer sich zu trägen, spinnenhaften kleinen Kerlen, und die Frauen sind große, kräftige Rauferinnen.“
„Ah ja. Aber Sol ist am seltsamsten von allen, nicht wahr?“ sagte Pok.
„Wie meinen Sie?“ Roki kontrollierte sorgfältig seine Stimme und versuchte, gelangweilt dreinzusehen.
„Nun, die Vamir natürlich.“
Aus der Tatsache, daß Poks Augen sich zu keinem bestimmten Teil des Raumes bewegten, schlußfolgerte Roki, daß keine Solarier anwesend waren. „Sollen wir jetzt den Court of Kings besuchen, E Pok?“ schlug er vor.
Der kleine Mann war offenbar nicht scharf darauf, zu gehen. Er murmelte etwas von hässlichen Grobianen, ließ sich mit seinem Getränk Zeit und starrte sehnsüchtig eine große, dunkelhäutige Sanbe-Frau an. „Meinen Sie, sie würde mich bemerken, wenn ich sie anspreche?“ fragte der kleine Dolmetscher.“
„Wahrscheinlich. Ihre fünf Ehemänner auch. Gehen wir.“
Pok seufzte traurig und kam mit ihm.
* * *
The Court of Kings war in der Tat auf eine eigenartige Kundschaft ausgerichtet, aber nicht einer, soweit Roki sehen konnte, war völlig unmenschlich. Es schien mindestens einen gemeinsamen Nenner für alles intelligente Leben zu geben: es war zweibeinig und zweihändig. Vier Beine war die praktischste Zahl für jedes Tier auf jedem Planeten, und es schien, als hätte die Natur sonst nichts, um damit zu arbeiten. Wenn sie beschloß, einer Spezies Intelligenz zu geben, lehrte sie sie, auf ihren Hinterbeinen zu stehen, was die Vorderfüße freimachte, um zu Werkzeugen seines Intellekts zu werden. Und sie lehrte das Wesen üblicherweise, indem sie es dazu brachte, seine Hände zum Klettern zu benutzen. Wie ein cophischer Biologe gesagt hatte: „Das Leben versucht zuerst, auf einen Baum zu klettern, um zu den Sternen zu gelangen. Wenn das nicht gelingt, kommt es herunter und erfindet den Super-C-Antrieb.“
Wieder sah Roki sich nach etwas um, das ein Solarier sein mochte. Er sah mehrere bekannte Spezies, manche gehörnt, manche mit Schwänzen, Schuppen oder dichtem Pelz. Manche stolperten und ließen sich hängen, als ob die tragorianische Schwerkraft sie niederziehen würde. Andere sprangen herum, als würden sie frei im Weltraum schweben. Eine kleine Kreatur, der Eingeborene eines Planeten mit einer achtstündigen Rotationsperiode, rollte sich auf dem Tisch zusammen und schlief ein. Roki vermutete, daß neunzig Prozent der Gäste von menschlicher Abstammung waren, denn einstmals in der Geschichte der Galaxis war der Mensch wie eine plötzliche Blüte hervorgebrochen, um den Großteil des Weltraums zu erben. Manche sagten, sie kämen von Sol III, aber es gab keinen eindeutigen Beweis.
Wie ein Echo seiner Gedanken grummelte Pok plötzlich: „Ich werde niemals glauben, daß wir von diesen mürrischen Kreaturen abstammen.“
Roki schaute schnell auf und fragte sich, ob der kleine Dolmetscher telepathisch begabt war. Aber Pok schaute mit höhnischem Blick zum Eingang. Der Cophier folgte seinem beschwipsten Blick und sah einen Mann eintreten. Der Mann hob sich nur durch seine Körpergröße und die Tatsache ab, daß er im klassischen Sinn menschlicher erschien als die meisten anderen Gäste. Er trug eine Uniform – rotbraune Jacke und graue Hose -, und sie entsprach denjenigen, die Roki am Raumhafen aus der Ferne gesehen hatte.
Das war also ein Solarier. Er schaute angestrengt im Versuch, so viel wie möglich gleichzeitig aufzunehmen. Der Mann trug einen kurzen Bart, aber es schien an dem Kiefer etwas seltsam zu sein. Er war – raubtierhaft, vielleicht. Der Schädel war massiv, aber plump und gerundet wie der eines Babys und von schütterem gelbem Pelz bedeckt. Die Augen waren schnell und scharf und schienen beinahe im Raum herumzuspringen. Er war mindestens zweihundertzehn Zentimeter groß, und sein Aussehen hatte etwas Wildes an sich, durch das der Cophier sich anspannte, als würde er einen Gegner spüren.
„Was ist es, das Sie an ihnen nicht mögen?“ fragte er, ohne seine Augen von dem Solarier zu nehmen.
„Zum einen ihre scharfen Ohren“, flüsterte Pok, als der Solarier herumwirbelte, um in Richtung ihres Tisches zu starren. „Ihre Übellaunigkeit zum anderen.“
„Ah? Zornreaktionen zeigen biologische Schwäche“, sagte der Cophier in mildem Ton, aber so laut wie beim ersten Mal.
Der Solarier, der auf einen Sitz an der Bar gewartet hatte, wandte sich um und schritt geradewegs auf sie zu. Pok wimmerte. Roki starrte ihn kühl an. Der Solarier ragte vor ihnen auf und schaute von einem zum anderen. Er schien zu entscheiden, daß Pok gebührend eingeschüchtert war, und wandte seine wilden Augen dem Ex-Patrouillenmann zu.
„Möchtest du über Biologie diskutieren, Menschending?“ grollte er wie ferner Donner. Beim Sprechen entblößte er seine Zähne – riesige weiße Meißel aus schwerem Elfenbein. Sie waren nicht auf das Fangzahn-Stadium zurückentwickelt, aber sie deuteten zusammen mit dem massiven Kiefer darauf hin, daß die Natur vielleicht gerade auf einen effizienten Knochenzermalmer hinarbeitete.
Roki wirbelte sein Getränk nachdenklich herum. „Ich kenne dich nicht, Stoppelkopf“, murmelte er. „Aber wenn deine Biologie dir Probleme macht, diskutiere ich sie gerne mit dir.“
Er achtete sorgfältig auf die Reaktion. Der Solarier wurde grau-purpurn. In seinen Augen tanzte Feuer, und sein Schlitzmund bebte, als wollte er die starken Zähne entblößen. Gerade als er kurz vor einer Explosion zu sein schien, verblaßte der Zorn – oder zog sich vielmehr in sich selbst zurück, um zu grübeln. „Dies ist unter meiner Würde“, schienen die Augen zu sagen. Dann lachte er herzlich.
„Entschuldigung. Ich dachte, ich könnte mich zu euch setzen.“
„Wie du willst.“
Der Solarier hielt inne. „Woher kommst du, Menschending?“
Roki hielt ebenfalls inne. Sie hatten vielleicht gehört, daß ein cophischer Commander eines ihrer Schiffe zerstört hatte. Dennoch wollte er nicht bei einer Lüge ertappt werden. „Sechzig-Sterne-Verband“, knurrte er.
„Welche Sonne?“ Die Stimme des Solariers deutete darauf hin, daß er es gewohnt war, sofort Antworten zu bekommen.
Roki sah ihn finster an. „Information für Information, Kumpel. Und ich mag es nicht, mit Leuten zu reden, die über mir stehen.“ Er wandte sich demonstrativ Pok zu. „Wie wir gerade sagten –“
„Ich bin von Sol“, knurrte der Große.
„In Ordnung. Ich bin von Coph.“
Die Augenbrauen des Riesen hoben sich leicht. „Ah ja.“ Er inspizierte Roki neugierig und setzte sich. Der Stuhl quietschte warnend. „Vielleicht erklärt es das.“
„Erklärt was?“ Roki runzelte drohend die Stirn. Er mochte überhebliche Männer nicht, und seine Nackenhaare sträubten sich. Der Kerl hatte etwas an sich –
„Ich hörte, daß Cophier zu einer gewissen Rücksichtslosigkeit neigen.“
Roki tat, als würde er über die Aussage nachdenken, während er den großen Mann kalt ansah. „Stimmt vielleicht. Es wäre gefährlich für dich, nach Coph zu gehen, denke ich. Du würdest wahrscheinlich recht schnell getötet werden.“
Die zornige Gesichtsfarbe erschien wieder, aber der Mann lächelte höflich. „Eine Nation von Duellanten, glaube ich, von militärischem Charakter, sehr diszipliniert. Ja? Sie dienen manchmal in den Streitkräften der Sechzig Sterne, eh?“
Die Worte ließen Roki keinen Zweifel, daß der Solarier wußte, wer ihr Schiff zerstört hatte, und warum. Aber er bezweifelte, daß der Mann seine Identität erraten hatte.
„Ich weiß weniger über deine Welt, Solarier.“
„Solche Unwissenheit ist verbreitet. Wir werden sozusagen als die galaktischen Hinterwäldler betrachtet. Wir sind zu weit von eurem dichten Sternhaufen entfernt.“ Er hielt inne. „Ihr habt uns einst gekannt. Wir haben euch hierher verpflanzt. Und ich bin mir sicher, daß ihr uns wieder kennen werdet.“ Er lächelte vor sich hin, trank aus und erhob sich. „Auf daß wir uns wieder begegnen, Cophier.“
Roki nickte und sah zu, wie der Riese wegmarschierte. Pok atmete asthmatisch und zupfte nervös an seinen Nägeln. Er ließ beim Abgang des Solariers einen Seufzer der Erleichterung los.
Roki bot dem verängstigten Dolmetscher ein steifes Getränk an, und dann noch eines. Nach zwei weiteren schwankte Pok schwindlig und schlief dann über dem Tisch liegend ein. Roki ließ ihn dort. Falls Pok ein Informant war, würde es besser sein, ihn beim Treffen mit dem Patrouillenoffizier Captain WeJan nicht dabei zu haben.
Er rief ein Taxi heran und gab dem Fahrer einen Fetzen Papier. Ein paar Minuten später traf er vor einem kleinen Gebäude in einer Vorstadt ein. WeJans Name stand auf der Tür – geschrieben in der Weltraumsprache -, aber der Offizier war nicht zu Hause. Stirnrunzelnd versuchte er die Tür; versperrt. Als er dann zurück auf die Straße schaute, sah er einen Mann im Schatten stehen. Es war ein Solarier.
Langsam ging Roki über die Straße. „Hast du Feuer, Stoppelkopf?“ grummelte er.
Im Licht dreier Monde sah er, wie die riesige Gestalt vor Zorn anschwoll. Der Mann schaute schnell die Straße hinauf und hinunter. Niemand sah zu. Er gab ein tiefes Tierknurren von sich und entblößte die brutalen Zähne. Seine Arme schossen vor, um die Schultern des Cophiers zu packen und ihn zu sich zu ziehen. Roki packte die Multin-Automatik in seiner Tasche und mühte sich, sie herauszuziehen. Der Solarier riß ihn zu den entblößten Zähnen hoch.
Kurz bevor seine Kehle zerdrückt worden wäre, zog Roki den Abzug durch. Es gab ein dumpfes wumpf. Der Solarier sah überrascht drein. Er ließ Roki los und befühlte seine Brust. Es gab keine sichtbare Wunde. Dann flammte in seiner Brust die Brandnadel zu weißglühender Hitze auf. Der Solarier setzte sich auf der Straße hin. Er hauchte ein brutzelndes Geräusch heraus. Er sackte zusammen. Roki ging schnell weg, bevor die Nadel sich aus seinem Körper herausbrannte.
Er hatte den Mann nicht töten wollen, und es war in Selbstverteidigung geschehen, aber es würde ihm vielleicht schwerfallen, das zu beweisen. Er eilte durch Hintergassen in Richtung Raumhafen. Wenn sie nur Tragor sofort verlassen konnten!
Was war mit WeJan geschehen? Bestochen, zusammengeschlagen oder weggescheucht. Also wußten die Solarier, wer er war und wohin er unterwegs war. Es gab ein halbes Dutzend Männer im Bereich des Raumhafens, die es wußten – und die Information würde leicht zu kaufen sein. Pok hatte gewußt, daß er sich mit WeJan treffen sollte, und der Solarier war offenbar geschickt worden, um das Quartier des Captains zu beobachten. Es würde jetzt nicht leicht sein – nach Sol III zu gelangen und zu landen.
Was für Kreaturen waren das? fragte er sich. Männer, die Hilfsfrachten an die galaktischen Nationen lieferten – als ob Wohltätigkeit das Thema und der Zweck ihrer Kultur sei – die aber so arrogant zu sein schienen wie die Krieger irgendeiner primitiven Kultur, deren zentraler Wert brutale Macht war? Was wollten sie hier wirklich? Der Solarier hatte ihn „Menschending“ genannt, als würde er den Cophier als Mitglied einer geringeren Spezies betrachten.
Die Solarier waren definitiv anders. Roki konnte es sehen. Ihre Köpfe waren plump und weich wie der eines Babys, was auf einen neuen evolutionären Trend hindeutete – vielleicht ein Gehirn, das weiterwachsen konnte. Aber die Kiefer, die Zähne, das hitzige Gemüt und die überempfindlichen Ohren – welche Art von Tier entwickelte solche Merkmale? Es gab nur eine Antwort: ein nächtlicher Räuber mit den Instinkten eines Löwen. „Ihr werdet uns wieder kennenlernen“, hatte der Mann gesagt.
Daraus sprachen galaktopolitische Ambitionen. Und es deutete auf noch etwas hin – etwas, bei dem der Cophier schauderte und vor den dunklen Schatten zurückwich, während er zum Schiff eilte.
Daleth Incorporated schlief entweder, oder sie war ausgegangen. Er sah im Schiff nach und ging dann zum Verwaltungsgebäude, um wegen ihr nachzufragen. Der Beamte schien verlegen zu sein.
„Uh… E Roki, sie verließ den Hafen um etwa fünf Uhr.“
„Sie haben seither nichts von ihr gehört?“
„Nun… es gab einen Anruf von der Polizei, habe ich gehört.“ Er sah entschuldigend drein. „Ich versichere Ihnen, daß ich mit der Sache nichts zu tun hatte.“
„Polizei! Was… was ist nicht in Ordnung, Mann?“
„Ich höre, daß sie unbegleitet und unverschleiert ging. Die Polizei hält sie fest.“
„Wie lange werden sie sie behalten?“
„Bis ein Gentleman für sie unterschreibt und sie in Gewahrsam nimmt.“
„Sie meinen, ich muß für sie unterschreiben?“
„Ja, Sir.“
Roki lächelte nachdenklich. „Sagen Sie mir, junger Mann – sind tragorianische Gefängnisse besonders unbequem?“
„Das würde ich persönlich nicht wissen“, sagte der Beamte steif. „Soweit ich weiß, entsprechen sie jedoch dem intergalaktischen ‚Codex für Menschlichkeit‘.“
„Gut genug“, grummelte Roki. „Ich lasse sie dort, bis wir bereit zur Abreise sind.“
„Keine schlechte Idee“, murmelte der Beamte, der der zigarrenkauenden Dame von Daleth offenbar schon begegnet war.
Roki war über die Umkehrung der Positionen nicht amüsiert, aber es schien ein so guter Ort wie jeder andere zu sein, um sie zu ihrer Sicherheit dortzulassen. Falls die Solarier sich für ihn zu interessieren begannen, würden sie vielleicht auch seine Pilotin bemerken.
Er verbrachte den folgenden Tag mit der Beobachtung des solarischen Schiffes und wartete fatalistisch darauf, daß die Polizei kam und ihn wegen des Todes des Solariers befragte. Aber die Polizei kam nicht. Eine Überprüfung der Nachrichtenagenturen enthüllte, daß die Leiche des Mannes nicht einmal gefunden worden war. Roki war verwirrt. Er hatte den Riesen offen liegengelassen, wo er gefallen war. Um die Mittagszeit kam die solarische Besatzung mit mehreren Bleibehältern, die an Schlingen unter Tragestangen hingen. Sie trugen metallene Schutzhandschuhe und handhabten die Behälter vorsichtig. Roki wußte, daß sie radioaktive Materialien enthielten. Das war es also, was sie mit ihrem Transplantationsmaterial kauften – Nuklearbrennstoffe.
Gegen Anbruch der Nacht luden sie zwei große Kisten an Bord. Er bemerkte die Form der Kisten und entschied, daß eine davon die Leiche des Mannes enthielt, den er getötet hatte. Warum wollte die Polizei nichts davon wissen? War es möglich, daß sie ihn frei haben wollte, damit er ihnen folgen konnte?
Das Schiff von Sol startete während der Nacht. Er war überrascht, als er am nächsten Morgen sah, daß es verschwunden war und er immer noch unbehelligt blieb. Beim Herumwandern auf dem Raumhafen sah er WeJan, aber der Mann hatte einen plötzlichen Gedächtnisschwund entwickelt. Er erkannte den cophischen Besucher nicht. Jetzt, wo die Solarier weg waren, wurde Roki bei seinen Fragestellungen kühner.
„Wie oft besuchen die Solarier Sie?“ fragte er einen Schalterbeamten im Verwaltungsgebäude.
„Wann immer ein Spital eine Bestellung aufgibt, Sir. Nicht oft. Vielleicht alle sechs Monate.“
„Das ist der ganze Verkehr, den sie mit Tragor haben?“
„Ja, Sir. Dies ist unser einziger interstellarer Hafen.“
„Laufen die Lieferungen über Ihre Regierungskanäle?“
Der Beamte sah sich nervös um. „Äh, nein, Sir. Sie weigern sich, über unsere Regierung zu handeln. Sie kontaktieren ihre Kunden direkt. Die Regierung läßt sie, weil die Lieferungen dringend gebraucht werden.“
Roki kam direkt zur Sache. „Was denken Sie von den Solariern?“
Der Beamte sah ihn einen Moment lang groß an und schmunzelte dann. „Das weiß ich selbst nicht. Aber falls Sie eine niedrige Meinung hören wollen, fragen Sie am Raumhafencafé.“
„Warum? Machen sie dort Ärger?“
„Nein, Sir. Sie bringen sozusagen ihr eigenes Essen mit. Sie essen und schlafen im Schiff und geben keinen dünnen Galak in der Stadt aus.“
Roki wandte sich ab und ging zur Idiot zurück. Irgendwo in seinem Kopf weigerte sich eine Idee, geglaubt zu werden. Ein Hilfsschiff besuchte Tragor alle sechs Monate. Roki hatte die verstreute, zerstörte Fracht eines solchen Schiffes gesehen, und er hatte sie auf etwa zweitausend Liter Blut, dreitausend Kilogramm gefrorene Knochen und dreitausend Kilogramm verschiedener Ersatzorgane und Gewebe geschätzt. Diese Tonnage für sich war nicht alarmierend, aber wenn Sol III zweimal jährlich eine gleiche Menge an auch nur ein Drittel der achtundzwanzigtausend zivilisierten Welten in der Galaxis lieferte, dann stellte sich eine atemberaubende Frage: woher bekamen sie ihr Rohmaterial? Chirurgisches Transplantationsmaterial wurde normalerweise von Unfallopfern beschafft, die lange genug lebten, um ihre unbeschädigten Organe freiwillig für eine gute Sache zu spenden.
Wohltätige Organisationen versuchten Zusagen von Männern in gefährlichen Berufen zu sichern, daß sie ihre Körper im Falle ihres Todes für die Organbank ihres Planeten spendeten. Aber kein Mann fühlte sich wohl dabei, seine Nieren oder seine Leber der Bank zu überschreiben, und solche Rekrutierer waren weniger beliebt als Henker oder Lebensversicherungsvertreter. Lieferanten von Organmaterial waren ganz verständlicherweise knapp.
Die grimmige Frage blieb in Rokis Gedanken hängen: wo fanden die Händler von Sol III jährlich zwischen drei und fünf Millionen gesunde Unfallopfer? Vielleicht führten sie die Unfälle selbst herbei, Unfälle, die jenen sehr ähnelten, wie sie am Ende der Rutsche im Schlachthaus vorkommen. Er schüttelte den Kopf und weigerte sich, es zu glauben. Keine Planetenbevölkerung, wie sehr sie auch von ihren Herrschern terrorisiert werden mochte, konnte so etwas ertragen, ohne daß es eine soziologische Explosion bewirkte, die die Welt auf ihrer Umlaufbahn erbeben lassen würde. Es gab eine Grenze für das Ertragen von Tyrannei. Er verbrachte den Rest der Woche mit dem Stellen unschuldiger Fragen hier und dort in der Stadt. Er erfuhr nahezu nichts. Die Solarier kamen mit ihrer seltsamen Fracht, verkauften sie schnell zu einem guten Preis, kauften spaltbare Materialien und starteten ohne ein höfliches Wort zu irgendjemandem. Die meisten Menschen schienen in ihrer Gegenwart nervös zu sein, vielleicht wegen ihrer Körpergröße und ihrer angeborenen Arroganz.
Als das Basispersonal mit der Installierung der Synchronisatoren fertig war, entschied er, daß die Zeit gekommen war, um Daleth Incorporated aus dem örtlichen Gefängnis zu holen. Manchmal hatte er sich dafür gescholten, daß er sie dort gelassen hatte, nachdem die Solarier gestartet waren, aber es schien der beste Ort zu sein, um das eigenwillige Weibsbild von Schwierigkeiten fernzuhalten. Verspätet fragte er sich, während er zur Polizeistation fuhr, was sie ihm dafür anzutun versuchen würde, daß er sie in der Zelle hatte schäumen lassen. Sein Lächeln war reuevoll, als er hineinmarschierte, um ihre Geldbuße zu bezahlen. Der Mann hinter dem Schreibtisch sah finster drein.
„Wer, sagten Sie?“ brummelte er.
„Die fremde Frau von dem dalethianischen Schiff.“
Der Beamte studierte seine Aufzeichnungen. „Ah ja – Talewa Walkeka der Name?“
Roki erkannte, daß er ihren Namen nicht wußte. Sie war immer noch Daleth Incorporated. „Von dem Schiff von Daleth“, beharrte er.
„Ja. Talewa Walkeka – sie wurde am Zweitag der letzten Raumwoche in die Obhut von Eli Roki entlassen.“
„Das ist unmög-“ Roki würgte und wurde weiß. „Ich bin Eli Roki. War der Mann ein Solarier?“
„Ich erinnere mich nicht.“
„Warum nicht? Haben Sie ihn nicht um Identifikation ersucht?“
„Hören Sie bitte auf zu brüllen“, sagte der Beamte kalt. „Und nehmen Sie Ihre Fäuste von meinem Tisch.“
Der Cophier schloß die Augen und versuchte sich zu beherrschen. „Wer ist dafür verantwortlich?“
Der Beamte antwortete nicht.
„Sie sind verantwortlich!“
„Ich kann mich nicht um alle Probleme all der Fremden kümmern, die –“
„Hören Sie auf! Sie haben sie sterben lassen.“
„Sie ist nur eine Frau.“
Roki straffte sich. „Treffen Sie mich an irgendeinem abgelegenen Ort Ihrer Wahl, und ich werde Sie mit jeder Waffe Ihrer Wahl töten.“
Der Beamte beäugte ihn kalt und wandte sich dann um, um über seine Schulter zu rufen: „Sergeant, begleiten Sie diesen Barbaren zu seinem Schiff und sorgen Sie dafür, daß er für den Rest seines Besuchs an Bord bleibt.“
Der Cophier ging friedlich mit, erkennend, daß Gewalt ihm nichts einbringen würde als die eiserne Gastlichkeit einer Zelle. Außerdem hatte er es nur sich selbst vorzuwerfen, daß er sie dort gelassen hatte. Es war für ihn nun offensichtlich – der Inhalt der zweiten Kiste, die die Solarier an Bord getragen hatten, bestand aus Talewa Walkeka, vor Kurzem noch Daleth und im Super-C. Zweifellos hatten sie sie lebend mitgenommen. Zweifellos war sie ein zusätzlicher Köder, um ihn nach Sol zu bringen. Warum wollten sie, daß er kam? Ich werde ihnen den Gefallen tun und es selbst herausfinden, dachte er.
Das Schiff war bereit. Die Rechnung würde zurück an Beth geschickt werden. Er unterschrieb die Papiere und startete so bald wie möglich. Der einsame alte Frachter kroch in die fünfte Komponente hoch wie ein sich abmühender alter Geier, der zu alt war, um seinen sonnigen Sitzplatz zu verlassen. Aber die Synchros arbeiteten perfekt, und der Schirm behielt seine Form, als der Aufstieg gerade unter der roten Linie aufhörte. Er wählte einen Ausweichkurs in Richtung Sol und begann Geschwindigkeit aufzunehmen.
Dann gab er eine Nachricht in den Codierer ein, die zum Sechzig-Sterne-Verband zurückgesendet werden sollte: Pilotin von Solariern entführt; Beweise gesichert, die darauf hindeuten, daß die solarische Hilfsware durch Genozid beschafft wird. Er zeichnete die verschlüsselte Nachricht auf einem Band ein und speiste sie fortlaufend in die Sender ein, wissend, daß die Trägerwelle ihn zu einem perfekten Ziel für Zielsuchgeräte machte, falls irgendjemand sich dafür entschied, ihn zum Schweigen zu bringen. Und er wußte, daß es ein ziemlich armseliger Bluff war.
Die Nachricht mochte aufgefangen werden oder auch nicht. Ein zuhörendes Schiff würde auf demselben C-Niveau sein müssen, um das Signal aufzufangen. Wenige Schiffe außer den alten Frachtern hielten sich lange auf neunzigtausend C auf. Aber falls die Solarier ihn lange genug leben ließen, würde die Nachricht aufgefangen werden – aber nicht unbedingt geglaubt. Das meiste, worauf er hoffen konnte, war, Neugier bezüglich Sol zu erwecken. Niemanden würde die Entführung des Mädchens sehr kümmern, oder sein eigener Tod. Interstellare Föderationen versuchten nie, ihre Bürger jenseits der Grenzen ihres eigenen Raumvolumens zu schützen. Es wäre eine unmögliche Aufgabe. Sofern jedoch die Solarier nicht nach ihm suchten, würden sie den Ruf wahrscheinlich selbst nicht auffangen. Ihre Schiffe würden auf einer höheren C-Ebene sein. Und nachdem sie wußten, daß er kam, hatten sie keinen Grund, nach ihm zu suchen. Bei seiner gegenwärtigen Geschwindigkeit und seinem Energieniveau war er vier Monate von Sol entfernt. Das Hilfsschiff, das auf einer höheren Ebene war, würde Sol wahrscheinlich innerhalb von drei Wochen erreichen. Er war ein Spatz, der hinter einem selbstzufriedenen Habicht herjagte. Aber jetzt stand mehr auf dem Spiel als Stolz oder Ansehen. Er war aufgebrochen, um seinen Namen reinzuwaschen, aber jetzt zählte sein Name wenig. Falls das, was er argwöhnte, wahr war, dann war Sol III eine potentielle Bedrohung für jede Welt in der Galaxis. Wieder erinnerte er sich an die Anredeform des Solariers – „Menschending“ -, als ob eine neue Rasse entstanden sei, um den Platz ihrer Vorfahren zu erben. Falls ja, dann hatte die neue Rasse ein Recht, sich um das Überleben zu bewerben. Und die alte Rasse namens Mensch hatte ein Recht, sie zu vernichten, wenn sie konnte. So war die Dialektik des Lebens.
Vier Monate des einsamen Eingesperrtseins in einem Raumschiff waren genug, um jeden Mann zu entnerven, wie sehr er auch darauf trainiert sein mochte. Er ging ruhelos in seiner Zelle auf und ab, vom Quartier zum Kontrollraum zum Reaktorraum, las alles, was es an Bord zu lesen gab, und verschlang es mehrere Male. Manchmal blieb er stehen, um durch Daleths Tür zu schauen. Ihre Sachen waren immer noch in dem Abteil und sammelten Staub. Ein Paar Stiefel in der Ecke, eine Schachtel mit dalethianischen Zigarren auf dem Regal. „Vielleicht hat sie ein Buch oder zwei“, sagte er einmal und trat ein. Er öffnete den Kleiderschrank und schmunzelte über die rauhe, maskuline Kleidung, die dort hing. Aber zwischen den groben Stoffen befand sich ein Hauch blaßgrüner Seide. Er teilte die Latzhosen, um das zarte, feminine Kleid anzustarren, das zum Ende hin dazwischen hing, halb verborgen wie ein unterdrückter Wunsch. Einen Moment lang sah er sie darin, wie sie die kühlen Prachtstraßen einer cophischen Stadt entlangspazierte. Aber schnell ließ er die Latzhosen zurückfallen, schlug die Tür zu und ging mit einem Gefühl der Scham nach draußen. Er betrat ihr Quartier nie wieder.
Die Einsamkeit war überwältigend. Nach drei Monaten schaltete er die Sender ab und horchte auf den Weltraumfrequenzen nach dem Klang einer menschlichen Stimme. Es gab nichts außer dem gelegentlichen Zwitschern einer verschlüsselten Nachricht. Manche davon kamen aus der Richtung von Sol. Warum ließen sie ihn ohne Eingreifen kommen? Warum hatten sie ihn die Nachricht frei senden lassen? Vielleicht wollten sie ihn als einen Mann, der sehr viel über das Militär und die wirtschaftlichen Ressourcen des Sechzig-Sterne-Verbandes wußte, Informationen, die sie brauchen würden, falls sie hohe Ambitionen im Weltraum hatten. Und vielleicht war die Nachricht nicht mehr wichtig, falls sie bereits genug Nuklearmaterial für ihre Pläne erworben hatten. Nach einer logischen Analyse der Sitution kam er auf eine bessere Antwort.
Ihre Schiffe hatten nicht die Warpkopplungsgeräte, die es einem Schiff ermöglichten, zusammen mit einem Feind in eine parallele C-Schicht zu schlüpfen und bei diesem Feind zu bleiben, während es in der fünften Komponente manövrierte. Die Solarier hatten diesen Mangel bewiesen, als das „Hilfsschiff“ versucht hatte, ihm durch Ausweichmanöver zu entkommen. Wenn ihre eigenen Schiffe mit den Warpkopplern ausgerüstet gewesen wären, dann hätten sie es besser gewußt, als das zu versuchen. Sie wollten solch eine Ausrüstung. Vielleicht dachten sie, daß die Idiot sie besaß, oder daß er sie mit genügend Informationen versorgen konnte, um es ihnen zu ermöglichen, sie zu bauen. Nach mehreren Tagen des Korrelierens solcher Fakten, die er bereits wußte, aktivierte Roki seine Sender, stellte den Strahl auf einen sehr engen Winkel ein und richtete ihn auf Sol. „Blindruf von Sternverband-Schiff Idiot“, rief er. „Idiot an irgendein Sol-Schiff. Ich habe Informationen im Austausch für die Person von Talewa Walkeka zu verkaufen. Bestätigen, bitte.“ Er wiederholte die Nachricht mehrmals und erwartete, mehrere Tage auf eine Antwort zu warten. Aber die Anwort kam innerhalb von drei Stunden, was darauf hindeutete, daß ein Schiff direkt vor ihm geschwebt hatte, jenseits der Reichweite seiner eigenen veralteten Detektoren.
„Sternverband-Schiff von Sol Sieben“, knisterte der Lautsprecher. „Möchten Sie auf unserem Planeten landen? Falls ja, bereiten Sie sich darauf vor, geentert zu werden. Einer unserer Piloten wird sie hereinbringen. Sie nähern sich unserer äußeren Patrouillenzone. Falls Sie sich weigern, geentert zu werden, werden Sie umkehren müssen. Unkooperative Schiffe werden bei Landeversuch zerstört. Ende.“
Es lag auch eine belustigte Note in der Stimme. Sie wußten, daß er nicht umkehren würde. Sie hatten eine Geisel. Sie luden ihn zur Kapitulation ein, formulierten die Einladung aber höflich.
Roki zögerte. Warum hatte der Mann gesagt: „bei Landeversuch zerstört“? Nach einem Moment des Nachdenkens begriff er, daß es deswegen war, weil sie ein Schiff nicht zerstören konten, solange es in der fünften Komponente manövrierte. Sie konnten nicht einmal im selben Kontinuum mit ihm bleiben, sofern sie nicht die Warpkopplungsgeräte hatten. Ein vager Plan begann sich in seinem Kopf zu formen.
„Ich stimme unter Bedingungen zu. Haben Sie Talewa Walkeka an Bord? Falls ja, dann beweisen Sie es, indem Sie sie ersuchen, die folgende Frage mit ihrer eigenen Stimme zu beantworten: ‚Zähle die Kleidungsstücke auf, die sich im Kleiderschrank ihres Quartiers an Bord dieses Schiffes befinden‘. Falls dies zufriedenstellend erfüllt ist, werde ich vorläufig annehmen, daß Sie keine feindlichen Absichten haben. Seien Sie jedoch daran erinnert, daß ich, solange wir aneinander festgemacht sind, die Hälfte Ihres Rumpfes wegreißen kann, indem ich meinen C-Antrieb einschalte – sofern Sie nicht mit Warpkopplungsgeräten ausgestattet sind.“
Das sollte genügen, dachte er. Mit solch einer Warnung würden sie sicherstellen, daß sie ihn als Gefangenen an Bord ihres Schiffes hatten, bevor sie irgendeinen anderen Schritt unternahmen. Und er würde sein Bestes tun, um es ihnen leicht zu machen. Zwei oder drei Stunden würden vergehen, bevor er eine Antwort erwarten konnte, daher begann er sofort mit der Arbeit, bereit, jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel zu benutzen, um aus der Idiot eine Sprengfalle zu machen und die Falle so einzustellen, daß nur sein fortgesetztes Wohlergehen sie an der Auslösung hinderte.
Der Ersatzteilvorrat der Idiot war streng begrenzt, wie er zuvor entdeckt hatte. Es gab ein paar Reserve-Gleichlaufanlagen, Ersatzeinheiten für den Rechner und den Kurscomputer, Teile für Funk und Radar, Kontrollmechanismen für die Reaktoren und ein Sortiment von Reserveinstrumenten und Detektoren. Er erweiterte seinen Vorrat, indem er sich rücksichtslos über den Rechner hermachte und nahm, was er brauchte.
Er war hart an der Arbeit, als die Antwort von dem Sol-Schiff kam. Es war Daleths Stimme, scharf und zornig, die sagte: „Sechs Latzhosen, eine Jacke, ein Morgenmantel und ein Seidenkleid. Zum Teufel mit dir, Roki.“
Der solarische Funker übernahm. „Erwarten Sie ein Treffen in sechs Stunden. In Anbetracht Ihrer Drohung müssen wir darum ersuchen, daß sie bei offener Luke in der Außenschleuse stehen, sodaß wir Sie sehen können, wenn wir aneinander festmachen. Bitte bestätigen Sie Kooperationsbereitschaft.“
Roki grinste. Sie wollten sicherstellen, daß er nicht in der Nähe der Kontrollen war. Er gab ihnen eine mürrische Bestätigung und kehrte zu seiner Arbeit zurück, machte sich über die elektronischen Steuerstromkreise her, die Funkanlage, die Reaktionsratenbegrenzer und die Kontrollen des C-Antriebs. Er wob ein Netzwerk der gegenseitigen Abhängigkeit durch das ganze Schiff, legte Verbindungsstromkreise von den Luftschleusenmechanismen zu den Reaktoren und von der Kommunikationsanlage zum C-Antrieb. Allmählich wurde das Schiff als Transportmittel unbrauchbar. Die Düsen schwiegen. Er stellte Zeitschaltuhren auf die Aktivierung von Teilen der Apparatur ein und verband andere Ausrüstungsteile mittels Relais, die darauf eingestellt waren, beim Eintritt verschiedener Ereignisse auszulösen.
Es war keine schwierige Aufgabe, und auch keine lange. Er fügte nichts wirklich Neues hinzu. Zum Beispiel war es leicht, die Drähte von der Luftschleusenanzeigelampe zu entfernen und ihr Signal in eine Relaissektion einzuspeisen, die aus dem Rechner entfernt worden war, eine Sektion, die einen Steuerpuls an die Reaktoren schicken würde, falls die Luftschleusen zweimal geöffnet wurden. Der Kontrollpuls würde, wenn er kam, die Einheiten über die rote Linie treiben. Die Relaissektionen waren wie Roboter für nur eine Aufgabe, eingestellt, um dem Befehl zu gehorchen: „Falls dies geschieht, dann drücke diesen Schalter.“
Als er fertig war, waren die sechs Stunden beinahe um. Ruhelos auf und ab gehend, wartete er darauf, daß sie kamen. Dann, als er ein plötzliches Flackern der Instrumente bemerkte, schaute er hinaus und sah den dunklen Rumpf durch seinen Strahlungsschirm schlüpfen. Er kam in geringem Abstand zum Stillstand.
Roki startete die Zeitschaltuhren, die er eingestellt hatte, und legte dann einen Druckanzug an. Mit einem Diagramm der von ihm vorgenommenen Änderungen in der Hand stellte er sich in die äußere Schleuse. Er hielt die Außenluke offen. Der Strahl eines Scheinwerfers erfaßte ihn, während das Sol-Schiff langsam näherkam. Er konnte eine andere Gestalt in einem Raumanzug in dessen Schleuse sehen, die den Piloten einwies. Roki schaute zu seinen eigenen Greifern hoch; sie waren bereits aktiviert und warteten auf etwas, an dem sie sich festhalten konnten.
Die Schiffe kamen mit einem schaukelnden Ruck in Kontakt, als die Greifer von beiden zupackten und sich festhielten. Roki schwang sich über einen schwerelosen Raum hinüber und stand dann der kräftigen Gestalt des Solariers gegenüber. Der Mann stieß ihn in die nächste Schleuse und betrat sie nach ihm.
„Durchsucht ihn nach Waffen“, knurrte eine harsche Stimme, als Roki seinen Helm abnahm. „Und schickt die Entergruppe durch die Schleusen.“
„Wenn ihr das tut, werdet ihr die Schiffe in die Hölle sprengen“, sagte der Cophier ruhig. „Die Luken sind so manipuliert, daß sie die Reaktoren über die rote Linie treiben.“
Der Kommandant, ein scharfäugiger älterer Kerl mit einem massiven kahlen Schädel, sah ihn mit einem kalten Blick an, aus dem langsam ein höhnisches Grinsen wurde. „Sehr gut, wir können uns durch den Rumpf schneiden.“
Roki nickte. „Das könnt ihr tun, aber laßt keinen Druck entweichen. Die Leistungsregler sind auch mit dem Druckmesser verbunden.“
Der Kommandant errötete leicht. „Sonst noch was?“
„Mehrere Dinge.“ Roki überreichte ihm den Schaltplan. „Laß deinen Ingenieur das studieren. Bis er es kapiert hat, kann alles, was ihr tut, gefährlich sein, zum Beispiel zu versuchen, sich von meinen Greifern loszureißen. Ich versichere dir, wir sind entweder dauerhaft miteinander verbunden oder dauerhaft tot.“
Der Solarier war anscheinend sein eigener Ingenieur. Er starrte das Schema an, während ein anderer Roki um seine Waffe erleichterte. Es waren vier von ihnen in der Kabine. Drei waren bewaffnet und beobachteten ihn sorgfältig. Er wußte aufgrund ihrer Gesichtsausdrücke, daß sie ihn als von einer geringeren Spezies betrachteten. Und er beobachtete sie, wie sie sich stumm mittels einer geräuschlosen Sprache aus Gesichtszuckungen und eigenartigem Nicken verständigten. Einmal schaute der Kommandant auf, um eine Frage zu stellen.
„Wann wird dieser Zeitschalter dieses Netzwerk aktivieren?“
Roki warf einen Blick auf seine Uhr. „In etwa zehn Minuten. Falls die periodischen Signale des Senders nicht im richtigen Code beantwortet werden, dann aktivieren die Signale den C-Antrieb.“
„Ich sehe das“, schnappte er. Er sah einen stämmigen Assistenten an. „Bring ihn hinaus. Zieh ihm die Haut ab – angefangen bei den Füßen. Er wird dir den Code geben.“
„Ich werde ihn dir jetzt geben“, bot Roki ruhig an.
Der Kommandant zeigte leichte Überraschung. „Dann tu das.“
„Die cophische Multiplikationstabelle ist der Code. Mein Sender wird alle zwei Minuten ein Paar cophischer Zahlen senden. Falls ihr nicht innerhalb einer Sekunde das richtige Produkt liefert, dann startet ein Relais den C-Antrieb. Nachdem ihr keinen exakt gleichzeitigen Schub garantieren könnt, sollte es einen ziemlichen Crash geben.“
„Sehr gut, gib uns eure cophischen Zahlensymbole.“
„Gerne. Aber sie werden euch nicht helfen.“
„Warum nicht?“
„Unsere Zahlen haben die Basis achtzehn statt der Basis Zehn. Man könnte nicht schnell genug reagieren, sofern man sie nicht seit der Kindheit verwendet hat.“
Die Lippen des Solariers zogen sich von seinen schweren Zähnen zurück, und seine Kiefermuskeln begannen zu zucken. Roki sah auf seine Uhr.
„Ihr habt sieben Minuten, um euren Sender einzuschalten, mit mir an der Tastatur. Wir werden reden, während ich uns intakt halte.“
Der Kommandant zögerte und nickte dann einem der Wachen zu, der prompt den Raum verließ.
„Na gut, Menschending, wir werden ihn vorübergehend in Betrieb nehmen.“ Er hielt inne, um arrogant zu lächeln. „Du hast viel über unsere Rasse zu lernen. Aber du hast wenig Zeit dafür.“
„Was meinst du?“
„Einfach das. Dieser Sender – und der ganze Apparat – wird nach einer bestimmten Zeitspanne abgeschaltet werden.“
Roki versteifte sich. „Wie schlägst du denn vor, das zu tun?“
„Narr! Indem ich warte, bis die Signale aufhören. Du mußt offensichtlich eine Zeitgrenze dafür festgelegt haben. Ich würde vermuten, höchstens ein paar Stunden.“
Es stimmte, aber er hatte zu vermeiden gehofft, es zu erwähnen. Die Energie für die Kontrollschaltkreise würde nach vier Stunden unterbrochen werden, und die Sprengfalle würde deaktiviert werden. Denn falls er sein Ziel bis dahin nicht erreicht hatte, wollte er in der letzten halben Stunde ein Signal auslassen und sie von dem Ruck C-wärts zerreißen lassen. Er nickte langsam.
„Du hast schon recht. Du hast vier Stunden, um dein Schiff meiner Kontrolle zu übergeben. Vielleicht. Ich werde die Signale senden, bis ich entscheide, daß du nicht kooperieren willst. Dann –“ Er zuckte die Schultern.
Der Solarier gab seinen Helfern einen Befehl. Sie gingen in verschiedene Richtungen weg. Roki vermutete, daß sie ausgeschickt worden waren, um irgendeinen Weg zum Betreten der Idiot zu überprüfen, der keine Sprengfalle auslösen würde.
Sein Gastgeber winkte ihn durch eine Tür, und er fand sich in ihrem Kontrollraum wieder. Ein Blick sagte ihm, daß ihre Wissenschaft immer noch hinter den meisten modernen Kulturen zurücklag. Sie hatten die Merkmale einer neuen Rasse, und doch war Sols Zivilisation angeblich die älteste in der Galaxis.
„Da sind die Sender“, bellte der Kommandant. „Sag‘, was du zu sagen hast, und wir werden sehen, wer am besten warten kann.“
Roki setzte sich, befingerte die Tastatur und beobachtete seinen Gegner genau. Der Kommandant fiel in einen Sitz gegenüber von ihm und starrte kühl durch verengte Lider. Er trug ein starres Lächeln der Erheiterung. „Dein Name ist Eli Roki, glaube ich. Ich bin Space Commander Hulgruv.“
Ein Geräusch plärrte plötzlich aus dem Empfänger. Hulgruv runzelte die Stirn und verringerte die Lautstärke. Das Geräusch kam als stetiger musikalischer Ton heraus. Er sah den Cophier fragend an.
„Wenn der Ton aufhört, werden die Signale beginnen.“
„Aha.“
„Ich warne dich, ich langweile mich vielleicht recht schnell. Ich werde die Signale am Laufen halten, bis ich denke, daß du Zeit gehabt hast, um dir selbst zu versichern, daß dies kein Bluff ist, mit dem ich euch reinzulegen versuche.“
„Ich bin sicher, daß es keiner ist. Es ist bloß eine Unannehmlichkeit.“
„Du weißt also wenig von meinem Heimatplaneten.“
„Ich weiß ein bißchen.“
„Dann hast du vom ‚Schwert der Abbitte‘ gehört?“
„Wie hat das –“ Hulgruv hielt inne und verlor einen Moment lang sein Grinsen. „Ich sehe. Falls du einen schweren Fehler machst, dann verlangt dein Codex sowieso, daß du stirbst. Also denkst du, du würdest nicht zögern, ein Signal auszulassen.“
„Stell‘ mich auf die Probe.“
„Es ist vielleicht nicht notwendig. Sag‘ mir, warum hast du einen Abstand von zwei Minuten zwischen ihnen eingestellt? Warum nicht jede Stunde ein Signal?“
„Das kannst du beantworten.“
„Ah ja. Du denkst, der kurze Zeitabstand sichert dich gegen jede schmerzhafte Überredungsmethode ab, eh?“
„Uh-huh. Und es gibt mir eine Chance, häufig zu entscheiden, ob es die Sache wert ist.“
„Was willst du, Cophier? Angenommen, wir geben dir das Mädchen und lassen dich frei.“
„Sie ist eine bloße Nebensache“, knurrte er, fürchtend, daß er an den Worten ersticken könnte. „Der Preis ist die Kapitulation.“
Hulgruv lachte herzlich. Es war offensichtlich, daß er andere Pläne hatte. „Warum hältst du uns für euren Feind?“
„Du hast die Anschuldigung gehört, die ich zum Sterneverband zurücksendete.“
„Sicher. Wir ignorierten sie, direkt. Indirekt machten wir dich zum Narren, indem wir ein anderes, äh, Hilfsschiff zu eurem System starteten. Die Fracht war der Quelle entsprechend beschriftet, und das Schiff sorgte dafür, daß es einem eurer Patrouillenschiffe begegnete. Es hielt zur Untersuchung an. Du bist zu Hause weniger beliebt als je zuvor.“ Er grinste. „Ich schlage vor, du kehrst mit uns nach Sol zurück. Hilf uns, die Warpkoppler zu entwickeln.“
Roki zögerte. „Du sagtest, das Schiff hielt für die Untersuchung an?“
„Sicher.“
„War das nicht unbequem? Eure Ernährung zu ändern, euer ‚Vieh‘ zu Hause zu lassen – sodaß unsere Leute euch nicht als das erkennen, was ihr wirklich seid.“
Hulgruv versteifte sich leicht und nickte dann. „Gut geraten.“
„Kannibale!“
„Überhaupt nicht. Ich bin kein Mensch.“
Sie sahen einander starr an. Der Cophier fühlte den klammen Mantel des Hasses um ihn kriechen. Der Ton aus dem Lautsprecher stoppte plötzlich. Ein Moment der Totenstille. Roki lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Ich werde das erste Signal nicht beantworten.“
Der Kommandant warf einen Blick durch die Tür und machte eine ruckartige Kopfbewegung. Einen Moment später schritt Talewa Walkeka stolz in den Raum, eskortiert von einem stämmigen Wachmann. Sie warf ihm einen eisigen Blick zu und sagte nichts.
„Daleth –“
Sie gab ein Geräusch wie eine zornige Katze von sich und setzte sich dorthin, wo der Wachmann sie hinschob. Sie warteten. Das erste Signal kreischte plötzlich aus dem Empfänger: zwei Serien kurzer Blöker aus drei unterschiedlichen Noten.
Unfreiwillig sprang seine Hand zur Tastatur. Er blökte das Antwortsignal zurück.
Daleth runzelte verwirrt die Stirn. „Ilgen mal ufneg ist hork-segan“ murmelte sie übersetzend.
Ein langsames Grinsen breitete sich über Hulgruvs schweres Gesicht aus. Er wandte sich um, um das Mädchen anzusehen. „Du bist im cophischen Zahlensystem traniert?“
„Beantworte das nicht!“ brüllte Roki.
„Sie hat es beantwortet, Menschending. Ist dir bewußt, was dein Freund tut, Frau?“
Sie schüttelte den Kopf. Hulgruv sagte es ihr kurz. Sie schaute Roki finster an, schüttelte den Kopf und starrte teilnahmslos zu Boden. Anscheinend stand sie entweder unter Drogen, oder sie hatte noch nichts über die Solarier erfahren, das sie davon überzeugte, daß sie die Feinde der Galaxis waren.
„Sag‘ mir, Daleth, haben sie dich gut ernährt?“
Sie zischte ihn wieder an. „Bist du verrückt –“
Hulgruv kicherte. „Er versucht dir zu sagen, daß wir Kannibalen sind. Glaubst du es?“
Furcht erschien einen Moment lang in ihrem Gesicht, dann Unglauben. Sie starrte den Kommandanten an, sah kein Schuldbewußtsein in seinem Gesichtsausdruck. Sie sah Roki verächtlich an.
„Hör zu, Daleth! Das ist es, warum sie nicht anhalten wollten. Menschliches Vieh an Bord. Ein Blick in ihre Laderäume, und wir hätten es gewußt, hätten ihre Verkleidung der Barmherzigkeit durchschaut, sie als selbsternannte Supermenschen erkannt, ihre galaktischen Eroberungspläne durchschaut. Sie züchten ihr menschliches Vieh auf ihrem Heimatplaneten und machen ein Geschäft daraus, die Teile zu verkaufen. Ihre erste Waffe ist das Einsickern in unser Vertrauen. Sie wußten, daß wir sie zermalmen würden, wenn wir Einsicht in ihre blutdürstige Kultur gewännen.“
„Du bist verrückt, Roki!“ schnapppte sie.
„Nein! Warum sonst würden sie sich weigern, anzuhalten? Technische Geheimnisse? Quatsch! Ihre Technologie ist unserer immer noch unterlegen. Sie beförderten eine Fracht des Hasses, unseres Hasses, der sie unerkannt begleitete. Sie konnten es sich nicht leisten, es zu enthüllen.“
Hulgruv lachte brüllend. Das Mädchen schüttelte langsam den Kopf, als würde sie Roki bemitleiden.
„Es ist wahr, sage ich dir! Sicher, ich habe geraten. Aber es war ziemlich offensichtlich, daß sie ihr Transplantationsmaterial durch Mord gewannen. Und sie behaupten, sie seien keine Menschen. Sie bewachen ihre Schiffe so genau, leben in ihrer Nähe, während sie im Hafen sind. Und er hat es mir gegenüber zugegeben.“
Das zweite Signal kam. Roki beantwortete es und begann dann das Mädchen zu ignorieren. Sie glaubte ihm nicht. Hulgruv schien amüsiert zu sein. Er summte die Signale für sich mit – ohne Fehler.
„Du verwendest einen polytonalen Code für die Aufforderung, einen monotonalen für die Antwort. Das erschwert das Lernen.“
Der Cophier atmete tief durch. Er warf einen Blick auf den riesigen, kahlen Hirnschädel des Solariers. „Du hoffst, etwa drei- oder vierhundert Töne – und Tonkombinationen – innerhalb der Zeit zu lernen, die ich dir gewähre?“
„Wir werden sehen.“
Eine verächtliche Note in Hulgruvs Stimme warnte Roki.
„Ich verkürze mein Ultimatum auf eine Stunde! Entscheide dich bis dahin. Kapituliere, oder ich höre auf zu antworten. Lerne es, wenn du kannst.“
„Er kann es, Roki“, murmelte Daleth. „Sie können eine ganze Seite auf einen Blick auswendig lernen.“
Roki tastete eine weitere Antwort ein. „Ich werde aufhören, wenn er es versucht.“
Der Kommandant ertrug die Anspannung des Patts superb. „Frag‘ dich doch, Cophier“, knurrte er mit einem Lächeln, „was würdest du gewinnen, indem du das Schiff vernichtest – und dich selbst? Wir sind nicht wichtig. Wenn wir vernichtet werden, dann verliert unser Planet eine weitere Mücke im Weltraum. Bildest du dir ein, wir seien zur Selbstaufopferung unfähig?“
Roki fand keine Antwort. Er schwieg und beantwortete die Signale, als sie kamen. Er hatte gehofft, daß der Bluff gewinnen würde, aber nun sah er, daß Hulgruv ihn das Schiff vernichten lassen würde. Und – wenn die Situation umgekehrt wäre, wußte Roki, würde er dasselbe tun. Er hatte sich irrtümlich geweigert, einem Feind Ehre zuzugestehen. Der Kommandant schien seine stille Bestürzung zu spüren, und er lehnte sich vor, um sanft zu sprechen.
„Wir sind eine neue Rasse, Roki – aus dem Menschen gewachsen. Wir haben Fähigkeiten, von denen ihr nichts wißt. Es ist nutzlos, uns zu bekämpfen. Letztendlich wird euer Volk dahinscheiden. Oder stagnieren. Das ist mit dem Menschen auf der Erde schon geschehen.“
„Dann – gibt es zwei Rassen auf der Erde.“
„Ja, natürlich. Sind die Affen weggestorben, als der Mensch erschien? Das Neue ersetzt nicht das Alte. Es fügt etwas hinzu, baut darauf auf. Die alte Spezies ist die Wurzel des neuen Baumes.“
„Die ihn nährt“ grummelte der Cophier bitter.
Er bemerkte, daß Talewa beunruhigt wurde. Ihre Augen flackerten von einem zum anderen.
„Das war unvermeidlich, Menschending. Es gibt keine andere tierische Nahrung auf Erden. Der Mensch erschöpfte den Planeten, übervölkerte ihn, trieb geringere Spezies ins Aussterben. Er verausgabte die Ressourcen der Welt, um eure Vorfahren zu den dichteren Sternballungen zu bringen. Er sah seine eigene kommende Stagnation auf der Erde. Und nachdem Sol nahe dem Rand der Galaxis liegt, ohne nahe Sternennachbarn, erkannte er, daß er niemals einen Massenexodus in den Weltraum verwirklichen würde. Er hatte nicht den C-Antrieb in seiner gegenwärtigen Form. Das Beste, was er machen konnte, war ein Feldannullierungsantrieb.“
„Aber das ist das Herz des C-Antriebs.“
„Stimmt. Aber er war zu dumm, um zu begreifen, was er hatte. Er drang in die fünfte Komponente ein und erkannte nicht, was er getan hatte. Seine Schiffe gingen auf etwa fünfhundert C hoch, verbrachten dort ein paar Stunden nach der Schiffsuhr und kamen herunter, um zu erkennen, daß auf der Erde mehrere Jahre vergangen waren. Sie kamen nie um diese Zeitverzögerung herum.“
„Aber das ist kaum mehr als ein Problem in fünfdimensionaler Raumnavigation.“
„Wieder richtig. Aber sie dachten immer noch in Begriffen der Feldannullierung. Sie erkannten nicht, daß sie in Wirklichkeit das vierdimensionale Raumkontinuum verlassen hatten. Sie sahen die Blauverschiebung nicht als mehr als ein Feldphänomen. Selbst in Super-C mißt man die Lichtgeschwindigkeit als dieselbe Konstante – weil die Meßinstrumente sich proportional verändert haben. Sie ist anders, relativ zum Heimatkontinuum, aber man kann es nicht wissen außer durch pure Überlegung. Sie haben es nie herausgefunden. Unter Verwendung dessen, was sie hatten, sahen sie, daß sie einige wenige von ihnen zu den dichteren Sternballungen schicken konnten, wenn sie zwanzigtausend Jahre auf ihre Ankunft warten wollten. Natürlich würden an Bord des Schiffes nur ein paar Jahre vergehen. Sie wußten, daß sie es tun konnten, aber sie schoben es auf. Die Gesellschaft war zu der Zeit egalitär. Wer würde gehen? Und warum sollte die Industrie des Planeten sich erschöpfen, um eine Handvoll von Schiffen zu starten, die niemand jemals wiedersehen würde? Wer wollte eine Investition für zwanzigtausend Jahre machen, die die Welt verarmen würde? Sols atomare Ressourcen waren niemals reichlich.“
„Wie kam es dann zustande?“
„Durch eine kleine Gruppe von Menschen, die die Kosten nicht kümmerten. Sie ergriffen die Macht während einer ‚Volksrebellion‘ – als die Sterilisierer die Euthanasisten und die Nichtstuer bekämpften. Die kleine Clique kam durch das fantastische Versprechen an die Macht, den Bevölkerungsüberschuß in den Weltraum abzuleiten. Genug Dumme glaubten es, um sie mit einer starken Unterstützung auszustatten. Sie stellten die Nachrichtenagenturen unter Zensur und sperrten jeden ins Gefängnis, der sagte, es könne nicht getan werden. Sie schickten den Planeten an die Arbeit, um Schiffe zu bauen. Ihre fanatische persönliche Philosophie lautete: ‚Wir geben dem Menschen die Galaxis. Was zählt es, wenn er auf der Erde zugrunde geht?‘ Sie brachten etwa zwölfhundert Schiffe in den Weltraum, bevor ihre Sklavenstruktur zusammenbrach. Der Mensch entwickelte niemals eine andere Technologie auf Sol III. Er hatte sie satt.“
„Und euer Volk?“
Hulgruv lächelte. „Ein natürlicher Auswuchs der Situation. Wenn ein Planet von Kaninchen überschwemmt wäre, die alles Gras fräßen, dann hätte eine Kaninchenspezies, die lernte, andere Kaninchen auszubeuten, die beste Überlebenschance. Wir sind Räuber, Cophier. Die Natur zog uns heran, um eine Eindämmung deiner Rasse zu sein.“
„Du aufgeblasener Narr!“ schnappte Roki. „Räuber sind Spezialisten. Was für Fähigkeiten habt ihr – außer der Fähigkeit, auf den Menschen Jagd zu machen?“
„Ich werde es dir in ein paar Minuten zeigen“, murmelte der Kommandant finster.
Daleth hatte langsam die Farbe verloren, während sie dem indirekten Eingeständnis des Solariers von Rokis Anschuldigung zuhörte. Sie stöhnte plötzlich und sackte zu einem Haufen zusammen. Hulgruv sprach mit dem Wachmann in der geräuschlosen Gesichtssprache. Der Wachmann trug sie schnell weg.
„Wenn ihr eine fortgeschrittene Spezies wärt, Hulgruv – dann hättet ihr euch nicht so leicht von mir überlisten lassen. Eine hochintelligente Rasse würde die Warpkopplungen selbst entdecken.“
Hulgruv wurde rot. „Wir haben dich unterschätzt, Menschending. Es war ein natürlicher Fehler. Deine Rasse ist auf der Erde auf das Niveau von Vieh herabgesunken. Was die Warpkopplungen betrifft, so kennen wir ihre Prinzipien. Wir haben Experimentalmodelle. Aber wir würden unnötige Forschungsarbeit abkürzen, indem wir eure Konstruktion verwenden. Wir sind eine neue Rasse, neu im Weltraum. Natürlich können wir in ein paar Jahren nicht schaffen, wofür ihr Jahrhunderte gebraucht habt.“
„Ihr werdet euch anderswo nach Hilfe umsehen müssen. In zehn Minuten höre ich auf – sofern du nicht deine Meinung änderst.“
Hulgruv zuckte die Schultern. Während Roki die Signale beantwortete, horchte er auf Geräusche von Aktivitäten im ganzen Schiff. Er hörte nichts außer dem gelegentlichen Poltern von Stiefeln, dem kurzen Murmeln einer Stimme im Korridor, dem unregelmäßigen Klappern kleiner Werkzeuge. Es schien keine Aufregung oder Besorgnis zu geben. Die Solarier benahmen sich mit ruhiger Selbstsicherheit.
„Weiß deine Besatzung, was geschieht?“
„Sicher.“
Als die Frist näherrückte, wurden seine Finger auf der Tastatur nervös. Er stählte sich und wartete, klammerte sich an jede Sekunde, sowie sie vorbeiging. Was würde es Gutes bringen, Daleth und sich selbst zu opfern? Ihm würde nur die Vernichtung eines Schiffes und einer Besatung gelingen. Aber es war ein guter Tausch – zwei Bauern für mehrere Springer und einen Turm. Und wenn die Solarier ihren Marsch durch den Weltraum begannen, würde es viele solche Opfer geben.
Zum letzten Mal beantwortete er das Signal, dann lehnte er sich zurück, um Hulgruv anzusehen. „Zwei Minuten, Solarier. Es ist immer noch Zeit, deine Meinung zu ändern.“
Hulgruv lächelte nur. Roki zuckte die Schultern und stand auf. Eine Pistole erschien blitzschnell in der Hand des Kommandanten und warnte ihn, zurückzuweichen. Roki lachte verächtlich.
„Fürchtest du, daß ich dir deine letzten zwei Minuten wegzunehmen versuche?“
Er schlenderte vom Tisch weg auf die Tür zu.
„Stop!“ bellte Hulgruv.
„Warum? Ich möchte das Mädchen sehen.“
„Sehr anrührend. Aber sie ist im Moment beschäftigt.“
„Was?“ Er wandte sich langsam um und schaute auf seine Uhr. „Du scheinst nicht zu begreifen, daß in fünfzig Sekunden –“
„Wir werden sehen. Bleib‘, wo du bist.“
Der Cophier spürte eine plötzliche Kälte in seinem Gesicht. Konnten sie einen Fehler in seinem Netz des Todes gefunden haben? – einen Weg, den plötzlichen Einsatz des C-Antriebs der Idiot mit seinen daraus folgenden ruinösen Belastungen für beide Schiffe zu umgehen? Oder hatten sie die cophischen Symbole wirklich für eine Reaktionszeit von einer Sekunde auswendig gelernt?
Er zuckte die Schultern und bewegte sich in die allgemeine Richtung der Senderabstimmeinheiten. Es gab einen Weg, die Möglichkeit zu testen. Er blieb einen Meter entfernt stehen und drehte sich um, um in Hulgruvs argwöhnische Augen zu schauen. „Du bist tapferer als ich dachte“, knurrte er.
Das Eingeständnis hatte die gewünschte Wirkung. Hulgruv warf den Kopf zurück und lachte arrogant. Es gab einen Moment der Entspannung. Die schwere Automatik schwankte leicht. Roki wich zu den Sendern zurück und schaltete den Strom ab. Das Summen erstarb.
„Zwei Sekunden, Hulgruv! Wirf mir deine Waffe her. Schieße, und du zerschmetterst das Gerät. Warte, und die Röhren werden kalt. Wirf sie her!“
Hulgruv brüllte und hob die Waffe, um zu feuern. Roki grinste. Die Waffe zitterte. Dann warf der Solarier sie ihm mit einem würgenden Laut zu. „Einschalten!“ heulte er. „Einschalten!“
Als Roki den Schalter wieder umlegte, zirpten die Signale bereits im Lautsprecher. Er sprang beiseite, außer Sicht vom Korridor aus. Schritte eilten bereits auf den Kontrollraum zu.
Die Signale stoppten. Dann das Blöken einer Antwort! Eine weitere Tastatur war im Nebenraum aufgestellt worden! Mit Daleth, die die Aufforderungen beantwortete?
Die Pistole explodierte in seiner Hand, als das erste Besatzungsmitglied durch die Tür gerannt kam. Die anderen wichen außer Sicht in den Korridor zurück, als die Projektilwaffe ihren Kameraden zurückwarf, wo er blutend hingestreckt liegenblieb. Hulgruv versuchte zur Tür zu springen. Roki fällte ihn mit einem Schuß ins Knie.
„Der nächste trifft den Sender“, brüllte er. „Bleib weg!“
Hulgruv brüllte einen Befehl. „Schnappt ihn! Falls ihr es nicht könnt, laßt die Falle auslösen!“
Roki beugte sich über ihn und ließ den Pistolengriff gegen seinen Schädel krachen, womit er ihn nur zum Schweigen bringen wollte. Es war ein Fehler, er hatte die Struktur des solarischen Schädels vergessen. Er setzte einen Fuß in Hulgruvs Nacken und riß. Der Griff kam mit einem nassen plupp frei. Er raste zur Tür und drückte sich an die Wand, um zu horchen. Die Besatzungsmitglieder hatten anscheinend eine Unterredung am anderen Ende des Korridors. Er wartete auf das nächste Signal.
Als es kam, ließ er sich zu Boden fallen – um eine unerwartete Art von Ziel zu bieten – und schlängelte sich in Sicht. Er schoß zweimal auf drei Gestalten in einer Entfernung von gut zehn Metern. Das Antwortfeuer tat etwas mit der Seite seines Gesichts und machte seine Sicht unscharf. Ein weiterer Schuß übersprühte ihn mit Flocken vom Deck. Ein Besatzungsmitglied war niedergeschossen. Die anderen wichen durch eine Tür am Ende des Korridors zurück. Sie schlugen sie zu, und eine Druckdichtung legte sich mit einem gummiartigen Geräusch an.
Roki rappelte sich auf und schlüpfte auf eine Tür zu, aus der er das Klicken der Hilfstastatur hörte. Er hatte das sichere Gefühl, daß dort noch jemand außer Daleth war. Aber als er einen schnellen Blick um die Ecke riskierte, sah er nur das Mädchen. Sie saß an einem kleinen Tisch, die Hand an der Tastatur angefroren, ihre Augen starrten verwirrt auf nichts. Er begann zu sprechen, erkannte dann, was nicht stimmte. Hypnose! Oder eine hypnotische Droge. Sie spürte nichts außer der Tastatur unter ihren Fingern und wartete auf die nächste Aufforderung.
Die Tür war nur halb offen. Er konnte niemanden sehen, aber da war ein anderer Mann gewesen, dessen war er sich sicher. Nachdenklich zielte er auf die Türfüllung aus Plastik und feuerte. Eine Pistole schlitterte auf Daleths Tisch zu. Ein schwerer Körper fiel längs hingestreckt auf den Boden.
Das Mädchen schreckte auf. Die dumpfe Verwirrung wich aus ihrem Gesicht und wurde durch großäugigen Schock ersetzt. Sie drückte ihre Hände an die Wangen und wimmerte. Eine Aufforderung blökte aus dem Radio.
„Antworte!“ brüllte er.
Ihre Hand schoß zur Tastatur, und gerade rechtzeitig. Aber sie schien der Ohnmacht nahe zu sein.
„Bleib‘ dran!“ bellte er und raste in den Kontrollraum zurück. Die Besatzungsmitglieder hatten sich achtern des Schotts eingesperrt und die Ventilatoren eingeschaltet. Roki hörte ihr Heulen und fing dann den schwachen Geruch von Gas auf. Seine Augen brannten, und er nieste krampfhaft.
„Ergib dich sofort, Menschending!“ plärrte das Intercom.
Roki sah sich um und schoß dann auf die Kontrollen zu. Er legte eine Dämpferspannung an die Antriebsröhren, defokussierte die Ionenströme und warf die Reaktoren auf volle Emission. Der Schauer aus Hochgeschwindigkeitsteilchen würde über die Fokussierungsspulen sprühen, wie abgelenktes Postenschrot gestreut werden und harte Röntgenstrahlung freisetzen, während sie die Wände der Reaktionskammern pfefferten. Sofern nicht die Wände schmolzen, sollten die Besatzungsmitglieder achtern des Schotts innerhalb von ein paar Sekunden die Möglichkeit erkennen, schnell von dem strahlenden Inferno gebraten zu werden.
Das Tränengas würgte ihn. Aus dem Abteil nebenan konnte er Daleth würgen und stöhnen hören. Wie konnte sie bei ihrem eigenen Weinen die Signale hören? Er versuchte den Korridor und die Reaktionskammertemperatur gleichzeitig zu beobachten. Die Nadel kroch auf den Gefahrenpunkt zu. Eine Explosion konnte die Folge sein, falls die Wände nicht schmolzen.
Plötzlich wieder die Stimme des Intercoms: „Schalte ab, du Narr! Du wirst das Schiff zerstören.“
Er sagte nichts, wartete aber in angespannter Stille und beobachtete das andere Ende des Korridors. Plötzlich erstarben die Ventilatoren. Dann öffnete sich die Tür des Schotts einen Spalt und hielt dann inne.
„Wirf zuerst deine Waffe heraus!“ bellte er. Eine Pistole fiel durch den Spalt und auf den Boden. Ein Solarier schlüpfte hindurch, nieste und rieb sich die Augen. „Dreh dich um und weiche durch den Korridor zurück.“ Das Besatzungsmitglied gehorchte langsam. Roki stand ein paar Fuß hinter ihm und benutzte ihn als Schild, während die anderen hervorkamen. Der Kampfgeist hatte sie verlassen. Es war seltsam, dachte er; sie waren bereit, die Gefahr des C-Antriebs der Idiot zu riskieren, aber sie konnten es nicht ertragen, zusammen mit einem durchgehenden Reaktor eingesperrt zu sein. Da konnten sie den Tod kommen sehen. Er regelte die Reaktoren zurück und trieb die Männer zu den Lagerräumen. Es gab nur eine Tür, die auf ein Gefängnis hindeutete. Er ließ die Gefangenen im Gang anhalten und versuchte den Riegel.
„Nicht da hinein, Menschending!“ knurrte einer der Solarier.
„Warum nicht?“
„Da sind –“
Ein gedämpftes Heulen aus dem Abteil unterbrach die Erklärung. Es war der Schrei eines Kindes. Seine Hand zitterte am Riegel.
„Sie sind wild, und wir sind waffenlos“, flehte der Solarier.
„Wie viele sind da drin?“
„Vier Erwachsene, drei Kinder.“
Roki hielt inne. „Es gibt sonst nichts, wo ich euch hintun kann. Einer von euch – du da – geht hinein, und wir werden sehen, was passiert.“
Der Mann schüttelte in sturer Weigerung den Kopf. Roki wiederholte den Befehl. Wieder weigerte sich der Mann. Der Räuber fürchtete sich unbewaffnet vor seiner Beute. Der Cophier zielte tief und schoß ihm ruhig durch das Bein. „Werft ihn hinein“, befahl er tonlos.
Mit schlecht verborgener Angst um ihre eigene Sicherheit hoben die beiden anderen ihren schreienden Kameraden auf. Roki ließ die Tür aufschwingen und erhaschte einen kurzen Blick auf mehrere menschliche Schatten in der Düsternis. Dann wurde der Solarier durch die Tür geworfen, und der Riegel schnappte zu. Zuerst war es still, dann kam ein Stiergebrüll aus irgendeiner zornigen Kehle. Stampfende Füße – dann das Kreischen des Solariers – und ein Körper wurde gegen die Innenwand geschmettert, während mehrere wilde Stimmen zustimmend brüllten. Die beiden verbliebenen Besatzungsmitglieder standen in betäubtem Schweigen da.
„Funktioniert nicht so gut, nicht wahr?“ murmelte Roki mit rücksichtsloser Unbekümmertheit. Nach einer kurzen Suche fand er einen Abstellraum, um sie einzusperren, und ging, um Daleth an der Tastatur abzulösen.
Als am Ende der vier Stunden das letzte Signal kam, schlief sie vor Erschöpfung. Und auf dem Boden zusammengerollt sah sie weniger wie ein harter kleiner Grenzlandfratz aus als wie ein verängstigtes, schmuddeliges Kätzchen. Er grinste sie einen Moment lang an und ging dann nach hinten, um den Schaden an den kurzzeitig überlasteten Reaktoren zu inspizieren. Er war nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Er arbeitete zwei Stunden lang und ersetzte geschmolzene Fokussiersektionen. Die Düsen würden sie nach Hause bringen.
Die Idiot wurde im Weltraum treibend zurückgelassen, um auf das Kommen eines Reparaturschiffes zu warten. Und Daleth war nicht scharf darauf, sie allein zurückzufliegen. Roki brachte das solarische Schiff auf einen Kurs mit variablem C-Niveau, sodaß kein Schiff von Sol sie ohne Warpkoppler verfolgen konnte. Soweit es Roki betraf, war die Aufgabe erledigt. Er hatte eine Schiffsladung Beweise und zwei lebende Solarier, die gezwungen werden konnten, es zu bestätigen.
„Was werden sie deswegen tun?“ fragte Daleth, als das erbeutete Schiff sie zum Sechzig-Sterne-Verband zurückbrachte.
„Die solarische Rasse sofort vernichten.“
„Ich dachte, wir sollten die Hände von nichtmenschlichen Rassen lassen?“
„Das tun wir, sofern sie nicht versuchen, menschliche Wesen auszubeuten. Das ist automatisch ein Akt des Krieges. Aber ich stelle mir vor, daß ein Ultimatum eine Kapitulation herbeiführen wird. Sie können ohne Warpkoppler nicht kämpfen.“
„Was wird auf der Erde geschehen, wenn sie wirklich kapitulieren?“
Roki drehte sich um, um zu grinsen. „Geh und frag‘ die menschlichen Erdlinge. Steig‘ in ihren Käfig.“
Sie schauderte und murmelte: „Eines Tages – werden sie wieder eine zivilisierte Rasse sein, oder?“
Er wurde wieder nüchtern und starrte nachdenklich in den sternenbesäten Kosmos. „Ihnen gehört die Vergangenheit, Daleth. Ihnen gehört der Ruhm, die Rasse des Menschen begründet zu haben. Sie schickten uns in den Weltraum. Sie gaben dem Menschen die Galaxis – am Anfang. Wir würden gut daran tun, sie in Ruhe zu lassen.“ Er beobachtete sie einen Moment lang. Sie hatte ihre Keckheit verloren, vorübergehend.
„Hör auf, mich so anzugrinsen!“ schnappte sie.
Roki ging, um die solarischen Gefangenen zu füttern: Kohl in Dosen.
* * *
Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.
Lucifex
/ April 26, 2019„Fridays for Fiction“, zum Dritten! Dies ist wieder eine jener alten SF-Geschichten, die ich schon immer mochte und immer wieder gern gelesen habe. Das Ullstein-Taschenbuch, aus dem ich sie kannte, steht mir schon lange nicht mehr zur Verfügung, und da ich im zweiten Kapitel meines neuen Galciv-Romans „Feuerfall“ darauf Bezug nehme, bin ich auf die Idee gekommen, im Internet nach Veröffentlichungen der englischen Originalfassung zu suchen und eine eigene deutsche Übersetzung davon zu erstellen.
Zwar sind manche der darin vorkommenden Alltagsdetails schon nach heutigen Maßstäben antiquiert (z. B. die mechanische Schreibmaschine und der Notizblock der Sekretärin am Anfang, oder daß die Kurse für die fünfdimensionale interstellare Navigation anhand von gedruckten „C-Karten“ auf Papier auf einem Navigationstisch ausgearbeitet werden statt auf einem Computer mittels entsprechender Programme und Dateien), aber ansonsten liest die Geschichte sich auch heute noch gut. (Bei den „Röhren“ der Sendeanlage im Solarier-Raumschiff, die nicht kalt werden dürfen, muß man sich halt vorstellen, daß das etwas anderes ist als Radioröhren, z. B. irgendwelche Bauelemente, die man für das Senden durch den Raum der höheren C-Ebenen braucht.)
Über die ethnische Identität des Autors Walter M. Miller habe ich erst aufgrund eines (((Anfangsverdachts))) nachzuforschen begonnen, der mir beim Wieder-Lesen einer anderen SF-Kurzgeschichte von ihm, nämlich „Bedingt menschlich“ (Conditionally Human), gekommen ist (die deutsche Fassung davon ist in „Ullstein Science Fiction Stories 36“ enthalten, das ich noch habe). Über ihn habe ich aber nur herausfinden können, daß er im Zweiten Weltkrieg Funker und Heckschütze auf einem amerikanischen Bomber war und aus Betroffenheit über die Bombardierung der Abtei Monte Cassino, an der er selbst teilnahm, 1947 zum Katholizismus konvertierte. Von welcher vorherigen Religion, wird nicht erwähnt.
Jedoch habe ich aufgrund seiner Themen in „Bedingt menschlich“ und auch in dieser Geschichte hier:
…stark den Verdacht, daß er eigentlich Jude war.
In „Bedingt menschlich“ ist die Erde extrem überbevölkert, die Umwelt ist ruiniert, und die meisten Menschen dürfen keine Kinder haben. Als Kinderersatz werden für sie Tiere gezüchtet, die mehr oder weniger annähernd menschliche Intelligenz haben, sprechen können, immer auf kindlichem Entwicklungsniveau bleiben und fortpflanzungsunfähig sind. Neben Katzenmutanten gibt es auch die sogenannten „Neutroiden“, die von Schimpansen abstammen und sehr menschlich aussehen.
Der Protagonist Norris hat einen gutbezahlten Job ähnlich dem eines Hundefängers und fängt normalerweise entlaufene Kindersatz-Mutanten ein. Wenn sich jedoch herausstellt, daß bestimmte Zuchtserien fehlerhaft oder „abnorm“ sind (wozu auch die Entwicklungsfähigkeit zur Geschlechtsreife gehört), ist es seine Aufgabe, sie den „Eltern“ auch gegen deren Widerstand abzunehmen und zu vernichten. Hierfür hat er bei seinem Haus einen Zwinger mit einer kleinen Gaskammer und einem Verbrennungsofen.
Norris‘ Frau macht ihm wegen dieses Teils seiner Tätigkeit Vorhaltungen, und als er herausfindet, daß ein Angestellter der Zuchtanstalt heimlich absichtlich fortpflanzungsfähige Neutroiden züchtet und in Umlauf bringt und daß es eine Anzahl von Menschen gibt, die diese Wesen zu sich nehmen und ihre Besonderheit verheimlichen, tötet Norris seinen Vorgesetzten in der Gaskammer, verbrennt ihn im Ofen und beteiligt sich selbst an der Verschwörung („Dann wollen wir doch sehen, ob ein Paar von Schimpansen-K-Nachkommen die Welt nicht freundlicher und heller gestalten kann als ihre Schöpfer!“)
Dies ist der Schluß der Geschichte:
Schon sehr jüdisch, nicht wahr? Und dasselbe Thema, daß diejenigen die Guten und die Helden sind, die sich für irgendwelche Fremden gegen ihr eigenes Volk, ihre eigene Rasse oder ihre eigene Spezies stellen, kennen wir auch aus vielen Hollywoodproduktionen, und es kommt auch in Walter M. Millers „Reluctant Traitor“ („Verräter wider Willen“) vor, die in der oben abgebildeten Ausgabe von „Amazing Stories“ enthalten ist: „Rolf kämpfte gegen sein eigenes Volk, damit ein Planet frei sein konnte!“
Ich hoffe, ich habe denjenigen, die zuerst diesen Kommentar angeklickt haben, damit nicht „Abfallprodukte“ verdorben, denn darin kommen solche Propagandaelemente nicht vor, wenngleich die Geschichte dennoch ein paar jüdische Elemente oder Themen enthält: das beginnt schon mit dem Vornamen Eli des Helden; die Planetenbezeichnungen Jod-VII und Jod-VI spielen auf den hebräischen Buchstaben Jod an, und Coph ist ebenfalls ein hebräischer Buchstabe. Die Beschreibung von Eli Roki als „schwarzäugig“ klingt jedenfalls nicht gerade „arisch“, während die dunkelhaarige, aber grünäugige Talewa „Daleth“ Walkeka wohl die Sehnsucht jüdischer Männer nach der „Shiksa“ bedient. Ein weiteres jüdisches Thema verkörpern offenbar die Solarier, die in der beschriebenen Form die jüdische Urangst vor den „raubtierhaften“ Amalekitern (und in übertragenem Sinn vor uns weißen „Goyim“) widerspiegeln.
Dies sind die bisher auf „Morgenwacht“ veröffentlichten Geschichten (außer der obigen):
Die frühen imaginären Abenteuer von Gott von Bob Parkinson
Die Wächter von Avalon von mir (als Cernunnos), eine „Fan fiction“-Fortsetzung zu Stewart Cowleys „Spacewreck“-Originalgeschichte „Kinder der Götter“
Mit dem Morgen kommt der Niedergang der Nebel von George R. R. Martin
Die Männer der Station Greywater von George R. R. Martin
Der tote Raumfahrer, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5 von James P. Hogan
„Labyrinth zwischen den Sternen” von John Morressy:
Prolog: Die Seraph
Erster Teil: Zur Zitadelle
Zweiter Teil: Zu den Pyramiden
Dritter Teil: Zum Thron
Epilog: Die Seraph II
Wer da? (Das Ding aus einer anderen Welt) von John W. Campbell Jr.
„Das geborstene Schwert“ von Poul Anderson:
Der Zauber des Nordens: Einleitungen zu „Das geborstene Schwert“
1: Skaflocs Geburt und Jugend
2: Valgard
3: Nach Trollheim
4: Schwerttanz
5: Tyrfing
6: Jötunheim
7: Finale
Die helfende Hand von Poul Anderson
Die grünen Hügel der Erde von Robert Heinlein
Robert Heinleins Sternenkrieger (1): Kapitel 1
Robert Heinleins Sternenkrieger (2): Kapitel 2
Robert Heinleins Sternenkrieger (3): Kapitel 3
Robert Heinleins Sternenkrieger (4): Geschichte(n) und Moralphilosophie
Achte Reise: Ijon Tichy vor der Organisation der Vereinten Planeten von Stanislaw Lem
Keine Elektrizität dem Kalkulator! (Aus Ijon Tichys Elfter Reise von Stanislaw Lem (mit Überlegungen von mir)
Ijon Tichys 13. Reise: Die Freiheiten von Pinta und Panta von Stanislaw Lem
Der gläserne Wächter von Arthur Charles Clarke
Ins Herz des Kometen von Arthur Charles Clarke
Mein eigener SF-Erstlingsroman Ace of Swords: Alles auf eine Karte, Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4, zu dem es auch ein ausführliches illustriertes Glossar gibt.
Usenet
/ April 28, 2019Teile der „Ullstein 2000 – Science Fiction Stories“ habe ich als PDF im Usemet gefunden, auch die Ausgabe #12.
Lucifex
/ April 28, 2019Danke für den Hinweis, Usenet!
Lucifex
/ April 28, 2019Nochmals besten Dank, Usenet!
Die PDF des Taschenbuchs „Ullstein Science Fiction Stories 12“ habe ich jetzt in die Mediathek von „Morgenwacht“ hochgeladen und oben im Kopf dieses Beitrags verlinkt. In der PDF-Bibliothek von Morgenwacht werde ich den Link ebenfalls einfügen, und hier ist er nochmal.
Die Ur-Übersetzung von „Abfallprodukte“ ist dort ab Seite 126 zu finden. Ich habe sie gerade durchgelesen und festgestellt, daß die Geschichte dort etwas frei und „kompaktifiziert“ übersetzt wurde.
Lucifex
/ April 28, 2019„Bedingt menschlich“ von Walter M. Miller könnt ihr jetzt ab Seite 92 im Ullstein-Taschenbuch Science Fiction Stories 36 nachlesen, das ich heute in meiner PDF-Bibliothek eingefügt habe.
hildesvin
/ April 28, 2019Es ist „klar wie Brei“ (Wilhelm Busch, Der weise Schuhu), WER diese Solarier sein sollen.
Das tut dem Ergötzen beim Lesen aber keinen Abtrag, im Gegenteil …