Die Fechtschule „Alte Kampfkunst“

Eine authentische Rekonstruktion der Schwertkampfkunst basiert auf echten historischen Quellen, den Fechtbüchern.

Aus dem Historie-Magazin „Karfunkel Combat“, Ausgabe Nr. 10 (einschließlich der Bilder).

Historisches Fechten ist etwas ganz anderes als choreographierter Schaukampf. Vielmehr geht es darum, genau jene Techniken zu erlernen, die unsere Vorfahren im ernsthaften Kampf um Leib und Leben einsetzten. „Alte Kampfkunst“ ist eine der wenigen professionellen Schulen für Historisches Fechten.

Auch wenn mittlerweile beim Schaukampf etwas mehr A-Faktor als früher zu finden ist und auch einige historische Elemente Einzug gefunden haben, so ist er dennoch von richtiger Kampfkunst weit entfernt. „Schau-Kampf“ ist eben eine Schau zur Unterhaltung von Zuschauern und kein echter Kampf. Historische Fechter widmen sich dagegen der Rekonstruktion der echten Kampftechniken, wie sie in den alten Quellen überliefert wurden. Auch wenn heutzutage nicht mehr auf Leben und Tod gekämpft wird, ist die Authentizität der Methoden wichtig. In der Schule „Alte Kampfkunst“ in Wuppertal wird Historisches Fechten mit dem Langen Schwert und dem Kavalleriesäbel gelehrt sowie die historische Selbstverteidigungskunst Bartitsu. Karfunkel sprach mit Inhaber und Trainer Stefan Dieke über Historisches Fechten und den A-Faktor.

Stefan Dieke ist hauptberuflicher Lehrer für Historisches Fechten.

K.: Stefan, deine Schule heißt „Alte Kampfkunst – Historical European Martial Arts Academy“. Warum diese Anglizismen?

S.D.: Zum einen kommen auch Schüler und Seminarteilnehmer aus dem Ausland zu mir, zum anderen ist „Historical European Martial Arts“ (HEMA) der international gebräuchliche Begriff für das, was wir trainieren.

K.: Ist HEMA denn nicht das Gleiche wie Schwertkampf?

S.D.: Das kann man so allgemein nicht sagen. Zum einen gibt es im Rahmen der Historischen Europäischen Kampfkunst ein großes Arsenal an Waffen, zum anderen ist nicht jede Form des „Schwertkampfes“ auch Historische Fechtkunst.

Die Beherrschung des Schwerts, die Kontrolle über die Waffe wird bei der Alten Kampfkunst immer und immer wieder geübt.

K.: Was ist bei der Historischen Fechtkunst anders als bei anderen Formen des Schwertkampfes?

S.D.: Uns interessiert die erfolgreiche Rekonstruktion von Kampfsystemen – überliefert in alten Quellen, wie den seit dem Spätmittelalter existierenden Fechtbüchern. Dabei möchten wir so wenig Abstriche bei den Techniken machen wie möglich. Wir nutzen moderne Schutzkleidung, um dies ohne ein ernsthaftes Verletzungsrisiko ermöglichen zu können.

K.: Das heißt, der ganze Körper ist das Ziel?

S.D.: Solange es taktisch sinnvoll ist, gibt es keinerlei Einschränkung. Allerdings attackieren wir aus Gründen der Sicherheit nicht in den Rücken. Aber ein Fechter, der seinem Gegner in Reichweite der gegnerischen Waffe den Rücken zugedreht hat, weiß auch ohne getroffen zu werden, dass er einen entscheidenden Fehler gemacht hat.

K.: Stiche sind auch erlaubt?

S.D.: Natürlich! Sie sind in den Quellen beschrieben, also kommen sie auch bei uns zum Einsatz. Für die Sicherheit benutzen wir geeignete Schutzausrüstung wie Fechtmasken und Waffensimulatoren, die einen Teil der Stichenergie absorbieren.

K.: Eine Fechtmaske schützt den Kopf sehr gut – allerdings ist sie beim Reenactment völlig fehl am Platz…

S.D.: Sicher, aber wir betreiben eben kein Reenactment, sondern trainieren Historische Kampfkünste. Die effektive und möglichst uneingeschränkte Umsetzung der überlieferten Kampfsysteme und die erforderliche Körperbeherrschung stehen bei uns im Mittelpunkt. Reenactment und Unterhaltung eines Publikums spielen gar keine Rolle. Historische Fechter trainieren und kämpfen für sich selber, nicht für Zuschauer.

Im Freikampf mit hoher Geschwindigkeit wird grundsätzlich spezielle Schutzausrüstung getragen.

K.: Du unterrichtest auch Bartitsu – was ist das?

S.D.: Das ist ein Selbstverteidigungssystem, welches um 1900 in London unterrichtet wurde und Elemente des damals in Europa neuen Jiu-Jitsu mit dem aus heutiger Sicht „alten“ englischen Bare-Knuckle-Boxen, Savate und einem damals innovativen Kampfsystem mit dem Spazierstock kombinierte.

Bartitsu – Selbstverteidigung um 1900 – beinhaltete eine Mischung aus Boxen, japanischem Jiu-Jitsu, französischem Savate und Techniken mit dem Spazierstock.

K.: Langes Schwert und Säbel unterrichtest du regelmäßig. Warum gerade diese Waffen?

S.D.: Diese beiden Waffengattungen und auch das Bartitsu decken völlig unterschiedliche Kampfesweisen ab. Bis auf den Dolchkampf, für den es scheinbar kein besonders großes Interesse gibt, sind alle anderen Fechtweisen mit einem dieser Systeme verwandt. So findet sich viel vom Säbel in dem von mir unterrichteten Rapierstil – nach Joachim Meyer, 1570 – wieder. Die „Halbe Stange“ – ebenfalls nach Meyer – hat viel mit diesem Rapierstil und dem Langen Schwert der Liechtenauer-Tradition gemein. Im Langen Messer finden sich Techniken sowohl aus dem Langen Schwert als auch solche aus dem Säbelfechten wieder.

Rapier in einem historischen Fechtbuch.

K.: Das klingt ja nach der Arbeit eines Historikers…

S.D.: Ist es ansatzweise auch. Um die in den Fechtbüchern beschriebenen Techniken korrekt umsetzen zu können, ist es wichtig, sich mit den Quellen, der Zeit und dem Umfeld, in dem sie entstanden sind, kritisch auseinanderzusetzen.

K.: Sind denn historische Fechtbücher so schwer zu verstehen?

S.D.: Texte und Bilder sind bei näherer Hinsicht nicht so eindeutig, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen, und müssen interpretiert werden. Beim Kampf mit Blankwaffen gibt es aber einen ersten recht erfolgreichen Filter: Die Kampftechniken dienen definitiv dazu, nicht getroffen zu werden. Vor diesem Hintergrund überprüft man dann seine Vorstellung von der Technik. Auch ist ein geschlossenes System deutlich effizienter zu erlernen und unter Druck richtig anzuwenden als ein wilder Mix unterschiedlichster Techniken. In den Quellen findet man meist solch ein System. Hat man es erkannt, muß man die bisherigen Technikinterpretationen vor diesem Hintergrund erneut infrage stellen und gegebenenfalls die Technik noch mal interpretieren. Und dann gilt noch Ockhams Rasiermesser: Die einfachste Lösung ist die wahrscheinlichste.

K.: Und wenn man so ein System entdeckt hat, kann man sicher sein, das Richtige zu tun?

S.D.: Solange sich keine Aspekte ergeben, die Anlass geben, das System in Zweifel zu ziehen. Oft erkennt man diese Aspekte aber erst, nachdem man die ganze Quelle erschlossen und viel trainiert hat. Dann kann es durchaus vorkommen, dass man seine Interpretation noch mal umstoßen muß. Mir selbst ist das im Rapier zweimal und im Langen Schwert einmal passiert.

K.: Wird das wieder vorkommen?

S.D.: Ausgeschlossen ist das nicht, aber wohl eher unwahrscheinlich. In den letzten Jahren ist es vielmehr so, dass Unstimmigkeiten ein Indiz für einen Widerspruch gegen die Prinzipien sind. Sobald wir dem auf den Grund gegangen sind und den Widerspruch beseitigt haben, funktionieren diese Techniken so viel besser, dass dieser Sachverhalt als Bestätigung des Systems gewertet werden kann.

K.: Du betreibst deine Schule „Alte Kampfkunst“ seit 2006 hauptberuflich. Wie lange beschäftigst du dich schon mit dem Thema?

S.D.: Seit 1995 beschäftige ich mich mit der Erforschung Historischer Fechtbücher. Vorher habe ich auch schon gekämpft, aber noch nicht nach historischen Quellen.

K.: Warum bist du vom „quellenlosen“ Kampf zu den historisch überlieferten Systemen gewechselt?

S.D.: Ich wollte und will immer noch wissen, wie unsere Vorfahren tatsächlich gekämpft haben. Die wußten zwangsläufig am besten, wie man mit den verschiedenen Waffen kämpft – bei ihnen war es immerhin eine Angelegenheit auf Leben oder Tod. Es finden sich gerade bei den Quellen aus dem Mittelalter und der Renaissance Methoden, auf die man heute – ohne den eben genannten Realitätsbezug – einfach nicht kommen würde.

K.: Wie viele Schüler trainieren in deiner Schule und was sind das für Leute?

S.D.: Momentan habe ich rund 50 Schüler – im Alter von 20 bis 60. Hauptsächlich Männer, aber auch ein paar Frauen sind dabei. Beruflich ist so ziemlich alles vertreten: Kindergärtnerin, Mediziner, Handwerker, Informatiker, Wissenschaftler.

K.: Kommen die alle aus der Mittelalterszene oder dem Reenactment?

S.D.: Das kann man so nicht sagen. Manche betreiben historische Darstellung, einige schlendern gerne als „Touries“ über entsprechende Veranstaltungen. Andere kommen aus dem Kampfkunst-Bereich und interessieren sich für das, was in unserer Kultur als Kampfkunst überliefert ist. Allen gemeinsam ist, dass sie vom Schwert und seiner Beherrschung fasziniert sind.

K.: Vielen Dank für das Interview.

Langes Schwert, Rapier, Säbel, Dolch & Co.: eine Auswahl der Waffen, die in der Schule „Alte Kampfkunst“ gelehrt werden.

Das internationale Säbel-Symposium 2014

Nachdem historisches Säbelfechten immer mehr Zulauf findet, haben sich Stefan Dieke und Marcus Hampel von Hammaborg dazu entschlossen, ein spezielles HEMA-Event nur zum Säbel zu organisieren. Das erste International Sabre Symposium (ISS) war mit rund 60 Teilnehmern ein voller Erfolg. „Bei dieser exklusiven Ausrichtung war es umso erfreulicher, dass so viele engagierte Teilnehmer und hochkarätige Lehrer aus aller Welt gekommen sind“, freut sich Stefan Dieke. Beim Säbel-Symposium unterrichten hochkarätige Lehrer aus ganz Europa, Australien und den USA. Es finden parallel immer mehrere Workshops zu unterschiedlichen Themen statt.

Die Bandbreite reicht von mittelalterlichen persischen Techniken über polnisches Säbelfechten aus dem 17. Jahrhundert bis hin zu verschiedenen militärischen Kampftechniken aus dem 19. Jahrhundert. Das Säbel-Symposium 2014 findet am 5. und 6. April in Hamburg statt. Infos unter www.sabre-symposium.com .

Historisches Fechten lernen

Zusätzlich zum regelmäßigen Training innerhalb der Woche bietet „Alte Kampfkunst“ Wochenend-Seminare an. Es sind auch Vor-Ort-Seminare bei interessierten Gruppen möglich, wenn genug Teilnehmer zusammenkommen. Spezielle Vorkenntnisse, besonders sportliche Kondition oder Spezialausrüstung sind nicht nötig – jeder Interessierte kann teilnehmen. Neben den Hauptthemen Langes Schwert, Militärsäbel und Bartitsu gibt es noch Wochenend-Seminare zu den Themen Dolchfechten, „halbe Stange“ (Stabkampf) und Rapier (nach Fechtmeister Joachim Meyer).

Über weitere Seminartermine informiert ein kostenloser E-mail-Newsletter. Weitere Infos unter www.alte-kampfkunst.de .

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Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.

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