Maximilian I. von Habsburg und die Juden

Kaiser Maximilian I., Tafelbild von Bernhard Strigel, 1500/1510, Ferdinandeum

Von Deep Roots alias Lucifex, ursprünglich veröffentlicht als Kommentar und heute anläßlich des 500. Todestags des Habsburgerkaisers Maximilian I. (12. Januar 1519), der aktuell Anlaß für öffentliches Gedenken ist, als Artikel präsentiert.

In der „Kronen-Zeitung“ vom 4. August 2015 gab es einen aufschlußreichen Artikel (von Martin Gasser), den ich hier in voller Länge wiedergebe (Links sowie fette Hervorhebungen im Text [außer der Zwischenüberschrift] von mir):

„Ewige“ Vertreibung der Gläubiger

Ende 1496 werden die Juden „zu ewigen Zeiten“ aus der Steiermark vertrieben. Die vom Landesfürsten, dem späteren Kaiser Maximilian I. angeordnete Ausweisung beendet jüdisches Leben und Kultur in der Steiermark über Jahrhunderte. Erst 1869(1) wird wieder eine Israelitische Kultusgemeinde erlaubt.

„Brunnenvergifter“, „Ritualmörder“, „Hostienschänder“ – solche religiös motivierte, judenfeindliche Hetze ist im Mittelalter weit verbreitet. Im Lauf der Jahrhunderte kommt es in Europa immer wieder zu Pogromen, Drangsalierungen, Schikanen, Vertreibungen. Ende des 15. Jahrhunderts erstarkt die antisemitische Stimmung. 1492 wird in Spanien das Edikt von Alhambra erlassen, nach welchem alle Juden das Land verlassen müssen. Auch im Deutschen Reich stehen Vertreibung und Verfolgung im 15. Jahrhundert an der Tagesordnung: in Köln, Augsburg, München und vielen anderen Städten und Regionen.

Im Herzogtum Steiermark konnten die wenigen jüdischen Familien in dieser Epoche noch weitgehend unbehelligt leben. Anders als in Wien, wo unter Herzog Albrecht das jüdische Leben bereits 1421 mit Zwangstaufen, Ausweisungen und Massenhinrichtungen ausgelöscht worden ist.

Die bittere Stunde schlägt gegen Ende des Jahrhunderts, mit dem Beginn der Regentschaft des späteren Kaisers Maximilian I. Bereits einige Jahre vor der endgültigen Vertreibung treten die steirischen Stände mit ihrem Anliegen an Erzherzog Maximilian. 38.000 Gulden werden dem Landesfürsten als Entschädigung angeboten, falls er eine Vertreibung anordnet.

Religiöse Gründe werden diesem Ansinnen zwar vorgeschoben, aber die wahren Motive dürfen im Ökonomischen zu suchen sein. Die jüdischen Steirer waren als Geldverleiher tätig. Bei den Rückzahlungen (damals waren horrende Zinsen üblich) kam es immer wieder zu groben Streitigkeiten, manchmal wurden jüdische Gläubiger auch verhaftet und gefoltert – wegen angeblicher Urkundenfälschung. Die herrschenden Adelsfamilien wollten sich durch die Vertreibung vermutlich lästiger Gläubiger entledigen, auch von den Zwangsverkäufen des jüdischen Besitzes versprach man sich wohl finanzielle Vorteile.

„Gewaltlos“ vertrieben

Dass die Verachtung für die jüdische Religion, der Antisemitismus, hier Deckmantel für ökonomische Motive waren, sieht man auch daran, wie geschäftsmäßig und „korrekt“ die Vertreibung schließlich vonstatten ging. Im Gegensatz zu anderen Regionen Europas soll es bei der Ausweisung aus der Steiermark (und der gleichzeitigen aus Kärnten) zu keinerlei Gewalttaten gekommen sein. Den Ausgewiesenen wurde sogar die Begleichung ihrer Schulden zugesichert (was zu weiteren Prozessen führte). Solche Umstände führten dazu, die Ereignisse auf ungeheuerliche Weise zu verharmlosen. Noch nach dem 2. Weltkrieg erschienen Bücher, in denen die Vertreibung als „Auswanderung“ bezeichnet wird.

Die Zahl der jüdischen Bevölkerung war Ende des 15. Jahrhunderts ohnehin sehr gering, etwa 25 Haushalte schätzt man für Graz. Das mittelalterliche Ghetto im Südwesten der Herrengasse (etwa gegenüber der heutigen Stadtpfarrkirche) war schon Vergangenheit. Gemeinsam mit den Juden, die in Leoben, Voitsberg, Judenburg, Murau und Radkersburg lebten, waren um die 500 Menschen von der Ausweisung betroffen. Die Vertriebenen siedelten sich in Randgebieten des Reichs an, im heutigen Burgenland und Niederösterreich.

Die „dauernde Ausweisung“ beendet die jüdische Kultur in der Steiermark. Über Jahrhunderte bleibt das Land für Juden grundsätzlich verboten. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mit der sukzessiven Etablierung allgemeiner, bürgerlicher Rechte, können sich die Juden aus der Halblegalität herausbewegen. Maximilians Verordnung ist aber erst 1869 Geschichte: In diesem Jahr wird die Israelitische Kultusgemeinde genehmigt.

Eine detaillierte Schilderung der Vorgänge findet man in „Jüdisches Leben in der Steiermark“ (StudienVerlag)

Ende des Artikelzitats.

Neben der häufigen Verwendung der Klischeefloskel „jüdisches Leben“ fallen in diesem Artikel mehrere Punkte auf:

Erstens, daß selbst aus der „korrekten“, gewaltlosen Abwicklung der Judenvertreibung samt Zusicherung der Begleichung von Schulden an die Juden eine Art Vorwurf abgeleitet wird;

Zweitens wird darin zugegeben, daß das Verlangen „horrender Zinsen“ durch die Juden damals üblich war, ohne allerdings darauf einzugehen, warum das so war: weil eine der zwei hauptsächlichen Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam, wo die beiden Religionen genau gegensätzliche Positionen zum Judentum einnahmen, im Verbot der Zinsnahme für Glaubensangehörige bestand, während Nichtchristen bzw. Nichtmoslems (in der Praxis also Juden) von diesem Verbot nicht betroffen waren. (Die andere Gemeinsamkeit war das volkstums- und rasseblinde, rein auf dem Glauben begründete Gemeinschaftskonzept der „Christenheit“ bzw. der „Ummah“.) Dadurch besaßen die Juden ein Monopol auf Kreditvergabe, das sie gemäß ihrer traditionellen Ethik im Umgang mit Nichtjuden rücksichtslos ausnützten.

Drittens sticht sofort ins Auge, daß die Landstände dem Erzherzog eine Entschädigung von 38.000 Gulden für eine Vertreibung der Juden, also für einen Verzicht auf ihre Anwesenheit angeboten haben. Dies läßt darauf schließen, daß es auch in diesem Fall eine ähnliche Komplizenschaft zwischen Hochadel und Judentum gegeben hat (aus der 18seitigen PDF „Die Austreibung der Juden aus der Steiermark unter Maximilian I.“ von Inge Wiesflecker-Friedhuber (in der PDF-Bibliothek von „Morgenwacht“ enthalten) geht hervor, daß die Juden nur an den Landesfürsten eine Judensteuer zu entrichten hatten, während sie von Abgaben an die Städte befreit waren, was ihnen Vorteile im Handel verschaffte), wie sie auch von Andrew Joyce in Hintergrund zur Magna Carta und auch am Schluß seines anderen Essays, Juden und Schußwaffenkontrolle: Eine Reprise, beschrieben wird. Hier der entsprechende Abschnitt aus letzterem:

Während manche Eliten zweideutige Beziehungen zu ihren jüdischen Bevölkerungen gehabt haben (was gelegentlich zu Vertreibungen führte), ist mit der einzigen Ausnahme Nazideutschlands der überwiegende Trend durch die ganze jüdische Geschichte der gewesen, daß Juden willige Agenten und Partner der herrschenden Elite gewesen sind. Ob als mittelalterliche Steuerpächter, frühneuzeitliche „Hofjuden“ als Finanziers, oder die intellektuellen Stoßtruppen des Bolschewismus, haben Juden sich nur sehr selten von Regierung oder Monarch bedroht gesehen.

Nirgendwo wird dies offensichtlicher gemacht als in der einfachen Tatsache, daß das Gebet Hanotayn Teshu-ah im orthodoxen Judentum nicht für die Nation oder das Volk des Landes gesprochen wird, in dem die Juden sich niedergelassen haben, sondern vielmehr für den Monarchen oder die Regierung. Gordon Freeman erläutert: „Tatsächlich ist ein Gebet für die Regierung ein Bestandteil jeder Art von Gebetbuch in jedem Land der jüdischen Diaspora, ungeachtet der spezifischen religiösen Bewegung der Gemeinschaft.“[1] Diese Haltung ist uralt. Die rabbinische Stellungnahme Pirke Avot weist Juden an, „für das Wohlergehen der Regierung zu beten, denn ohne die Furcht, die sie einflößt, würde jeder Mann seinen Nachbarn lebendig verschlingen.“

Ich glaube nicht, daß es unvernünftig ist zu extrapolieren, daß diese Aufforderung in Wirklichkeit so gemeint ist und verstanden wird, daß ohne die von der Regierung eingeflößte Furcht die Goyim ihre jüdischen Nachbarn lebendig verschlingen würden. Die bevorzugte jüdische Position ist daher, eine starke, gefürchtete Regierung zu unterstützen, die in der Lage ist, die realen oder eingebildeten Ressentiments der nichtjüdischen Massen zu zügeln.

Die Geschichte ist voller Beispiele von Juden, die von mächtigen, gefürchteten Regierungen profitieren, obwohl sie sich Mühe gegeben haben, diesen speziellen Aspekt ihrer Geschichte [buchstäblich] umzuschreiben. In meiner Analyse des mittelalterlichen englischen Judentums merkte ich an, daß Vergeltungsaktionen wegen der Stärke der Allianz zwischen Juden und Regierung nur während der sehr kurzen Periode zwischen dem Ende einer Herrschaft und dem Beginn einer anderen durchgeführt werden konnten. Ich schrieb:

>> Wenn wir einen englischen Bauern des dreizehnten Jahrhunderts vor uns hätten, würde er viel an [Anthony] Julius’ Behauptung zu bestreiten finden, daß es der Jude war, der am unteren Ende der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leiter stand. Tatsächlich ist es gut bewiesen worden, daß Juden die Position einer privilegierten Elite unter königlichem Schutz einnahmen. B. Lionel Abrahams kam bei der Untersuchung von Jahrhunderten königlicher Urkunden zu dem Schluß: „von ihrer ersten Ankunft in dem Land an hatten sie eine Art von informellem königlichen Schutz genossen.“[18] Später „gab und sicherte [Henry II] den Juden besondere Privilegien, die so groß waren, daß sie den Neid ihrer Nachbarn erregten“, gewährte ihnen die Verwendung ihrer eigenen Gerichte und „stellte sie unter den besonderen Schutz der königlichen Offiziere in jedem Distrikt.“ Durch Berechnung hoher Zinsen und Ausnutzung der Verschuldung der kleineren Barone und der Freisassen waren Juden erfolgreich beim Erwerb einer großen Zahl von Liegenschaften, die der König dann nach und nach erwarb, indem er sie anstelle von Zollabgaben akzeptierte. Die Juden hatten freie Hand bei der Fortführung ihrer regulären und hochprofitablen Geldverleihaktivitäten, solange sie eine Partnerschaft zum beiderseitigen Vorteil fortsetzten, die dazu bestimmt war, „die Übertragung von Land von den kleinen Landbesitzern an die Oberschicht“ zu fördern. Es überrascht nicht, daß Juden dadurch schließlich als feindliche Elite gesehen wurden. Sie wurden nicht nur von den Kleinbauern als solche gesehen, sondern auch von den Baronen, die sich unter ihren Zinssätzen aufrieben und unter ihrer Unfähigkeit, gegen die unter königlichem Schutz Stehenden zuzuschlagen. Irven Resnick schreibt in einem Artikel von 2007 für das angesehene Journal Church History, daß Juden die „Agenten der verhassten königlichen Finanzpolitik“ waren, wie auch die Wucherer der Massen. Die Krone wußte davon und ergriff Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit für Juden. Es hat eine Menge Aufhebens darum gegeben, daß Juden zu dieser Zeit erstmals ein Abzeichen zu ihrer Identifizierung tragen mußten. Weniger oft publiziert wird, daß diese Abzeichen laut einem Artikel in der Jewish Quarterly Revue erstmals durch die englische Krone eingeführt wurden, um „ihre bessere Erkennung durch ihre Beschützer zu ermöglichen.“ <<

Mittelalterliche Juden profitierten somit vom mächtigen und gefürchteten Status der englischen Krone. Wäre es möglich gewesen, so kann man sich vorstellen, daß die Aussicht auf eine Beschlagnahme der Waffen der Barone durch die Krone in jüdischen Heimen besonders willkommen gewesen wäre, nachdem das die dauerhafte Neutralisierung dieser bestimmten Bedrohung für jüdische Interessen gewesen wäre. Zum Pech für die Juden des mittelalterlichen Englands behielten die Barone ihre Waffen und stockten sie auf, und konnten somit die Drohung mit Gewalt benutzen, um den geschwächten Edward I. zu zwingen, jeden Juden vom Boden der Nation zu vertreiben.

Es wäre interessant zu wissen, ob nicht auch das Edikt von Alhambra weniger auf eigenen Wunsch des Königspaares Ferdinand und Isabella zustandegekommen ist als vielmehr auf Druck des spanischen niederen Adels.

In seinem neueren Artikel Paul Singer und die Universalität des „Antisemitismus“ befaßt Andrew Joyce sich nicht nur mit modernen Parallelen zur mittelalterlichen jüdischen Steuerpächterei, sondern auch damit, daß der „Antisemitismus“ nicht an der westlichen Kultur oder der weißen Mentalität liegt, sondern an den Juden selber, weshalb er ihnen durch alle Zeiten hindurch und über Ozeane überallhin gefolgt ist, wohin sie gingen.

Als Nachtrag hier der Abschnitt über das Gebet Hanotayn Teshu’ah aus dem Buch „The Encyclopedia of Jewish Prayer: The Ashkenazic and Sephardic Rites“ von Macy Nulman.

*     *     *

Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

Vorheriger Beitrag

3 Kommentare

  1. Reinmar

     /  Januar 17, 2019

    Ich akzeptiere eure Kommentarpolitik und möchte euch hier nur für eure unermüdliche Arbeit danken. Durch Verweise auf einige eurer Artikel konnte ich schon den Ein oder Andern für die Gute Sache gewinnen.
    Nochmals Dank.

  2. Danke meinerseits für die Verweis-und Aufklärungsbemühungen! Das ist genau das, was ich mir wünsche.

    (Nachtrag: ich habe Reinmars Erstkommentar soeben freigeschaltet, in der Annahme, daß ich das bei ihm riskieren kann.)

    Nachtrag 2, zum untenstehenden Kommentar von Ennrichs Besen:

    Ich sehe nicht, was heute besser sein sollte, wenn auch die deutschsprachigen „Südstaaten“ evangelisch geworden wären. Das ist doch nur wieder dieser deutsche Romkomplex.

    Und außerdem: protestantische Sauertöpfigkeit, nein danke:

    I’d rather laugh with the sinners than cry with the saints,
    Sinners have much more fun…

    Es muß ja nicht so enden wie in der Simpsons–Episode „Bible Stories“ (wo die Simpsons das Ende des Gottesdienstes verschlafen und in der leeren Kirche aufwachen):

  3. Ennrichs Besen

     /  Februar 13, 2019

    Manchmal denk ich so —
    hätte der gute, alte Maximilian, der mit dem Papst auch ziemlich überkreuz war, fünf oder 10 Jahre länger gelebt, wäre dem Reich vielleicht die Glaubensspaltung erspart geblieben und Deutschland wäre ziemlich komplett dem Papstum von der Fahne gegangen.

    Denn dem ‚letzten Ritter‘
    war durchaus zuzutrauen, daß er ähnlich wie Friedrich der Weise den Schirmherrn abgeben hätte können, um den Einfluß von Rom und den Abfluß von Riesensummen nach Rom endlich zu kappen. So ungefähr läßt es Rosemarie Schuder in einer Erzählung aus der Zeit anklingen.

    Und dies war auch genau
    das Thema und ebenso Konsens bei allen deutschgesinnten Denkern und Machern damals, wie man bei Ulrich von Hutten nachlesen kann.

%d Bloggern gefällt das: