Roots: Die Vorgeschichte

Africa and Africans in the Making of the Atlantic World

Von Penelope Thornton, übersetzt von Deep Roots. Das Original Roots: The Prequel erschien am 7. September 2010 im Occidental Observer.

„Roots“ kam 1977 heraus. Der  Fernsehfilm erzählte die Geschichte des nun berühmten Afrikaners Kunta Kinte, der von weißen Männern gefangen und versklavt und nach Amerika gebracht wurde, wo er als Sklave lebte. Er wird gefangen, während er draußen im Wald ist, wo er einen passenden Baumstamm sucht, um daraus eine Trommel für seinen jüngeren Bruder zu machen. Er ist frei und glücklich und hat gerade seine Ausbildung zum Mann abgeschlossen. „Roots“ wurde ein Klassiker. Man könnte sogar sagen, daß er das Verständnis der amerikanischen Öffentlichkeit von der Sklaverei definierte.

Der Film deutet schon an, daß es afrikanische „Verräter” gab, die ihre Mit-Afrikaner in die Sklaverei verkauften, vermutlich eine eigentümlich weiße Institution. Jedoch stellen neuere Forschungen diese beschränkte Sicht in Frage.

Wie diese Wissenschaftler es sehen, war die Sklaverei in der afrikanischen Gesellschaft heimisch und weit verbreitet, wie es natürlich auch ein Handel mit Sklaven war. Die demographische Auswirkung war, wenn auch bedeutend, lokal und schwer von den Verlusten durch interne Kriege und den Sklavenhandel auf dem heimischen afrikanischen Markt zu trennen. Jedenfalls erlitten die Entscheidungsträger, die den Handel fortbestehen ließen, ob sie nun Händler oder politische Führer waren, nicht die größeren Verluste und waren in der Lage, ihre Operationen aufrechtzuerhalten. Folglich braucht man nicht zu akzeptieren, daß sie gegen ihren Willen zur Teilnahme gezwungen wurden oder die Entscheidungen in irrationaler Weise trafen.

Dieses Zitat stammt aus dem Buch Africa and Africans in the Making of the Atlantic World, 1400–1800 von Prof. John Thornton. Es wurde 1992 von der Cambridge University Press veröffentlicht.

Das Buch erklärt weiters, daß im Unterschied zum europäischen Konzept von Land als Reichtum auf dem afrikanischen Kontinent Menschen die Form des Reichtums waren.

Die Sklaverei war im atlantischen Afrika weit verbreitet, weil Sklaven die einzige Form von privatem, Einkommen produzierendem Eigentum waren, die im afrikanischen Recht anerkannt wurde. Im Gegensatz dazu war in europäischen Rechtssystemen Land die hauptsächliche Form von Einkommen produzierendem Eigentum, und die Sklaverei war relativ unbedeutend…

Daher war es das Fehlen von privatem Landeigentum – oder, um genauer zu sein, es war der Gemeinschaftsbesitz von Land – der die Sklaverei zu solch einem beherrschenden Aspekt der afrikanischen Gesellschaft machte. ….

Eine häufige Art, das afrikanische Recht mit dem Konzept zu vereinbaren, daß Landbesitz ein natürlicher und wesentlicher Teil der Zivilisation sei, war, afrikanisches Land in Afrika als im Besitz des Königs befindlich zu bezeichnen (als Stellvertreter für den Gemeinschaftsbesitz durch den Staat).

Und die Nutzung von Sklaven war kein seltener oder nebensächlicher Teil der afrikanischen Gesellschaft. Dieser Text, der sich auf den Kongo bezieht, wies darauf hin, daß Steuern vom „Oberhaupt“ eingehoben wurden. Und in Benin wurde die gesamte Bevölkerung als „Sklaven des Königs“ betrachtet.

In Afrika wurden Menschen anstelle von Land besteuert. In einer der Szenen von „Roots“ wird klargemacht, daß Kunta Kinte eine Frau liebt, die auf der Überfahrt in die Kolonien vergewaltigt worden ist. Aber das Konkubinat oder der Gebrauch versklavter Frauen für den Sex begannen nicht im neuen Land. Der Film zeigt das Dorfleben in Afrika in idyllischer Weise, aber es gab andere Realitäten.

Und ich zitiere:

Eine weitere bedeutende Institution der Abhängigkeit war die Ehe, wo Ehefrauen allgemein ihren Männern untergeordnet waren. Manchmal wurden Frauen in großem Maßstab als Arbeitskräfte benutzt. Zum Beispiel merkte Bonaventura de Firenze im Jahr 1656 in Warri an, daß der Herrscher einen beträchtlichen Harem von Ehefrauen hatte, die Stoffe für den Verkauf produzierten. In ähnlicher Weise wurden die Ehefrauen des Königs von Whydah, die über tausend an der Zahl gewesen sein sollen, ständig in der Herstellung eines besonderen Stoffes beschäftigt, der exportiert wurde.

Es gibt jene, die zugeben, daß Sklaverei in Afrika praktiziert wurde, aber behaupten, daß die Sklaverei der Neuen Welt einzigartig und erbarmungslos brutal war, und jene Afrikas vergleichsweise fast milde war.

Aber ich zitiere wieder:

Jedenfalls zeigt Valentim Fernandes’ Beschreibung der Sklavenarbeit in Senegambia um 1500, einer der wenigen ausdrücklichen Texte über die Natur der Sklavenarbeit, daß Sklaven, die in der landwirtschaftlichen Produktion arbeiteten, einen Tag in der Woche auf eigene Rechnung arbeiteten, und den Rest für ihren Herrn, ein Regime, das identisch mit dem für Sklaven war, die im selben Zeitraum in portugiesischen Zuckerfabriken auf der Inselkolonie Sao Tome dienten.

Kunta Kinte ist ein Mandingo. Das Wort selbst bedeutet „Krieger“ und ist auch mit sexuellen Fähigkeiten konnotiert. Daß so viele Krieger in Afrikas Kriegen zwischen Stämmen als Sklaven gehalten wurden, könnte vielleicht einen indirekten Einfluß auf den Einsatz von Afrikanern als Söldner in Südamerika zu einer späteren Zeit in der Geschichte gehabt haben.

In Erörterung der Kriege auf dem afrikanischen Kontinent zu dieser Zeit sagt Prof. John Thornton:

Diese Kriege scheinen nicht wegen territorialer Erweiterung geführt worden zu sein; obwohl uns Chronikquellen aus der Sudanregion fehlen, um dies zu bestätigen, gab es in Sierre Leone bestimmt keine Konsolidierung als Ergebnis von Krieg. Aber wie Velor ebenfalls bezeugte, wurden Sklaven in der heimischen Wirtschaft genutzt, um das persönliche Einkommen des Herrschers zu steigern, und vielleicht kann dies für sich genommen die Neigung zu Kriegen erklären, die den Reichtum nicht durch Annexion von Land erhöhten, sondern durch die Annexion und den Abtransport von Menschen.

Und noch einmal muß klargestellt werden, daß die Sklaverei in Afrika nicht bloß eine Reaktion auf europäische  Nachfrage war, sondern vor einer solchen Nachfrage existierte und ziemlich unabhängig davon war.

Ich zitiere wieder:

Obwohl manche dieser Überfälle vielleicht auch unternommen wurden, um europäische Nachfrage zu bedienen, gab es diese Nachfrage zusätzlich zur größeren Nachfrage nach Sklaven für die heimische Nutzung wie auch für den Export.

Viele Afrikaner behielten weibliche Sklaven aus den Überfällen und verkauften die Männer, weil der Atlantikhandel oft mehr Männer als Frauen verlangte. Die Bissagos-Insulaner hielten viele Sklavinnen, und Beobachter glaubten, daß buchstäblich alle produktive Arbeit von Frauen erledigt wurde.

Und sobald die Sklaven in die Amerikas gebracht wurden, veränderten sie die gesellschaftliche Landschaft. Die Arbeitsverpflichteten, die nach manchen Schätzungen 70 Prozent der Europäer ausmachten, die nach Amerika einwanderten, wurden langsam durch afrikanische Sklaven ersetzt.

 In Barbados zum Beispiel brachte das Zuckerrohr, sobald es als Exportgut einen Aufschwung erfuhr, jenen Vermögen ein, die darin investierten, was es ihnen ermöglichte, ihre Arbeitsverpflichteten durch die teureren, aber zufriedenstellenderen Sklaven zu ersetzen und dann verfügbares Land von den verbleibenden freien Bauern aufzukaufen, was die Demographie der Insel allmählich von einer der europäischen Siedler zu einer aus afrikanischen Sklaven und europäischen Besitzern verwandelte.

Die Gepflogenheit der reichen Landbesitzer, handwerklich ausgebildete Sklaven zu Gebühren unterhalb des Marktniveaus zu verleihen, beschnitt auch das Einkommen der freien Arbeiter. Somit war, auch wenn die Freiheit gewiß der Sklaverei vorzuziehen war, die praktische Realität für den Schuldknecht im kolonialen Amerika, sobald er frei war, eine der Härten, des Kampfes gegen große Widrigkeiten und der Arbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ziemlich wie jene des afrikanischen Sklaven.

Ein hugenottischer Reisender in Virginia im Jahr 1648 merkte an, daß auf einem Landgut, das er besuchte, der Herr große Baracken sowohl für seine Sklaven als auch seine Vertragsarbeiter unterhielt, was wenig Gemeinschaftsleben und strenge Disziplin für beide Arten von Arbeitern voraussetzte.

Das Buch erläutert in weiterer Folge die Komplexität des Lebens für all diese Arten von Arbeitern im kolonialen Amerika, wo kein einziges Modell all die Realitäten dieser Ära beschreibt. Manchmal wurden Sklavenfamilien getrennt, aber oft gab es aufgrund des Einflusses des Christentums einen Versuch, ein Familienleben unter den Sklaven zu schaffen und zu erhalten. Bestimmte wirtschaftliche Unternehmenszweige wie der Bergbau wurden von Männern dominiert, während bei anderen wie der Landwirtschaft die Geschlechterverteilung der Arbeiter gleichmäßiger war. Aber das ist so ziemlich das, wie es auch auf der nicht versklavten Seite der Wirtschaft gewesen wäre.

In den Anfangsszenen von „Roots“ wird das Publikum mit dem Kapitän des Sklavenschiffs, Thomas Davies, bekanntgemacht, dem Lord Liganier. Sein frommes Christentum wird unterstrichen wie auch sein Unbehagen wegen der Behandlung der Sklaven an Bord des Schiffes. Was aber ebenfalls klargemacht wird, ist, daß er sich trotz seines Christentums nicht für die Sklaven einsetzt. Somit wird dem Publikum gesagt, daß Christen die Gebote des Christentums bei ihrer Praktizierung der Sklaverei einfach ignorierten. Es wird auch unterstellt, daß der Import von Sklaven in das koloniale Amerika ein weißes, christliches Phänomen war.

Aber das ist in Wirklichkeit historisch nicht akkurat. Die Sklaverei ist nie eine ausschließlich europäische Institution gewesen. Das einzige Einzigartige an den Europäern und der Sklaverei ist, daß sie die einzige Gruppe waren, die sie beendet hat.

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Ein weiterer Artikel von Penelope Thornton: Die Entführung Jesu auf dem Weg zur Apokalypse

Siehe auch:

Amerika: das Land der Freien und Tapferen, oder des Oligarchen und des weißen Sklaven? von John Lilburne
Juden und die Sklaverei: Drei Bücher der Nation of Islam von Andrew Hamilton
Wie der Islam der Sklaverei und dem Sklavenhandel in Europa neues Leben einhauchte von John J. O’Neill
die Artikelreihe Caribbean Project von Hunter Wallace
Die Schuld des schwarzen Mannes von Alex Kurtagic

sowie „The History Of African Slaves In Africa“ von Thomas SowellTV:

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