Von William R. Short und Jeffrey L. Forgeng, erschienen im Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Die Wikinger“ in der Kunsthalle Leoben 2008; ISBN 987-3-9500840-4-0 (In dieser Form von „As der Schwerter“ übernommen; Bilder teils aus dem Original, teils von Deep Roots ausgewählt). Teil 1 von 2.
Um das Jahr 860 bestieg in Norwegen ein Wikinger namens Naddoddr ein Schiff und segelte nach Westen, in der Meinung, bei den Färöer-Inseln Land zu sichten. Er kam nicht an. Der Wind trieb sein Schiff vom Kurs ab, und er gelangte stattdessen an die Küste eines unbekannten Landes. Er und seine Mannschaft gingen an Land und stiegen auf einen hohen Berg, um nach Anzeichen menschlichen Lebens Ausschau zu halten. Sie entdeckten keine und schlossen daraus, das Land sei unbewohnt. Als sie auf den Färöern eintrafen, erzählten Naddoddr und seine Leute anderen von dem Land, das sie gefunden hatten. So begann die Erforschung und Besiedlung Islands während der Wikingerzeit. Nur 70 Jahre später war das Land vollständig in Besitz genommen und Heimat von vielleicht 40.000 Menschen.
Die Gesellschaft, die diese Siedler gründeten, erwies sich in mehrfacher Hinsicht als einzigartig. Bei seiner Entdeckung war Island wirklich unbewohnt und wurde ohne Eroberung und ohne Mitwirkung einer eingeführten Monarchie oder Aristokratie besiedelt.
Die Isländer schufen eine einzigartige Regierungsform, die eine zentrale Herrscherperson vermied und einem ungewöhnlich breiten Bevölkerungsquerschnitt aktive Mitwirkung erlaubte. So ungewöhnlich waren die Gesetze und das Regierungssystem, daß sie die Kontinentaleuropäer zu Kommentaren herausforderten – der Chronist Adam von Bremen, der im 11. Jahrhundert lebte, formulierte es so: „Sie haben keinen König, nur das Gesetz.“
Vielleicht noch bemerkenswerter waren die literarischen Leistungen der mittelalterlichen Isländer. In der Wikingerzeit traten Isländer als die Hofdichter skandinavischer Könige in herausragende Erscheinung, und ihre Verse bewahrten das Andenken berühmter Personen und Ereignisse ihrer Zeit. Nachdem die Skandinavier gegen Ende der Wikingerzeit eine schriftliche Kultur übernommen hatten, waren es isländische Autoren, die sich der von ihren wikingischen Vorfahren überlieferten Legenden, Gedichte und Geschichten annahmen. Untypischerweise schrieben sie nicht Lateinisch, sondern in der Volkssprache, Altisländisch.
Die Isländer bewahrten diese Werke über das Mittelalter hinaus auf. Als sich Gelehrte der Neuzeit für die Geschichte der skandinavischen und germanischen Kultur zu interessieren begannen, öffnete ihnen das schriftliche Vermächtnis Islands ein Fenster zu einer Welt, die andernfalls weitgehend verloren wäre. Auch heute sehen wir die Wikinger vor allem aus isländischem Blick. Eine Darstellung der Wikinger bleibt immer unvollständig, solange sie nicht beschreibt, wie es kam, daß diese abgelegene Insel zum Aufbewahrungsort des Wikingererbes wurde.
DAS LAND
Das Land, das Naddoddr entdeckte, ist eine Insel im Nordatlantik, auf halbem Weg zwischen Norwegen und Grönland gelegen, mit einer Fläche von 103.000 km². Sie ist jung und geologisch aktiv. Sie liegt auf der Grenze zwischen der nordamerikanischen und der eurasischen Platte, woraus sich eine vulkanische und tektonische Kraft ergibt, die von unten her das Land verändert. Sie liegt außerdem ziemlich weit im Norden, sodaß die Gletscher aus der letzten Eiszeit das Land auch von oben bearbeiten. Die vereinten Kräfte von Feuer und Eis haben eine spektakuläre Landschaft gemeißelt.
Im Osten, Norden und Westen wird die Küste von Fjorden beherrscht. Im Süden herrschen breite Sandstrände vor, die aus dem mit dem Schmelzwasser von den Gletschern im Hochland hierher transportierten und abgelagerten Schluff bestehen. Das Landesinnere – hohe, teils vergletscherte, teils von einer tundraähnlichen Heide bedeckte Gebirgsplateaus, die für die Wärme der angrenzenden Meeresströmungen nicht mehr erreichbar sind – ist weitgehend unbewohnbar. Ausgedehnte Lavafelder bedecken Teile des Landes.
Naddoddr und seine Schiffsmannschaft gingen in den Ostfjorden an Land. Als sie wieder abfuhren, sahen sie Schnee auf den Bergen und nannten das Land deshalb Snæland, Schneeland. Unsere Kenntnisse über Naddoddr und andere frühe Forscher und Siedler stammen aus dem Landnámabók, (Landnahmebuch), einer in Island zu Beginn des 12. Jahrhunderts verfaßten Geschichtschronik. Eine Ergänzung dazu bilden weitere Erzählungen aus der Geschichte verschiedener isländischer Familien, die Íslendingasögur (Isländersagas). Diese Familiensagas wurden im 13. und 14. Jahrhundert verfaßt, beziehen sich aber vorwiegend auf Ereignisse im 10. und 11. Jahrhundert, und nachdem sie Jahrhunderte nach den beschriebenen Vorfällen entstanden, gehen die Meinungen bezüglich ihrer Verläßlichkeit als historische Quellen auseinander. Dennoch bleiben sie unser wichtigster Ausgangspunkt, um uns nicht nur mit der isländischen Landnahme vertraut zu machen, sondern überhaupt mit der Geschichte und Kultur Skandinaviens während der Wikingerzeit.
Im Landnámabók heißt es, Naddoddr und seine Schiffsmannschaft hätten nach ihrer Rückkehr ins bewohnte Skandinavien Snæland trotz des wenig verheißungsvollen Namens, den sie ihm gaben, sehr gerühmt. Was Naddoddr und seine Gefolgschaft wirklich sagten, werden wir nie erfahren, doch ihre Berichte waren wohlwollend genug, um ihre Landsleute zu weiterer Erforschung anzuregen. Innerhalb der nächsten Jahre machte sich Garðarr Svávarsson, ein Mann schwedischer Herkunft, auf die Suche nach Snæland. Er umschiffte das Land, womit bewiesen war, daß es sich um eine Insel handelte. Dem Landnámabók zufolge hieß Island nach Garðarrs Reise für kurze Zeit Garðarrhólmr (Garðarrs Insel), „und sie war bewaldet von den Bergen hinab zum Meer“. Garðarr baute ein Haus und verbrachte den Winter im Norden der Insel, in Husavík. Im Frühjahr kehrte er nach Norwegen zurück.
Eine dritte Entdeckungsfahrt unternahm Flóki Vilgerðarson, der sich irgendwann Ender der 860er-Jahre von Norwegen aus auf die Suche nach Garðarrs Insel machte. Flóki habe drei Raben auf seine Reise mitgenommen, berichtet das Landnámabók. Als er über den Atlantik segelte, ließ er den ersten Raben frei, der zum Heck flog und dort blieb. Später wurde der zweite Rabe freigelassen und flog hoch in die Luft hinauf, kehrte aber nach einer Weile zum Schiff zurück. Noch später flog der dritte Rabe vom Schiff fort und kam nicht wieder. Flóki setzte seinen Kurs in die Richtung, in der er verschwunden war, fort, und stieß auf Land. Die nach der Christianisierung Islands niedergeschriebene Geschichte von Flókis Raben ist ziemlich sicher vom biblischen Noah inspiriert, was uns vor Augen führt, daß wir diesen Texten nicht allzu bereitwillig glauben dürfen. Überzeugender ist der Rest der Geschichte im Landnámabók: Flóki und seine Mannschaft fuhren die Südküste, dann die Westküste entlang und überwinterten in Vatnsfjörður. Im Frühjahr stieg Flóki auf einen hohen Berg und sah im Norden einen Fjord voller Treibeis. Er nannte die Insel Ísland (Eisland), und dieser Name hielt sich schließlich.
Im Sommer versuchten Flóki und seine Leute nach Norwegen zurückzukehren, doch ungünstige Winde ließen sie nicht weiter als bis Borgarfjörður an der Westküste gelangen. Dort verbrachten sie den zweiten Winter und machten sich im darauf folgenden Frühjahr auf den Rückweg nach Norwegen. Flóki wußte über Island wenig Gutes zu sagen, doch einer aus seiner Mannschaft, der sich Þórólfr nannte, berichtete, jeder Grashalm dort triefe von Butter – womit er meinte, der Boden sehe wie gutes Weideland für Rinder aus.
Tatsächlich ist der Streifen zwischen der Küste und dem Hochland fruchtbar und bietet sich für vielfältige Bewirtschaftung an. Ackerland gab es nicht nur entlang der Küste, sondern auch weit im Landesinneren zwischen den zahlreichen Flußsystemen. Üppige Wiesen empfingen die ersten Siedler und versprachen Weideflächen für das Vieh. Zwar ist die Wachstumsperiode relativ kurz, doch die Meeresströmungen mäßigen das Klima. Die warme Nordatlantikdrift verläuft nach Süden und rund um die Insel, während der kühlere Ostgrönlandstrom nach Norden führt. Derzeit schwanken die Tagestemperaturen im Jahresmittel zwischen drei und acht Grad. Dank der mäßigenden Wirkung der Meeresströme beträgt der Unterschied zwischen der Durchschnittstemperatur im Winter und im Sommer nicht mehr als rund zehn Grad. Etliche Anzeichen deuten darauf hin, daß das Klima zur Zeit der Landnahme nicht wesentlich anders war, vielleicht ein oder zwei Grad wärmer, als die ersten Siedler eintrafen, mit einer leichten Abkühlung während der Wikingerzeit.
Andere Eigenschaften der Insel waren ähnlich günstig für die Besiedlung. Moore, Heideland und Sümpfe versprachen Sumpfeisenerz zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen. Unterirdische Vulkantätigkeit erzeugte heiße Quellen und Tümpel, die sehr willkommene Heißwasserspender zum Baden, Waschen, Erwärmen von Lebensmitteln waren.
Auch fanden die frühen Erforscher und Siedler eine üppige Fauna und Flora vor, Wälder aus niedrigen, verkrüppelten Birken (Betula), Weiden (Salix), Ebereschen (Sorbus), möglicherweise auch Nadelgehölze und eine umfang- und artenreiche Vogelpopulation. Die Felsküsten sind dicht von Seevögeln besiedelt, etwa dem Papageientaucher. In den Seen und Fjorden leben Schwäne und andere Wasservögel. Zugvögel wie die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) nisten in Island, ehe sie in den Süden zurückfliegen, um in der Antarktis zu überwintern. All diese Vögel verhießen Nahrung, Fleisch ebenso wie die Vogeleier. Das Meer bot reichen Fischbestand, und an den Küsten, sogar in manchen Fjorden, entdeckten die Siedler Wale, Walrösser und Robben. Im Landesinneren wimmelten die Seen und Bäche von Fischen, darunter Lachse und Forellen. Die einzigen einheimischen Landsäugetiere in Island waren Eisfüchse (Alopex lagopus). Das Fehlen von Raubtieren erwies sich als entscheidender Vorteil für eine Kultur, die auf ihren Viehbestand sehr angewiesen war.
Trotz des unwegsamen Geländes, der nördlichen Breite und der Abgelegenheit übte diese unbewohnte Insel mit ihrem ausgedehnten Weideland, das zur freien Verfügung stand, eine unwiderstehliche Anziehung auf die Norweger jener Zeit aus, in der die skandinavische Bevölkerung die vorhandenen Ressourcen überstrapazierte und viele über das Meer fuhren, um sich von Plünderung, Handel oder Eroberung zu ernähren.
DIE BESIEDLUNG
Um 870 oder kurz danach begann die systematische Besiedlung Islands. Ein Norweger namens Ingólfr Arnarson und sein Ziehbruder Leifr Hróðmarsson hatten den Sohn eines Jarl umgebracht und waren gezwungen, dem Jarl als Entschädigung ihren gesamten Besitz auszuhändigen. Da sie sich nun auf die Suche nach einem neuen Leben machen mußten, rüsteten sie ein Schiff und brachen auf, um das Land zu finden, das Flóki entdeckt hatte. Sie verbrachten einen Winter im Südosten, in Álftafjörður, und kehrten im Frühjahr nach Norwegen zurück. Ingólfr beschloß, sich in Island niederzulassen.
Das Landnámabók erzählt von Ingólfrs Ankunft. Wie andere, die ihm nach Island folgten, brachte Ingólfr nicht nur die praktische Ausrüstung eines Siedlers mit, sondern auch Kultgegenstände, die ihm helfen sollten, sein neues Heim abzugrenzen. Am wichtigsten waren die mit Symbolen aus der nordischen Mythologie verzierten Pfeiler des häuslichen Hochsitzes, öndevegissúlur genannt, die Ingólfrs Platz als Obehaupt seines Hausstandes flankieren sollten. Als Ingólfr Land sichtete, warf er, wie es Sitte war, die Pfeiler über Bord und sagte, er werde sich dort niederlassen, wo sie an die Küste geschwemmt würden – womit er stillschweigend die skandinavischen Götter in sein Wagnis einbezog. Ingólfr verlor seine Pfeiler aus den Augen. Nachdem er an Land gegangen war, schickte er seine Sklaven aus, die sie suchen sollten, doch es dauerte drei Jahre, bis die Pfeiler endlich gefunden waren. Pflichtschuldig zog Ingólfr daraufhin an den Ort um, an dem sie ans Ufer getrieben worden waren. Ingólfrs Sklave hielt nicht viel von dem Ort: „Wozu sollen wir über gutes Land reisen, nur um auf dieser fernen Landspitze zu leben?“, fragte er. Die Pfeiler waren dort gelandet, wo heute Reykjavik liegt: 100 Jahre später wurde aus dem Ort, an dem Ingólfr seine neue Heimstatt errichtete, die isländische Hauptstadt.
Laut Landnámabók kam Ingólfr im Jahr 874 nach Island. Dieses Datum stützt die Wissenschaft der Tephrochronologie, das Studium der Aschelagen im Boden. Vulkanausbrüche in Island setzen charakteristische Ascheschichten ab, und ein Artefakt läßt sich anhand seiner Lage in Bezug auf diese Schichten datieren. Eine spezifische Ascheschicht, die sogenannte „Landnahmeschicht“ (landnámslag), findet sich im Torf der frühesten Häuser, und die Pollenanalyse zeigt eine unmittelbar an die Ascheschicht angrenzende signifikante Veränderung in der Vegetation, einen Wechsel von Birken zu Getreide. Diese Ascheschicht liegt unter einem kürzlich ausgegrabenen Haus aus der Besiedlungszeit, das unter den Straßen von Reykjavik gefunden wurde, aber auch auf einer der Mauern neben dem Haus. Anhand von Eisbohrkernen in Grönland wurde die Landnahmeschicht auf 871 (+/- 2 Jahre) datiert, was darauf schließen läßt, daß die im Landnámabók angegebene Jahreszahl allenfalls um ein oder zwei Jahre abweicht.
Tausende Landsleute folgten Ingólfr im Lauf der nächsten Jahrzehnte. Mittelalterliche isländische Texte legen nahe, daß die Besiedlung Islands von wohlhabenden und einflußreichen Männern und Frauen betrieben wurde. Sie verließen Norwegen wegen der wachsenden politischen Ambitionen von König Haraldr hárfagri (Harald Schönhaar), der entschlossen war, Norwegen unter seiner Herrschaft zu einen. Sicher ist diese Version der Ereignisse sehr vereinfacht, doch kann es kein Zufall sein, daß die Besiedlung Islands ausgerechnet zur selben Zeit erfolgte wie in Norwegen Haralds Reichseinigung.
Als Harald 860 im Alter von zehn Jahren den Thron bestieg, war Norwegen zwischen Stammesführern, Jarlen und Kleinkönigen aufgeteilt, von denen Harald nur einer war. Harald gelobte, sein Haar nicht eher zu schneiden oder zu kämmen, als bis er das Land unter seiner Herrschaft vereinigt hätte. Durch Kriege mit anderen Kleinkönigen und Bündnisse mit mächtigen Jarlen hatte Harald sein Ziel weitgehend erreicht. In der Schlacht von Hafsjörðr (ca. 872), bei der er eine Koalition aus Königen und Jarlen besiegte, festigte er seine Macht. Dennoch war Haralds Herrschaft vermutlich nie stabil, und weite Teile des Nordens und Ostens konnte er nie ganz in seine Gewalt bringen.
Auch wenn Haralds Macht in den isländischen Quellen überbewertet wird, gibt es Grund zu der Annahme, daß die Besiedlung von Island von wohlhabenden, mächtigen und auf ihre Unabhängigkeit bedachten Familien vorangetrieben wurde, von Menschen, denen man durchaus zutrauen konnte, daß sie Haralds Bemühungen, alle Autorität in den eigenen Händen zu konzentrieren, übel aufnahmen. Um eine Siedlerexpedition auszurüsten, brauchte es Wohlstand; es brauchte Macht, um genügend Gefolgsleute zusammenzubringen, damit eine Landnahme und Gründung eines neuen Hofes überhaupt durchführbar war; und es brauchte eine unabhängige Gesinnung, um die Annehmlichkeiten der vertrauten Heimat gegen eine ungewisse Zukunft auf einer abgelegenen Insel einzutauschen.
Die treibenden Kräfte der Landnahme scheinen nicht aus der norwegischen Aristokratie zu stammen – die vielleicht zu viel zu verlieren hatte, auch wenn ihre Macht durch König Haralds Ambitionen beschnitten war. In den isländischen Geschichten findet sich kein Hinweis darauf, daß unter den Siedlern Adlige gewesen seien. Auch archäologische Erkenntnisse deuten darauf hin, daß die Anführer der Landnahme keine Edelleute waren: Die Häuser aus der Zeit der Besiedlung sind kleiner, die Grabbeigaben spärlicher als vergleichbare Funde in Gräbern des norwegischen Adelsstands aus derselben Epoche. Nichtsdestoweniger läßt das Muster der Siedlungen in vielen Fällen vermuten, daß die Standorte nach reiflicher Überlegung und Planung ausgewählt wurden, die sicherstellen sollten, daß jeder Hof den gleichen Zugang zu den Schätzen der Natur hatte. Ganz offensichtlich verliefen Planung und Umsetzung der Besiedlung unter einer Art Führung, die über Siedlergruppen Autorität ausübte.
Die meisten Einwanderer stammten aus Norwegen und aus norwegischen Siedlungen auf den Britischen Inseln, vor allem aus den Reihen derer, die mit Haralds Herrschaft nicht einverstanden waren. Geschichten und Sagas erzählen von Familien, die Norwegen verließen, um auf den Orkney-Inseln oder den Hebriden zu leben, und im Sommer Raubzüge durch Norwegen veranstalteten, um Harald und seine Gefolgschaft zu plagen. Als aus Island positive Nachrichten eintrafen, machten sich viele Familien auf den Weg ins neue Land. Das bedeutet allerdings nicht, daß jeder Einwanderer ein wohlhabender Norweger oder ein Feind des Königs war. Manche Emigranten mögen Norwegen verlassen haben, weil sie dort kaum Aussichten hatten oder wenig Land besaßen und sich mehr Glück in Island erhofften, wo Land in Hülle und Fülle zur Verfügung stand. Zudem nahm jeder Hausstand seine Leibeigenen und Pächter auf die Reise nach Island mit.
Die Siedler kamen auf Schiffen, knörr genannt, die für die Beförderung von Frachten optimiert worden waren. Die Schiffe der Wikingerzeit waren offen, kannten kein Quartier unter Deck, sodaß jeder und alles der ungehemmten Wucht des Nordatlantiks ausgesetzt war. Erwartungsgemäß sollte die Überfahrt von Norwegen nach Island eine Woche beanspruchen, allerdings dauerten manche Reisen viel länger: Nach der Gísla saga Súrssonar brauchte Gíslis Vater Þorbjörn súrr 60 Tage.
Wenn sich Emigranten nach Island aufmachten, mußten sie alles Notwendige mitnehmen, um im neuen Land autark leben zu können. Sie brachten die eigene Familie mit, ihre Gefolgsleute und deren Familien sowie allen beweglichen Besitz, den sie mitnehmen konnten: Edelmetalle, Werkzeug, Hausrat, Vieh und Sklaven.
Die Familie von Ketill flatnefr (Flachnase), der um 886 nach Island auswanderte, führt uns die Geschichte der Siedler im Mikrokosmos vor Augen. Von ihrem Umzug erzählen das Landnámabók, die Laxdæla saga und die Eyrbyggja saga. Die Versionen weichen leicht voneinander ab, der allgemeine Verlauf aber ist jedes Mal derselbe: Ketill war in Norwegen ein hersir, ein „Herse“ oder Häuptling. Er ahnte, daß er, wie andere hochrangige Männer vor ihm, bald die Aufmerksamkeit des Königs erregen und dann höchstwahrscheinlich Land und Rang verlieren werde, es sei denn, er würde Lehnsmann des Königs. Also setzte sich Ketill mit seiner Familie zusammen, um die Lage zu besprechen. Sein Sohn Björn sagte, er wolle nicht in Norwegen bleiben, um ein Sklave des Königs zu werden. Er schlug vor, nach Island auszuwandern, er habe gehört, dort gebe es gutes Land zur freien Verfügung und exzellente Fischgründe. Die Antwort seines Vaters begeistert noch heute den isländischen Humor: „Ich habe nicht vor, meinen Lebensabend an diesem Fischerort zu verbringen“. Ketill emigrierte auf die Hebriden, dort kannte er sich aus, denn er hatte früher Raubzüge auf die Inseln unternommen. Als König Harald wirklich Ketills Grundbesitz in Norwegen beschlagnahmte, versuchte Björn, ihn zurückzufordern. Der König aber erklärte Björn für vogelfrei und sandte Männer aus, um ihn töten zu lassen. Björn machte sich schließlich auf nach Island. Im Westen nahm er Land in Besitz.
Ketills Tochter Auðr begleitete ihren Vater auf die Hebriden, wo sie einen lokalen Anführer heiratete. Sie überlebte nicht nur ihren Vater, sondern auch Mann und Sohn: Allein geblieben, sah sie auf den Hebriden keine Zukunft mehr und entschloß sich, zu ihren Brüdern nach Island zu reisen. Bei der Durchführung ihrer Pläne übernahm sie die Funktion des Familienvorstandes, was für eine Frau der Wikingerzeit zwar ungewöhnlich, aber schon vorgekommen war. Sie ließ ein Schiff bauen und belud es mit Gütern und Gefolgsleuten, dann machte sie sich auf den Weg. Auf den Orkneys und Färöern legte sie an, um ihre Enkelinnen zu verheiraten, und segelte dann weiter nach Island. Wo die Pfeiler ihres Hochsitzes ans Ufer geschwemmt worden waren, nahm sie für sich ein großes Stück Land in Besitz und verteilte weiteres Land an ihre Schiffsmannschaft und ihre Gefolgsleute. Sie befreite ihre Sklaven und gab auch ihnen Land. Da sie auf den Hebriden Christin geworden war, baute sie keinen Tempel, sondern ließ auf einem Hügel in der Nähe ihres Hofes Kreuze aufstellen: dort verrichtete sie ihre Gebete.
Siedler wie Ketills Familie nahmen Land in Besitz, indem sie es erkundeten, herausragende Merkmale benannten und Höfe bauten. Einige der ersten Neusiedler beanspruchten enorme Gebiete, so etwa Skalla-Grímr, der den gesamten Bezirk Mýrar, an die 2000 km² vom Meer bis zu den Bergen, in Besitz nahm. Wer die erste Landnahme verpaßt hatte, konnte Grundbesitz von Siedlern erwerben, die vor ihnen da gewesen waren. Als Þorbjörn súrr 952 von Norwegen mit seiner Familie nach Dýrafjörður segelte, war das Land bereits vollständig in Besitz genommen. Das Landnámabók berichtet, daß Vésteinn Vésteinnsson ihm die Hälfte von Haikadalur überließ, in der Gísla saga Súrssonar hingegen heißt es, Þorbjörn habe das Land gekauft. Während Haukadalur äußerst begehrenswertes Land war, mußten sich spätere Ankömmlinge mit geringerer Qualität begnügen. Die Grettis saga berichtet, daß Önundr tré-fótr (Holzbein) bei seiner Ankunft in Island erfuhr, es sei nur noch wenig unbesiedeltes Land übrig. Önundr erhielt von Eiríkr snara Land in Kaldbaksvik unterhalb des Kaldbakr (Kaltrückenberg) und bei mehreren aneinandergrenzenden Fjorden. Zum Berg emporblickend, sprach Önundr einen Vers:
Réttum gengr, en ranga
rinnir sæfarinn, ævi,
fákr, un fold ok ríki
fleinhvessande þessum:
hefk lönd ok fjöld frænda
flýt, en hitt es nýast,
kröpp eru kaup, ef hreppik
Kaldbak, en ek læt akra.
Gescheitert ist das Leben
wie das seefahrende Meeresroß segelt
in Reichtum und Macht,
um dieses Speerführenden Kriegers willen:
Land und Leute hab’ ich verlassen; und obendrein
ist der Handel schwer: meine Äcker gab ich auf
und gewann dafür nur Kaldbak.
Die frühen Siedler verschenkten oder verkauften Teile ihres Lands, vergaben Grundbesitz an ihre Schiffsmannschaften, ihre Angehörigen, ihre Gefolgschaft. Auf diese Weise baute sich der ursprüngliche Siedler eine Gruppe von Anhängern auf und gewann Macht und Ansehen als Vorsteher seines Bezirks. Dieser Vorsteher, der goði oder „Gode“, wurde bald zur Schlüsselfigur im entstehenden Regierungssystem.
MATERIELLE KULTUR
Haus und Herd
Auch als Island vollständig in Besitz genommen war, blieb es eine bäuerliche Gesellschaft, die keine Städte kannte und nur wenige Dorfgemeinschaften. Die Bevölkerung war auf Einödhöfe verteilt, und jeder war in größerem oder kleinerem Umfang Bauer.
Das isländische Gehöft gruppierte sich um ein Langhaus aus Torf, das dem in der altnordischen Welt verbreiteten Baustil folgte: In den frühen Jahren der Landnahme und bei ärmeren Familien war das Langhaus wohl das einzige Gebäude eines Anwesens: ein Wohnstallhaus, in dem Mensch und Vieh zusammenlebten. Sobald es die Zeit und die Mittel erlaubten, fügten wohlhabendere Haushalte dem ursprünglichen Haus Nebengebäude hinzu. Die Mauern des Langhauses waren aus Torf errichtet, und das Dach bestand aus Birkenzweigen, die auf die Hauptsparren gelegt und mit einer Torfschicht gedeckt wurden. Das Gezweig ermöglichte die Luftzirkulation zwischen Torf und hölzernen Sparren und beugte Fäulnisprozessen vor. Auf die Torfschicht wurden zuletzt noch Grassoden gelegt: Das Gras wuchs zu einem Geflecht, hielt das Gefüge zusammen und ließ Regenwasser abfließen. Innen war das Haus mit Holz getäfelt. Ein Luftzwischenraum trennte die Täfelung von den Torfwänden, hielt das Holz trocken und frei von Morsch. Der Fußboden bestand aus gestampfter Erde.
Daß es im Langhaus viele Möbel gab, ist unwahrscheinlich. Tische scheinen je nach Bedarf zusammengesetzt und wieder zerlegt worden zu sein. Ein abgetrenntes Bett hatten nur Hausherr und Hausherrin, typischerweise in Form eines Alkovens oder Schrankbetts. Die übrigen Hausbewohner schliefen auf Bänken, die in die Seitenwände des Langhauses eingelassen waren. Licht und Wärme lieferte eine offene Feuerstelle in der Mitte der Halle mit einem Rauchabzug und Lüftungsschlitzen im Dach. Als zusätzliche Beleuchtung gab es Öllampen.

Der Bauernhof in Þjóðveldisbær ist eine Rekonstruktion des Bauernhofs im nahen Stöng aus der späten Wikingerzeit. Links von der Haupthalle (skáli) erstreckt sich die stofa; der Haupteingang befindet sich rechts, der Lagerraum für Molkereiprodukte und die Latrine liegen hinter dem Gebäude.
In Stöng im Gebiet Bjórsárdalur wurde ein ausgereiftes Langhaus der Wikingerzeit ausgegraben. Stöng war ein großes, reiches Anwesen in einem fruchtbaren Tal, bis es im Jahr 1104 nach einem Vulkanausbruch unter einer dicken Schicht Asche verschwand. Die Asche aber erhielt das Gebäude in einem besseren Zustand, als jedes andere Langhaus aus jener Zeit ist. Den Mittelpunkt des Langhauses in Stöng bildete eine lange Halle (skáli), die ungefähr 12 mal 6 m maß. Am einen Ende der Halle war ein etwa 4 m langer Eingangsbereich abgeteilt, um den Wärmeverlust durch die Vordertür möglichst gering zu halten. In die Seitenwände der Halle waren Bänke eingelassen, die tagsüber als Sitzgelegenheit und nachts als Betten dienten. Ferner gab es hier, etwa auf halber Länge der Halle, ein Schrankbett mit abschließbarer Tür. Am anderen Ende, gegenüber der Haupttür, befand sich ein schmalerer, etwa 8 m langer Anbau. Dies scheint die stofa gewesen zu sein, die „Stube“, ein etwas weniger öffentlicher Raum, in dem die Frauen ihrer täglichen Arbeit nachgingen und, wie es in den Geschichten heißt, Klatsch austauschten. Bei den Mahlzeiten nutzte diesen Bereich vermutlich der Haushaltsvorstand mit seinen bevorzugten Gästen.
An die Halle von Stöng schlossen sich im rechten Winkel zwei weitere Räume an. Der eine diente zur Lagerung von Molkereiprodukten. Hier wurden große Holzbottiche gefunden, die zum Zweck der Kühlung bis zur Hälfte in der Erde versenkt waren. Zusätzlichen Schutz vor Wärme lieferten Steine zwischen den Dachsparren und dem Dach sowie entlang der Wände.
Der andere Nebenraum war die Latrine (kamarr) mit steinernen Rinnen im Boden, die durch die Rückwand des Raums ins Freie führten und als Rinnstein dienten, über den Abfälle aus dem Haus geschafft wurden. Die Latrine von Stöng wird der letzte Anbau des Hauses gewesen sein. Aus der Sagaliteratur wissen wir, daß sich das stille Örtchen normalerweise in einem Nebengebäude befand: Der Laxdæla saga zufolge war die Mode der Wikingerzeit, den Abort in einiger Entfernung vom Wohnhaus zu errichten. So war es anscheinend auch in Eiríksstaðir, einem kleineren Haus aus dem 10. Jahrhundert, das ebenfalls ausgegraben wurde. Die Nachteile eines abgetrennten Aborts veranschaulicht die Eyrbyggja saga: Eines Abends sendet Vigfús Bjarnarsson seinen Sklaven Svartr aus: Er soll Snorri goði umbringen. Svartr versteckt sich über der Tür von Snorris Haus, während man drinnen zu Abend ißt. Nach der Mahrzeit will Snorri dem stillen Örtchen einen Verdauungsbesuch abstatten und entgeht um Haaresbreite dem Tod – zu seinem Glück ist der Sklave als Krieger ungeübt und schlägt leicht verspätet zu.
Zusätzlich zum Langhaus gab es beim Gehöft Stöng eine Schmiede, Tierställe und weitere Nebengebäude. Die gesamte Anlage steht für die wohlhabendere Version eines isländischen Anwesens aus der Wikingerzeit: Andere erhaltene Höfe weisen einen ähnlichen Bauplan auf, sind aber meist kleiner und verfügen über weniger Komfort.
Nahrung
Die frühen Siedler bewirtschafteten das Land auf dieselbe Weise wie in Norwegen, das heißt, sie hielten Vieh und bauten Getreide an. Das Klima in Island war jedoch rauher, sodaß der Getreideanbau weniger ertragreich war als in Norwegen und die Isländer mit der Zeit zunehmend auf ihre Herden setzten und ihre Nahrung durch Fischfang ergänzten.
Die wichtigsten Nutztiere waren Rinder. Diese Gemeinsamkeit der skandinavischen Kultur schlug sich in der Sprache nieder, in der das Wort für Rind dasselbe ist wie für Geld: fé. An zweiter Stelle standen die Schafe, die wegen ihrer Wolle, der Milch und des Fleisches gezüchtet wurden. Ferner wurden Ziegen und Schweine gehalten.
Eine besondere Rolle in der isländischen Landwirtschaft spielte das Pferd: nicht nur für Fortbewegung und Transport, sondern auch weil sein Fleisch ein beliebter, billiger Beitrag zur Ernährung war. Überdies wurden Pferde den heidnischen Göttern geopfert und ihr Fleisch im Rahmen der Festzeremonie verzehrt. Nach der Christianisierung Islands wurde der Verzehr von Pferdefleisch bald verboten.
Wie bei allen Skandinaviern war Getreide das Hauptprodukt der Landwirtschaft, wobei vermutlich die üblichen nordischen Sorten angebaut wurden: Gerste, Roggen und Hafer, die zu Brot, Getreidebrei und Bier verarbeitet wurden. Je nach lokalem Klima und Bodenbeschaffenheit konnten auch Gemüse wie Bohnen, Erbsen, Kohl und Zwiebeln angebaut werden, was ein wenig Abwechslung in den Speiseplan brachte. Auch Nutzpflanzen zu technischen Zwecken bauten die Isländer an, so etwa Flachs für die Herstellung von Leinen.
Früher wurde angenommen, daß das isländische Klima selbst in guten Jahren den Getreideanbau erschwerte, wenngleich die Erträge in den wärmeren südlichen und südöstlichen Landesteilen vielleicht ein wenig besser waren. Doch in einem in letzter Zeit in Reykjavík ausgegrabenen Getreidespeicher aus der Wikingerzeit fand man einen Kornkasten mit einem Fassungsvermögen von über 200 kg und darin Gerste. Jüngere Forschungen legen nahe, daß in der Wikingerzeit auf praktisch allen isländischen Gehöften Getreide angebaut werden konnte.
Bier, aus gemälzter Gerste gebraut, war das Hauptgetränk aller Schichten und jeder Altersgruppe, wenngleich die Sagas auch Milch, Met und Obstweine erwähnen. Isländische Feste waren bisweilen Alkoholexzesse. In Egils saga Skallagrímsonar wird die Familie zu einem Festgelage eingeladen, aber der Vater läßt den dreijährigen Egill nicht mitkommen, „denn wenn der Trank fließt, kannst du dich in Gesellschaft nicht benehmen – du bist einfach nicht damit zufrieden, nüchtern zu bleiben.“ Hingegen rät Hávamál, eine isländische Dichtung sprichwörtlicher Weisheiten, zu maßvollem Trinken:
Ein Mann sollte sich nicht am Becher festhalten,
sondern gemäßigt trinken,
nötig ist es, zu sprechen oder zu schweigen;
kein Mann wird dich der Unhöflichkeit zeihen,
begibst du dich früh zu Bett.
Jagd und Fischfang ergänzten die Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft. Fisch war ein wesentlicher Bestandteil des isländischen Speiseplans, vor allem in den Küstenregionen und in Fluß- und Seenähe. Nachdem die Isländer zum Christentum übergetreten waren und regelmäßig fasteten, wurde Fisch bald noch höher geschätzt.
An der Küste machten die Isländer Jagd auf Robben und Walrösser, nicht nur wegen des Fleisches, sondern auch wegen des Fells, des Specks, und im Fall der Walrösser auch des Elfenbeins. Wale wurden vermutlich nicht gejagt, doch ließen sich die Isländer sicher nicht die Gelegenheit entgehen, wenn am Ufer ein Wal strandete. Vor allem in der Nähe der Steilküsten, in deren Felsen Vögel nisteten, zählten auch See- und Wasservögel sowie deren Eier zur Ernährung der Isländer.
Handwerk
Die isländischen Gehöfte der Wikingerzeit waren weitgehend autark, ihre Bewohner übten viele handwerkliche Tätigkeiten selbst aus. Mit Ausnahme von Luxusgütern und gewissen Rohstoffen wurde alles, was für das bäuerliche Leben nötig war, meist auf dem Anwesen angebaut und hergestellt.
Die auf Islands ausgedehnten Weiden gezüchteten Schafe waren wegen ihrer Wolle ebenso geschätzt wie als Fleischlieferanten. Die Isländer stellten nicht nur ihre Kleidung selbst her, sondern benutzen verarbeitete Wolle als eine der wichtigsten Tauschwaren. Jede Phase der Textilproduktion, von der Verarbeitung der Fasern über das Spinnen und Weben bis zum Zuschneiden und Nähen erledigten die Frauen des Haushalts, und jeder produzierte Überschuß war bares Einkommen für die Familie.
Der selbst hergestellte Wollstoff, vaðmál genannt, diente in Island als Standardwährung. Die Gesetze schrieben die Bewertung von Tuch vor und stellten spezifische Anforderungen, wie es zu weben und zu vermessen war. Stoffe waren nicht nur Tauschware innerhalb des Landes: Wenn sie über das Meer fuhren, hatten die Isländer als Handelsware stets Tuch und fertige Kleidungsstücke bei sich.
Einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg der isländischen Besiedlung war die Entwicklung der Eisenverhüttung und –bearbeitung. Zwar wurden Schmiedeerzeugnisse gelegentlich importiert, doch waren auch die einheimischen Schmiede in jeder Phase der Eisenverarbeitung bewandert und sorgten für stetigen Nachschub an Geräten, die für eine nachhaltige Besiedlung unverzichtbar waren.
An diversen Grabungsstätten überall im Land wurde Schlacke aus der Wikingerzeit gefunden, was ein eindeutiger Beweis für eine lokale Eisengewinnung ist. Hauptquelle für Erz in Island war Sumpfeisen. Die Gebirgsbäche führen in Wasser gelöstes Eisen, und wenn ein Bach einen Sumpf durchquert, erzeugen chemische und biologische Prozesse kleine Knötchen aus Eisenerz, die Sumpfeisen genannt werden. Dieses Erz ließ sich in kleinen Chargen in einem sogenannten „Rennfeuer“ verarbeiten, was Island eine zwar kleine, aber konstante Versorgung mit Eisen aus einheimischer Erzeugung sicherstellte. Geschmolzenes Eisen war wertvoll, denn die Verhüttungsprozesse waren sehr zeitraubend. Grob bearbeitete Eisenbarren dienten ebenso als Tauschware wie vorgeschmiedete Gegenstände, etwa Rohlinge für Axtklingen.
Das isländische Eisen konnte von jedem örtlichen Schmied zu den für die isländische Agrarwirtschaft unverzichtbaren Geräten verarbeitet werden, aber auch zu Haushaltsgeräten und einfachen Waffen wie Äxten und Speeren. Möglicherweise wurden auch Messer im Land hergestellt, Schwerter jedoch wurden importiert: Selbst die Skandinavier vom Festland vertrauten auf die Schwertklingen aus Deutschland.

Werkzeugsatz aus dem 8. Jahrhundert. Staatliche Eremitage Sankt Petersburg, Alt-Ladoga, Instrumentenfund, Eisen, geschmiedet.
Vermutlich hatte jedes Anwesen eine wenn auch noch so primitive Schmiede, denn die Gehöfte lagen weit auseinander, und viel benutztes Werkzeug blieb nur gebrauchsfertig, wenn es regelmäßig nachgearbeitet und repariert wurde. Es wurden mehrere Schmieden aus der Wikingerzeit ausgegraben, insbesondere auf dem Stöng-Hof, und auf zahlreichen Grabungsstätten fand man Schmiedewerkzeug und unbearbeitetes Eisen.
Die Verhüttung und das Schmieden erforderten Kohle als Brennstoff: Kohle in Form von Holzkohle war ein weiteres Erzeugnis der isländischen Landwirtschaft. Wo immer es Wälder gab, wurden Bäume gefällt, klein gehackt und in Meilern verkohlt. Der Kahlschlag der Wälder zur Brennstoffgewinnung gilt als Hauptursache der Entwaldung des Landes.
Bäume lieferten auch das Material für die Zimmer- und Schreinerarbeit, eine weitere wichtige Fertigkeit des isländischen Bauern. Vermutlich stellten die Isländer nicht nur sämtliche Holzgerätschaften her, die sie für die Landwirtschaft, im Haushalt, in der Küche brauchten, sondern zimmerten auch ihre Häuser, Boote und sogar Schiffe selbst. Überhaupt verarbeiteten sie jegliches Material zu den Dingen des täglichen Bedarfs: Aus Knochen, Hörnern und Geweihstangen wurden alle möglichen Gegenstände, vom Haarkamm bis zum Trinkgefäß, hergestellt. Aus weichem Stein, wie Seifen- oder Speckstein, wurden Lampen, Schüsseln und Kochtöpfe geschnitten, und das Vieh lieferte genügend Leder, das vielseitig eingesetzt wurde, unter anderem für Schuhe, Gürtel, Schwertscheiden, Sättel und Zaumzeug.
Handel
Bedarfsgüter, die der Landwirt nicht herstellen konnte, erwarb er durch Handel. Die altnordischen Seefahrer bereisten die bekannte Welt und handelten mit einem breiten Warenspektrum. Das Fassungsvermögen der Frachtschiffe aus der Wikingerzeit ermöglichte Handel nicht nur mit hochwertigen Luxusgütern wie Wein, Seidenstoffen und Gewürzen, sondern auch mit sperrigeren Alltagsgegenständen wie Nutzholz und Speckstein.
In der Wikingerzeit war der isländische Binnen- und Außenhandel gut entwickelt. Wer über einen Überschuß an Rohstoffen verfügte, handelte mit jenen, die zu wenig davon hatten. Küstenbewohner tauschten Trockenfisch, wer in eisenreichen Gebieten lebte, handelte mit den Bewohnern eisenarmer Gegenden, und wer eine gute Ernte eingefahren hatte und sich voller Scheunen erfreute, konnte anderen bei Engpässen aushelfen.
Island beteiligte sich auch am Überseehandel, obwohl das Land nie einen eigenen Kaufmannsstand ausbildete: Den Handel trieben die Bauern. Geschichten aus den Sagas erzählen uns, daß viele junge isländische Männer einige Zeit auf Seereisen zubrachten, zu denen der Handel ebenso gehörte wie Beutezüge und andere kriegerische Abenteuer. Im Allgemeinen aber beschäftigten sie sich nur eine begrenzte Zeit mit dem Handel: Früher oder später kehrten sie nach Hause zurück und ließen sich auf einem Hof nieder.
Ein typisches Beispiel ist Þórólfr Skalla-Grímsson, der zu Beginn des 10. Jahrhunderts drei Seereisen unternahm. Dabei trieb er Handel, beteiligte sich an Wikingerüberfällen und diente König Athelstan von England als Krieger. Zwar hatte er vor, sich nach der Rückkehr von seiner dritten Fahrt in Island niederzulassen, doch 937 fiel er im Dienst des englischen Königs.
Es kamen auch fremde Händler nach Island, die Nutzholz, Getreide, Leinen und Luxuswaren brachten. Haupthandelspartner Islands war Norwegen, doch auch Händler aus Schweden und aus den norwegischen Siedlungen auf den Britischen und den nordatlantischen Inseln waren regelmäßige Besucher; direkter Handel mit Kontinentaleuropa kam jedoch selten vor.
Handelsreisende von oder nach Island segelten in der Regel im ersten Sommer in die eine Richtung, überwinterten und kehrten im folgenden Sommer wieder zurück. Im Herbst wurden die Schiffe über den Winter an Land gezogen: Das Gesetz schrieb allen Bauern des Bezirks vor, dabei mitzuhelfen und im Frühjahr das Schiff wieder zu Wasser zu lassen.
Die Abneigung, Hin- und Rückreise ins selbe Jahr zu legen, mag daran liegen, daß das nordatlantische Treibeis den dünnwandigen wikingischen Handelsschiffen gefährlich werden konnte. Die Planken des Haithabu-Wracks 1 (eines Kriegsschiffs) und des Wracks 3 (eines Frachtschiffs) sind nur etwa 2 cm dick. Außerdem wird jeder Kapitän der Wikingerzeit angesichts der ungewissen Witterungsverhältnisse und der Schwierigkeiten einer Nordatlantiküberquerung lieber günstigere Bedingungen abgewartet haben, ehe er die Überfahrt versuchte. In der Gísla saga brechen Vésteinn Vésteinnsson und Gísli Súrsson im Sommer zu einer Handelsreise auf, doch die Überfahrt nach Norwegen ist voller Schwierigkeiten. Die Fahrt dauert 50 Tage und endet mit Schiffbruch in einem Wintersturm an der norwegischen Küste.
Der Handel war normalerweise ein Tauschhandel. Auch Silber wurde in Form von Münzen, unbearbeiteten Silberbarren und Schmuck als Tauschhandel genutzt, doch sein Wert beruhte ausschließlich auf dem Gewicht des kostbaren Materials. Wog ein Schmuckstück mehr, als für den Abschluß des Kaufs erforderlich war, wurde es zerschnitten, bis das exakte Gewicht erreicht war. Viele der entdeckten Silberschätze enthielten so genanntes „Hacksilber“ – Überreste von Silberschmuck, der zerschnitten worden war, um eine Transaktion abzuschließen.
Die Quellen nennen unterschiedliche Umrechnungskurse: zu Beginn des 11. Jahrhunderts waren die ungefähren Wechselkurse in Island für Feinsilber jedenfalls folgende:
8 Unzen Silber = 1 Unze Gold
8 Unzen Silber = 4 Milchkühe
8 Unzen Silber = 144 Ellen (etwa 72 Meter) Tuch aus selbst gesponnener, gewebter Wolle mit 2 Ellen Breite (etwa 1 Meter)
GESELLSCHAFTSSTRUKTUR UND GESCHLECHTER
Die Zeit der Landnahme dauerte rund 60 Jahre, etwa von 870 bis 930; dann war das Land vollständig in Besitz genommen, und die Zuwanderung hörte praktisch auf. Bevölkerungsschätzungen bewegen sich zwischen 20.000 und 70.000 Menschen, die am Ende der Landnahme in Island lebten. Schon während der Landnahme bildeten die Isländer eine Gesellschaftsstruktur und begannen bald eine Nationalregierung zu entwickeln.
Das mythologische Eddalied Rigsþula beschreibt die drei Stände der altnordischen Gesellschaft: jarl (Herr), karl (Bauer) und þræll (Sklave). In der Praxis war die Gesellschaftsstruktur komplexer, doch die Dichtung vermittelt dem modernen Leser immerhin einen Eindruck von den allgemeinen Kategorien, die die Einwanderer aus ihrer skandinavischen Heimat mitgebracht hatten.
Diese ursprüngliche skandinavische Gesellschaftsstruktur flachte sich in Island ab. Der höchste Rang unter den Neusiedlern entsprach dem niederen Adel in Norwegen. Die Isländer respektierten zwar die Autorität fremder Aristokraten, einen eigenen Adel aber kannten sie nicht: Die isländische Gesellschaft bestand im Wesentlichen aus zwei Kategorien, freien Bauern und Unfreien. Diese Teilung spiegelt sich in den Gesetzestexten wider: Das Recht auf Schadenersatz für Beleidigungen war für alle freien Isländer gleich, was in Norwegen nicht der Fall war. Gleichwohl gab es innerhalb dieser groben Kategorien verschiedene Abstufungen.
Der höchste Rang bei den freien Isländern war der goði (Vorsteher, pl. goðar). Im Prinzip war der goði einfach ein freier Bauer, aber er war primus inter pares. Er war die Kontaktperson zwischen seinen Gefolgsleuten und den regionalen und nationalen Regierungsstrukturen und der Erste, an den man sich in einem Streitfall wandte. Er war Anführer und Vorsteher des Regierungsbezirks. Zudem diente er als Priester der altnordischen Religion und galt als einer, der eine besondere Beziehung zu den Göttern unterhielt. Die Leute wandten sich an ihren goði, wenn ein Tempel errichtet werden sollte, und er vollzog die Riten der heidnischen Religion. Nach der Christianisierung Islands übernahmen diese Aufgabe die goðar für die neue Kirche.
Die ursprünglichen goðar waren vermutlich die Befehlshaber der Schiffe, mit denen die Siedler nach Island gekommen waren: sie hatten das Land in Besitz genommen und auf ihre Gefolgsleute aufgeteilt. In der Wikingerzeit gab es 39 goðar in Island. Das Amt hieß goðorð und war im Wesentlichen erblich. Das goðorð hatte keine festgelegten physischen Grenzen. Ein freier Mann konnte frei entscheiden, welchen goði aus seinem Bezirk er unterstützte, und mit lediglich geringem formalem Aufwand seine Gefolgschaft von einem goði auf einen anderen verlagern. Die Loyalität war zweiseitig: Der goði verteidigte die Interessen seiner Gefolgsleute, und die Männer leisteten ihm Waffendienst bei Fehden und anderen Streitigkeiten. Ein goði, der sich nicht genügend um das Wohl seiner Gefolgsleute kümmerte, stand womöglich bald ohne Anhängerschaft da, sodaß sich ein vielversprechender Kandidat des goðorð bemächtigen konnte. Ein erfolgreicher goði war ständig damit beschäftigt, Einfluß und Unterstützung bei den eigenen Anhängern und anderen goðar zu kaufen, zu verkaufen und zu tauschen. Ferner konnten sich mehrere Männer ein goðorð teilen. Allerdings konnte nur ein goði aus jedem goðorð an den dienstlichen Angelegenheiten der Nationalversammlung (Alþing) teilnehmen. Auch eine Frau konnte ein goðorð innehaben, durfte jedoch nicht als goði amtieren – dazu mußte sie einen Stellvertreter ernennen.
Dem Rang des goði am nächsten standen die landbesitzenden Bauern. Sie unterstützten den goði und konnten sich, wenn nötig, auf seine Unterstützung verlassen. Einige Bauern standen dank ihrer Verwandtschaftsbeziehungen mit anderen mächtigen Farmern oder dank Größe und Reichtum ihres Hofes oder der Zahl ihrer Gefolgsleute höher als andere.
Alle freien Männer verfügten über ein Maß an Freiheit, wie es außerhalb der nordischen Länder zu jener Zeit völlig unbekannt war. Sie hatten Redefreiheit, konnten sich an den öffentlichen Angelegenheiten und der Regierung beteiligen, durften Waffen tragen und genossen alle Rechtsvorteile.
Während der Landnahme konnte ein Freier alles Land in Besitz nehmen, das ihm zusagte, deshalb war anfangs jeder freie Mann ein Grundbesitzer. Als das Land vollständig besiedelt war, gab es mehr Menschen als verfügbares Land, sodaß einige Freie keine Grundbesitzer waren. Dies waren meist Pächter, die gegen eine an den Eigentümer abgeführte Jahrespacht ein Stück Land bewirtschafteten. Im Allgemeinen war die Pacht auf zehn Prozent des darauf erzielten Jahresertrags festgesetzt. Die Personen dieses Standes hatten dieselben Rechte wie die Grundbesitzer, jedoch hatten Letztere ein Wort mitzureden, wie ihre Pächter den Hof bewirtschafteten.
Unterhalb der Pächter standen die Knechte, die gegen Kost und Logis bei einem Bauern arbeiteten. Ebenso verrichteten Mägde die Arbeiten, die von den Frauen erwartet wurden. Auch Fischer ohne Grundbesitz fielen in diese Kategorie. Sie alle hatten kein Recht, an der Regierungsversammlung teilzunehmen.
Mittellose und Landstreicher waren rechtlich gesehen frei, standen aber am unteren Ende der Gesellschaft, noch tiefer als die freigelassenen Sklaven. Das lag zum Teil daran, daß sie kein Obdach und keinen Platz in der Rechtsordnung hatten, denn um gegen jemanden gerichtliche Klage erheben zu können, mußte der Betreffende vor die Rechtsversammlung (þing) seiner Region zitiert werden. Ohne festen Wohnsitz konnte ein Landstreicher nicht vor dem zuständigen Gericht angeklagt werden. Da es also keine rechtliche Handhabe gegen Landstreicher gab, waren sie eine Gefahr für das störungsfreie Zusammenleben der Gesellschaft. Sie durften nicht heiraten, und theoretisch hatte jedermann das Recht, sich den Besitz eines Landstreichers anzueignen, ja er konnte ihn sogar ungestraft entmannen.
Die unterste Schicht der nordischen Gesellschaft bildeten die Sklaven. Sie waren Leibeigene mit dem rechtlichen Minimalstatus beweglicher Sachen, und ihr einziger Bezug zum Rest der Gesellschaft war ihr Herr. Sie konnten weder erben noch Besitz hinterlassen, noch sich an Geschäftsvorgängen beteiligen.
Freigelassene Sklaven waren nominell freie Männer, doch ihre gesellschaftliche Stellung blieb niedrig. Starb ein Freigelassener ohne Erben, so fiel sein Nachlaß an seinen ehemaligen Eigentümer zurück. Einmal von Leibeigenschaft befleckt, war die Ehre eines Mannes nie ganz ohne Makel. In Island jedoch waren die Kinder freigelassener Sklaven vollständig frei, anders als in den übrigen Wikingerländern, wo es bis zu vier Generationen dauern konnte, um sich von der Unehre der Sklaverei zu befreien.
Ein paar Rechte hatten die Sklaven jedoch. Sie konnten Besitz erwerben und, wenn sie umsichtig waren, genügend sparen, um sich ihre Freiheit zu erkaufen. Sie durften heiraten und sich rächen, wenn sich jemand an ihren Frauen vergriff.
In Island waren die Sklaven anfangs sehr zahlreich. Viele brachten die Siedler zusammen mit ihrem sonstigen Besitz mit, andere wurden durch Handel erworben oder bei wikingischen Raubzügen erbeutet. Freie Männer konnten Sklaven werden, wenn sie nicht mehr imstande waren, ihre Schulden zu bezahlen. Schuldner, deren Zahlungen überfällig waren, wurden so lange Eigentum des Gläubigers, bis die Schuld abgetragen war. Allerdings gab es in der nordischen Gesellschaft nie eine umfassende Sklavenökonomie nach Art der Plantagen. Im Allgemeinen arbeiteten die Sklaven Seite an Seite mit den Knechten auf dem Hof der Familie, obwohl die schweren, schmutzigen, niedrigen Arbeiten meist an den Sklaven hängen blieben. Der Einsatz von Sklavenarbeit hatte keinen rechten Platz in der isländischen Wirtschaft, und vermutlich verschwand die Leibeigenschaft in Island im 11. Jahrhundert ganz.
Innerhalb jeder Gesellschaftsschicht fielen Männern und Frauen jeweils unterschiedliche Rollen zu. Praktisch gesehen waren die Aufgaben der Frauen ganz konkret durch das Haus definiert: Die Grenze zwischen Männer- und Frauenarbeit war die Schwelle der äußeren Haustür. Die Frauen waren für die Arbeit im Haus zuständig, die Männer für die Arbeit im Freien.
Insgesamt war das Gesellschaftsgefüge, wie nicht anders zu erwarten, patriarchal: Die rechtliche, regierende und häusliche Macht lag allein in den Händen der Männer. Eine Frau unterstand von Rechts wegen ihrem Vater oder Ehemann. Sie war nur in Maßen frei, über ihr Eigentum zu verfügen. Die meisten politischen oder parlamentarischen Aktivitäten waren ihr verwehrt. Sie konnte kein goði, kein Richter, kein Zeuge sein, und sie durfte an keiner Gerichtsversammlung mitwirken. Andererseits genoß die Frau in Island ein ungewöhnliches Maß an Respekt und Freiheit im Vergleich zu anderen europäischen Gesellschaften jener Zeit. Sie kümmerte sich um die finanziellen Angelegenheiten der Familie und leitete den Hof in Abwesenheit ihres Ehemannes. Eine Witwe konnte eine reiche und bedeutende Grundbesitzerin sein. Das Gesetz schützte die Frau vor unerwünschter Zuwendung aller Art, von aufgedrängten Küssen bis hin zu Vergewaltigung. Sie konnte sich mittels einer vor Zeugen ausgesprochenen einfachen Formel scheiden lassen. In den Sagas treten oft Frauen in starken, dynamischen Rollen auf, und die Autoren zeigen ein auffallendes Interesse an der Frau als Mensch, das vielleicht ebenfalls in der Wikingerkultur wurzelt.
In den Sagas erlangen die Frauen wegen der ihnen gesetzten rechtlichen und praktischen Grenzen Macht meist dadurch, daß sie es fertig bringen, das Tun der Männer in ihrer Umgebung zu beeinflussen. In der Laxdæla saga hetzt Guðrún ihren Ehemann Bolli und ihre Brüder zur Rache an Kjartan auf, Bollis geliebtem Ziehbruder. Wissend, daß Bolli schon beim Gedanken an eine derart verachtenswerte Tat Abscheu empfindet, bietet Guðrún die gesamte manipulative Beredsamkeit auf, derer sie fähig ist, um ihre Angehörigen bei ihrer Mannesehre zu packen:
„Mit eurem Temperament hättet ihr ein paar gute Töchter für einen Bauern abgegeben, die nicht taugen, jemandem Gutes oder Böses zu tun. Nach allem Schimpf und aller Schande, die Kjartan auf euch gehäuft hat, laßt ihr euch nicht im Schlaf stören, wenn er mit nur einem einzigen Mann als Begleitung an eurem Haus vorüberreitet. Solche Männer haben kein besseres Gedächtnis als ein Schwein. Es ist nicht wahrscheinlich, daß ihr es je wagen werdet, gegen Kjartan zu Hause die Hand zu heben, wenn ihr sie nicht einmal jetzt erhebt, da er nur einen oder zwei andere bei sich hat. Ihr sitzt alle einfach zu Hause und macht viel Wesens um euch, aber man könnte nur wünschen, ihr wäret weniger.“
Zusätzliche Schärfe gewinnt das Szenario dadurch, daß Guðrún einst mit Kjartan verlobt war und die geschilderten Ereignisse vermuten lassen, daß ihre Wut zumindest teilweise von enttäuschter Liebe herrührt. Wirklich gibt die gealterte Guðrún, inzwischen vierfach verwitwet, auf die Frage, welchen Mann sie am meisten geliebt hat, die dunkle Antwort: „Am schlimmsten war ich zu ihm, den ich am meisten geliebt.“
REGIERUNG
Von Beginn der Besiedlung an war den Isländern klar, daß sie irgendeine Form von Regierung brauchten. Auf lokaler Ebene gab es zwar die Vorsteher (goðar), doch in dem Maß, wie das bewohnbare Land sich füllte, ergab sich auch die Notwendigkeit einer regionalen und landesweiten Organisation. Die goðar hatten freilich kein Interesse daran, in Island die autoritäre Zentralregierung wiederaufleben zu lassen, vor der sie aus Norwegen geflohen waren. Auch war eine zentralisierte Macht zur Verteidigung Islands gegen Angriffe von außen nicht nötig. Die Weite des Nordatlantiks zwischen ihnen und ihren nächsten Nachbarn war Schutz genug. Schließlich entwickelten die Isländer eine Regierung aus ihren bestehenden kulturellen Traditionen, das Ergebnis aber ähnelte in keiner Hinsicht anderen skandinavischen Ländern.
Als die ersten Siedler in Island eintrafen, brachten sie die norwegische Gepflogenheit feststehender Gesetze und regelmäßiger Gerichtsversammlungen auf Bezirksebene (þing) mit, die sie in Island fortsetzten, wobei der goði als Leiter der Versammlung amtierte.
Auch die außerhalb des Bezirks lebenden Menschen konnten ihre Streitfälle dem þing zur Schlichtung vortragen, doch als die isländische Bevölkerung wuchs, wurde eine Zusammenlegung in irgendeiner Form immer dringender nötig. Den Anfang machte das Kjalarnessþing: Diese Versammlung war von Þorsteinn Ingólfsson begründet worden, dem Sohn des ersten Siedlers, und schon viele Jahre lang regelmäßig zusammengetreten, ehe auch in anderen Teilen des Landes die systematische Besiedlung begann.
Die Leiter des Kjalarnessþing prüften zunächst die bestehenden Gesetze und schickten zu diesem Zweck einen Mann namens Úlfjótr nach Norwegen, wo er die Gesetze studieren sollte. Úlfjótr war weder Häuptling noch überhaupt ein Mann von Autorität, doch er war allgemein anerkannt als erfahrener Gesetzmacher. Drei Jahre blieb er in Norwegen, und als er zurückkam, brachte er „Úlfjótrs Gesetz“ mit, das die Grundlage für die Nationalversammlung bilden sollte. Teile seines Gesetzeswerks fanden in das Landnamabók Eingang. Úlfjótrs Ziehbruder Grímr reiste kreuz und quer durch Island, um nach einem geeigneten Platz für die Nationalversammlung zu suchen und vielleicht auch bei anderen Häuptlingen um Unterstützung zu werben. Schließlich war ein Platz gefunden, und um das Jahr 930 wurde das erste Alþing einberufen. Der Platz, den sie sich aussuchten, heißt þingvellir (Versammlungsebene) und ist nicht nur ein überaus praktischer, sondern auch ein in atemberaubend schöner Natur gelegener Ort inmitten einer dramatischen Landschaft. Die Stätte lag am Rand des Landes, das Ingólfr einst in Besitz genommen hatte, und war kurz zuvor in einer Mordsache beschlagnahmt worden. Nun wurde sie Allgemeinbesitz und war den Versammlungen des Alþing vorbehalten.
Mit der Einberufung zum ersten Alþing ließen sich die Isländer auf das großartige Experiment ein, sich eine nationale Regierung zu geben. Sie wurde ein bemerkenswerter Erfolg und hielt sich mit geringfügigen Veränderungen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, als politischer Druck die Unabhängigkeit Islands beendete und die Insel unter die Herrschaft des Königs Hákon von Norwegen geriet.
Drei Jahrhunderte lang sollte Island ein unabhängiger Staat sein. Diese Phase heißt þjóðveldi, „Gemeinwesen“ oder „freier Staat“: In dieser Zeit regelte die staatlichen Belange ein System von Gesetzen, das den Konsens erleichterte und Streitfragen durch Verhandlung und Kompromiß löste – unter manchen Umständen auch durch sanktionierte Formen privater Gewalt.
Die Bewunderung der mittelalterlichen Isländer für ihr Rechtssystem kommt unverkennbar bei mehreren bemerkenswerten Charakteren aus den Sagas zum Ausdruck. So warnt Þorgeirr Ljósvetnigagoði im Íslendingbók: „Wenn wir das Gesetz entzweireißen, reißen wir den Frieden entzwei“; und die Hauptperson der Njáls saga spricht: „Mit dem Gesetz wird unser Land blühen, bei Gesetzlosigkeit wird es verderben.“
Über die Gesetze und Gerichtsverfahren in Island wissen wir mehr als über die der anderen nordischen Länder, weil aus Island umfassendere schriftliche Zeugnisse vorhanden sind. Zwar wurden die isländischen Gesetzbücher mindestens ein Jahrhundert nach dem Ende der Wikingerzeit niedergeschrieben, doch stammen viele der darin festgehaltenen Gesetze und Rechtstraditionen aus der frühen Zeit des Gemeinwesens. Darüber hinaus beziehen zahlreiche Sagas Gesetze und Rechtsverfahren als zentrale Bestandteile in die Handlung ein. Bis zum Ende der Wikingerzeit wandelten die Isländer ihre Gesetze geringfügig ab, um veränderten Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Wir konzentrieren uns hier auf die Gesetze, wie sie existierten, als die in den meisten Sagas beschriebenen Ereignisse stattfanden, nämlich im späten 10. und frühen 11. Jahrhundert.
Island war in vier Verwaltungsbezirke unterteilt, die sich fjórðungar (Viertel) nannten, und in jedem Viertel gab es neun Vorsteher, die bereits erwähnten goðar. Die goðar trafen sich im Frühjahr zum lokalen þing, das sich várþing nannte. Den Vorsitz hatten drei goðar, und alle Gefolgsleute jedes goði (þingmenn genannt) hatten zu erscheinen. Auf diesen Regionalversammlungen wurden Streitfälle aus der Region verhandelt und beigelegt.
Das Alþing war die entsprechende Versammlung auf nationaler Ebene. Es trat einmal jährlich, Ende Juni, für zwei Wochen zusammen. Alle 39 goðar mußten erscheinen, jeder in Begleitung von wenigstens zwei Beratern. Jeder Freie konnte sich entscheiden, daran teilzunehmen. Jeder goði mußte jeden neunten seiner Gefolgsleute zum Alþing mitbringen, þingmenn, die an der Teilnahme verhindert waren, zahlten dem goði eine Gebühr, um zu den Reisekosten der anderen, die teilnahmen, beizutragen.
Dem goði fiel die Aufgabe zu, im Alþing die Rechtsangelegenheiten von Männern aus seinem Bezirk zu verhandeln. Im Gegenzug rief der goði bei Auseinandersetzungen mit anderen goðar seine Männer um Waffenhilfe an. Ein in eine Fehde oder Streitsache verwickelter goði erschien häufig mit einer viel größeren Gefolgschaft, um seinen Verhandlungen notfalls mit Truppenstärke Nachdruck zu verleihen. In der Hænsna- þóris saga heißt es, Tungu-Oddr sei mit 300 Mann zum Alþing erschienen.
Das Alþing bot ein Forum, in dem sich Männer aus allen Landesteilen treffen, Dinge besprechen, Mißstände aus dem Weg räumen konnten. Drei Rechtsfunktionen wurden im Alþing ausgeübt: Der Gesetzessprecher sagte die Gesetze auf; anschließend wurden die Gesetze geprüft und vom Rechtsrat abgeändert; zuletzt entschieden die Richter jedes Viertels die anhängigen Rechtssachen. Dies alles fand im Freien statt, und alle Anwesenden hatten das Recht, den Verhandlungen beizuwohnen.
Der aus den goðar und ihren Beratern bestehende lögretta („Rechtsrat“) wählte sich einen Gesetzessprecher (lögsögumaður), dessen Aufgabe es war, die Gesetzestradition zu erhalten und darzulegen. Bis zur Entwicklung der schriftlichen Kultur in Island war der Gesetzessprecher buchstäblich ein Sprecher der Gesetze: Auf jedem Jahrestreffen des Alþing rezitierte er laut ein Drittel der Gesetze und hatte am Ende seiner dreijährigen Amtszeit das gesamte Gesetzeswerk vorgetragen. Dieses enthielt Eid- und sonstige Formeln, die in rhythmisierter Form und in Stabreimen abgefaßt waren, damit sie sich leichter dem Gedächtnis einprägten.
Der Mittelpunkt des þingvellir war ein kleiner Hügel mit grasbewachsenen Hängen und einer langen Felswand, dem Lögberg („Gesetzesberg“). Vor dem Lögberg trug der Gesetzessprecher die Gesetze vor. Auch öffentliche Reden und Ankündigungen fanden vor dieser Felswand statt, die wie ein natürliches Amphitheater wirkte. Jeder goði mußte dem Vortrag der Gesetze beiwohnen oder sich durch einen seiner Berater vertreten lassen. An der darauf folgenden Diskussion konnten sich auch andere interessierte Parteien aktiv beteiligen. Der Gesetzessprecher war zwar einflußreich, doch er „herrschte“ nicht über das Land: Die Macht blieb in den Händen der goðar.
Der Rechtsrat, lögretta, war das gesetzgebende Organ des Alþing. Die stimmberechtigten Mitglieder waren die goðar: Sie prüften und ergänzten bestehende Gesetze, erließen neue, gewährten Freistellungen. Ferner waren sie befugt, die Verträge für die seltenen Fälle zu schließen, in denen Island mit fremden Ländern in Beziehung trat.
Die vier Viertelgerichte (fjórðungsdómur) verhandelten Anklagen gegen Individuen. Jedes Viertelgericht bestand offenbar aus 36 Richtern, deren jeder von einem der goðar ernannt und beaufsichtigt wurde. Das Grágás, die wichtigste Zusammenstellung der isländischen Gesetze, nennt die Voraussetzungen für das Richteramt: Es muß ein freier Mann sein, der eine feste Heimstatt hat, fähig ist, für seine Worte geradezustehen, und mehr als zwölf Jahre zählt. Die Gerichte dienten einerseits als ein den Regionalgerichten übergeordnetes Berufungsgericht und andererseits als erstinstanzliches Gericht für Rechtsangelegenheiten, deren Parteien mehreren Vierteln zugehörten.
Die Urteile der Richter mußten beinahe einstimmig sein, was häufig dazu führte, daß ein Verfahren ins Stocken geriet. Waren von den 36 Richtern sechs oder mehr anderer Meinung, war die Verhandlung an einem toten Punkt angelangt. Dieses Problem löste die Einführung eines fünften Gerichts um das Jahr 1005, eines Appellationsgerichts, in dem Urteile mit einfacher Mehrheit gefällt wurden.
Die isländischen Gerichte unterschieden sich erheblich von den modernen westlichen Gerichten. So gab es keine Staatsanwälte: Alle Fälle, die vor Gericht gebracht wurden, waren Privatklagen. In der Regel wurde die Klage von jemandem erhoben, der mit der beschädigten Partei in Beziehung stand, etwa einem Angehörigen und dem goði des Betreffenden. Doch konnte ein Mann auch dann Klage einreichen, wenn er gar nicht persönlich betroffen war, sondern sich von einer erfolgreichen Strafverfolgung einen Zuwachs an Reichtum und Ruhm versprach. Fand sich niemand, der einen bestimmten Sachverhalt vor Gericht brachte, so wurde die Angelegenheit fallen gelassen.
Die Richter hörten sich die belastenden Aussagen an und gelangten zu einem Urteil. Rechtssachen wurden nicht unbedingt aufgrund einer Zeugenaussage entschieden: Ebenso wichtig war ein korrektes Gerichtsverfahren. Der letzte Teil der Njáls saga ist eigentlich ein Gerichtsprotokoll samt Klagen und Gegenklagen wegen fehlerhafter Verfahren. Zudem konnten externe Kräfte zum Tragen kommen, die auf die Entscheidung des Gerichts Einfluß hatten: Die Sagas erzählen von Bestechungen, von Gewaltandrohung und von tatsächlicher Gewaltanwendung vor Gericht.
Aus dem späteren mittelalterlichen Island sind zahlreiche Gesetzestexte erhalten, deren bedeutendster das im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts zusammengestellte Grágás ist, das in weiten Teilen sicherlich Gepflogenheiten aus der Wikingerzeit wiedergibt. Die folgenden Anweisungen für einen Mann, der einen Fall vor ein Gericht bringt, sind bezeichnend für die komplexen Verfahren, denen wir sowohl in den Gesetzbüchern als auch in den Sagas begegnen:
„Er muß einen Eid schwören, daß es sein Fall ist, den er vorträgt, und aussagen, wen er vorgeladen hat und weswegen er ihn vorgeladen hat und welche Strafe er festsetzt, und muß aussagen, vor welche Versammlung er ihn vorgeladen hat und daß er ihn mit einer gesetzmäßigen Vorladung vorgeladen hat. […] Dann muß einer der Zeugen seine Aussage machen und dabei all die Worte verwenden, die der Kläger bei der Vorladung des Angeklagten benutzt hat. Und die übrigen Zeugen müssen ihre Zustimmung zu seiner Aussage geben, doch ist es rechtens, wenn sie ihre Aussage rascher machen. […] Trägt ein Mann seinen Fall vor, ohne den Eid dabei zu schwören, so ist es, als hätte er den Fall nicht vorgetragen, und er muß ein zweites Mal einen Eid schwören und den Fall vortragen […] aber das darf ihm nicht mehr als einmal passieren.“
Die Gerichte waren allerdings nur eine von mehreren Möglichkeiten, Streitigkeiten beizulegen. Ein weniger formelles Verfahren war die Schlichtung, bei der beide Parteien einvernehmlich neutrale Dritte beauftragten, der Sache nachzugehen und ein Urteil zu fällen. Alternativ konnte eine streitende Partei ein Selbsturteil anbieten und es der anderen Partei überlassen, die Vergleichsbedingungen festzulegen. Dieser Weg wurde beschritten, wenn die erste Partei den Eindruck hatte, daß die zweite Partei maßvoll vorgehen werde, oder wenn die erste Partei so schwach war, daß sie nicht in der Lage war, Bedingungen zu stellen. Und schließlich kam es vor, daß Blutvergießen der einzige Ausweg war und die Parteien entweder ein förmliches Duell austrugen oder Blutrache nahmen.
Das System der isländischen Regierung ruhte auf gesetzgebenden und gerichtlichen Funktionen, die der Rechtsrat beziehungsweise die Viertelgerichte ausübten. Hatte ein Gericht eine Person für schuldig befunden, hatte das þing keine Vollstreckungsbefugnis: Die Ausführung des Urteils stand der beschädigten Partei, deren angehörigen oder Gefolgsleuten zu.
Häufig bestand das Urteil in einer finanziellen Entschädigung, die von der schuldigen an die beschädigte Partei zu zahlen war, wobei das Gesetz Standardleistungen je nach der Art der Beleidigung und dem Status der betroffenen Parteien vorsah. Ein weiteres verbreitetes Urteil war die Acht (skóggangr). Ein Mann, gegen den die Acht verhängt wurde, war aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Sein Eigentum wurde beschlagnahmt, man durfte ihm weder Nahrung noch Obdach gewähren, und jeder, der ihn sah, konnte ihn ungestraft töten. Eine schwächere Form der Acht (fjörbaugsgarðr) verbannte den Schuldigen für lediglich drei Jahre, auch sein Eigentum blieb ihm, sodaß er nach drei Jahren in ein normales Leben zurückkehren konnte.
Im Rahmen der Eröffnungszeremonie wurde die Alþing-Stätte vom allsherjargoði, dem öffentlichen goði, geweiht. Dieser war der jeweilige Inhaber des goðorð, das ursprünglich Ingólfr Árnarson, der erste Siedler in Island, innegehabt hatte. So lange das þing währte, galt nominell der Waffenstillstand. Beendet wurde die Versammlung mit dem vápnatak, dem Aufnehmen der Waffen. Während die Versammlung tagte, durften zwar Waffen mitgeführt werden, mußten aber mit Friedensbändern (friðbönd) festgebunden sein, um den Träger von ihrem Gebrauch abzuhalten. In der Gísla saga erscheinen die beiden jungen Söhne von Vésteinn Vésteinnsson unerkannt zum regionalen þing und treffen dort Þorkell Súrsson, der zuvor ihren Vater erschlagen hat. Sie beglückwünschen ihn zu seinem schönen Schwert und bitten ihn, es sich ansehen zu dürfen. Þorkell reicht ihnen das Schwert in der Scheide, woraufhin Bergr, der ältere Bruder, die Friedensbänder löst und die Waffe zieht. Þorkell sagt: „Ich habe dir nicht erlaubt, das Schwert zu ziehen“, worauf der junge Mann antwortet: „Ich habe dich nicht darum gebeten“, und Þorkell den Kopf abschlägt.
Während des Aufenthalts im þing lebten goðar und ihre þingmenn in búðir, einer Art Hütten mit steinernen Fundamenten, die, solange das þing tagte, mit einem provisorischen Stoffdach abgedeckt wurden. Jeder goði hatte die Pflicht, Hüttenplätze für seine Männer zu schaffen. Permanente Gebäude gab es auf der þing-Stätte kaum oder gar nicht. Andere Besucher lebten in Zelten, und einige Kaufleute hielten sich vielleicht ihre eigene Hütte. Denn neben den Teilnehmern, die an Rechtsprechung und Politik mitwirkten, zog das Alþing Kaufleute, Handwerker und Hausierer jeglicher Art an. Die jährliche Versammlung war eine Zeit, in der Hochzeiten vereinbart, Bündnisse geschmiedet und gebrochen, Freundschaften erneuert, Klatsch und Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Es werden gut 1000 Menschen gewesen sein, die regelmäßig zum Alþing kamen, und viele weitere besuchten wichtige oder strittige Sitzungen.
Fortsetzung: Teil 2
* * *
Neue Kommentarpolitik auf „Morgenwacht“: Wie bereits hier unter Punkt 1 angekündigt, am Schluß dieses Kommentars wiederholt als Absicht geäußert und in diesem Kommentar endgültig festgelegt, werden neue Kommentatoren nicht mehr zugelassen und sind die Kommentarspalten nur noch für die bereits bekannte Kommentatorenrunde offen.
Lucifex
/ Dezember 22, 2020In diesem knapp halbstündigen Video führen Matt Stagmer und Ilya Alekseyev das Schmieden einer Wikinger-Speerspitze – so nahe wie ihnen möglich an historischen Materialien und Methoden – vor:
Die Musik dazu ist von Epidemic Sound.
xyz
/ Dezember 22, 2020Ok, du blödes arrogantes Asshole 😉 !
Die ‚Wikinger‘ waren PHÖNIZIER-aber das kann latürnich für dich bladen AssFicker NICHT sein, stimmt’S?
Denn, die Phönizier sind JA plötzlich VERschwunden. Blubb, und weg waren’s mal. OK, du blader Affe, Versuch war es wert-ABER, leider…ist NIEMAND an der Wahrheit interessiert.
KAINen lieben Gruss
hildesvin
/ Januar 3, 2021Könnte es sein … ich halte beides für möglich – daß dieses Etwas „echt“ ist, und es im Rahmen seines geringen Witzes „ehrlich“ meint – oder, daß diese Absonderungen von interessierter Seite erzeugt und getan wurden. Nichts spricht absolut dafür – oder dagegen.
Wenn es „echt“ sein sollte – Mit Oscar dem Griesgram: Schön scheußlich.
Anderenfalls aber auch.
Lucifex
/ Dezember 24, 2020Den obigen Kommentar von „xyz“ habe ich ausnahmsweise freigeschaltet, damit ihr wieder einmal einen Eindruck davon bekommt, was für „nette“ Dumpfbirnen ab und zu gegen das Untergrund-Schutzfeld meiner eigenen kleinen „Station Greywater“ stoßen.
Die Wikinger waren also Phönizier… soso, und deshalb hatten sie wohl ihre eindeutig germanische Sprache und Kultur und wie ihre heutigen Nachfahren häufig blonde/helle Haare und blaue Augen – ach ja, das versuchen uns ja manche in der heutigen (((Mainstream-Wissenschaft))) zu „widerlegen“.
Ungeachtet dessen, was man sonst von den Antifanten halten mag und zu welchen Taten sie imstande sind, bezweifle ich schon sehr, daß es bei denen so dermaßen schreiend dumme Leute gibt wie so oft unter den Rächzspacken.
Dieser Wahrheitsarsch (um mir eine Wortschöpfung von B-Mashina auszuborgen) ist deshalb so sauer auf mich, weil ich an seinem ersten Kommentar voller „Sprengstoff an Wahrheit“ desinteressiert war. Darin ging es um Enthüllungen (oder „Enthüllungen“ – ich habe weder Zeit noch Lust noch Möglichkeiten, das alles nachzuprüfen), welche Blogs und deren Betreiber Honigtöpfe, Desinformanten, Juden etc. sein sollen.
Fürs Protokoll: Mir ist völlig wurscht, wer in der deutschen Spackosphäre irgendwas von dem obigen ist oder einfach nur von solchen beeinflußt, verblendet und dazu noch naturblöd und eine Problempersönlichkeit ist! Für mich ist dieses ganze Segment intellektuell und menschlich einfach DRECK, und solche Kommentare wie die von „xyz“ bestätigen mir nur wieder einmal, was ich schon in diesem Kommentar (weiter unten, unter der Zwischenüberschrift „Die Spackosphäre“) hauptsächlich auf Basis der Beobachtungen von Osimandia und anderer AdS-Admins geschrieben habe:
Natürlich haben meine Leser und ich auch mit der Teutoburgswaelderin schon Erfahrungen gemacht – siehe z. B. ab diesem Michelbeschimpfungskommentar von ihr bis zu meinem Abfertigungskommentar an sie. Vielleicht ist sie eine Jüdin, wie „xyz“ behauptet, vielleicht auch nicht; Leute wie sie sind für unsere Sache so oder so eine Last.
Aber deswegen würde ich trotzdem keinen Doxing-Kommentar über sie freischalten, und das wäre ja auch eine leichte Masche für irgendwelche Zersetzer, mit Kommentaren zu kommen wie „Hey, ich bin ein bösartiger Landsknecht – meist derb und dreinschlagend-zumal alles voll von Lügenblogs nebst Kommentatoren ist […] Meine ABSOLUTE Intention bestand IMMER darin, Wissen zu wollen-UND nur DEM, dem Wissen wollen, der Wahrheit bin ich verpflichtet! […] die Soundso ist eine Jüdin, heißt in Wirklichkeit so, hat diesen Künstlernamen und jenes andere Netzalias […] ich hab noch viel mehr, schalte diesen Kommentar frei…“
Ich könnte ja gar nicht überprüfen, ob solche „Enthüllungen“ wahr sind oder nicht, und so wie ich schon zu AdS-Zeiten weder Lust noch Interesse hatte, die Blogosphäre zu beobachten und mich zu diesem oder jenem zu äußern, habe ich auch zu solchen Überprüfungen oder gar einem Mailaustausch mit angeblichen „Wahrheitsvermittlern“ NULL BOCK!
Wie erinnerlich, wollte ich eigentlich nichts mehr tun außer diesen Blog als Archiv zu bewahren, und an dem gemessen tue ich sowieso schon wieder zu viel. (Warum ich das bisher getan habe, wird die wenigsten hier interessieren.)
NACHTRAG: noch ein Ratschlag von Meister Yoda:
…und das an diejenigen, die es betrifft: